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3.2 „Katholikale Reaktion“

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Gegen die aufrechterhaltene Katholizismusfiktion des immer noch vorherrschenden und herrschaftsnahen Kulturkatholizismus protestiert(e) nun niemand standhafter als der katholikale Flügel des österreichischen Katholizismus. Seine große Zeit in der jüngeren Kirchengeschichte begann, als Mitte der 1980er Jahre eine Serie von Bischofsernennungen von Rom initiiert wurde, die offenkundig einen kirchenpolitischen Kurswechsel in der österreichischen Kirche einleiten sollte.

Nicht mehr volkskirchliche Durchdringung von Politik und Kultur war das Ziel, sondern markante und profilierte Darstellung „katholischer Positionen“ etwa in Morallehre und Liturgie. Das schloss eine spezifische Distanz zur ÖVP und ihren „kulturkatholischen“ Konzepten ein. Die Nähe der ÖVP zur Aufklärung in einer spezifischen katholizismuskompatiblen Variante ist katholikalen Positionen ausgesprochen fremd. Denn hier rekonstruiert man normalerweise, wie innerkirchlich im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert üblich, eine einzige Abfallsgeschichte von Luther über die Aufklärung, Liberalismus und Marxismus bis in die „hedonistische“, „bindungslose“ und „individualistische“ Gegenwart.

Das Leitmotiv katholikaler Erneuerung ist dabei der Satz: „Alle Macht und Ehre den kirchlichen Amtsträgern“. Paradigmatisch hierfür ist ein Ausspruch, wie er auf der Wiener Seelsorgetagung 1935 fiel: „Es ist katholischer, mit dem Bischof im Irrtum als gegen den Bischof in der Wahrheit zu schreiten“87. Damit ist aber auch schon ein zweites Einflussspezifikum des österreichischen Katholizismus benannt: der katholisch dominierte „Ständestaat“ der Jahre 1934-1938.88

Sicherlich wollte und will die katholikale Renaissance in der österreichischen Kirche keine Erneuerung des autoritären Ständestaates. In einem aber kommen beide Bewegungen überein: Sie reduzieren die katholische Komplexität auf Folgsamkeit gegenüber den kirchlichen Autoritäten. Das reicht bisweilen bis zur direkten Ablehnung von Grundprinzipien freiheitlicher Demokratie. So schlug etwa Kurt Krenn als Wiener Weihbischof eine „missio canonica“ für „katholische Journalisten, die an der Selbstdarstellung der Kirche und ihrer Glaubenslehre in den Medien mitwirken“89, vor.

Gegenwärtig scheint es, als ob die „katholikale Reaktion“ in Österreich an ihrer inneren Unehrlichkeit, ja partiellen Verlogenheit scheitern würde. Sie bleibt aber weiter präsent und aktiv, vor allem in ihren Wahrnehmungsmustern. Denn katholikale Weltwahrnehmung bedeutet, die Welt aus einer festen Ordnung heraus wahrzunehmen und die katholische Komplexität in ihrer durchaus raffinierten österreichischen Variante auf innerkirchliche Gefolgschaft zu reduzieren. In Österreich kommt zudem noch ein spezifischer gesamtgesellschaftlicher Droheffekt hinzu, da bei Protestanten und – vor allem – im linken gesellschaftlichen Spektrum die Erinnerung an den Ständestaat und seine antiliberalen katholischen Prinzipien noch durchaus präsent ist.

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