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b) Nationalversammlung und Weimarer Reichsverfassung

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Die am 19. Januar 1919 gewählte Deutsche Nationalversammlung trat am 6. Februar 1919 in Weimar zusammen. Ihr gehörten 37 Frauen an. SPD, Zentrum und DDP waren die Wahlsieger. Sie hatten 331 von 423 Sitzen erreicht und waren von Beginn an die staatstragenden Parteien der Weimarer Republik (sog. Weimarer Koalition).

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Die Nationalversammlung war nicht nur eine verfassunggebende Versammlung, sondern eine mit allen Vollmachten ausgestattete Volksvertretung. Sie war das erste vollends demokratische, da auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruhende, deutsche Parlament. Die Nationalversammlung erließ Gesetze, kontrollierte die Regierung und entschied über die Annahme des Versailler Vertrages. Sie verabschiedete zunächst das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919[46] als Übergangsverfassung.[47] Die Parlamentsrechtsvorschriften der Reichsverfassung blieben nach § 5 des Gesetzes mit Ausnahme des Art. 25 RV in Kraft. Die Reichsregierung („Reichsministerium“) wurde vom Reichspräsidenten berufen und bedurfte des Vertrauens der Nationalversammlung (§§ 8, 9 Abs. 2 des Gesetzes). Die Nationalversammlung wählte Ebert am 11. Februar 1919 zum vorläufigen Reichspräsidenten. Er berief Scheidemann zum Ministerpräsidenten einer aus Mitgliedern von SPD, Zentrum und DDP gebildeten Regierung (Weimarer Koalition). Die Nationalversammlung beriet und beschloss am 31. Juli 1919 die Weimarer Reichsverfassung. Sie trat am 11. August 1919 in Kraft. Die Nationalversammlung tagte ab September 1919 im Reichstagsgebäude in Berlin. Der Bau hatte zuvor erst instandgesetzt werden müssen. Er war infolge der militärischen Belegung 1918/19 deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden.[48] Die Nationalversammlung war während der Berliner Phase ihrer Amtszeit umfangreich als Gesetzgeber tätig.[49] Der 1. Reichstag der Weimarer Republik wurde am 6. Juni 1920 gewählt. Er löste die Nationalversammlung am 24. Juni 1920 ab. Die Mehrheitsverhältnisse hatten sich entscheidend verändert: Die Weimarer Koalition hatte ihre Mehrheit bereits wieder eingebüßt und sollte sie bis zum Ende der Weimarer Epoche auch nicht wiedererlangen.

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Die Weimarer Verfassung richtete ein parlamentarisches System mit starken präsidialen Elementen auf. Sie knüpfte inhaltlich an die Oktoberreform der Schlussphase des Kaiserreiches an (s. Rn. 49 ff.). Der Reichstag war, soweit nicht besondere Befugnisse dem Reichspräsidenten übertragen waren, das oberste Verfassungsorgan.[50] Das Parlament konnte den Reichskanzler zwar nicht wählen, jedoch stürzen (Art. 54 WRV, sog. Parlamentarismusartikel). Die Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers und der Reichsminister oblag dem direkt gewählten Reichspräsidenten (Art. 53 WRV). Die Reichstagswahl erfolgte ausschließlich nach dem Verhältniswahlrecht (Art. 22 S. 1 WRV). Die Wahlperiode betrug – wie schon seit 1888 – vier Jahre (Art. 23 Abs. 1 S. 1 WRV), sofern der Reichstag nicht vom Reichspräsidenten aufgelöst wurde (Art. 25 WRV). Die Wahlperiode begann mit dem Wahltag.[51] Sie endete mit dem Ablauf von vier Jahren oder mit dem Zeitpunkt der Auflösung. Zwischen den Wahlperioden bestand eine „parlamentslose“ Zeit (vgl. auch Art. 27 WRV).

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