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d) Zurückdrängung des Reichstages ab 1930[63]

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Reichskanzler Hermann Müller (SPD), der eine lagerübergreifende Koalition angeführt hatte, trat am 27. März 1930 aus vergleichsweise nichtigem Anlass zurück. Die Anhänger eines autoritären Staates im Umfeld des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nutzten die Uneinigkeit der Parteien und begannen ihre politischen Vorstellungen zu verwirklichen. Der Reichspräsident suchte nun die Reichskanzler weitgehend ohne Fühlungsnahme mit den Reichstagsfraktionen aus. Die Zeit der sog. Präsidialkabinette begann. Sie war „die Auflösungsphase der ersten deutschen Demokratie“[64]. Die Reichsregierung Brüning (1930-32) wurde ab der verheerenden Reichstagswahl vom 14. September 1930 noch von der Parlamentsmehrheit aus SPD, Zentrum und kleineren Parteien unterstützt bzw. toleriert. Eine Regierungsbeteiligung der NSDAP sollte auf diese Weise verhindert werden. Die Kabinette von Papen (1932) und von Schleicher (1932/33) sowie das erste Kabinett Hitler (1933) stützten sich allein auf das Vertrauen des Reichspräsidenten. Recht wurde von 1930-33 in einer denkbar weiten Auslegung des Art. 48 Abs. 2 WRV häufig durch Notverordnungen gesetzt. Die Zahl der vom Parlament verabschiedeten Gesetze nahm gleichzeitig ab, dem korrespondierend die Zahl der Reichstagsdrucksachen.[65] Die von der Forschung ermittelten Zahlen für Notverordnungen und Parlamentsgesetze schwanken je nach Autor leicht.[66] Die Tendenz ist aber in allen Veröffentlichungen dieselbe: Standen 1930 einer Handvoll Notverordnungen noch 98 Parlamentsgesetze gegenüber, wurden 1931 schon etwas mehr Notverordnungen als Parlamentsgesetze erlassen. Im Jahr 1932 erließ der Reichstag nur noch fünf Parlamentsgesetze, der Reichspräsident hingegen rund 60 Notverordnungen.

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Der Reichstag und die demokratischen Parteien wurden, durch drei Neuwahlen in drei Jahren (davon zwei im Jahr 1932) und die Notverordnungspraxis, als politische Entscheidungsträger bis zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (30. Januar 1933) im Wesentlichen ausgeschaltet. Reichstagssitzungen fanden kaum mehr statt. Im Jahr 1932 trat der Reichstag nur dreizehnmal zusammen. Auch die Ausschüsse und die Fraktionen tagten nur noch selten. Die innenpolitische Machtbalance verschob sich von der Legislative zur Exekutive. Ein Verfassungswandel[67] von der parlamentarischen zur präsidialen Republik war zu beobachten.

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