Читать книгу Die Wahrheit über Arthrose - Prof. Dr. Med. Musa Citak - Страница 5
Оглавление„Sie haben Arthrose.“ Diese Diagnose ist kein unabänderliches Schicksal, auch wenn die Krankheit nicht heilbar ist. Ob bei der Ursachensuche, bei Therapien oder mithilfe der Ernährung – für ein langes, gesundes Leben kann jeder selbst eine ganze Menge tun, wie der Autor dieses Buchs, Prof. Dr. med. Musa Citak, im Interview erklärt.
Die Wahrheit über Arthrose – worin besteht die?
Die Wahrheit ist, dass es keine Therapie gibt, die garantiert hilft. Arthrose ist ein sehr komplexes Krankheitsbild. Ob es um die Ursachen, um Schmerzen oder um die richtige Behandlung geht, das ist von Mensch zu Mensch so unterschiedlich, dass jedes pauschale Heilsversprechen falsche Hoffnungen wecken würde. Das heißt aber nicht, dass es keine Hilfe gibt. Im Gegenteil, die Wahrheit ist auch: Ob Arzt oder Patient, jeder kann viel tun, um gegen Arthrose vorzubeugen, die Krankheit aufzuhalten und die Schmerzen zu lindern. Das Problem dabei ist nur, dass es enorm viele sinnvolle Therapien gibt, die nicht bei jedem gleich wirken.
Was ist das Besondere an Ihrem Buch?
Ich gebe meinen Lesern Hilfe zur Selbsthilfe. Mit meinem Buch kann jeder eigenständig herausfinden, woher seine Schmerzen kommen und welche Übungen oder Therapien sinnvoll sind. Dann gilt es auszuprobieren, was einem hilft – und zwar ohne Risiken und Nebenwirkungen. Ich schlage vor allem Maßnahmen vor, die man ganz einfach selbst zu Hause machen kann. Dabei kann man natürlich auch mehrere Therapien kombinieren, um die Effektivität zu steigern.
Ersetzt das Buch den Arztbesuch?
Nein, auf keinen Fall! Jeder, der Schmerzen hat, sollte sich so früh wie möglich von einem Mediziner untersuchen lassen. Denn bei reinen Selbstbehandlungen wird zu oft etwas übersehen. Auch bei Naturheilverfahren oder Methoden aus der traditionellen chinesischen Medizin ist es hilfreich, sich zumindest am Anfang von einem Experten beraten zu lassen. Deshalb stelle ich auch die wichtigsten komplementären Therapien als sinnvolle Ergänzungen vor.
Sind Sie eher Schulmediziner oder Naturheilkundler?
Die längste Zeit meines Arztlebens war ich Schulmediziner, der früher, muss ich gestehen, die Naturheilkundler auch mal belächelt hat. Inzwischen muss ich allerdings sagen, dass die Praxis mich eines Besseren belehrt hat. Mein wissenschaftliches Verständnis, das ich mir in meiner Ausbildung als Schulmediziner erworben habe, hat mir geholfen, in kurzer Zeit Therapien aus der Naturheilkunde kennenzulernen und so einzusetzen, dass meine Patienten davon profitieren. Es gibt Krankheiten, die kann ich sehr schnell mit der Schulmedizin behandeln, und andere, bei denen Naturheilverfahren besser wirken. Manchmal hilft auch eine Kombination aus beiden – das kommt immer auf den Einzelfall an. Ich habe auch einiges an mir selbst ausprobiert.
Mit welchem Ergebnis?
Ich hatte plötzlich Rückenschmerzen, die immer schlimmer wurden. Ich musste immer mehr Tabletten nehmen, um überhaupt durch den Tag zu kommen. Ich konnte nur noch gekrümmt arbeiten, bis ich gar nicht mehr aus dem Bett kam. Das MRT zeigte zwei Bandscheibenvorfälle. Nichts half langfristig, ich war schließlich bereit, mich operieren zu lassen. Durch Zufall kam ich zur Akupunktur. Obwohl ich zunächst skeptisch war, ließ ich mich darauf ein. Und tatsächlich ging es mir schnell viel besser. Mein Forscherherz wollte dann mehr über diese Methode erfahren, also habe ich mich weitergebildet. Inzwischen sehe ich meine Lebensaufgabe darin, die erlernten Methoden immer weiter zu verbessern und Operationen möglichst zu verhindern oder zu verzögern.
Wird in Deutschland zu viel operiert?
Wenn wir die radiologische Diagnose „Arthrose“ nehmen, wird sicherlich nur ein Bruchteil der Arthrose-Patienten operiert. Arthrose ist nicht lebensbedrohlich. Der Patient entscheidet, ob er operiert werden will oder nicht. Das hängt meist von seinen Schmerzen und seiner Vorstellung von Lebensqualität ab. Diese beiden Kriterien sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Ich erlebe es häufig, dass Patienten eine Operation anfangs kategorisch ablehnen und später mit der gleichen Vehemenz darum bitten. Schmerzen verändern vieles. Ich rate jedem zwei Dinge: Schöpfen Sie die konservativen Therapien gut aus und wählen Sie, wenn Sie sich operieren lassen wollen, ein Krankenhaus, in dem genau die Operation, die Sie benötigen, oft gemacht wird. Studien zeigen, dass die Zufriedenheit der Betroffenen mit der Anzahl der operierten Patienten steigt. Das heißt: Die Patienten profitieren von der Erfahrung der Operateure.
Eine Kombination aus traditionellen und modernen Methoden ist oft hilfreich.
Warum ist Arthrose heute so ein wichtiges Thema?
Auch wenn es populär geworden ist, auf die Schulmedizin zu schimpfen, muss man sagen, dass wir damit deutlich älter werden. Die Lebenserwartung und die Erwartung an die Lebensqualität steigen gleichzeitig. Wir Ärzte haben eine neue Generation von Älteren vor uns, die sehr fit sind und sich nicht von Schmerzen einschränken lassen wollen. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass Schmerzen und Arthrose zum Älterwerden dazugehören. Wir wollen alle gesund alt werden. Leider fällt uns das meist zu spät ein, was sich bei Arthrose besonders zeigt. Denn die Grundlagen für die Erkrankung werden schon früh gelegt.
Sollten wir in jüngeren Jahren mehr Sport treiben?
Das kommt auf den Sport an. Hier gilt der Spruch von Paracelsus: Die Dosis macht das Gift. In meiner Praxis sehe ich vor allem Leute, die entweder zu viel oder zu wenig Sport treiben. Es fehlt das gesunde Mittelmaß. Wer viel Sport treiben will, sollte seine Statik zuvor genau analysieren lassen. Läuft man zum Beispiel mit O-Beinen Marathon, wird man später schneller Arthrose bekommen. Für die Gelenke ist Leistungssport selten gut. Viel wichtiger sind regelmäßige Bewegung und Übungen, mit denen wir den vollen Bewegungsraum der Gelenke nutzen, ohne sie zu überlasten. Die schlechteste Lösung ist natürlich ein Leben auf der Couch.
Inwiefern beeinflusst die Ernährung Arthrose?
Ich habe an mir selbst bemerkt, dass es einen klaren Zusammenhang gibt. Wenn ich mich schlecht ernähre, habe ich schneller Schmerzen in den Sehnen und im großen Zeh. Dort habe ich nämlich Arthrose, nachdem ich mir früher mal das Zehengelenk beim Sport gebrochen hatte. Tierische Fette, Fleisch von Säugetieren und Zucker verursachen bei mir Schmerzen, also meide ich sie. Diese Ernährungsweise empfehle ich auch meinen Patienten. Ich wende auch andere alternative Methoden bei mir selbst an beziehungsweise bitte Kollegen darum. Dazu gehört zum Beispiel das Schröpfen, das auch bei mir sehr wirksam ist, oder Akupunktur.
Beim Schröpfen werden Verspannungen mit Unterdruck gelöst.
Ist Arthrose eine Alterserscheinung?
Nicht unbedingt. Für die Entstehung der Arthrose ist Zeit ein wesentlicher Faktor. Je mehr Risikofaktoren ein Mensch hat, desto schneller bildet sich Arthrose. Das Alter ist eher nebensächlich. Vor allem ehemalige Sportler bekommen häufig sehr früh Arthrose. Man kann aber auch weit über 80 Jahre alt sein und keine Arthrose haben. Ich sehe solche beneidenswert gesunden Menschen nur selten, weil sie gar nicht zu mir kommen. Warum auch? Wenn jemand keinerlei Risiko hat, reicht die Zeit eines normalen Lebens theoretisch nicht aus, um Arthrose zu entwickeln.
Ist die Krankheit heilbar?
Nein. Arthrose ist immer noch eine unheilbare Erkrankung. Heilung ist auch nicht das Ziel meiner Therapien. Es geht vielmehr darum, den Prozess aufzuhalten beziehungsweise zu verlangsamen und die Schmerzen zu lindern.
Sind künstliche Gelenke eine gute Lösung?
Wenn das Röntgenbild die Notwendigkeit der Operation bestätigt und der Patient sie wirklich braucht, ist die Zufriedenheit ein Jahr danach sehr groß. Drei Kriterien sind dafür die Voraussetzung: Ist die konservative Therapie wirklich ausgeschöpft? Stimmt der Zeitpunkt der Operation? Ist mein Operateur der richtige für diesen Job? Auch um solche Fragen geht es in diesem Buch.
Der Arzt kann genau erkennen, wie weit die Arthrose fortgeschritten ist.
Gibt es Kinder mit Arthrose?
Ja, aber zum Glück nur selten. Vorsorge- untersuchungen und das Verbot von Kinderarbeit haben sicherlich viel dazu bei- getragen. Wenn Jugendliche Arthrose haben, sind das häufig Leistungssportler, deren Statik nicht perfekt ist. Je schlechter die Statik, desto schneller lernt man einen Orthopäden kennen. In vielen Fäl-len holen wir uns aber schon in der Kindheit eine Prä-Arthrose, aus der sich dann erst viel später Arthrose entwickelt.
Viele Betroffene sagen: „Ich habe Schmerzen und niemand kann mir helfen.“ Was raten Sie denen?
Das kann daran liegen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt gestört ist. Oder die Betroffenen sind bei einem Arzt gelandet, der andere Schwerpunkte hat. Das kommt häufig vor. Viele Patienten glauben nämlich, dass Ärzte alles gleich gut können. Dabei nehmen Spezialisierungen immer mehr zu. Gehen Sie auf die Webseite eines Arztes und sehen Sie sich seine Schwerpunkte an. Wer viel operiert, wird keine Zeit für konservative Therapie haben. Wer konservative Therapie macht, kann nicht gleichzeitig der beste Operateur sein.
Warum ist die Diagnose oft schwierig?
Da Arthrose am Anfang nicht schmerzhaft ist, bleibt sie lange unbemerkt. Wird durch Zufall ein Knorpelschaden festgestellt, interessiert dies kaum jemanden. Ich frage meine Patienten in solchen Fällen, ob sie lieber abwarten und nichts tun oder eine Risikoanalyse und Prävention wollen. Die meisten wollen abwarten, bis der Schmerz kommt. Da das 10 bis 30 Jahre dauern kann, lässt es sich gut verdrängen. Und dann ist es zu spät. Das Problem ist deshalb nicht, die Diagnose Arthrose zu stellen, sondern sie frühzeitig zu stellen.
Wie wird sich die Krankheit in Zukunft entwickeln?
In Anbetracht der Tatsache, dass wir in Zukunft immer älter werden und dabei immer höhere Ansprüche an unsere Lebensqualität haben, wird Arthrose ein immer größeres Thema. Um die Probleme, die auf uns zukommen, lösen zu können, muss die Prävention frühzeitig beginnen. Da aber viele mögliche Ursachen zu berücksichtigen sind, ist dies schwierig. Ich kann jedem nur raten: Finden Sie Ihre Risiken heraus und tun Sie frühzeitig etwas, um dann im Alter ein schmerzfreies Leben genießen zu können. Sie haben es in der Hand.