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Niro

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Daniel Niro war lange vor Sonnenaufgang auf der Arbeit gewesen und hatte erst kurz vor Sonnenuntergang Feierabend. Er war müde und fühlte sich ausgelaugt. Dennoch beschloss er, eine Stunde ins Fitnessstudio zu gehen, um auf andere Gedanken zu kommen.

Er gab dem Studiobesitzer zur Begrüßung die Hand, zog sich um und stieg auf ein Laufband. Er brauchte und liebte den Schmerz, kurz bevor die Muskeln versagten und das Pochen des Herzens nach einer Minute Dauersprint. Was er am meisten schätzte, während er Sport trieb, war die Tatsache, dass er alles andere für eine Weile vergessen konnte. Er vergaß Dinge, die ihn ansonsten den ganzen Tag begleiteten. Dass er bald fünfundzwanzig Jahre alt werden würde, sich aber manchmal fühlte, als wäre er fünfzehn Jahre älter. Dass er seit Jahren einen Job machte, der körperlich anstrengend, aber sehr schlecht bezahlt war. Dass er in einer Bruchbude lebte, in der mitten im kältesten Winter die Heizung nicht funktionierte. Und vor allem, dass er das alles hinnahm, ohne den bleibenden Willen aufzubringen, etwas zu ändern. Ihm fehlten die Motivation und die Perspektive. An schlechten Tagen sah er sich im Spiegel an und sein Unterbewusstsein nannte ihn, ohne dass er etwas dagegen tun konnte, einen Versager.

An ganz schlechten Tagen stimmte er sogar zu.

Als er sich auf die Flachbank legte und mit gekonnter Leichtigkeit die Langhantel hochpresste, hörte er hinter sich eine Stimme:

„Du solltest das Gewicht etwas erhöhen. Besser du machst wenige schwere Wiederholungen, als viele leichte.“

Daniel drehte sich um und kam sich auf einmal kleiner vor, als er war. Ihm gegenüber stand ein wahrer Riese, auf den ersten Blick schätzte ihn Daniel auf knapp zwei Meter. Seine blonden Haare waren auf wenige Millimeter herunter geschoren und er hatte einen überlegenen, wenn auch etwas leeren Ausdruck im Gesicht.

„Wie kommst du darauf, dass ich mehr Gewicht schaffe?“, fragte ihn Daniel.

„Weil man immer mehr schafft, als man denkt“, antwortete der Hüne und streckte ihm die Hand entgegen.

Das war das erste Mal, dass Daniel auf Luca Stahl traf. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Ahnung, dass diese Begegnung sein ganzes Leben verändern würde.

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