Читать книгу Obsession - Piedro Vargas Koana - Страница 9
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Am nächsten Tag. Ich habe ihre Adresse. Was soll ich tun?
Hinfahren. Sturm klingeln. Sagen meine stürmischen Gefühle.
Nein, sagt mein Verstand. Sie würde mich als Versicherungsvertreter oder Postbote oder schlichtweg Störenfried abweisen. Chance vertan, vermutlich für immer.
Kopf einschalten. Ja, und? Wenn er leer ist? Ich schaue aus dem Fenster und sehe auf eine Dornenhecke. Nicht gerade tröstlich. Mir fällt partout nichts ein.
Ab in die Küche. Kaffee kochen. Die Maschine rattert, als der Kaffee gemahlen wird. Die Milch schäume ich mit dem Schneebesen auf. Eine Idee entsteht. Später genieße ich langsam den herb-bitteren Geschmack nebst zwei Cantuccinis.
Ich setze mich an mein Notebook und fange an zu tippen. Jeden Satz überlege ich mit Bedacht. Es dauert eine Weile. Ich nehme mir Zeit. Schließlich geht es um ein großes Ziel: mein Leben! Dann lese ich den Brief wieder und wieder. Er gefällt mir. Ich trinke den mittlerweile kalt gewordenen Kaffee. Nun schreibe ich den Brief mit Füller auf feines Büttenpapier.
Liebe Anja,
was würdest du in folgendem Fall tun?
Nimm´ bitte einmal an, du hättest einen Hauch von einem Duft verspürt. Ein Duft, der in dir etwas berührte, eine Saite zum Schwingen brachte. Leider war dieser Eindruck nur sehr flüchtig. Du glaubst, dass die Erinnerung von Tag zu Tag schwächer werden wird; und du wartest, dass diese Erwartung auch eintritt. - Tage, Wochen später stellst du fest, dass dem nicht so ist. Der Duft, so schwach er auch zu spüren war, lässt dich nicht los. Du möchtest ihn wieder spüren. Um vielleicht festzustellen, dass der erste faszinierende Eindruck sich bestätigen könnte.
Was würdest du tun? Dich für das Vergessen entscheiden? Oder für das Warten, dass der Zufall dir diesen Duft wieder zuspielt? Oder aktiv etwas unternehmen?
Deine Antwort interessiert mich sehr. Ich möchte dir über mich sagen, dass ich mich für die Aktivität entschieden habe; sonst hätte ich diesen Brief nicht geschrieben.
Wenn auch mein Eindruck von dir nur ein sehr flüchtiger war, so ist doch etwas hängengeblieben, was mich nicht loslässt. Allerdings habe ich mehr aufgenommen als nur ein oberflächliches Bild. Das wäre mir auch zu wenig. So glaube ich, dich ein wenig zu kennen: Aus der Art, wie du deinen Kopf hältst, wie du gehst, wie du schaust - glaube ich etwas ableiten zu können über deine Persönlichkeitseigenschaften. Gleichfalls aus deiner Stimme und der Art wie du sprichst. Oder aus einem nur kleinen mir bekannten Teil deiner Interessen (und gerade dieser Teil ist mir sehr sympathisch).
Und aus allem habe ich für mich den Schluss gezogen (und mir Mut gemacht), dass du diesen Brief zumindest lesen und dir deine Gedanken machen wirst. Ich glaube auch, dass du ein wenig neugierig bist (im positiven Sinne). Vielleicht fragst du dich, wer ich bin? Wo wir uns schon einmal begegnet sind? Ob wir schon miteinander gesprochen haben? Ob ich zu schüchtern bin, dich im persönlichen Kontakt anzusprechen?
Ich habe ganz bewusst diesen Weg gewählt, weil ein anderer Weg nicht ging bzw. nicht adäquat war. Außerdem halte ich diesen Weg für nicht uninteressant; lässt sich daraus doch ein schönes Puzzle entwickeln. Ich hoffe, du bist damit einverstanden, dass ich dir in den nächsten Tagen ein weiteres Puzzleteil zuschicken werde.
Ich lege mich schlafen. Am nächsten Morgen schaue ich erneut auf meinen Brief. Ohne ihn zu unterschreiben, meinen Namen möchte ich ihr nicht verraten, lasse ich ihn in ein gefüttertes Couvert hineingleiten. Behutsam. Sanft. So wie ich sie gern berühren möchte. Ich stelle mir vor, dass sie ein scheuer Schmetterling ist. Jede zu schnelle Annäherung würde ihn vertreiben.