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11. Verfassungsprozessuale Bedeutung der Geschäftsordnung

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Die GO-BT ist nur insofern Prüfungsmaßstab eines Verfahrens vor dem BVerfG, als sie im Organstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG die Grundlage für die Parteifähigkeit (und ggf. die Prozessstandschaft) von Organteilen darstellt.[94] Parteifähig sind danach z.B. Abgeordnete, Fraktionen (auch solche in Ausschüssen), Gruppen, Ausschüsse[95] und der Ältestenrat.[96] Parteifähig sind auch der Bundestagspräsident und der Wehrbeauftragte. Ihre Parteifähigkeit ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz: Die Verfassung verleiht dem Bundestagspräsidenten bestimmte Befugnisse (z.B. in Art. 39 Abs. 3, S. 2, 40 Abs. 2 GG). Die Parteifähigkeit des Wehrbeauftragten folgt aus seiner in Art. 45b GG festgeschriebenen Rolle als Hilfsorgan des Bundestages.[97]

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Gegenstand eines Organstreits können Geschäftsordnungsvorschriften und auf ihrer Grundlage erlassene Individualrechtsakte[98] als „Maßnahme“ i.S.d. § 64 Abs. 1 BVerfGG sein. Voraussetzung ist, dass sie beim Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermögen.[99] Maßstab der Prüfung, ob der Organstreitantrag begründet ist, ist aber allein die Verfassung. Geschäftsordnungsverstöße, z.B. im Gesetzgebungsverfahren oder bei der Besetzung eines parlamentarischen Amtes, die nicht zugleich einen Verfassungsverstoß darstellen, sind nach h.M. nicht justiziabel.[100] Mit anderen Worten: Wenn sich ein Verfassungsorgan oder -organteil auf ein Recht aus der Geschäftsordnung beruft, muss dieses Recht sich auch aus der Verfassung ergeben.[101] Die bloße Möglichkeit (abstrakte Gefahr) einer verfassungswidrigen Handhabung der Geschäftsordnung genügt im Organstreit nicht.[102] Das BVerfG muss vielmehr davon ausgehen, dass die Geschäftsordnung „fair und loyal“ angewandt werden wird.[103] Die Kontrolle von Geschäftsordnungsvorschriften ist auf Willkür begrenzt; zudem bleibt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Betracht.[104]

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Ob eine Geschäftsordnungsnorm im Wege der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG) überprüfbar ist, ist umstritten, aber zu bejahen.[105] Die GO-BT besitzt Rechtssatzqualität und gehört zum Bundesrecht. Sie kann daher überprüft werden. Prüfungsmaßstab ist aber – wie auch beim Organstreit – schon nach dem Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG allein das Grundgesetz.

§ 3 Rechtsquellen des Parlamentsrechts › V. Ungeschriebene Regeln

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