Читать книгу Gesetzlose Städte, raue Männer: Alfred Bekker präsentiert 9 Western - R. S. Stone - Страница 8
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ОглавлениеMcQuade befand sich mitten in den Sierrita Mountains. Es war um die Mittagszeit und die Sonne stand fast senkrecht über ihm. Irgendwo in dem Labyrinth aus Felsen und Schluchten steckte Spencer Elliott, der Bankräuber und Mörder, dessen Kopf der Regierung tausend Dollar wert war.
Zuletzt war der Bandit unten in Nogales gesehen worden. Ein Aufgebot des Sheriffs hatte ihn bis in die Tumacacori Mountains verfolgt. Es gelang den Männern aus Nogales sogar, Elliott in die Enge zu treiben, doch der Killer biss um sich wie ein in Panik geratenes Raubtier, tötete zwei der Hilfssheriffs und verletzte drei weitere schwer. Und schließlich entkam er.
Das Aufgebot war umgekehrt. McQuade jedoch, der sich zufällig in Nogales aufgehalten hatte und mit dem Sheriff geritten war, blieb Elliott auf den Fersen. Und nun sah es so aus, als wollte der Outlaw nach Tucson.
Zwischen den Felsen war es heiß. Das Gestein strahlte die Hitze zurück und selbst in den Schatten war es unerträglich. Dazu kamen die kleinen Stechmücken, die Mensch und Tier zusetzten.
Neben dem Falben trottete Grau Wolf her. Die Nase des grauen Wolfshundes war dicht über dem Boden, die Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul und er hechelte; Zeichen dafür, dass auch ihn die Hitze quälte.
McQuade hielt die Henry Rifle in der Hand. Seine Rechte umklammerte den Kolbenhals, er hatte das Gewehr mit der Kolbenplatte auf seinen Oberschenkel gestellt. Er verspürte Anspannung, jeder seiner Sinne war aktiviert, er war darauf eingestellt, ansatzlos zu reagieren. Das Krachen und Klirren der Hufe auf dem felsigen Untergrund erschien ihm überlaut, und es kündete seine Annäherung wahrscheinlich auf eine Viertelmeile an.
Von Zeit zu Zeit parierte der Kopfgeldjäger das Pferd, um zu lauschen. Sein hellwacher Blick schweifte umfassend in die Runde, aber da waren nur totes Gestein, Staub, dorniges Gestrüpp und die sengende Backofenhitze, die die Luft über den Felsen wabern und die Konturen verschwimmen ließ.
McQuade hielt an, als er das Ende eines Canyons erreichte und sich vor ihm eine Ebene dehnte, auf der riesige Kakteen wuchsen und über die ein heißer Wind den Staub in Spiralen trieb. Leises Säuseln erfüllte die Luft, es hörte sich fast an wie das verlöschende Winseln eines sterbenden Wolfes. Hier und dort lagen bis zu hüfthohe Felsbrocken, grau und blank geschliffen von der Erosion der Jahrtausende.
Das Land war von wilder und zugleich majestätischer Schönheit, ein gefährliches Land voller Tücken und Gefahren, in dem der Tod allgegenwärtig war.
Die Ebene war nach allen Seiten von Felsketten gesäumt; bizarre, zerklüftete Gebilde, wie von Urgewalten zersplittert, oftmals an verfallene Ruinen erinnernd.
Der Falbe stampfte auf der Stelle, die Gebisskette klirrte, das brüchige Leder des alten Sattels knarrte. McQuades Blick, den er in die Runde schwenkte, war forschend und hellwach. Er ließ ihn auch über den sandigen Boden gleiten, in der Hoffnung, Hufspuren oder andere Hinweise wahrzunehmen. Wenn es welche gegeben hatte, hatte sie der treibende Staub längst überdeckt und ausgelöscht. Es gab nichts, was darauf schließen ließ, dass hier ein Pferd gegangen war.
Der Texaner zog die trockene, rissige und staubverkrustete Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum. Wenn der Bandit im Norden der Ebene lauerte, würde er, McQuade, sich ihm wie auf einem Präsentierteller darbieten, wenn er den geraden Weg nahm. Im Schutz der Felsen aber um die weitläufige Fläche herumzureiten würde einen Umweg von mindestens einer Stunde bedeuten – eine Stunde, die den Vorsprung Elliotts wieder vergrößern würde.
Kurze Zeit war der Texaner unschlüssig.
Gray Wolf hatte sich auf die Hinterläufe niedergelassen und starrte in die Ebene hinein. Sein graues Fell war gepudert vom feinen Staub.
McQuade entschied sich der Vernunft zu folgen und den Umweg in Kauf zu nehmen. Die Jahre als Kopfgeldjäger hatten ihm genügend Lektionen erteilt, sodass er misstrauisch und vorsichtig geworden war. Der kleinste Fehler, die geringste Unachtsamkeit konnten den Tod nach sich ziehen.
Also ritt McQuade am Rand der Ebene nach Osten, schlug sich in die schweigende Bergwelt und wandte sich schließlich wieder nach Norden.
Als die Schatten lang waren und die Sonne auf dem Horizont im Westen zu stehen schien, erreichte er San Xavier. Um die alte spanische Missionskirche mit den beiden Türmen war die kleine Siedlung entstanden, in der hauptsächlich Mexikaner lebten. Die Gebäude aus Adobeziegeln waren ohne irgendeine Bauordnung errichtet worden und über ein großes Gebiet verstreut. Rund im ihre Behausungen hielten die Bewohner in Koppeln und Pferchen Kühe, Schafe und Ziegen. Hühner rannten frei herum und pickten unablässig in den Staub auf der Suche nach etwas Fressbarem.
Da es die Zeit war, in der die Menschen ihr Tagwerk vollbracht hatten und normalerweise zu Abend aßen, waren kaum Menschen zu sehen. Am Rand der großen Plaza zog ein bärtiger Mann eine leichte Caretta, die mit Heu beladen war. McQuade sah zwei – drei zottige Hunde, die in den Schatten lagen und schliefen.
Jetzt erst rammte der Kopfgeldjäger die Henrygun in den Scabbard, ritt zu dem Brunnen in der Mitte der Plaza und saß ab. Staub rieselte von seinen Schultern und von der Krempe seines Stetsons. Die Winde quietschte durchdringend, als er einen Eimer voll Wasser nach oben hievte, den er vor den Falben hinstellte, der sofort seine Nase in das belebende Nass tauchte und zu saufen begann.
McQuade schaute in die Runde. Es war eine ärmliche Ortschaft, doch es gab eine Pulqueria und ein Hotel, einen Mietstall und einen Store. Gray Wolf legte sich der Länge nach auf den Boden und leckte seine Pfoten. Als der Falbe seinen Durst gestillt hatte, ließ McQuade den Wolfshund trinken, dann holte er einen Eimer mit frischem Wasser nach oben, trank selbst aus den zusammengelegten, hohlen Händen, dann wusch er sich Staub und Schweiß aus dem hohlwangigen, stoppelbärtigen Gesicht mit den entzündeten Augen.
Schließlich führte er den Falben am Kopfgeschirr zum Mietstall. Die langen Schatten im heißen Sand begannen zu verblassen, die untergehende Sonne legte einen rötlichen Schimmer auf das Land, die Luft war jetzt klar und die Dinge hatten scharfe Konturen.
Der Kopfgeldjäger schritt über die Schattengrenze unter dem Stalltor und Düsternis sowie typischer Stallgeruch empfinden ihn. Pferde stampften und prusteten, Fliegen und Bremsen summten herum, in den Ecken spannten sich verstaubte Spinnennetze, in denen tote Ungeziefer hingen.
Der Stallmann war ein Mexikaner, nicht älter als zwanzig, doch sein Gebiss war lückenhaft und seine langen Haare waren speckig. „Hola, Señor“, grüßte er und beobachtete misstrauisch den Wolfshund, der seinem Herrn nicht von der Seite wich.
McQuade tippte mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand an den Rand des flachkronigen, schwarzen Stetsons, erwiderte den Gruß und sagte: „Ich werde die kommende Nacht in San Xavier verbringen, Hombre. Du hast doch sicher einen Platz für mein Pferd.“
„Natürlich. Kommen Sie auch von Süden herauf, Señor?“
McQuade wurde stutzig.
Dem Peon blieb es nicht verborgen und er fügte hinzu: „Vor zwei Stunden etwa kam ein Americano nach San Xavier, ein dunkler Mann Mitte dreißig. Er erzählte mir, dass er von Nogales heraufkomme und dass sein Ziel Tucson sei.“
Jähe Entschlossenheit hatte McQuades Gesicht kantig werden lassen. „Ist der Mann noch in der Stadt?“
Der Peon schüttelte den Kopf. „Nein, Señor. Er bat mich, sein Pferd mit Hafer zu füttern, hat mir einen Quarter gegeben und ist sofort weitergezogen.“ Plötzlich wurde der Blick des jungen Mexikaners stechend. „Sind Sie etwas hinter dem Americano her?“
„Schätzungsweise.“ McQuade zog den zusammengelegten Steckbrief aus der Tasche seines abgetragenen, braunen Staubmantels, faltete ihn auseinander und hielt ihn dem Stallburschen hin. „Ist das der Mann?“
Der Peon starrte kurz auf das Bild, dann nickte er. „Si, si, das könnte er sein. Bei der Heiligen Jungfrau, er ist ein Mörder und Räuber. Por Dios, jetzt weiß ich auch, warum er es so eilig hatte.“
„Sagte er wirklich, dass sein Ziel Tucson ist?“, fragte McQuade, der den Steckbrief wieder zusammenfaltete, in die Manteltasche schob und begann, seine Satteltaschen abzuschnallen.
„Ja. Er erzählte mir, dass er sich dort mit drei Freunden trifft.“
„Dann muss er sich ja verdammt sicher fühlen“, konstatierte der Texaner und hängte sich die Satteltaschen über die Schulter, zog das Gewehr aus dem Scabbard und verließ den Stall.