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Dauerbrenner Italien

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Apropos Goldene Bulle … Der Papst kommt, wie schon erwähnt, in der Urkunde von 1356 nicht vor. Dasselbe gilt jedoch auch für das Königreich Arelat (Burgund) und für Italien, denn grundsätzlich war der gewählte römisch-deutsche König de facto dreifacher König von Germanien, Burgund und Reichsitalien. Nachdem es Karl gelungen war, sich 1355 zum Kaiser krönen zu lassen und 1356 die Goldene Bulle zu proklamieren, ohne sich den Zorn des Heiligen Vaters oder gar einen Kirchenbann zuzuziehen, hütete er sich, erneut den Fuß auf italienischen Boden zu setzen. Dort ging das allgemeine Hauen und Stechen weiter: Mailand gegen Florenz, Genua gegen Venedig, Guelfen gegen Ghibellinen, Städte gegen Signorie und die neapolitanischen Anjou von Süditalien aus gegen alle. In der Mitte der Halbinsel hatte Kardinal Gil de Albornoz gerade die Rückeroberung und Neuordnung des Kirchenstaates abgeschlossen.46 Mailand, das im Zuge seiner Expansion innerhalb von zwei Jahrzehnten Bergamo, Cremona, Pisa, Parma, Pistoia, Genua und Bologna an sich gezogen hatte, wurde unter Galeazzo II. zum entscheidenden Player – mitten in dem Gebiet, das noch vom Reichsitalien des römisch-deutschen Königs übrig war. Natürlich war dieser Machtzuwachs Florenz und dem Papst ein Dorn im Auge, aber auch dem Kaiser, der nicht nur die stolze Stadt von Ambrosius mit dem Reichsbann belegte, sondern im Einvernehmen mit Clemens VI. aus der Ferne mehrere Feldzüge gegen die Visconti dirigierte. Aber es gab auch Rückschläge. Im November 1356 wurde ein Kontingent, das der Reichsvikar aufgestellt hatte, von Mailänder Truppen vernichtend geschlagen. Immerhin gelang es unter dem Strich, mithilfe einer Liga, zu der sich auch Florenz gesellte, den Visconti Genua, Asti und Bologna zu entreißen.

Der größte dieser „transalpinen“ Feldzüge erfolgte 1366 auf Betreiben Karls IV. quasi als Auftakt für die Rückkehr der Päpste nach Rom, die Urban V. ins Auge gefasst hatte. Schon 1365 hatte er sich mit Karl IV. darüber verständigt, zweifellos als Gegenleistung für seine Zustimmung zu dessen Krönung zum burgundischen König, die im selben Jahr in Arles stattfand. Die Lage in Avignon spitzte sich für den Papst mehr und mehr zu, seit in den Wirren des Hundertjährigen Krieges Banden versprengter englischer, bretonischer und französischer Soldaten und Söldner marodierend durch die Provence zogen. Albornoz hatte Rom mit einem wehrhaften Verteidigungswall umgeben lassen und Urban schließlich überzeugt, der Zeitpunkt für eine Rückkehr in die Stadt des Heiligen Petrus sei günstig. Der Papst brach am 30. April 1367 in Avignon auf, erreichte am 9. Juni Viterbo, schloss dort eine weitreichende Allianz gegen Mailand und hoffte, dass auch Karl IV. sich auf den Weg nach Italien machen würde, zumal er dem Kaiser zur Finanzierung seiner Romfahrt bereits ein Jahr lang den Zehnten auf sämtliche Kirchengüter in Böhmen und im Heiligen Römischen Reich zugesagt hatte. Doch als Urban V. am 16. Oktober feierlich in die Ewige Stadt einzog, glänzte Karl durch Abwesenheit. Er kam erst im Mai 1368 nach Italien und zunächst nur bis Padua. Nach Avignon zurückzukehren, kam für Urban V. kaum infrage. Seit seiner Abreise war die Provence derart verwüstet worden, dass einer ihrer Anführer, der berühmtberüchtigte Bertrand du Guesclin, im September 1368 sogar exkommuniziert wurde. Aber ihm wurde auch die Brisanz des politischen Klimas in Rom klar, das nach wie vor von Clanfehden, Rivalitäten zwischen Kardinälen und der Einflussnahme sämtlicher Gutsherren, Herzöge, Äbte und Könige der Halbinsel geprägt war. Angesichts dieses Sumpfes dachte Urban daher trotzdem an Rückzug, als Karl IV. endlich am 20. Oktober 1368 in Rom eintraf. Einzug hielt nicht mehr der 39-jährige König von einst, dem der damalige Papst verboten hatte, länger als 24 Stunden an den Ufern des Tibers zu bleiben, sondern ein Kaiser, angetan mit sämtlichen Insignien seiner Majestät. Dennoch führte er „wie ein zweiter Konstantin“ das Pferd des Papstes am Zügel in die Stadt. „O lieber Herr Jesus, welch ein Schauspiel, die beiden höchsten Fürsten, ja die einzigen Monarchen des ganzen Erdkreises, den Beherrscher der Seelen und den der Leiber, in solchem Frieden und solcher Eintracht, in solcher Herzensheiterkeit und solchem Wohlwollen einander verbunden zu sehen!“47 So die optimistische Deutung des später bedeutenden Humanisten Florentin Coluccio Salutati, der als Kanzler die höchste politische Instanz Roms war, in einem Brief an Giovanni Boccaccio.48 Weitaus bitterer hingegen das Urteil Ulman Stromers, Ratsherr und Patrizier zu Nürnberg:49 „Do stund der Kayser unter dem tor zu Rom ab von seym pferd und ging neben dem pobst und zewmt den durch die stat zu Rom uncz für daz munster zu Sant Peter und Pawl; daz heten die Romer fur ein gross smochheit dem reych.“50 In jedem Fall nutzte Karl diesen Romzug, um seine vierte Gemahlin Elisabeth von Pommern zur Kaiserin krönen zu lassen, was am 1. November mit großem Prunk geschah. Bei seinen ersten Aufenthalten 1331/1333 und 1355 hatte Karl gelernt, dass er mit Diplomatie und Pragmatismus in Italien am weitesten kam. Er hatte nicht vor, sich zu verausgaben, um Mailand zu vernichten oder die fragile Gemengelage in Norditalien zugunsten des Papsttums ins Wanken zu bringen. Nur zu gern vergab er hingegen das Reichsvikariat gegen klingende Münze und nahm Subsidien der Stadtstaaten entgegen, allein 50 000 Gulden von den reichen Florentinern für die Zusage ihrer Lehnsherrschaft über Lucca. Auch Pisa erleichterte er um 15 000 Gulden.

Erst am 20. Oktober 1368, zwölf Monate nach Urban V., ritt Karl also in die Ewige Stadt ein und blieb dort bis Dezember. In dieser Zeit sicherte er sich die Unterstützung des Papstes in zwei Angelegenheiten, die ihm am Herzen lagen: Er wollte das drohende Bündnis zwischen den Königen von Ungarn und Polen gegen Böhmen aufbrechen und günstige Nominierungen für die Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln und Trier erwirken, um langfristig die Wahl seines Erben zum römisch-deutschen König schon zu seinen Lebzeiten durchzusetzen. Im Gegenzug versprach Karl dem Papst, ihm bei der Absicherung seiner Stellung in Rom zu helfen, und trat ab 1369 mehrere Steuern aus diversen toskanischen Gemeinden in Höhe von 100 000 Gulden an den Heiligen Stuhl ab. Anschließend verließ er Rom, verbrachte mehrere Monate in Lucca, überquerte im August 1369 die Alpen und setzte danach bis zu seinem Tod nie wieder den Fuß auf italienischen Boden. Am Dreikönigstag (6. Januar) 1370 hielt er prunkvollen Einzug in Prag. Volk und Klerus bejubelten ihn als princeps pacis, als Friedensfürsten, der dem Papsttum wieder zu Ruhe und Ordnung verholfen hatte, auch wenn die Realität sich rund 1400 Kilometer südlich von Prag ein wenig anders darstellte. Urban V. konnte sich noch bis zum Sommer 1370 in der Engelsburg halten, kehrte dann aber zurück nach Frankreich. „Seine lieben Söhne“ ließ er wissen, nachdem sie sich seiner Gegenwart erfreut hätten, müssten sie nun „sicher schweren Herzens die Abreise ihres Vaters zur Kenntnis nehmen“. Die vorübergehende Rückkehr der Päpste nach Rom hatte somit gerade einmal 33 Monate gedauert und endete mit dem Tod Urbans wenige Monate nach seiner Heimkehr nach Avignon.

Angesichts des großen Schismas acht Jahre darauf sind die Historiker heute geteilter Meinung über die Politik, die Karl IV. bei seinem zweiten Italienzug verfolgte.51 Während manche wehmütig all die verpassten Chancen aufzählen, halten andere Karl realistisch seinen beschränkten Handlungsspielraum zugute. In jedem Fall hatte der Kaiser nicht vor, für einen hypothetischen Zugewinn südlich der Alpen die dynastischen und territorialen Pläne zu opfern, die er nördlich davon seit 1346 beharrlich schmiedete. Erst sein Sohn Sigismund sollte 40 Jahre später von 1412 bis 1414 einen offensiveren politischen Kurs auf der Halbinsel einschlagen. Karl IV. jedoch blieb vorerst nichts übrig, als den Geschehnissen in Italien und damit auch in Avignon aus der Ferne zuzusehen. Vielleicht erkannte er auch zu spät, welche Konsequenzen seine Zurückhaltung haben würde. Gregor XI., der Nachfolger Urbans V., unternahm 1370 mit mehr Erfolg einen Feldzug gegen Mailand, der 1374 in einen Friedensvertrag mündete. Der Papst sah damit die Chance für seine Rückkehr nach Rom in greifbarer Nähe, scheiterte jedoch schon 1375 am Widerstand von Florenz, das den gesamten Kirchenstaat gegen den Papst aufwiegelte und dafür von Gregor mit einem Kirchenbann belegt wurde. Im Januar 1377 gelang Gregor zwar der Einzug in die gärende Stadt, doch zwangen ihn die anhaltenden Aufstände im Mai, seine Residenz nach Anagni zu verlegen. Erst im November konnte er in die Ewige Stadt zurückkehren, doch erging es ihm nicht besser als seinem Vorgänger. Er starb wenige Monate später, am 27. März 1378, an Entkräftung.52 All diese Entwicklungen geschahen fernab von Prag, und wie schon von der wachsenden Not des Oströmischen Reiches Byzanz, nach dem das Osmanische Reich mehr und mehr die Hand ausstreckte, so hörte Karl IV. auch hiervon nur ein gedämpftes Echo. Seinen Einfluss auf das Papsttum, das sich nach Ansicht italienischer Denker in Avignon „in babylonischer Gefangenschaft“ befunden, zumindest viel zu sehr unter französischer Kuratel gestanden hatte, verlor er paradoxerweise in dem Moment, als er sich zu Jahresbeginn aus Paris und vom französischen Hof verabschiedete. Nicht zufällig waren neun der Avignonesischen Päpste und drei Viertel der Kardinäle Franzosen, und es verwundert nicht, dass sie sich in Rom, in Italien generell, nur mit Mühe zurechtfanden. Da aber Gregor XI. in Rom starb, war mit einem Mal die Wahl eines Italieners nicht unwahrscheinlich, und tatsächlich bestieg der Erzbischof von Bari, Bartolemeo Prignano, als Urban VI. die Kathedra Petri.53 Die meisten Mitglieder des Kardinalskollegiums waren jedoch von den römischen Milizen eingeschüchtert worden und standen nicht wirklich hinter der Politik Urbans VI. und seiner Parteigänger, der „Urbanisten“. Am 20. September 1378 wählten sie Robert Graf von Genf zum Gegenpapst, der als Clemens VII. erneut in Avignon residierte.54 In Karls Augen besaß Urban VI. jedoch zwei Vorzüge. Zum einen hatte der römische Papst am 26. Juli Karls Sohn Wenzel als rechtmäßigen römisch-deutschen König anerkannt, zweifellos um sich die Unterstützung des Kaisers zu sichern, weil abzusehen war, dass sich der französische Hof auf die Seite derer schlagen würde, die seine Wahl bereits damals anfochten. Zum anderen hatte Urban VI. am 18. September den Erzbischof von Prag zu einem der 29 neu ernannten Kardinäle erhoben. Allerdings besaß Karl IV., geschwächt durch die zähen Verhandlungen mit den Reichsfürsten beim Hoftag in Nürnberg und kurz darauf durch einen Sturz vom Pferd ans Bett gefesselt, nicht mehr die Kraft, das sich abzeichnende Abendländische Schisma abzuwenden. Die Ursachen lagen jedenfalls auch zwischen Prag und Rom, nicht nur zwischen Paris und Avignon. Womit wir bei Frankreich wären.

Karl IV.

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