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RELIGION ALS WAHRNEHMUNG Zum österreichischen Katholizismus 1 Der Katholizismus als zerfließendes Wahrnehmungssystem

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Religion, die katholische zumal, spielt in Österreich immer noch eine merkwürdig prominente Rolle. Bischofsbesetzungen, in Österreich bekanntlich zeitweise ebenso kontrovers wie polarisierend, werden medial breit diskutiert, weit über den im engeren Sinne kirchlichen Bereich hinaus.80 Kirchliche Akteure wie etwa der Caritaspräsident Franz Küberl81 werden gesellschaftlich aufmerksam wahrgenommen, ihre Stimme zählt, ihr politischer Einfluss ist vor und wohl noch mehr hinter den Kulissen enorm.

Wenn auch ansonsten die in Westeuropa üblichen religionssoziologischen Parameter einer „Kirche in der Krise“ auch für die katholische Kirche Österreichs gelten82 und also religiöse Individualisierung, Kompetenz- und Vertrauensverlust der etablierten Kirchen und stetiger Rückgang der klassischen kirchlichen Partizipationsparameter (Sonntagskirchgang, Taufquoten) hier zu beobachten sind, so gibt es hier doch einige Spezifika, welche die religiöse Lage der katholischen Kirche in Österreich ausmachen.

Diese Spezifika führen dazu, dass die katholische Religion in Österreich dann doch ein wenig anders wahrgenommen wird als anderswo und dass umgekehrt katholische Christen und Christinnen die sie umgebende Wirklichkeit recht spezifisch wahrnehmen. Diese Besonderheiten rühren zum einen aus einer jahrhundertelangen Verbindung von „Thron und Altar“ unter Habsburger Vorzeichen, was zu einer bis vor kurzem unumstrittenen gesellschaftlichen Dominanz „des Katholischen“ führte, einer Vorherrschaft, die gegen die Protestanten in der Gegenreformation wie gegen die Sozialisten im 20. Jahrhundert, wenn es sein musste, auch gewaltsam durchgesetzt wurde.

Zweitens herrschte in Österreich zwischen 1934 und 1938 der offiziell „christlichdeutsche“, de facto aber katholisch dominierte „Ständestaat“. Er berief sich nicht zuletzt auf die Enzyklika Quadragesimo anno Papst Pius’ XI. und war nichts weniger als der gesellschaftliche Großversuch, die damals in der katholischen Kirche vorherrschende paternalistisch-autoritäre, anti-demokratische und anti-liberale Staatsauffassung in die Realität überzuführen.

Drittens aber ist die programmatische Entscheidung der österreichischen Bischöfe zu nennen, die unter dem Nationalsozialismus aufgelösten katholischen Verbände nach 1945 nicht wiederzugründen, sondern jene Organisationsform des Laienkatholizismus weiterzuführen, die bereits im Ständestaat eingeführt wurde und unter dem Nationalsozialismus alleine übrig blieb: die „Katholische Aktion“. Ihr Hauptmerkmal: die direkte Unterordnung der Laienorganisationen unter die Hierarchie.

Viertens aber ist Österreich ein kleines Land mit einer großen Tradition und einer zu großen Hauptstadt, deren staatliche wie gesellschaftliche Machthaber stets einen prägenden Einfluss ausüben, stärker etwa als im dezentral-föderalistischen Deutschland.

Das alles bestimmt sowohl die Wahrnehmung der (katholischen) Religion wie die Religion als Wahrnehmungssystem in Österreich. Ich werde daher im Folgenden auf diese spezifisch österreichischen Bestimmungen des Katholischen eingehen. Vorher aber ist Grundlegenderes und nachher noch etwas Spezielles zu benennen. Das Grundlegende betrifft das „katholische Milieu“83 als defensives Beheimatungs- und daher Wahrnehmungssystem und das Speziellere jene eigene theologische Wahrnehmungswissenschaft, welche die Theologie Österreich verdankt: die Pastoraltheologie.

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