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4 Das pastoraltheologische Problem: Das Neue

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Der Blick auf Kirchenrecht und Dogmatik zeigt, dass die vorherrschenden Reaktionsmechanismen auf das Phänomen Kirchenaustritt – pastoraltheologisch gesehen – nicht recht weiterführen. Unmittelbar deutlich ist dies beim kirchenrechtlichen Diskurs. Er führt sich selbst in die Aporie, wenn er als Strafe für den bürgerlichen Kirchenaustritt de facto eben dies ansetzt: die Aufkündigung der vollen Kirchengemeinschaft. Das gleicht dem Bestrafen eines Vergehens mit einer Variante seiner selbst. Dass dieses Modell deutlich noch von einer realen, gesellschaftsweit durchsetzungsmächtigen Hoheit der Kirche ausgeht und damit in der bürgerlichen Gesellschaft faktisch unwirksam geworden ist, hat auch das Kirchenrecht bemerkt und verweist daher auf die „pastorale Sorge“.75

Der dogmatische Zugang zum Phänomen der Ausgetretenen scheint mit der Lehre vom bleibenden Charakter der Taufe aussichtsreichere pastoraltheologische Perspektiven zu eröffnen. Udo Schmälzle betitelt denn auch seine Überlegungen zu den pastoralen Herausforderungen des Kirchenaustritts mit „Die Steuergemeinschaft endet. Die Heilsgemeinschaft bleibt!“76 und spricht völlig zu Recht davon, dass die „durch das Sakrament gestiftete Heilsgemeinschaft“ durch „einen Kirchenaustritt nicht zerstört“77 werde. Freilich stellt die Österreichische Theologische Kommission ganz realistisch auch fest, dass in

der Seelsorge … damit zu rechnen (ist), daß der Anspruch der Kirche auf Verbindlichkeit und definitive Zugehörigkeit von vielen ihrer Mitglieder nicht übernommen, ja nicht einmal verstanden wird. Der Kirchenaustritt wird von vielen anders beurteilt, als dies in kirchenamtlichen Texten geschieht.78

Das kommt dem Eingeständnis gleich, über den eigenen Diskursraum nicht wirklich hinauszukommen. Dabei geht es ja gerade um ein Phänomen, das wesentlich außerhalb dieses Diskursraums liegt. Mag der tauftheologische Zugang zur Problematik der Ausgetretenen in vieler Hinsicht sympathisch sein, vor allem, weil er sich jeglicher Denunziation der Ausgetretenen enthält und die bleibende Heilsgemeinschaft betont, so steckt auch er formal und pastoral in einer Aporie: Er begreift die Ausgetretenen unter einer Sinnperspektive, welche diese selbst ausdrücklich ablehnen und gegen die sie ihren Schritt gesetzt haben.

Hatte das Kirchenrecht die Ausgetretenen bestraft und exkommuniziert, so reintegriert sie die dogmatische Tauftheologie. Das Kirchenrecht nimmt den bürgerlichen Kirchenaustritt ernst und bestraft ihn mit – innerkirchlichen, also unwirksamen – Sanktionen. Die Tauftheologie bestraft nicht und eröffnet eine bleibende Gemeinsamkeit jenseits der institutionellen Desintegration, aber gerade diese Gemeinschaft ist es ja, welche von den Ausgetretenen nicht mehr gewollt ist. Das Kirchenrecht bestraft die Tat mit ihr selber, die Dogmatik sagt, dass sie in einem tieferen Sinn eigentlich gar nicht stattgefunden hat.

Freilich: Diese Aporie zeigt sich nur unter pastoraler Perspektive, das heißt: wenn Kirche konkret handelnd versucht, mit Ausgetretenen tatsächlich in Kontakt zu kommen, also nicht über sie, sondern mit ihnen zu reden. Dann aber wird klar: Weder die kirchenrechtliche Qualifikation der Ausgetretenen als Straftäter noch die tauftheologische Wahrheit „Ihr gehört weiter zu uns“ sind für sich genommen hinreichende Konzepte des Umgangs mit Ausgetretenen. Die Aporie des kirchenrechtlichen Zugangs liegt in seinem Versuch, den Kommunikationsabbruch mit Kommunikationsabbruch zu bestrafen, jene des dogmatischen Zugangs darin, den Kommunikationsabbruch als nicht wirklich geschehen zu kommunizieren. Beides aber eröffnet keine neue Kommunikationsbasis.

Dazu wäre es notwendig, den anderen nicht nur von sich her, sondern auch sich von den anderen her zu sehen. Ohne diese Fähigkeit zur Reversibilität des Blicks und zur wirklichen Relationalität aber ist personale wie institutionelle Existenz in der Pluralität der späten Moderne überhaupt nicht mehr möglich. Und genau das zeigt sich im Umgang mit Ausgetretenen.

Vielleicht gibt es im bisher Gefundenen eine Ausnahme: die Lehre vom universalen Heilswillen Gottes. Immerhin hält sie fest, dass auch die Ausgetretenen eine bleibende Aufgabe für die Kirche darstellen. Sie gehören, wie alle Menschen, Getaufte und Ungetaufte, zum Erlösungshorizont des Heilswillens Gottes und sind damit ein Thema und ein Problem für das Volk dieses Gottes. Aber welches?

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