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Die Beilegung der Reichskrise

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Als Ludwig IV. am 11. Oktober 1347 bei einer Bärenjagd in den Wäldern bei Fürstenfeldbruck vor den Toren Münchens tödlich verunglückte, bestätigte dies Karl in der Überzeugung, dass die göttliche Vorsehung ihm wohlgesonnen war. Die Wittelsbacher versuchten umgehend, unter den Söhnen des Verstorbenen einen fähigen Nachfolger zu finden, doch infrage kam nur der Erstgeborene. Ludwig V. war zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt, seit 1323 Markgraf von Brandenburg und mit Herzogin Margarete von Tirol verheiratet.17 Nach dem Tod seines Vaters trat er automatisch dessen Nachfolge als Herzog von Bayern an. Seine fünf Brüder, die weniger glänzend verheiratet oder begütert waren, forderten ebenfalls ihr Erbteil: Ludwig VI., Otto V., Stefan II., Wilhelm III. und Albrecht I. Wie sein Vater war auch Ludwig V. wegen seiner skandalösen Heirat 1342 exkommuniziert worden und konnte sich deshalb nicht zur Königswahl stellen. Da seine Brüder vermutlich nicht hinreichend befähigt oder einfach zu jung waren, sprach der Wittelsbacher Erbprinz sich für eine Kandidatur des englischen Königs Eduard III. aus, der am 10. Januar 1348 tatsächlich von den vier bayerntreuen Kurfürsten zum Gegenkönig gewählt wurde, sich aber angesichts des Krieges gegen den König von Frankreich schon am 10. Mai wieder zurückzog. Der junge Herzog versuchte sein Glück daraufhin bei seinem Schwager Friedrich von Meißen, der jedoch ablehnte. Anschließend gelang es Ludwig, in Bayern Unterstützung für einen einfachen Grafen namens Günther von Schwarzburg zu finden, der daraufhin am 30. Januar 1349 in Frankfurt gewählt wurde, und zwar mit den Stimmen von Ludwig V. selbst (als Markgraf von Brandenburg), Pfalzgraf Rudolf bei Rhein (einem Wittelsbacher), Herzog Erich von Sachsen (gegen satte „Entschädigung“) und Heinrich III. von Virneburg, dem seit 1346 abgesetzten Erzbischof von Mainz. Die Stadt Frankfurt am Main hatte jedoch inzwischen Karl IV. als rechtmäßigen König anerkannt. Dieser stellte ein Heer auf und besiegte Günther im Mai 1349 bei Eltville am Rhein auf dem Schlachtfeld. Günther willigte daraufhin ein, gegen eine Entschädigung von 20 000 Silbermark auf den Königstitel zu verzichten, und kehrte nach Frankfurt zurück, wo er kurz darauf, am 12. Juni, aller Wahrscheinlichkeit nach an der Pest starb.18 Als einziger deutscher König fand Günther seine letzte Ruhestätte im Frankfurter Reichsstift St. Bartholomäus, der vor und nach seiner Bestattung Schauplatz vieler Königswahlen war. Karl IV. hatte schon im Vorjahr die Position Ludwigs V. von Bayern weiter geschwächt, indem er den „falschen Waldemar“ gegen ihn unterstützt hatte. Dieser Hochstapler – vielleicht ein gewisser Jakob Rehbock – hatte sich als der 29 Jahre zuvor verstorbene alte Markgraf Waldemar ausgegeben und behauptet, die Bestattung sei seinerzeit nur eine Inszenierung gewesen, in Wahrheit habe er all die Jahre als Pilger im Heiligen Land gelebt und Buße getan.19 Ob Karl IV. den Schwindel durchschaute oder nicht, sei dahingestellt. Zugute kam Waldemar eine gewisse Faszination, die so oft von „falschen“ Königen und Fürsten ausgeht, sowie das Ansehen, das Eremiten und messianische Heilsbotschaften speziell aus Jerusalem genossen. Karl IV. erkannte ihn an und belehnte ihn mit der Mark Brandenburg, denn die Täuschung kam den Absichten des Luxemburgers bestens entgegen. Zudem warf sie gewichtige Fragen nach Identität und Legitimität auf und machte Lücken im Staatsgefüge deutlich.20 Nachdem sich Karl im Vertrag von Bautzen 1350 mit den Wittelsbachern geeinigt hatte, ließ er den „falschen Waldemar“ jedoch fallen. Er behauptete, er sei hintergangen worden, und vergab die Mark Brandenburg als Lehen an Ludwig V. von Wittelsbach, der sie 1351 an zwei seiner Halbbrüder abtrat. Durch den Tod des Grafen von Schwarzburg platzte jedenfalls die Hoffnung der Bayern, Karl die Königswürde streitig machen zu können, zumal der Luxemburger sich mithilfe von Privilegien und Steuererleichterungen die Gunst der großen Reichsstädte erkaufte, allen voran die von Frankfurt und Nürnberg. Sogar die Habsburger hatten sich im Mai 1348 im Zuge eines Bündnisses mit Herzog Albrecht II. zur Neutralität verpflichtet, im Gegenzug hatte Karl seine sechsjährige Tochter Katharina mit Albrechts Sohn und Erben Rudolf von Österreich verlobt. Kurze Zeit später schloss Karl mit dem polnischen König den Frieden von Namslau. Im Dezember konnte er sich auf den Reichstagen in Dresden und Wittenberg die Unterstützung des Landgrafen von Thüringen und des Markgrafen von Meißen sichern. Man sieht: Um die Ansprüche der Bayern zu konterkarieren, setzte Karl weniger auf Waffen als auf Diplomatie, ergänzt um eine gezielte Heiratspolitik, die er bis zum Ende seiner Herrschaft nie aus dem Auge verlor.

Am 1. August 1348 starb seine erste Frau Blanca von Valois. Nachdem damit der Platz an seiner Seite frei geworden war, hatte Karl eine Idee, wie er dem Wittelsbacher Lager endgültig den Wind aus den Segeln nehmen konnte. Am 4. März 1349 heiratete er Anna von der Pfalz, die Tochter des Grafen und Kurfürsten Rudolf, der zweimal Kandidaten von Karls Gegenspielern unterstützt hatte. Nun konnte Karl sich als großmütiger Sieger geben und die Ansprüche der sechs Söhne Ludwigs IV. auf Bayern und Brandenburg bestätigen. Nichts und niemand trennte ihn mehr von einer bedingungslosen definitiven Anerkennung als römisch-deutscher König. Dabei hätte er es belassen können, doch das widersprach seinem ausgeprägten Sinn für Tradition und für die Würde des ihm verliehenen Königtums. Er war in Rhens gewählt und in Bonn gekrönt worden – nun musste er beide Zeremonien an den althergebrachten und damit „richtigen“ Orten noch einmal wiederholen: die Königswahl am 17. Juni 1349 in Frankfurt und die Krönung durch seinen Großonkel Balduin von Trier am 25. Juli in Aachen. Das Besondere an diesen Städten war ihre enge Verknüpfung mit dem Andenken an den als Heiligen verehrten Karl den Großen.21

Allerdings blieb Karl IV. nicht lange im Reich; er wollte die Konsolidierung des Königreichs Böhmen abschließen. Er ernannte Balduin zum Reichsvikar und beauftragte ihn, im Süden, insbesondere in Franken und Schwaben, Landfriedensbündnisse mit königlicher Garantie zu schließen. Balduin ebnete zudem den Weg für eine Aussöhnung mit den Wittelsbachern und ihren Verbündeten. Er starb am 21. Januar 1354 und erlebte den Frieden von Sulzbach, den Ludwig V. am 1. August 1354 unterzeichnete, nicht mehr mit. Der Vertrag befriedete das Reich und krönte Balduins Lebenswerk, denn er verkörperte den Sieg des Hauses, das er fast 40 Jahre lang mit aller Kraft unterstützt hatte. Bei alledem hatte Karl allerdings wohl die Kosten unterschätzt, die sich beträchtlich summierten: 900 000 Gulden waren an die Kurfürsten gegangen, 500 000 an eine ganze Reihe anderer Reichsfürsten, 300 000 an diverse Freiherren und Adlige, 100 000 an die Reichsstädte. Es dauerte lange, bis der nun endlich als legitim anerkannte König sich von diesen Ausgaben erholte. Gedeckt wurden sie teils durch Darlehen, teils durch die Verpfändung und Überschreibung großer Teile der königlichen Besitzungen oder zumindest dessen, was davon Mitte des 14. Jahrhunderts noch vorhanden war.22 Die Parteigänger der Bayern, allen voran der Chronist Matthias von Neuenburg, verspotteten Karl nun nicht mehr nur als „Pfaffenkönig“, sondern obendrein als ewig in Geldnöten steckenden Krämer und Geizkragen: „Er hatte über seine vorhandenen Mittel hinaus für das Reich so viel ausgegeben und verschwendet, dass die Schankwirte in gewissen Städten ihn nur mehr bedienen wollten, wenn er ihnen dafür eine Hypothek oder Garantie gab, und mehrmals wurden wegen unbezahlter Schulden seine Güter gepfändet.“23 Bei aller Plumpheit liegt in dieser Unterstellung ein Körnchen Wahrheit: Wenn Karl es so eilig hatte, nach Böhmen heimzukehren, dann auch, weil er auf die sprudelnden Einkünfte seines Königreichs zählte, um wenigstens einen Teil der Verbindlichkeiten zu decken, die er für die Festigung seines römisch-deutschen Thronanspruchs eingegangen war. Doch damit war es nicht getan. Von jedem neu gewählten und gekrönten römisch-deutschen König wurde erwartet, dass er möglichst bald seine Kaiserkrönung betrieb. Sie bildete die entscheidende letzte Etappe auf dem weiten Weg zum weltlichen Oberhaupt der Christenheit und musste in Rom erfolgen. Karl war bewusst, dass auf dieser langen Reise, die ihn trotz bereits leerer Kassen viel Geld kosten würde, viele Gefahren lauerten und Hindernisse zu überwinden waren. Den Tod seines Großvaters Heinrich VII. 1313 hatte er sicher nicht vergessen. Zudem waren angespannte Verhandlungen mit dem Papst zu erwarten, denn seit dem Tod seines treuen Verbündeten Clemens VI. 1352 saß der unnahbare Innozenz VI. auf dem Thron Petri, der die Rechte des Heiligen Stuhls mit Argusaugen hütete.24 Auch der Gedanke an eine neuerliche Begegnung mit dem Wespennest Italien, das er zwischen 1331 und 1333 fürchten gelernt hatte, behagte Karl vermutlich nicht. Zu alledem musste er sich auf unbestimmte Zeit von seinen Königreichen Böhmen und Deutschland entfernen, von denen zwar das erste fest in seiner Hand war, Letzteres jedoch nur bedingt. Dennoch war die Kaiserkrönung nicht nur eine Pflicht, sondern auch verführerisch, zumal Innozenz VI. Karl ebenso dazu drängte wie der Volkstribun Cola di Rienzo und der Dichter Petrarca. Verlockend war auch das Geld der kaisertreuen ghibellinischen Städte. Seine Berater überzeugten Karl, dass er sich seinem Schicksal nicht entziehen dürfe und mehr zu gewinnen als zu verlieren habe, wenn er sich – wie Karl der Große im Jahr 800 – zum Kaiser krönen ließ.

Karl IV.

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