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Jenke
ОглавлениеEs war immer derselbe chinesische Imbiss, den Kommissar Lars Jenke montags in seiner Mittagspause besuchte. Er lebte allein und konnte nicht kochen, sodass ihm nichts anderes übrigblieb, als jeden Tag irgendwo essen zu gehen. Der Tisch, den er als seinen Stammtisch betrachtete, war besetzt, sodass er sich abseits an einen anderen setzen musste. Er bestellte bei der netten Asiatin eine Portion Bratnudeln und eine Cola. Als sie ihm sein Getränk brachte, nahm er einen großen Schluck und lehnte sich dann zurück. Sein Tag war bislang verdammt anstrengend gewesen, aber die Arbeit zahlte sich langsam aus.
Jenke leitete ein Team von Polizisten, das damit beauftragt war, Beweise für eine Verhaftung des Untergrundbosses Heinrich Kettler zu finden. Jeder in der Stadt kannte den Mann und jeder wusste, wer er war, aber es gab trotzdem keinerlei Indizien, die seine kriminellen Machenschaften bewiesen.
Kettler war in beinahe jeder illegalen Branche aktiv, die man sich vorstellen konnte. Drogen, Prostitution, Schutzgelderpressung. Darüber hinaus pflegte er Verbindungen zu wichtigen Wirtschaftsbossen, Juristen und Politikern, was ihn beinahe unantastbar machte.
Jenke hatte es sich dennoch zum Ziel gesetzt, diesen Mann hinter Schloss und Riegel zu bringen und er hatte in den letzten Wochen große Fortschritte gemacht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er Kettler vor Gericht stellen konnte.
Durch ein Fenster sah er, dass es draußen wieder schneite. Einen so kalten Winter hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Die Asiatin brachte ihm strahlend einen großen Teller mit Nudeln. Er lächelte dankbar und begann dann zu essen. Er dachte gerade über den sehr gelungenen Geschmack seiner Mahlzeit nach, als ein hochgewachsener, bulliger Mann in einem langen, grauen Mantel den Imbiss betrat und an ihm vorbei Richtung Toiletten ging. Kurz wunderte sich der Polizist noch, dass er das leichte Schleifgeräusch nicht vernahm, das die Toilettentür beim Öffnen sonst immer machte, dann drang eine 9-mm-Patrone in seinen Hinterkopf ein. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die anderen Gäste realisierten, was passiert war. Dann jedoch begannen die panischen Schreie.
Der Mann im Mantel war bis dahin schon wieder in den grau-weißen Schneewehen verschwunden.