Читать книгу Obsession - Piedro Vargas Koana - Страница 8
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„Eine gut ausgeführte Fellatio blieb, so nutzlos sie auch auf lange Sicht war, ein wahres Vergnügen; und das zu leugnen, dachte Michel, während er in seinem Katalog die Seiten mit der Damenunterwäsche durchblätterte, wäre unvernünftig gewesen.“
Michel Houellebecq, Elementarteilchen.
Irgendwie bin ich konfus. Ich höre Musik, obwohl kein Gerät eingeschaltet ist. Mal ist es dunkel, dann wieder hell. Sind es die Straßenlampen? Autos mit aufgeblendeten Scheinwerfern? Ich schüttle den Kopf, um wieder klar denken zu können. Habe ich zu viel Wein getrunken?
Mein Weg führt mich über enge Landstraßen nach Bad Homburg. Die Musik des Konzerts hallt in meinem Kopf nach. Ich sehe den Saxofon-Spieler. Er schwingt sein Instrument wie ein Fallbeil im Rhythmus der Musik.
Ich biege nach links in eine Straße ein und sehe auf einmal diesen olivgrünen Polo vor mir fahren. Er wirkt auf merkwürdig groß, aufgebläht. Der Beifahrersitz ist leer. Sie hat ihren Bekannten wohl nach Hause gebracht. Ich hefte mich an die Fersen des Autos und lasse es nicht mehr aus den Augen.
Durst stellt sich ein. Wo ist meine Trinkflasche? Sie kullert im Fußraum vor dem Beifahrersitz hin und her. Klack, klack. Die Töne passen nicht zur Musik, die sich in meinem Kopf festgesetzt hat und stören. Die Flasche ist ganz nach vorne gekullert beim letzten Bremsen. Also gebe ich kurz und heftig Gas, damit sie nach hinten rollt. Ich nähere mich dem Polo. Schnell bücke ich mich nach unten, um die Flasche aufzuheben und richte mich wieder auf. Der Polo bremst urplötzlich. Ich bin zu nah!
Es kracht. Meine Reaktion hat nicht ausgereicht, um den Zusammenstoß zu vermeiden.
Gelähmt sitze ich in meinem Auto. Ihr Gesicht starrt durch die Seitenscheibe. Wie kann eine Frau so schön sein? Sie wirkt gar nicht aggressiv, sondern besorgt. Leise höre ich ihre Stimme. „Was ist mit Ihnen?“ Ich kann mich nicht bewegen. Sie rüttelt an der Fahrertür, die aber klemmt. Dann rennt sie um das Auto herum und öffnet die Beifahrertür. Nun höre ich sie lauter. „Alles o.k.?“
Sie streckt ihren Kopf ins Auto. Ich kann ihren Atem riechen. Apfelsaftschorle. Ich nicke, weil mir der Duft gefällt. Sie setzt sich auf den Beifahrersitz.
Warum kann ich mich nicht bewegen? Der Airbag hat sich aufgepustet, stelle ich nun fest. „Der Airbag“, sage ich.
Sie greift an meine Seite und versucht, den Gurt zu lösen. Dabei stützt sie sich mit ihrem rechten Arm auf meinen Oberschenkel und kommt mir sehr nahe. Schon beim Apfelsaftgeruch hat sich bei mir eine Erektion gebildet. Die Gefahr. Der Duft. Die Frau meiner Träume.
Ihr Gesicht kommt mir nahe. Das Gurtschloss klemmt. Sie rüttelt daran. Ich küsse sie.
Sie schreckt zurück und gibt mir eine Ohrfeige. Versucht es zumindest. Es ist alles sehr eng. Ihr Schwung lässt sie leicht nach vorne kippen. Sie stützt sich auf meinem Oberschenkel ab und spürt meine Erektion. Nun hält sie inne. Auch ich halte den Atem an.
„Was geschieht hier?“
Wie viele Chancen würde ich noch brauchen?
„Ich liebe dich.“
Sie lacht hysterisch.
„Spinnst du?“
„Nein!“
Ihre rechte Hand liegt immer noch an meinem Oberschenkel, direkt im Kontakt mit meinem Penis. Sie zögert.
“Du fährst auf mein Auto. Rammst es. Im Konzert hast du mich an der Bar beobachtet. Warum verfolgst du mich?“
Interessant. Sie hat also meine Verfolgungsjagd bereits während des Konzerts wahrgenommen. Ich antworte schlicht:
„Weil ich dich liebe.“
Ich sitze völlig regungslos. Airbag, Gurt und meine Nervosität halten mich fest. Auch sie liegt halb auf mir.
Kann sie sich nicht mehr richtig halten? Ermüden ihre Rückenmuskeln? Oder ist es Zufall? Eine andere Erklärung kommt mir nicht den Sinn. Ihre rechte Hand rutscht jedenfalls langsam vom Oberschenkel in die Mitte meiner Beine und drückt auf den Penis. Ich stöhne auf.
Da ich mich nicht bewege und keine typischen männlichen Macho-Sprüche mache, so meine Erklärung, macht sie weiter. Sie öffnet meine Hose und befreit meinen Penis aus seinem Gefängnis. Er springt ihr entgegen. Sie nimmt ihn in ihre Hände und massiert ihn. So langsam, dass ich nicht weiß, ob sie überhaupt etwas tut. Weil ich nicht möchte, dass sich an dieser Situation überhaupt etwas ändert, halte ich still. Ganz still. Erstarre völlig. Mein Penis folgt diesem Muster und wird immer härter. Granit ist weich dagegen. Mein Höhepunkt kommt näher. Kurz davor nimmt sie meinen Schwanz in den Mund und wird auf einmal zu einem schwarzen Panther mit messerscharfen Zähnen. Sie beißt zu!
Ich schnelle im Bett nach oben. Welch ein Alptraum! Keuchend erhole ich mich langsam, während eiskalter Schweiß den Rücken hinunterrinnt.
Langsam lasse ich mich wieder ins Bett sinken. Soll ich der Angst nachspüren oder der sexuellen Begierde? Beide Gefühle streiten in mir. Die Erschöpfung trifft die Entscheidung und legt mich flach. Mein Atem beruhigt sich, meine Gefühle tun es nicht. Minuten später übernimmt mein Bewusstsein wieder die Verantwortung. Ich stehe auf und dusche. Heiß. Kalt. Ein Plan entsteht.
Nun warte ich ungeduldig. 9.00 Uhr. Vorher kann ich meinen Freund nicht anrufen. Er ist Langschläfer. Vor Mitternacht geht er nie ins Bett.
„Brockmann?“
„Thomas, hier ist Piedro.“
„Hi, wie geht es dir? Und überhaupt, wieso rufst du so früh an?“
„Bist du wach oder bist du wach?“
„Na ja, halb, halb.“
Ich grinse. „Thomas, du selbst hast 9.00 Uhr gesagt.“
Thomas ist Anwalt und Notar. Vor allem aber Jazzfan. Wir haben viele Konzerte gemeinsam gehört. Während des Studiums. Im Jazzkeller. In der Brotfabrik. Beim deutschen Jazzfestival. Ich berichte ihm vom Konzert, das ich gestern in der Brotfabrik gehört habe. Charlie Mariano am Saxofon, Joe Zawinul an den Keyboards. Thomas war leider verhindert gewesen, sonst wären wir gemeinsam dorthin gegangen. Ich versuche, ihm die Musik und Atmosphäre des Konzerts in Worten wiederzugeben. Es funktioniert nicht. Er spürt es.
„Was ist? Du wirkst so konfus?“
Ich erzähle ihm von der Frau und nenne ihm das Kfz-Kennzeichen. Für ihn als Anwalt ist es kein Problem, die Adresse des Fahrzeughalters zu erfahren.
Er lacht. “Du bist verliebt!“
Verliebt? Nein, das stimmt nicht. Es ist anders. Ich kann es nicht beschreiben und schweige.
Thomas ist nicht nur ein guter Freund. Auch ein guter Anwalt. Und ein Gedankenleser. Beide Seelen streiten wohl in seiner Brust als er sagt: „Da geht dein südamerikanisches Temperament mit dir durch. Das dürfen wir in Deutschland nicht.“
Was soll ich sagen? Es ist wie eine Bestimmung, der ich nicht ausweichen kann. „Sie oder keine andere.“
Ich muss es wohl mit so viel Bestimmtheit gesagt haben, dass sich Thomas für meine Befreiung entscheidet.
„Morgen rufe ich dich an und sage dir, wo sie wohnt. Das ist es doch, was du von mir willst?“