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1.2 Selbstdenken ist ein Menschenrecht (Kant)

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Selbstdenken nicht nur aus pragmatischen Gründen. Der Denker der Aufklärung, Immanuel Kant, sieht aber noch einen anderen Grund dafür, dass jede Generation selbst und immer wieder neu die Wahrheit suchen soll.

Hintergrund: Aufklärung meint seit dem 18. Jahrhundert die Ablösung aus den alten Bindungen an die staatliche und kirchliche Obrigkeit, stattdessen setzt man auf laufende Fortschritte durch rationales Denken und Wissenschaft; starkes Bewusstsein von Freiheit und Menschenrechten (siehe Kap. 11.2).

In der Aufklärung voranzuschreiten, so sagt Kant, das sei ein Menschenrecht. Exemplarisch lässt sich dieser Zusammenhang in Kants Schrift Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Von 1784 gut nachvollziehen.

Ein Zeitalter kann sich nicht verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muß, seine […] Erkenntnisse zu erweitern, von Irrthümern zu reinigen und überhaupt in der Aufklärung weiter zu schreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten besteht; und die Nachkommen sind also vollkommen dazu berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und frevelhafter Weise genommen, zu verwerfen. (Kant 1923, 39)

Selbstdenken als Menschenrecht. Kant fragt sich selbst und damit uns, seine Leser:innen, ob nicht etwa eine oberste Versammlung von Expert:innen ein für alle Mal entscheiden könnte über die wichtigsten Fragen der Gesellschaft, um auf diese Weise tragfähige Antworten festzuschreiben? Kants Antwort ist eindeutig: Nein, dies sei auf keinen Fall möglich und solle auch nicht versucht werden.

Hintergrund: Mehr als 150 Jahre später, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen (1948) heißt es: Artikel 18: Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit […]. Artikel 19: Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung […] (https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erklärung_der_Menschenrechte, 19.07.2021).

Welche Gründe nennt Kant für seine Ablehnung? Im Text lassen sich, so scheint mir, zwei verschiedene Gründe für die Ablehnung finden: Zum einen ist da, eher zwischen den Zeilen angedeutet, aber für den Forschrittsdenker Kant typisch, der eben ausführlich dargestellte pragmatische Grund. Aufgrund der Dynamisierung der modernen Gesellschaft kann eine Generation, wie geschildert, unmöglich ein für alle Mal für die nächste entscheiden. Der andere Grund, von Kant explizit vertreten, ist grundsätzlicher Natur. Es gehöre zu menschlichem Leben notwendig ein Recht, durch eigenes Nachdenken immer weiter voranzuschreiten. Dieses Recht leite sich sogar aus der Natur des Menschen ab. Kant behauptet also nicht weniger, als dass die Aufklärung und das Fortschreiten in der Aufklärung zum Menschsein selbst dazugehören. Es geht um ein Menschenrecht: das Recht auf Selbstdenken, auf Selbstbestimmung und auf den eigenen Fortschritt im Denken.

Die Idee der Aufklärung: Bildung zum Selbstdenken ist notwendig, um ein Recht zu verwirklichen, welches der Mensch von Natur aus besitzt, nämlich das Recht auf Selbstdenken und Selbstbestimmung.

Bildungsphilosophie für den Unterricht

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