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Niro
ОглавлениеAls Daniel Niro am nächsten Tag aufwachte, spürte er zuerst den unglaublichen Muskelkater. Er kämpfte sich aus dem Bett und durchlief seinen morgendlichen Rhythmus. Duschen, Zähne putzen, anziehen, zur Arbeit gehen. Manchmal, wenn er darüber nachdachte, erinnerte ihn diese immer gleiche Reihenfolge an die Anweisungen einer Mutter.
Als Daniel durch den Schnee ging und die eiskalte Luft einatmete, fühlte er sich irgendwie lebendiger als sonst. Er dachte darüber nach, ob das daran lag, dass er am vorigen Tag zum ersten Mal seit langer Zeit einen sozialen Kontakt außerhalb der Arbeit geknüpft hatte. Luca Stahl und er hatten etwa eine Stunde zusammen trainiert und waren dabei ins Gespräch gekommen.
Luca war Anfang dreißig und Geschäftsmann. Daniel hatte es für taktlos gehalten, die dürftige Berufsbeschreibung zu hinterfragen. Hätte Luca mehr erzählen wollen, hätte er es selbstständig getan. Nachdem sie sich verabschiedet und vereinbart hatten, sich im Laufe der Woche noch einmal im Studio zu treffen, hatte Daniel gesehen, wie er in einem Porsche Panamera vom Parkplatz gefahren war.
Das Geschäft schien also gut zu laufen.
Als Daniels Magen knurrte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er blieb stehen und schaute in sein Portmonee. Einen Fünf-Euroschein und etwas Kleingeld hatte er dabei. Mehr als genug. Er ging in eine Bäckerei und kaufte sich ein belegtes Brötchen und einen Kaffee. Während er auf den Kaffee wartete, fiel sein Blick auf den Zeitungsständer.
„Mafia erschießt Polizisten“ lautete die Schlagzeile und Daniel überflog den Artikel. In einem Schnellimbiss wenige Minuten Fußweg von der Bäckerei entfernt war der Kommissar Lars Jenke am vorigen Tag durch einen Kopfschuss von hinten ermordet worden. Da er die Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen in der Stadt geleitet hatte, lag es beinahe auf der Hand, dass die Mafia selbst diese eindeutige Botschaft hinterlassen hatte.
Das ist Macht, dachte Daniel, alle haben Angst vor diesen Männern.
Daniel war so in den Artikel vertieft, dass er erst nach der zweiten Bemerkung der Kassiererin merkte, dass sein Kaffee fertig war. Er bezahlte, nahm sein Frühstück und verließ die Bäckerei.
Auf dem Weg zur Arbeit genoss er das Brötchen und den heißen Kaffee. Das war Luxus, den er sich nicht alle Tage gönnte.