Читать книгу Die atlantische Magd - Ralf Blittkowsky - Страница 15

Barbaras Zorn

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Anfang August 1953 versicherten sich James, Melon und Kimberley vor dem Gartenhaus über ihr geplantes in See stechen am morgigen Vormittag.

Kimberleys Motorjacht ist jedenfalls startklar, das hatten wir vorhin gecheckt. Tank gefüllt, Ersatzgallonen an Bord. Proviant, soweit, wie es sich stapeln ließe. Die Jacht stach Morgenmittag, wie verabredet in See.“

„Seeluft, hin oder her, wo ankern wir überhaupt als Nächstes, hat das schon wer mal erkundet? Irgendwie uns nach Süden zu bringen, klingt nach schlechter Orientierung. Nachher schippern wir noch auf den Panamakanal zu und merken es erst, wenn‘s zu spät ist.“

„Kimberley, lass‘ deine Scherze. Verrat‘ uns lieber mal, ob du Seekarten von der Ostküste an Bord hast. Die hab’ ich nämlich vorhin beim Suchen vorhin vermisst.“

„Du hättest zuvor auch mal fragen können, James. Seekarten von der Ostküste liegen in einem Schränkchen, in der Kajüte vorne, gleich untere Schublade. Ich hatte mir beim Jachtkauf vorsichtshalber alles nautische Kartenwerk für unseren Breiten angeschafft, seitdem nur nichts davon gebraucht.“

„Werd‘ ich finden. Wie sieht es mit Seefunk aus?“

„Der Transistor wurde zwar länger nicht mehr gebraucht, müsste aber noch funktionieren, schätze ich mal.“

„Schätzt du, so? Was schätzt du denn noch, auf das wir uns in den kommenden Tagen verlassen sollten?“

„James, lass, das bringt uns auch nicht weiter. Wir haben nun beschlossen, uns ins kalte Nass zu stürzen, und das machen wir nun auch.“

„Hast ja recht, Kimberley. Melon und ich besorgen morgen früh im Hafenviertel, was uns noch fehlt. Dann hätten wir soweit alles zusammen, um uns wenigstens die ersten feuchten Tage an Bord zu versorgen. Um Ann auf hoher See zu sichern, werden wir noch einige Wolldecken mehr brauchen. Meine Schwester muss unbedingt sanft gebettet werden.“

„Was meinst du wohl, um was sich unser aller Denken dreht?“

„Unser aller!? Improvisieren, wie auf der Hinfahrt, ist gewiss keine gute Lösung für sie.“

„Die Jacht wird in atlantischen Küstengewässern von Beginn an schwanken. Ann wird den Wellengang so oder so spüren, mach dir da nichts vor, James. Wind und Wellen werden uns entlang der Ostküste reißerisch und hoch schäumend erwarten, sodass wir unsere Überfahrt nach Halifax als reinste Vergnügungstour erinnern werden.“

„Eskalier‘ mal nicht gleich. Kommt ganz darauf an, wie der Wind steht und wie stark die Sonne scheint, schließlich haben wir August. Schon August!? Wie lange werden wir wohl an Bord unterwegs sein?“

„Hm, bis Savannah, Georgia? Zehn Tagen vielleicht, wenn es gut geht, das heißt, wenn wir ohne Panne durchkommen werden.“

„Kalkulierst du schon Pannen ein? Dann nämlich könnten wir gleich hierbleiben. Pannen auf hoher See sind nämlich fürchterlich, gerade für uns nautische Dilettanten.“

„Was wir nicht alles sein sollen!? Anfang August werden sich ziemlich viele Motorboote und Segler entlang der Ostküste tummeln – atmosphärische Sommerzeit, die jeder und jede genießt, der oder die es kann. Wir werden in der sich tummelnden Menge untergehen, wirst schon sehen!? Während der Sommerzeit gilt der Ostküstenatlantik bekanntlich als reinstes Erholungsgebiet für gutbetuchte Sonnenanbeter.“

„Wo hast du denn das wieder her, Melon? Ein Hurrikan unterwegs könnte uns die Tour ganz schön vermasseln. August ist gerade die Jahreszeit für Hurrikans entlang der Ostküste.“

„Mach uns nur noch mehr Angst, Kimberley. So was können wir einen Tag vor unserem Ablegen am wenigsten gebrauchen. Lass uns morgen einfach ablegen und sehen, was der Tag und natürlich die nächsten Tage bringen. So schlimm wird‘s schon nicht kommen.“

„Euphemist, Melon.“

„Ach, auf einmal.“

„Männer, streitet euch doch nicht noch. Wir sollten zuversichtlich und vorausblickend sein, dass wir in Savannah ohne Blessuren nach zehn Tagen, mehr oder weniger, an Land gehen können, und nichts anderes. Auf keinen Fall mit einem Kelch voller Sorgen.“

„‚Könnte, Möglichkeitsform, so was macht schon bei Beginn die ganze Bordmoral zunichte.“

„So, Bordmoral? Das hat letzte Woche noch ganz anders geklungen, Kimberley. Wie ist es eigentlich, wenn man sich wie ein Fähnchen im Wind dreht?“

„Mach du ihn nicht auch noch verrückt, James. Wie viel Knoten legt unsere Wiege denn pro Stunde zurück, Kimberley?“

„Hab’ ich das noch nicht gesagt? Der Hersteller ‚Chris Craft’ notiert im Manual, dass der Motor bis zu 23 Knoten pro Stunde hoch getunt werden kann. Die reguläre Knotenzahl ist mit weitaus geringeren elf Knoten pro Stunde beziffert. Wenn wir durchschnittlich 15 Knoten pro Stunde zurücklegen, könnten wir pro Tag vielleicht 150-200 Meilen schaffen. Vorausgesetzt wir wechseln uns Tag und Nacht am Steuer ab. Sonst werden es wohl nur die Hälfte an Knoten pro Stunde sein.“

„Wie, Tag- und Nachtfahrt?“

„Natürlich, anders wäre das Bordleben auch zu langweilig und die beschworene ‚Bordmoral‘ könnte darunter erheblich leiden. Fünfzehn Knoten pro Stunde sind ziemlich hoch, findest du nicht, Kimberley? Geht mal davon aus, dass wir erheblich drunterliegen werden, Männer. Wir können schon wegen Ann nicht so schnell auf dem Meer unterwegs sein.“

„Und wohl auch wegen der Wellenberge, die uns mit Sicherheit erwarten werden.“

„Schon wieder, was soll denn das Gerede? Kalkulierst du schon unser Risiko im mortalen Bereich? Ach, ein Pessimist an Bord senkt nur den Zusammenhalt. Ich glaube, wir lassen es für heute sein, und stürzen uns morgen am frühen Nachmittag ins Abenteuer Seefahrt.“

„Howdy.“

Mit einem Nachtgruß stand James auf und verschwand durch die Tür, Melon Jim und Kimberley folgten ihm nach.

Am folgenden Tag, später Vormittag, am Hafenkai, in Nähe der Motorjacht. Melon Jim stand bereits abwartend an Bord, während James und Kimberley Kisten anschleppten, gefüllt mit Proviant und allem sonst Nötigem. Monique saß in einem Leihwagen am Steuer und betrachtete in einigem Abstand die Hafenszene. Ann, vollkommen unwissend, was da vor sich ging, lag zugedeckt auf der Rückbank.

„Falls wir binnen der nächsten Stunde unser Gepäck und unseren Proviant verstauen, schaffen wir es vielleicht, um drei Uhr p.m. heute Nachmittag in See zu stechen.“

„Halifax, ade!“

„Getankt ist, ganz schön billig hier oben, übrigens. Bleibt das Wetter so unbekümmert leicht wie im Moment, könnte es eine herrliche Motorbootfahrt gen Süden werden.“

„Geradezu idyllisch, nicht? Träum nur, Kimberley.“

Unter Mühen und dauernd in Vorsicht, sie nicht aufzuwecken, wurde Ann in der Kabine untergebracht. Als James, Kimberley und Melon Jim wieder an Deck waren, lugte Monique kopfschüttelnd aus der halb geöffneten Kabinentür heraus, James ansprechend:

„Sah vorhin nicht gut aus, wie Ann an Bord gebracht wurde. Ich mach mir ehrlich Sorgen, dass wir ihr einfach zu viel zumuten.“

„Was meinst du, was ich mir andauernd mache, Monique? Sag‘ lieber, ob Ann noch schläft, oder haben wir sie beim Transfer hierher aufgeweckt?“

„Doch, Ann ist unten in der Kajüte kurz wach geworden, Augenaufschlag, den ich gerade noch erwischte. In Liegelage setzte Ann mehrmals an, zu sprechen. Doch ich kann mir ehrlich gesagt keinen Reim drauf machen, was sie sagen wollte. Voller Erstaunen über Anns erstem Sprechversuch seit Wochen fiel ich fast auf der Kajütentreppe zurück. Als ich dann bei ihr ankam, hatte sie ihre Augen wieder geschlossen und lag, wie eh und je, nur diesmal in ihrem improvisierten Kojenbett.“

„Hm, ein vages, schwaches Zeichen, ob sich das wiederholen wird?“

„Niemand weiß es, und uns fehlt es an jeglicher Ahnung, woran Ann wirklich leidet. Wir wissen nicht, mit welchen Tinkturen sie langzeitbewusstlos gespritzt wurde, und was sie sonst noch intus hat, um richtig behandelt zu werden. Das ist es ja, wie tappen schon die ganze Zeit im Dunkeln und können nur auf Besserung Anns hoffen, mehr aber nicht, und das ist richtiggehend deprimierend.“

„Verflucht!“

„Genau, Verflucht, James. Ist dir überhaupt klar, was es bedeutet, ein solches Risiko, wie das unsere, auf sich zu nehmen? Schließlich tragen wir alle die Verantwortung für Ann. Schon eine Besserung, von Gesundung will ich gar nicht erst sprechen, steht in den Sternen.“

„Was ist denn jetzt wieder, Monique? Wir bereiten uns gerade auf eine lange Bootstour vor, die uns alle herausfordern wird, und du zweifelst wieder einmal, ob wir überhaupt mit Ann ablegen können, verstehe ich richtig?“

„‘Uns alle herausfordert‘, du scherzt, ironisierst, was weiß ich, nur ist das ihren Zustand so was von missachtend. Ann ist nicht gefragt worden, James.“

„Natürlich ist Ann nicht gefragt worden, aber sollen wir deswegen so abrupt abbrechen und solange warten, bis Ann antworten kann? Du weißt genau, welche schmutzigen Visagen wir im Nacken haben. Hat Ann eine andere Chance, eine Alternative, ich denke nein, die hat sie nicht! Wenn wir irgendwo und irgendwann neu anfangen wollen, sehe ich keine andere Chance als den Seeweg entlang der Ostküste nach Süden vor uns, so strapaziös es auch für uns alle werden wird. Wir sitzen nun mal alle in einem Boot, so bitter es sich auch darstellt.“

„Aus eigener Erfahrung kann ich nur einräumen, wie es sich anfühlt und anhört, sich Moniques Rat zu sträuben", warf Melon Jim dazwischen, einen schweren Karton, vorbei an James, in die Kajüte heruntertragend.

„Dieser Berg von Verpflegung und Anziehsachen soll in dem kleinen Laderaum verstaut werden, äh? Habt ihr ihn euch vorher wenigsten Mal angesehen? Wir unternehmen doch keine Weltreise.“

„Sicher ist sicher, Monique. Wenn uns Proviant und Sprit ausgehen, werden wir je nach Lage an Ostküstenhäfen, an denen wir vorbeikommen werden, ankern, um dort das Nötigste nachzukaufen und aufzutanken. Geplant ist geplant!“

„Einen etwas pompösen Eindruck machen die gestapelten Kartons oben an Deck und die auf dem Kai schon.“

„Je mehr wir an Bord haben, desto geringer wird die Notwendigkeit, in Ostküstenhäfen unterwegs zu ankern. Zudem sinkt das Risiko, unterwegs erkannt zu werden. Übrigens, Wetteränderungen sind nicht nur zu erwarten, sondern zu befürchten! Wie schlimm es werden wird, keine Ahnung!?“

„Was soll uns denn dazwischenkommen, Angst muss weiblich sein, obwohl?“

„Meine euch überlassene Motorjacht …“

Kimberleys Kopf zeigte sich im Kajütenschacht.

„Was heißt denn das schon wieder, Kimberley, uns überlassen? Wir brauchen deinen nautischen Stolz, weil uns keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, um von hier wegzukommen. Du sitzt genauso im Boot, wie wir alle. Dass ich das noch mal erwähnen muss!?“

„Meine stolze ‚Chris Craft 47 Classic‘ in diesem südlich gelegenen Hafen aufgeben zu müssen, das passt mir ganz und gar nicht. Wenn ich nur daran denke, schwinden mir Mut und Zuversicht.“

„Kimberley, macht es dir eigentlich Spaß, so zu winseln? Was Ann bloß an dir fand?“

„Ergebenheit ins eigene Schicksal, vielleicht?“

„Dieselbe Frage hab’ ich mir auch schon gestellt. Konzentrieren wir uns lieber auf das, was uns als Nächstes bevorsteht. Vorhin habe ich mir auf der Seekarte unsere mögliche Route Richtung Süden noch mal genauer angesehen.“

„So, unsere mögliche Route?“

„Ja, sicher, willst du etwa in See stechen, ohne zu wissen, wo es überhaupt als Nächstes hingeht? Seefahrt heißt, gewissenhaft zu navigieren, für uns nautische Amateure erst recht.“

„Seid ihr wirklich sicher, dass wir am Ziel ankommen werden?“

„Klar. Was soll denn das schon wieder, Monique, und dass, so kurz, bevor es losgehen kann?“

„Ich meinte ja nur, Amateuren traut man am wenigsten zu, sich zu übertreffen.“

„Ach, so ist das?“

„Ruhig Blut, James, uns sollte anderes dringlicher stören. Wir werden von Boston, Massachusetts, bis Savannah, Georgia, auf dem Radar der Coast-Guard auftauchen, da bin ich mir sicher.“

„Ach, das kannst du ruhig wieder vergessen, Kimberley. Coast Guardler wird unsere Motorjacht nun wirklich nicht stören. Wir sind bloß welche unter vielen, was garantiert nirgendwo für Aufregung sorgen wird. Das Getümmel der Vergnügungssüchtigen ist unsere Deckung auf hoher See, versteht ihr!? Wir dürfen unterwegs nur keinen Zweifel erregen, nirgendwo aufzufallen, wird das oberste Gebot der Stunde sein. Unterwegs nur ankern, um zu tanken, Proviant, Arznei oder sonstiges zu ordern, mehr verbietet sich von selbst. Eh‘ wir uns versehen, steuert uns sonst ein Schnellboot der Coast-Guard hinterher, um uns mal näher unter die Lupe zu nehmen. Was das bedeutet, müsste euch allen klar sein, Einwände?“

„Was wir alles nicht sollen, Mann?“

„Klug, Kimberley, sehr klug. Natürlich, nicht“, herrschte James nach.

„Solange kein Argwohn keimt, herrscht Silentium auf See. Unsere Motorjacht schifft in Deckung der Reichen, Attraktiven und Eleganten, die ihre Wall-Street-Bürosessel für ein paar Tage verlassen haben, keinen Drehtermin in Hollywood verpassen, oder die ihre Bullen beim Bespringen wissen. Unser Ziel liegt einige Hundert Seemeilen weiter südlicher, und in südlicheren Ostküstenregionen könnten wir ziemlich allein auf weiter Ebene sein. Vielleicht mal ‘nen Frachter, ‘nen Dampfer oder ein paar Versprengte im Fernglas, aber das war’s!?“

„Gerade um diese Jahreszeit ein riskantes Territorium. Hurrikangefahr! Besonders um diese Jahreszeit drohen verheerende Wirbelstürme aus dem Südatlantik, die in Richtung Ostküste ziehen.“

„Alles schon gehört, Angsthase“, antwortete James. ohne sich nach dem Sprecher umzusehen, dann setzt er fort: „Vielleicht haben wir Glück, und nichts tost.“

„Glück, du spielst mit unserem Leben, James, ist dir das klar?“

„Mal den Teufel nicht auch noch an die Wand, Kimberley. Gerade jetzt nicht, wo wir kurz vorm Ablegen sind. Der Hurrikan, wenn er überhaupt bis an die Ostküste vordringt, könnte sich schon als laue Böe mitten auf dem Atlantik verblasen haben. Panik wegen nichts, also lassen wir alles, was geschieht, auf uns zukommen. Haben wir die Situation bis hierher gemeistert, werden wir auch meistern, was auf uns zukommt. Ich mach‘ mir darüber keinen Kopf.“

„Gewagt ist das schon, was Kimberley da meint“, wandte Melon Jim nachdenklich ein.

„Na gut, wenn’s euch beruhigt. Bei der ersten Hurrikanwarnung, die der Seefunk durchpustet, ankern wir, gehen an Land und sehen zu, von dort abzuhauen, wo wir uns gerade aufhalten. Nur lasst uns erst mal ablegen, dann sehen wir weiter.“

Eine dreiviertel Stunde später.

„So, das wäre geschafft! Unser Proviant für die nächsten Tage ist verstaut, frisch aufgetankt ist es und Gaskanister sind gehortet. Die Kombüse ist zwar klein, sieht aber aus, als ließen sich in ihr ozeanische Delikatessen brutzeln.“

„Eine Angelrute liegt am Heck unter der Plane.“

„Wohl Spaßvogel, wie? Was wir vorhaben, wird alles andere als gemütlich werden. Dein Angeln kannst du gleich wieder vergessen, Kimberley. Schätzungsweise werden wir schneller über Wellen schwanken, als dass du die Angelrute auswerfen kannst. Drei Männer und zwei Frauen an Bord, das war’s. Ade, Halifax, auf zu neuen Ufern und Leinen los.“

Nachdem Melon Jim das Tau eingeholt hatte, steuerte Kimberley los und informierte, über den Rücken sprechend, die anderen:

„Der nächste Ostküstenhafen liegt übrigens bei Wequassett, an der Küste von Massachusetts, ziemlich weit in den Atlantik hineinragend. Da zum ersten Mal zu anken, käme uns entgegen. Unsere Motorjacht wird allerdings schon einen ganzen Tag brauchen, um von hier dort hinzukommen. Fast 300 Seemeilen, eine ganz schöne Strecke bis dahin!? Auch der Bordfunk hat noch nichts gemeldet, was unsere erste Etappe verzögern könnte.“

„Morgen wieder anzulegen, halte ich für ungünstig, Kimberley. In Massachusetts werden Gottliebs Jungs bestimmt zuerst Steckbriefe aushängen haben.“

„Steckbriefe, das Thema kocht spät hoch? Hm, glaub‘ ich nicht, dass die CIA Steckbriefe wegen uns aushängen lässt. Denn dann bekäme das FBI Wind von der Sache, und das wäre gegen deren Intuition, also Schlag ins Kontor.“

„Ach ja, was Gottlieb und sein Zirkel um jeden Preis vermeiden werden, sehe ich auch so. Sein Fiasko im Blockhaus hat der garantiert zur geheimen Kommandosache erklärt, wetten?“

„Spekulation, die nichts bringt. Kannst ja mal bei der nächsten Polizeistation auf dem Festland anklopfen und einen launigen Deputy fragen, ob ein Steckbrief auf uns aushängt.“

„Und wie hoch die Belohnung für einen Hinweis ist?“

„Haltet euch zurück, Melon und Kimberley. Mit Spekulationen, was sein könnte und was nicht, brauchen wir unsere ein wenig kopflose Regatta nicht zu beginnen.“

„Schätze, wir könnten uns auch einige hundert Seemeilen weiter auf den Atlantik hinauswagen, ohne schon an der Küste Massachusetts anlegen zu müssen? Unsere Gefahr, entdeckt zu werden, minimiert sich sicherlich mit jeder Seemeile, die wir uns vom Küstenradar entfernen. Je eher, desto besser, schlage ich vor.“

„Verstehe, nur die Gefahr, zu kentern, wäre größer, wie?“

„Mann, Kimberley, du wirst uns noch alle umbringen mit deinem andauernden Gefasel.“

„Wusstet ihr schon, dass die Chris Craft auch größere Tiefen meistern kann? Hab’s zwar noch nicht ausprobiert, so steht es aber im Manual.“

„Geschrieben steht zu oft viel. Viel zu viel, wenn ihr mich fragt.“

„Meinte ja nur, ist eure Entscheidung!? Ein sich fortbewegender Punkt auf dem Radarschirm könnte ein vergrößertes Risiko bedeuten.“

„So, bedeutend? Wow! Wir werden schon nicht entdeckt werden, Angsthase. Wir bleiben weiterhin unbedeutend, und deshalb gehen wir im Ostküsten-Seeverkehr unter wie eine verirrte Kaulquappe, an die sich niemand stört.“

„So, was ist mit schnorchelndem Biologen, Zoologen, nautischen Kleintierforschern? Schau dich nur um, was schon vor Neuschottland auf Küstengewässern los ist.“

„Kimberley, Frachter, Dampfer, Jachten, Boote, na und?“

„Dass du das Risiko so leicht übersehen willst, James? Gewohnheit, wie?“

„Mann über Bord!“

„Hör auf, James, mit so was scherzt niemand“, sagte Melon Jim, aus dem Kajütenschacht hochkommend und setze fort:

„Kimberley hat recht. Unsere Motorjacht könnte weiter auf den Atlantik hinauszufahren. Die Tankkapazitäten wären dafür vorhanden.“

„Nun du auch noch, Melon? Verschwört ihr euch etwa gerade gegen mich? Größere Tiefen sind kein Problem, steht im Manual, warum also noch zögern?“

„Junge, Kimberley, was wir hier machen, ist schon riskant genug. Vergiss nicht, mit einer äußerst labilen Ann an Bord umso mehr. Was brauchen wir noch ein Wagnis, frage ich euch Neuverbündete? Kimberley, ahnst du wenigstens, wie du mit deinen absurden Einfällen unser aller Leben auf Spiel setzt? Auf hoher See herrschen noch mal andere Wetterverhältnisse als entlang der Ostküste, ist dir das denn nicht klar? Dann nämlich fragt sich, warum ist dir das nicht klar? Also, hör‘ endlich auf, in Möglichkeiten zu denken, Kimberley, und zieh endlich die Realität vor. Die Realität sind wir, das Ethos, das uns verbindet, ist, uns nicht zu gefährden, und zwar vom Anfang bis zum Ende.“

„Das musst du mir gerade sagen, James.“

„Was soll denn das wieder heißen?“

„Beruhigt euch beide Mal“, stellte sich Melon Jim in die Mitte zwischen beiden: „Wir haben uns über drei Wochen vertragen, und wir werden auch in den bevorstehenden Tagen auf See nicht daran rütteln, okay?“

„Wir werden von Naturgewalten schon genug durchgerüttelt, oder wie? Ein Hurrikan braucht gar nicht erst einzutreffen oder so?“

„Kimberley, dass du das auch mal kapierst. Was wir vorhaben, hat nichts mit Kunst oder Philosophie zu tun. Ein misslungenes Bild kannst du übermalen. Einer irritierenden Philosophie Fußnoten kannst du ändern, korrigieren, revidieren. Das alles funktioniert auf zurückgelegten Seemeilen nicht! Irren wir uns, wird das Risiko, das wir eingegangen sind, leicht zur Falle für uns alle.“

„Du spekulierst schon mit unserem Tod, James? Gilt Verhängnis für Techniker, Ingenieure nicht?“

„Verhängnis, Risiko, Melon? Ein Windhauch zur falschen Sekunde, nur im Ungefähren kalkulierbar, sowohl das eine wie das andere erschwert auf hoher See, zu existieren.“

„Nehme ich gerade wahr, dass dich, James, der Mut verlässt, und dass wir uns nicht mehr auf dich verlassen können? Wo Ingenieure doch alles bis ins letzte Detail austüfteln, hab’ ich recht?“

„Nein, alles geht nicht, unsereins experimentiert auch mal, höhere Mathematik, versteht ihr.“

„Zahlenverdreher auf hohem Niveau, gibt es so was?“

„Kimberley, du brächtest mich auf die Palme, wenn es in der Nähe eine zu entdecken gäbe. Niemand von uns ist Odysseus, der seinem hurenden Weib entgegennavigiert, kapiert. Nach zehn Jahren Trennung wäre es ihr übrigens nicht zu verdenken.“

„James?“

„Na ja, was ist, Melon? Auch viel beschäftigte Ingenieure haben hin und wieder mal Dienstschluss. Die Konstruktion von Apparaten zur Massenmortalität ist sowie so nur ein wirtschaftlich anerkannter Zeitvertreib mit zyklischer Gehaltszahlung, ist es das, was du ausdrücken willst?“

„Wo hast du das denn wieder her?“

„Ich bin ein Buckler, oder vielmehr, war ein Buckler, so wie jeder und jede Nine-to-Fiver auch, aber das ist Geschichte, um die sich niemand mehr kümmern wird.“

„James, du erstaunst mich zum zweiten Mal in einer Viertelstunde. Stehst du etwa nicht mehr hinter deiner Profession, die dich geehrt und vermögend gemacht hat?“

„Das mit dem vermögend, kannst du wieder vergessen, Kimberley. Seit ich mit eigenen Augen gesehen habe, was aus Ann in ein paar Wochen geworden ist, hat mein Glaube an den Hoffnungsträger des 20. Jahrhunderts, an die Technik, schwer gelitten. Die können doch nur so verbrecherisch Frauen wochenlang aus dem Verkehr ziehen, wenn diese Menschenschinder Apparate haben, die auf Tastendruck funktionieren, also von einem wie mir entwickelt worden sind, unglaublich so was, und abartig dazu.“

James atmete tief durch, dann setzte er fort: „Zweifel an dem, was unsereins tagein, tagaus so treibt, kamen mir schon früher, aber nachdem, was uns zwingt, unser Leben in die Waagschale zu werfen, voll und ganz. Was haben denn das gesamte Rationalisierungsstreben der letzten Jahrzehnte und die vielen Technikprophezeiungen in Vergangenheit und Gegenwart der Menschheit gebracht? Grausame, gruselnde, pervers-penetrante Psychoapparate werden entwickelt, um wahllos Frauen zu Psychowracks zu penetrieren und dann als sogenannte ‚nützliche‘ Psychowracks weiterexistieren zu lassen? Soll das die amerikanische Zukunft sein? Entmenschlichung auf ganzer Linie?“

„So ein Schwarzseher bist du also, James? Wer hätte das gedacht!? Bei Ann ist er ja nicht ganz so schlimm gekommen. Wir konnten sie ja vorzeitig befreien, zum Glück. Wegen ihrer Rettung braucht sie wohl nicht die volle Wucht dieser teuflischen Behandlung ertragen!? Allerdings, hoffen müssen wir weiter.“

„Wie, vorzeitig befreit, und alles wird gut? Meinst du das? Sieh sie dir nur mal an, wie sie unten in der Kabine teilnahmslos daliegt. Wer weiß, wann sie ihre Augen wieder aufschlagen kann. Obwohl ihr sie befreit habt, habt ihr sie zur Qual befreit, und, wer weiß, wie für lange? Sag ihr nur mal, sie sei frei. Ja, geh runter und sag es ihr ins kaum wiederzuerkennende Gesicht. Sie glotzt dir nur nichtssagend in deine Visage, aber wird dich nicht mal wahrnehmen. Wie soll sie dann verstehen? Ist das die Freiheit, die du meinst, Melon?“

„Ich weiß nicht, was du uns damit sagen willst, James? Als wir wussten, wo Ann liegt, haben wir unsere Freundschaftspflicht getan und nicht gezögert, Ann unter hohem Risiko aus dieser grauenhaften Geheimstation rauszuholen. Als wir nach Wochen endlich wussten, wo sie lag, hätten Monique und ich Ann da liegen lassen sollen? Niemals, sag ich euch! Einfach schrecklich, wie sie in jener Nacht da lag, umgeben von lauter perversen Apparaturen dalag. Ann hat keinen Schimmer, was in der Nacht ihrer Befreiung mir ihr geschah. Sie weiß auch jetzt nicht, was wir vorhaben, was wir ihretwegen vorhaben. Du weißt ja, bevor das ihr passierte, hat Ann zwar ihr Leben überschäumend, wie im Rausch, genossen. Da war sie noch in Freiheit, sie selbst, und das mochten, liebten wir alle an ihr. Was heißt überhaupt, frei zu sein? Wenn ich so zurückdenke, glaube ich, Freiheit war Ann egal, solange sie nur machen konnte, was ihr gefiel und sie sich erlauben konnte, was sie wollte. Gedulde dich, gib Ann Zeit und komm ihr nicht gleich mit großen Worten. Die braucht sie nämlich ganz und gar nicht, James.“

„Melon hat recht, James. Dass Ann so was Grauenhaftes nie wieder passiert, halte ich das Steuer. Ann wird längst auf dieser abgründigen Geheimstation eine Registerkarte mit Vermerk ‚unerledigt‘ sein. Die CIA sorgt schon für reichlich für femininen Nachschub auf ihren Geheimstationen, davon kannst du ausgehen. Für die ist Ann nur noch eine Karteikartenleiche.“

„Wie, eine Leiche? Was da an bodenloser Unmenschlichkeit passiert, scheint sonst niemand in unserer sonst so machtvoll auftretenden USA zu kümmern. Und ich bin schuld, Schuld an allem. Nur, weil der Kommunismus mein Lid rot färbte und ich meine Arbeit zu hassen anfing, verdammt noch mal. Nur darum ging’s!?“

„Kommunismus, hier inmitten schäumender Wellen? Mann, James!? Also war doch etwas dran an dem, was Gottlieb stotterte?“

„Frag doch nicht noch, du hörst es doch gerade.“

„Mann, James und Kommis? Das ändert unsere Situation hier an Deck kolossal. Ein Kommis an Bord, Mensch, wer hätte das gedacht!? Ich hatte James noch vor ein paar Tagen gefragt, ob an Gottliebs Herumhacken im Blockhaus auf ‚Kommunismus‘ was dran sei, und James hatte alles abgestritten, und nun doch.“

„Das war vor ein paar Tagen, Melon. Gerade aber hat James sein Geheimnis gelüftet und bekannt, dass doch Einiges dran gewesen sei an, so muss ich nun bekennen, auch meiner Vermutung.“

„Jeder kann sich mal irren, gut, nur, kapiere ich das richtig? Was mit Ann geschah, soll wegen seines verflixten Hangs ins rote Milieu passiert sein? Das hieße ja, Monique und ich paddelten mit euch diese bizarre Tour, nur weil James seine rot bespritzte Weste bis zuletzt weiß halten wollte?“

„Das geht eindeutig zu weit, das eine ist karminrot, das andere burgunderrot.“

„Hä? Wusste Ann davon, dass ihr Bruder sich auf Rot ausgelegten Abwegen befand?“

James sah Melon hasserfüllt an, schrie ihn an: „Nein, natürlich nicht, Ann ist da in was hineingeschlittert, einfach so. Ich hab’s nicht mal mehr bremsen können, obwohl ich’s versucht habe.“

„‘Nicht mal mehr bremsen können‘, das glaub ich jetzt nicht. Du, also, bist Verursacher des Ganzen und trägst die alleinige Schuld, dass Ann so schwer leidet?“

Melon Jim zeigte am langen Arm auf James und fing schockartig an, zu lachen.

„Du gehörst zu denen, die am meisten gehasst und am schlimmsten in den Staaten verfolgt werden, ist dir das klar, Mann? Dann waren an dem Morgen, als Ann bei uns anrief, nicht bloß zwei Typen hinter ihr her, sondern die beiden stammten von der CIA, nicht? Fragt sich nur, was die CIA-Typen ausgerechnet von Ann wollten, wenn sie dich unter ihre Fittiche bringen wollten?“

„Weiß auch nicht, warum sie sich ausgerechnet Ann aussuchten. Am Vortag, an dem, bevor Ann verschwand, tauchten zwei von der CIA in meinem Büro auf und drohten mir.“

„Dir drohen, wie haben die denn das geschafft?“

„Ist eben geschehen, verflucht noch mal! Als der eine immer aufdringlicher wurde, hatte ich die beiden achtkantig aus meinem Büro geschmissen.“

„Und dann haben sie sich als beleidigte Staatsdiener zum Zweck des Hinterhalts Ann zugewendet, oder wie soll ich das verstehen, James?“

„Genauso muss es hinterher passiert sein, Melon. Nur hab’ ich keine Ahnung, warum die beiden ausgerechnet Ann auf Korn nahmen.“

„Wegen deiner Blockade am Vortag, ist doch klar. Die hätten dich auch gleich im Büro entthronen und in Handschellen legen sollen. Alles wäre dann besser verlaufen, viel besser als das hier.“

„CIAler legen niemand Handschellen an, schon gar nicht, wenn sie inoffiziell auftauchen. Was mein’ste, wie schnell das FBI Wind von der Sache bekäme?“

„Was für Firmenjungs auf jeden Fall zu vermeiden wäre.“

„Ach, die ganze Mischpoke kann mir mal den Buckel runterrutschen.“

„Mann, würde sagen: tollkühn. Du gefährdest uns alle, nur um bis zuletzt zu verheimlichen, dass du mit Kommis zwitscherst, ich glaub es nicht!? Mir ist in den letzten drei Wochen noch keiner vor die Faust gerannt. So einen würde ich am liebsten auf der Stelle in Teile zerlegen und dann entsorgen. Da kannst du drauf einen so was von lassen.“

„Muss ich mich ab jetzt vor dir hüten, Melon? So auf dem Atlantik lässt sich aber schlecht das Weite suchen.“

„Muss wohl bei dir wohl ‘ne verdammte Ausnahme machen. Wie lange ging dein, sagen wir mal, untergründiges Engagement denn schon?“

„Lass, Melon. Was auf dem Festland passierte, können wir sowieso nicht mehr ändern. Wir sind hier an Bord zusammen wegen Ann, nicht wegen James und seiner lange verleugneten USA-Skepsis. Nennen wir es Schicksal, das uns an Bord zusammengewürfelt hat.“

„Schicksal? Ach wie schön, schon mal ein Wort für unsere Lage zu haben.“

„James, viele wären stolz, ein solches überhaupt zu haben und noch zu leben.“

„Einspruch, im Grunde ahnen wir nicht mal nichts, was uns auf den nächsten, nach fünfhundert, nach tausend Seemeilen erwartet. Dass wir nun Wellen erzeugen, damit beginnt, und endet womöglich unser Schicksal. Momentan haben wir nur Hoffnungen, dass Ann wieder gesund wird und dass sie wieder sie selbst werden kann.“

„Schlag dir so was Langzeitperspektivisches aus dem Kopf. Wie es mit ihr weitergeht, über ihr Schicksal können wir nichts sagen, also müssen wir schweigen.“

„Wie, du trennst Anns Schicksal von unserem?“

„Was faselt ihr über Schicksal, welche die Unbekannte überhaupt im Lebensspiel ist? Konzentriert euch lieber darauf, wie es mit uns weitergehen soll.“

„Gut, fahren wir also an Wequassett vorbei. Der nächste Stationshafen auf unserer Ostküstenroute wäre Montauk. Da müssen wir aber anlegen und tanken.“

„Montauk ist gerade mal die Spitze von Long Island!? Klingt nicht gerade, als wären wir weit vorangekommen.“

„Obwohl wir inzwischen eine größere Distanz zurücklegten. Schau mal auf die Karte. Zwei Tage bis Long Island, wow! Wie wäre es, wenn wir ein paar Tage in Montauk Rast einlegten?“

„Um nach New York hineintrampen? Du spinnst, Melon. Wenn einer von Bord geht, dann wird das James sein.“

„Einer Granate im Anzug trauen?“

„Gegenfrage: Bleibt uns eine andere Wahl? James sieht von uns dreien nah wie fern am unverdächtigsten, seriösesten aus. Aber nur das Nötigste einkaufen, kapiert.“

„Wir können einen wahrheitsbeugenden Kommunisten doch nicht aufs Festland lassen? So einer fängt doch gleich an, mit den seinigen über die Weltverschwörung des Kapitals, oder was weiß ich, zu schäkern.“

„James geht, und damit Schluss! Bisher hat er sich auch ganz zuverlässig verhalten, oder?“

Am dritten Tag ihrer aus der Not geborenen Ostküstenpassage, früh morgens an Bord. Die Sonne war soeben aufgegangen, diesig, kühl. Einige Seemeilen hinter dem Hafen von Montauk. Kimberley stand am Steuer. Eine weitere Zweitagestour Richtung Virginia Beach nahm soeben Fahrt auf.

„Morgen, Kimberley. Wo warst du denn, als ich gestern Abend über unseren Steg ins Boot spazierte? Nach gestern Abend in der Hafenkneipe scheint es schwieriger für uns zu werden?“

„Du warst gestern Abend in einer Kneipe, James? Wo wir doch abgemacht hatten: Keine Vergnügungstouren, nur das Nötigste einholen. Hast du wenigstens Tabletten für Ann gekriegt?“

„Ja, hab’ ich. Sie hat auch schon gleich zur Nacht mehrere davon eingenommen. Der hohe Wellengang an einigen Stellen. Das unberechenbare Schaukeln unseres Boots, der scharfe Wind? Fürchte, das verträgt kaum ein Gesunder auf Dauer, wie dann Ann?“

„Ann sollte mal, wenn auch nur kurz, an Bord. Die Seeluft täte ihr sicherlich gut.“

„Nur wie soll das gehen?“

„Monique erzählte vorhin, dass sich ihr Zustand in den letzten Tagen ein klein wenig gebessert hätte. Ann hätte nicht, wie gewöhnlich, die ganze Nacht durchgeschlafen, sondern zwischendurch würde sie wach sein, dann döse sie vor sich hin. Außerdem mag Ann kaum noch zu essen und zu trinken. Monique rastet ihretwegen schon manchmal aus. Sie schob vorhin noch nach, dass ihr manchmal schon die Sorgen um Ann über den Kopf wachsen würden. Dieser Dauermief in der Kajüte bekommt Ann bestimmt nicht gut.“

„Das sehe ich auch so. Ann muss mal raus aus der Kajüte an die frische Luft, und wenn es nur ein paar Minuten an Bord sind. Die beengte Situation unten wird ihr auf die Dauer viel abfordern. Auch mir wird unser Seeabenteuer mehr und mehr zur Qual, je länger bei diesen garstigen Wetterverhältnissen unterwegs sind.“

„Das ist hier kein Seeabenteuer, James, schon vergessen? Wir streiften gerade erst New York, ein Drittel der Strecke steht uns also noch bevor.“

„An manchen Stellen, der Wellengang ist noch nicht einmal sehr hoch, schwankt unsere Motorjacht bedenklich heftig. Der raue, eiskalte Wind morgens, die bedrohlich hohen Wellenberge hier auf hoher See. Dauert unsere Odyssee länger, wird Ann noch schwächer werden, als sie jetzt schon ist. Ich befürchte deshalb, dass wir ihr mit unserem Seeabenteuer nur schaden werden. Dass die Ostküste für uns alle so anstrengend wird, hätte ich, als wir in Halifax ablegten, niemals vermutet.“

„Du bist eben kein Seemann, James. Wärst du einer, würdest du dich womöglich freuen. Walfontänen, springende Delfine am Horizont, Möwen sorgen immerhin für prickelnde Atmosphäre auf bewegter See. Zudem sonnst du dich des Öfteren in der Atlantiksonne, ohne zu faulenzen. ‚Fange den Tag‘, stand unvergesslich auf einem Plakat. Wenn es nach mir ginge, könnte unsere Motorbootfahrt nicht schöner sein, verstehst du? Mir fehlen nur ’n paar Hanteln. Solange ohne Training zu bleiben, ist für den Muskelaufbau nicht gut. Wenn’s weiter so läuft, stranden wir braun gebrannt, aber schlaff in Savannah.“

Nachmittags, einen Tag später, auf hoher See. Die amerikanische Küste war nur noch durch das Fernglas sichtbar.

Monique kraxelte aus der Kabine hoch, sprach James am Steuerrad an:

„Um Ann mache ich mir nun ernsthaft Sorgen.“

„Das wäre ja nichts Neues. Fast die Hälfte unserer Strecke haben wir schon zurückgelegt. Nur noch ein paar Tage, Monique, bis wir im Hafen von Savannah ankern werden. So, wie es verabredet wurde, so wird’s auch ausgeführt, versprochen. Nur noch ein bisschen Geduld.“

„Meinst du, dass das ein Trost für mich ist? Ich sorge mich nicht nur um Ann, sondern frage mich bei der Gewalt gischtender Wellen ernsthaft, ob wir unser Zielhafen jemals erreichen werden. Sieh mal, wie sie inzwischen um uns herum gischten und brausen und der Wind vom Meer her ist fast nicht zu bändigen.“

„Mein’ste, ich bin blind“, retournierte James ziemlich barsch, mäßigte sich aber sofort wieder und setzte fort: „Morgen früh steuern wir nach meiner Berechnung den Hafen von Wilmington, North Carolina, an. Unsere letzte Etappe erschließt sich danach von selbst. An der Küste von South Carolina vorbei, gleich bis Savannah. Solange muss Ann, müssen wir auf jeden Fall noch durchhalten. Kannst du dafür sorgen, Monique?“

Monique verschwand nach unten in die Kajüte, ohne zu antworten. Kurz darauf ließ sich Melon Jim, noch gähnend, im Kabinenschacht blicken.

„Hab’ ich richtig gehört, was Monique mir gerade erzählte? Wenn nicht noch was passiert, legen wir übermorgen Nachmittag im Hafen von Wilmington an?“

„Yes, Sir, Tag- und Nachtfahrt weiterhin unterwegs, versteht sich von selbst.“

Ein paar Stunden später. Kimberley kam aus Kajüte herauf.

„James, es ist plötzlich so ruhig auf See geworden, merkwürdig ruhig, irgendwas stimmt da nicht!?“

„Was soll denn nicht stimmen, Kimberley? Bisher sind wir doch auch gut durchgekommen und die restlichen Seemeilen werden wir auch noch ohne Verzögerung herunterreißen, wirst schon sehen.“

„Merkst du es denn nicht, James? Der Wind weht schärfer, die Wellen wogen höher, und Regenwolken werden schon bald von See kommend über uns hinweg zum Festland rüberziehen.“

Er nahm das Fernrohr, schaute auf den Atlantik hinaus und setzte währenddessen fort: „Seltsam, von den Ostküstenvögeln sind nur noch ein paar in der Luft, Fische springen kaum mehr am Horizont. Plötzlich ist eine Stimmung wie zum Fürchten aufgezogen.“

Als James sich umdrehte, stockte er in seiner Bewegung. Er zeigte am langen Arm nach Südosten, in Richtung Firmament, von wo eine ungemein düstere Wolkenzusammenballung bedrohlich nahte.

„Sieht mal, Kimberley, da ziehst sich im Südosten einiges ganz schön zusammen.“

„Auwei, du hast recht“, folgte Kimberleys Blick James zeigendem Arm und sagte beeindruckt: „Oh, ja, da kommt was auf uns zu. Wenn wir nicht Tempo machen, zupfen zunächst, dann zerren die ersten Böen schon bald an unserer Jacht, James.“

„Wie, zerren? Das, was da aufzieht, kann sehr heikel für uns werden. Geh runter, sag Melon und Monique, dass sie sich vorsichtshalber schon mal Wasserwesten anziehen sollen. Du natürlich auch, ich hol mir gleich auch eine, wenn du wieder hier bist.“

„Und Ann?“

„Schützen, mit allem, was verfügbar ist. Monique und M…, nein, Melon soll erst mal an Deck kommen. In den nächsten Minuten wird es hier oben ungemütlich werden. Schätze mal, einige Minuten haben wir noch, bis das Unwetter eintrifft, aber nicht mehr viele. Also los, worauf wartest du noch.“

In enormem Tempo zog der Himmel von See her zu, Starkregen setzte in Perspektive ein, kurz darauf erreichte der Starkregen auch die Chris Craft. Zackig aufleuchtenden Blitzen folgten mehrere hintereinander grollende Donner. Der inzwischen von anschwellenden Monsterwolken durchzogene Atlantikhimmel verfinsterte sich im Sekundentakt rapide.

„Mach schon, es kann sich nur um wenige Minuten handeln, bis das Unwetter über uns tobt. Und wir mittendrin, verdammt.“

„Unwetter? Das wird ein ausgemachter Hurrikan werden, der uns die Weiterfahrt vergeigt, so, wie es aussieht, James. Wir sind einem solchen Hurrikan auf offener See hilflos ausgeliefert und er wird uns alle vernichten.“

„Verdammt, und so was uns. Kimberley, setz‘ ein SOS ab, schnell! Das Signal müsste noch durchkommen, hoffentlich!? Wir geraten in lebensbedrohliche Seenot.“

„Mann, James, irgendwer muss uns doch hören, retten, sonst sind wir wirklich verloren angesichts eines skrupellos über uns hinwegjagenden Hurrikans.“

Erste Regentropfen an Bord schnellten in Sekunden zu sich ergießenden Strömen. Sich verdunkelnden Wolkenungetüme nahmen in Windeseile an Schwärze zu. Im Nu war eine Bordverständigung nur noch durch Anschreien gegen stürzende Wassermassen möglich.

„James, bei der Regenwand, die sich gebildet hat, kommt ein Signal wahrscheinlich nicht durch“, schrie Kimberley in James Ohr hinein:

„Uns zu retten, wird sich bei diesen Wassermassen, die auf uns niederprasseln, sowieso niemand mehr trauen. Wir sind vollkommen hilflos dem hier ausgeliefert, folglich rettungslos verloren. Als ob uns ein letaler Sog von jetzt auf gleich erfasst. Das hier bedeutet unser aller Aus!“

„Schmeiß dich doch rein in die Flut, wenn du keine Hoffnung mehr hast, Kimberley. Es fängt doch gerade erst an, zu stürmen, ja, aber noch ist es nicht, zu spät.“

„Kaum mehr als ein Fünkchen von uns allen wird bleiben. In abzählbaren Minuten werden von diesem Tobsuchtsanfall von Seewetter zermahlt werden, so wird es kommen, und was bleibt dann von uns!? Nichts, rein gar nichts.“

„Verschollen am Ostküstenstrand, vielleicht?“

„Männer, wir sind nun da reingestolpert und werden es auch schaffen, dem Hurrikan zu widerstehen“, schrie Melon Jim aus nächster Nähe gegen den ohrenbetaübenden Lärm, der bereits an Bord herrschte.

„Plätscher, plätscher, schau doch mal nach oben, Melon, wenn du dich traust. Dieses ganze Wasser in den Klamotten, die Luft ist schon eisig kalt. Regenwasser und Minusgrade, eine erstarrende Mischung.“

Von See her zogen im rasenden Tempo und in rascher Folge weitere unheildrohende Wolkenberge nach.

Doch plötzlich, ein Ruf Kimberleys, dem heftiges Winken am langen Arm folgte:

„Seht, wir werden gerettet, dahinten!“

James stürzte zu Kimberley, sich mit Mühe an der Reling festhaltend, peilte, soweit wogende Wellen und niederstürzender Regen es noch zuließen:

„Verstehe das, wer will!? Viel zu gefährlich für einen Kapitän und seine Mannschaft in solche ausgelassen tobenden Naturgewalten ‘reinzuhalten.“

In etwa hundert Yard Entfernung schwankte ein größeres Schiff heftig in den Wellen, mit gerade noch durchs Fernglas sichtbaren Geschützaufbauten auf dem Vorderdeck.“

„Wer sollte uns noch retten wollen, wenn sich die Welt anschickt, über uns zusammenzubrechen? Die werden den Teufel tun, uns Versprengte aus dem Wasser zu ziehen. Eine Fata Morgana auf See, Kimberley, halluzinierst du schon? In unserer angespannten Situation solltest du so was lieber lassen. Überleg‘ dir lieber schon mal dein letztes Gebet.“

„Gebet, welches Gebet denn? Nein, der Kapitän hält sich ein wenig seitlich, seht! Das Schiff bewegt sich nicht mehr, die haben gestoppt und scheinen noch was vorzuhaben.“

„Optimist, das seh ich ja gerade noch mit bloßem Auge, wie schwer selbst das Schiff gegen diese barbarischen Flutmassen ankämpft und bereits in der Schieflage ist. Die sind garantiert nicht viel anders dran als wir, alle Hoffnung ist gestorben, gib’s auf. Das einzig Gute daran ist noch, wir werden nicht die einzigen Wasserleichen auf diesem Breitengrad sein. Nimm’s hin, wie es nun mal ist!? Ann musste so viel erleiden, um mit uns an diesem verfluchten Ort unterzugehen, Verdammt. Unser Schicksal wird das von Meeresleichen sein. So wird es mit mortaler Präzision auf uns zukommen, da mache ich mir keinerlei Hoffnung.“

James wandte sich wieder dem Steuerrad zu, das sich bereits wie außer Kontrolle im Kreis drehte. Kimberley jedoch hielt ihn am Ärmel und zog ihn zurück:

„Schnell, James, sieh dir das an! Ein Manöver, sie wassern ein Boot. Unser Rettungsboot? Sind die jetzt ganz verrückt geworden. Da wollen welche zu uns, sieh, James.“

James stellte sich, so gut, es noch ging, neben Kimberley:

„So was, jetzt seh ich’s auch. Gib mir mal das Fernglas.“

Aber durch das Fernglas war kaum noch etwas zu erkennen, dann mit bloßen Augen, mehr recht als schlecht gelang eine Perspektivsicht aufs tobende Meer hinaus: „Du hast recht. Zwischen uns und dem Schiff kämpfte bei schwer zerfurchter See ein besetztes Schnellboot gegen martialische Wetterverhältnisse an. Es hält auf uns zu. Die wollen wirklich noch zu uns. Uns noch retten, das darf nicht wahr sein!?“

James griff ein anderes Fernglas, dann peilte, so gut es ging, vom auf sie zukommenden Schnellbord zum dahinten schwankenden Hauptschiff hinüber, sagte, was er im Sucher erkannte:

„Der dunkelblaue Kreis im Hintergrund, die Männerleiche am Boden, die stolze Stabhalterin. Am Heck weht die Landesflagge Virginias. An der Antennenanlage flattert die Flagge der US Coast-Guard. ‚Semper paratus‘, dem US-Militär zugeordnet, soweit ich mich erinnere.“

„Was wollen die denn noch? Da, ein Blitz und noch einer. Rasend schnell zieht sich der Himmel immer weiter zu, gespenstisch ist fast schon kein Wort dafür, was mit uns geschieht. Das nautische Krisengebiet vergrößert sich im Sekundentakt mehr und mehr. Niederzitternde Blitze, gefolgt von ohrenbetäubendem Donner, hört, wie unheimlich es grollt.“

„Halleluja, wir sind in einen ausgemachten Hurrikan auf hoher See hineingeraten, der offensichtlich seine Opfer gefunden hat. Aussichten misst man schon längst in niederen Kelvingraden, nicht?“

„Kimberley, noch nicht. Sieh doch, das Schnellboot legt sich bereits quer zu uns. Melon soll Ann hochholen, aber mit äußerster Vorsicht, eingewickelt in Wolldecken. Mann, diese Verrückten wollen uns wirklich noch retten?“

„Dass wir in einen solch schrecklichen Hurrikan hineingeraten müssen, ausgerechnet wir? Schätze, das überlebt die Jacht nie.“

„Die Jacht? Wir, du Hornochse. Denk an uns, wir haben nur noch eine Chance, wer weiß, wer sie uns eingeräumt hat!? Wir sind die in Not geratenen und zu Rettenden, und wir müssen in der nächsten Viertelstunde drüben sein, sonst droht uns nichts mehr, denn dann ist es nämlich aus mit uns.“

„Wo, drüben, wo, James?“

„Kimberley, noch nicht mal in höchster Gefahr schnallst du was. Das Schiff dort hinten, zu dem müssen wir, sonst sind wir alle, wirklich alle, verloren, sogar unsere nahenden Retter im stark schaukelnden Schnellboot.“

„Sind die angesichts der Lage verrückt geworden? Die übergeschnappte Besatzung sollte sich besser selbst retten, sonst wird unser auch deren Untergang sein.“

„Mann, Kimberley, wenn uns die Coast-Guard nicht auf dem Radar geortet hätte, könnten wir unser letztes Vaterunser hier an Deck schon in den nächsten Minuten zelebrieren. Da vorne“, James zeigte, wie wild seinen rechten Arm mehrmals vorschnellen lassend, auf das scher schwankende, Coast-Guard-Schiff.“

„Sieh, einer steht im Schnellboot auf zittrigen Beinen und versucht einen Anker zu uns hinüberzuwerfen.“

„Dann fang den Anker ab, jede Sekunde zählt, Mann, Kimberley. Selbst, wenn die Aktion gelingt, sind wir längst noch nicht in Sicherheit, mach dir das mal klar. Und Ann, wer passt überhaupt auf Ann auf? Ann muss als Erste rüber ins Boot.“

„Achtung, Sie entern bereits!“

„Red nicht solchen Unsinn, Kimberley, und dass in dieser eskalierenden Lage, Mann!? Das sind Coast Guard’s, die ihrer Pflicht nachkommen und uns aus hochgradiger Seenot uns retten müssen. In Seenot geratene Menschenleben zu retten, ist deren Ethos! Die müssen das tun. Die geben ihr Bestes, gib‘ du es auch!“

„Seenot, hochgradig? Oh je, wir sind geliefert.“

„Hör endlich auf damit. Da, sieh, grünlich verfärbte Blitze, schon ziemlich nah. Das Zeichen, dass noch Gewaltigeres schon sehr bald über uns eintreffen wird und an uns nur noch schlimmer zerrt. Hätte niemals gedacht, dass sich der Hurrikan so schnell und mit solcher Gewalt von See aufs Festland bläst.“

Melon Jim kam sichtlich verstört die Kajütentreppe hoch. Ängstlich blickte der Riese, dem die einstürzenden Wassermengen sichtlich Furcht einflößten, über den oberen Rand des Treppenschachts.

„Melon, lebenswichtige Entscheidungen stehen hier an Deck an“, schrie James aus vollem Hals ihm entgegen.

„Wenn ich sehe, wie sich der Himmel da vorne zusammenballt, wie schnell und mit welcher Kraft das Unheil über uns hereinbricht, wird es mir angst und bange. Ich hätte niemals damit gerechnet, inmitten gigantisch aufwühlender Wassergewalten mein letztes Aus auskeuchen zu müssen. Sag‘, James, wann sind wir denn dran?“

„Reiß auch dich zusammen, Melon. Noch haben wir eine Chance. Wir alle müssen so schnell wie möglich rüber auf das Schnellboot und damit durch die wirbelnde Kakofonie von Regen, Wind und Wasser. Sie werden uns auf das Coast-Guard-Schiff dahinten in Sicherheit bringen, die allerdings ziemlich vage angesichts dessen ist, was dieser Hurrikan mit uns treibt.“

James zeigte am langen Arm auf etwas, was kaum noch zu sehen war. So bedrohlich finster hatten sich inzwischen die Meereswolken zusammengeballt.

„Pass ja gut auf Ann auf, Melon. Du bist der am besten Trainierteste von uns und übernimmst ab sofort die Verantwortung für Ann und ihre Rettung. Sonst schafft das keiner von uns.“

„Was, ich? Bist du nicht ihr Bruder, James? So was Verdammtes, wie jetzt gerade, hab’ ich noch nie im Leben durchgemacht, und dann noch bei diesen schrecklichen Wellenmonstern und den extrem gischtenden Fluten.“

„Dem Wrestler zittern die Knie, was? Mach schon, Melon, nur du kannst und schaffst das. Ein jeder trägt von jetzt an einen Anteil an dem Schicksal, das ihn ereilt.“

James zeigte durch eine dicht aufgezogene Nebelwand, hinter welcher das Coast-Guard-Schiff nur noch geahnt werden konnte.

„Wie soll ich denn das wieder deichseln, Ann und Monique und mich? Gegen Hurrikans, egal, welches Ausmaß sie haben, trete ich ausgesprochen ungern in den Ring.“

„Jeder kämpft ab jetzt für sich allein, keine Widerrede. Wir treffen uns drüben auf dem Coast Guard Cutter wieder, oder das war’s, mit uns und für uns.“

„Ist das das Ende?“

„Das nicht, aber es wird unser Ende werden, wenn wir nicht schnell folgeleisten. Wenn die Bootswand bricht, dann versuch’s über den Bug. Die Coast-Guard ist unsere letzte Chance, sonst war’s das mit uns, und wir würden in einigen Tagen als Wasserleichen, über Ostküstenstrände verteilt, an Ostküstenstränden angeschwemmt werden.“

„Bug? Verdammt, Ann liegt reglos in der Kajüte unten und weiß noch nicht einmal, dass die Welt über ihr zusammenbricht.“

„Da, sind die ganz verrückt geworden!? Das Manöver, was die da machen, ist blanker Wahnsinn.“

„Ja, kommt, nur kommt, rettet uns! Nimm das Tau, zieh‘ es zu dir heran. Es wird jetzt zu dem Strang, an dem unser aller Leben hängt.“

„Der Allmächtige hat entschieden, mit uns soll‘s aus sein, und so soll es auch sein.“

„Religiös, du, Kimberley? Mach schnell, die fackeln nicht lange. Da, der im Schnellboot steht und schwankt, aber winkt, wir sollen die Jacht unverzüglich verlassen. Macht schnell, beeilt euch, es bleibt uns keine Zeit mehr. Wir alle müssen irgendwie auf das Schnellboot rüber.“

„Wie denn, wenn alles tost, lärmt, brüllt und klatschnass ist? Um uns herum ist alles so glitschig, dass man sich kaum noch vorwärtsbewegen kann, ohne nicht auszurutschen.“

„Nur ein Wort der Weigerung und einer von denen drückt dir ‘nen Revolver an den Schädel, willst du das, Kimberley? Entweder du stirbst sofort oder du nimmst deine letzte Chance wahr, die das Leben dir noch bietet. Hab‘ ich mich klar ausgedrückt?“

„Was für martialische Aussichten, die da drohen. Wie kann die sich in solch katastrophischer Situation zur Waffe des Allmächtigen machen?“

„Natürlich, unbedingten Gehorsam müssen die von der Coast-Guard von uns auf See Verstreuten schon fordern. Scheitern darf jetzt nichts mehr, kapiert?“

Plötzlich stellte sich Kimberley in stoischer Haltung den Jachtmast umklammernd auf und entsetzte sich, am langen Arm über die aufgewühlten Seemassen zeigend:

„Auf diesen Kahn dahinten sollen wir alle? Niemals! Der Kapitän verlässt sein Schiff nie, und das bin immer noch ich!“

„Lektüre?“

„Unfug James, ich will einfach nicht zu früh meine Jacht aufgeben, nur, weil ich nicht gewohnt bin, etwas garstigere Wetterkapriolen auf See auszuhalten. Über was Seeleute nur schmunzeln, prophezeit uns Landgänger schon eine Seekatastrophe. Genau, man darf sich nicht selbst täuschen. Dunkle Wolken, lass‘ sie wehen, Starkregen, lass ihn sich ausregnen, je schneller das passiert, desto schneller sichten wir ungeschoren die rettende Küste. Du wirst sehen, James, schon bald erblindet das Auge des Hurrikans. In Minuten schwächt es sich erst zum Starkwind, dann zu Böe ab, und ich schippere mit der Erfahrung, ein ozeanisch turbulentes Starkwetterereignisses überstanden zu haben, dem Zielhafen entgegen.“

„Hab’ mich in dir so sehr getäuscht, du bist weder Optimist noch Pessimist, sondern einfach nur dumm und einfältig, Kimberley. Meine Aufmerksamkeit jedenfalls hast du verloren, jeder Handgriff muss ab jetzt stimmen. Wir vier jedenfalls lassen uns aus Seenot retten, Adieu, Kimberley.“

Nervös, frierend, sah Kimberley von seiner umklammerten Mastposition vollkommen durchnässt zu, wie sich das Schnellboot mit drei Mann Besatzung seitwärts legte. Ein Enterhaken wurde nach mehreren Ansätzen auf die glitschig, durchnässte Planken der stark schwankenden Motorjacht geworfen. James, vollkommen durchnässt sich an der Reling festhaltend, schaffte es nach mehreren Ansätzen, ihn einzuhacken.

Synchron zu James trotzigem Ankämpfen gegen die stürmisch entfesselte Urgewalt ertönte eine Megafonstimme aus dem quer gelegten Schnellboot herüber. Kurioserweise vernahm er noch die Anweisungen durch das Megafon, obwohl die erreichte Lautstärke, die das Wüten des Hurrikans inzwischen erreicht hatte, unermesslich lauter zu sein schien. So vernahm James, während er den hergeworfenen Enterhaken unter seine Kontrolle zu bringen versuchte: „Wir retten Ihr Menschenleben! Kommen Sie und alle, die mit Ihnen an Bord sind, auf der Stelle in unser Boot. Wir bringen Sie auf unserem Hauptschiff erst mal in Sicherheit. Beeilen Sie sich, es geht um Leben und Tod.“

Was wohl in Perspektive des schwankenden Hauptschiffs eher ein weiteres Risiko bedeutete. Die zittrige Mikrofonstimme setzte harsch fort:

„Das ist ein Befehl! Wir haben unsere Zeit schon überschritten. Lassen Sie alles auf Ihrer Jacht zurück und beeilen Sie sich, zu uns rüberzukommen.“

„Verflucht, spinnt der Officer“, schrie Kimberley vom Mast her mit noch verbliebener Kraft gegen das unwirklich, stürmische Brausen an.

Megafonstimme: „Wie viele seid ihr denn an Bord?“

Seine Hände zu einem Trichter formend, rief James herüber: „Fünf, einschließlich mir! Wir haben eine schwerkranke Frau in der Kabine, Officer.“

„Was“, schrie die Megafonstimme gegen kakofonisches Sturmgeheul trotzig zurück: „Sind Sie übergeschnappt? Wir wagen unser Leben, um Verrückte, Idioten und Lebensmüde von ihrem Schicksalskurs abzuhalten, und dann noch eine Kranke? Sie lieben wohl Amüsement in der Katastrophe, was? Ich sag‘ es nicht noch einmal: Sie springen, so wie sie sämtlichst sind, nacheinander zu uns ins Boot. Nur nichts mitnehmen, Beeilung. Wir machen dann, dass wir von hier wegkommen. Was mit ihrer Kranken passiert, kann ich nicht beschwören, also, los, wird’s bald.“

Unter peitschendem Regen rief James verwirrt in den Kajütenschacht hinein, so laut er nur konnte:

„Melon und Monique, kommt an Deck, aber schnell! Wir müssen auf der Stelle von Bord ins Schnellboot rüber. Ein Befehl von höherer Instanz aus dem Megafon.“

Melon zeigte sich als Erster im Kajütenschacht. Ann lag mit Wolldecken umwickelt in seinen muskulösen Armen. James, zum Schacht hin gebeugt, ratterte nur so runter, was nun nacheinander zu geschehen hatte.

„Schnell, schnell, Melon, du siehst, spürst ja, was über uns, neben uns, unter uns los ist. Überall knirscht und wackelt es bereits. Nur eine Frage von Minuten, bis hier alles zusammenbrechen wird. Uns bleibt keine andere Chance, als uns zu beeilen, und die Motorjacht zu aufzugeben. Pass gut auf Ann auf. Ihr darf bei der ganzen Aktion nichts passieren.“

Das Coast-Guard-Schnellboot, stark schwankend, hatte sich inzwischen parallel gelegt, sodass der Sprung in das tiefer liegende Schnellboot möglich wurde, auch wenn dafür Ängste erst überwunden werden mussten.

Kurz darauf war es dann soweit. Melon Jim mit Ann auf dem Arm, Monique, dann James überwanden sich jeweils mit Blick in die Tiefe und sprangen dann ihrer Rettung entgegen.

Kurz bevor James den Sprung, der sein Leben verändern sollte, tat, blickte er sich noch mal zu Kimberley um, der, skeptisch dreinblickend, den Mast nach wie vor umklammerte. Ob er seinen Wagemut schon bereute? Mit Mut der Verzweiflung herrschte James Kimberley an:

„Kimberley, trenn dich von deinen Planken, auf der Stelle. Keine fünf Minuten und keine Planke wird hier mehr aufeinanderliegen. Du musst runter, rüber, sonst ist’s um dich geschehen! Sieh, der Officer zückt schon seine Pistole. Die über dich hereinbrechende Katastrophe wirst du nicht mehr erleben, das schwöre ich dir.“

„Was wird aus meiner Lust an der Katastrophe, James? Rette dich selbst, good-bye.“

„Scherz nur zum Abschied, deine Entscheidung!? Wir anderen können jedenfalls nicht länger riskieren, an Bord zu bleiben. Wer behauptet, dass zu viel Individualismus nicht gefährlich sei? Bizarre Entscheidungen fällst du bestimmt nicht zum ersten Mal, wie ich dich kenne, stimmt’s?“

„Wohl verrückt geworden, wie? Es ist nur zu realistisch, in dieser Lage nicht aufzugeben, was nicht aufgegeben werden darf. Ich werde, wie ‚Kapitän Ahab‘, noch der ungeheuersten Sturmgewalt trotzen. Diesen Hurrikan werde ich überleben und meine Motorjacht in den nächsten Hafen retten, ja, das werde ich.“

„Ja, im Maul eines Wals, dass aber nur geträumt. Leider sprüht nirgendwo irgendein Moby Fontänen gen Himmel. Der Himmel über uns verfinstert sich im Minuten- ach was, im Sekundentakt. Deine Aussichten, des Hurrikans Wucht zu trotzen, pendeln gegen null, Mann. Ich sage es jetzt zum letzten Mal, wenn du nicht innerhalb der nächsten Sekunde hinter mir ins Schnellboot springst, verabschiede ich mich von dir jetzt gleich. Und wir vier setzen, nur ohne dich, zum Hauptschiff über.“

Die Sturmgewalt des Hurrikans zehrte tosend wild, ausgelassen randalierend an der schon stark schaukelnden Chris Craft, welche bereits in Schieflage lag. Gigantische Sturmwirbel sogen alles Fassbare in Nullkommanix in wirbelnde Splitterströme hinein und in die extrem aufgewühlte Atmosphäre hoch. Losgerissene Einzelteile der rotierend schnell abgedeckten Bootsruine verteilten sich rundum in gewaltig tosenden Wassermassen.

James sprang endlich ins Schnellboot hinein. Als es fast zu spät war, genügte rasantes Durchstreichen von Mut in Kimberleys Privatwörterbuch, um ihn hypernervös in die nächste Unsicherheit hineinplumpsen zu lassen.

Während der brisanten Überfahrt zum ebenfalls schwer schwankenden Coast Guard Cutter vibrierte pure Angst im Boot, denn es war, als wenn des Hurrikans fürchterlichste Pranken ihr Concerto grosso in aufgewühlter See paukten. Der steuernde ebenso stark durchnässte Warrantofficer, seines Dienstgradabzeichens nach, heulte immer wieder Angstschreie gegen die hektisch wirbelnden, wogenden Wassermassen rundum.

Etwa zwanzig Minuten dauerte das Übersetzen zum Coast-Guard-Cutter.

Noch in Sichtweite begann das Zermalmen der sinkenden Chris Craft. Minuten später war nichts mehr von der Jacht zu erkennen, und Kimberley hätte sich fast in die brausenden Wellenberge geschmissen, wenn James ihn nicht in letzter Sekunde zurückgehalten hätte.

Kaum, dass das hin und her geworfene Schnellboot sich dem nicht minder gefährlich schwankenden Cutter näherte, richteten sich mehrere Taschenlampen auf die acht Schnellbootinsassen. Eine Strickleiter flatterte solange hin- und her, bis der Warrantofficer sie nach mehrmaligen waghalsigsten Streckmanövern zu fassen bekam und festzuhalten schaffte. Der Hurrikan züngelte anscheinend in diesen mulmigen Momenten, in denen Überleben oder Sterben so sehr auf der Kippe standen, seinem nächsten Lust- oder Wutobjekt entgegen: dem auf Monsterwellen balancierenden Coast Guard Cutter.

Melon setzte mehrmals an, um mit Ann im Arm über die Strickleiter die Bordwand des Cutters hochzuklettern und an Bord zu kommen, bis es ihm endlich gelang. Ihm folgten James, Monique, Kimberley und zwei Coast-Guard-Marines. Der die gefährliche Rettungsaktion auf hoher See leitende Warrantoffizier kletterte zuletzt an Bord - keine Sekunde zu spät.

Von Regen überschüttet schlug James, kaum, dass er das Vorderdeck betrat, in die Hand eines etwa einen Kopf kleineren Schiffsoffiziers mit vollkommen unpassender Ausstrahlung ein. Unbeirrt von Starkwind und Starkregen begrüßte der noch unbekannte Officer James mit Handschlag, wie einen alten Bekannten. Sich mit seiner anderen Hand gegen den an Bord herrschenden Irrsinnsniederschlag schützend, stellte er sich, laut schreiend, als Petty Officer Slate vor, dann deutete er James an, ihm zu folgen. Was für eine unwirkliche Situation, in die er da hineingeriet, und James wusste gar nicht einmal, wie ihm geschah. James folgte, wenn auch widerwillig. Wegen der Rutschgefahr verzögerte sich der Weg zu den Schiffsaufbauten. Als der Schiffsoffizier eine Eingangstür öffnete und extra für James aufhielt, fragte er ihn lautstark, was angesichts der Situation und überhaupt ziemlich befremdlich war.

„Mann, was machen Sie denn hier bei uns an Bord, Dr. Lindy? Bei dem Mistwetter Wiedersehen auf hoher See, das gibt’s doch nicht!? Kaum wirft man seine Angelrute raus, schon fängt man einen Lindy, ha, ha.“

„Sind Sie verstört, Mann, oder kennen wir uns?“

„Oh, ob wir uns kennen? Na, klar, Dr. Lindy, wir wurden uns vor Jahren schon mal vorgestellt, erinnern Sie sich nicht mehr? Sie im Anzug, ich in einer etwas anderen Uniform. Seitdem bin ich nämlich aufgestiegen, Dr. Lindy. Wäre schade, wenn Sie nicht sich an meine Wenigkeit erinnern könnten.“

„Nicht im Geringsten, Mann. Im Erinnern von Gesichtern war ich noch nie gut, reicht das, Officer? Sieht so aus, als ob Sie, und ich wohl auch, dringendere Aufgaben zurzeit haben.“

„Ach, die paar Versprengten auf hoher See? So welche aufzufischen, ist schließlich unser alltäglicher Job, Dr. Lindy. Dass es so einen wie Sie, so hart erwischt hat, meine Güte. Wie konnte so etwas nur geschehen? Nicht, dass ein Hurrikan aufbegehrt, sondern dass ausgerechnet so einer wie Sie hier an der Ostküste in Seenot geraten?“

„Sie haben recht, mit dem Hurrikan hatten wir ganz und gar nicht gerechnet. Einfach schrecklich, was ich und die anderen in der letzten Stunde aushalten mussten, wer denkt auch an so was!?“

„Hier ist Ostküste, wild und unberechenbar eben. Aber trösten Sie sich, so, wie Sie, redet jeder, der der Naturgewalt entkommt. Einmal das Schicksal voller Selbstüberschätzung herausgefordert, und der Lebensbedarf ist gedeckt, nicht? Die Trottel, dir noch bei größter Seenot retten, sind wir. ‚Leider meistens nur Überreste zum einzusammeln‘, murmelte der Coast-Guard-Offizier mehr zu sich, dann setzte er fort: „Nun sind Sie in Sicherheit, äh, wenn wir dieses turbulente Seegebiet verlassen haben, meine ich. Selbst mir wird mulmig bei dem, was gerade um uns herum passiert.“

„Richtig, aber ich muss wieder an Deck, dingend. Zählen, ob die anderen vier auch wohlbehalten an Deck sind.“

„Aber Dr. Lindy, Sie können nichts mehr an Deck ausrichten, wirklich nicht. Das hier wird noch einige Zeit dauern, bis wir aus dem Hurrikan raus sind, schätze ich.“

„Sagen Sie noch schnell, wann genau kreuzten sich zuletzt unsere Wege?“

„Tja, das Gedächtnis, es holt das meiste zurück, sag ich immer!? Vor zehn Jahren etwa. Wie Sie sehen, bin ich bei der Coast-Guard für schwierige Rettungseinsätze bei hoher See gelandet.“

Officer Slate machte Gesten, James durch einen langen Gang im Schiffsinneren zu führen. James wiegelte ab und beschwerte sich unverzüglich:

„Ich will nicht weggeführt werden, hören Sie, Officer, ich muss zurück zu meinen Leuten. Dieser Riese, der an Bord kam, hat meine schwerkranke Schwester auf dem Arm, wissen Sie.“

Officer Slate blieb spontan stehen, näherte sich James geradezu vertraulich:

„Ihre Schwester? Vergessen Sie’s, darum kümmern sich schon unsere Leute. Sie sind hier erst mal in Sicherheit, auch wenn es sich momentan nicht so anhört. Ich kann Sie nicht wieder nach draußen lassen, das verstehen Sie doch, Dr. Lindy? Als wir uns aufmachten, sie vor dem sicheren Fiasko, dass ihnen allen drohte, zu bewahren, war der Hurrikan im Seefunk schon längst angekündigt worden. Warum wusste Ihr Steuermann nichts davon, hören Sie denn keinen Seefunk? Es ist sträflich, so ohne Seefunk die Ostküste entlang zu navigieren, denn man weiß nie, was der Atlantik für einen bereithält. Selbst Wetterkapriolen verwandeln sich in Windeseile in schlimme, bis sehr schlimmen, lebensbedrohenden Gefahren. Daher stets Seefunk lauschen, wenn nicht - oberstes Sakrileg in diesen Gewässern! Anderenfalls wird es sein, wie Särge an Bord zu transportieren.“

„Sie können machen, was Sie wollen, Officer, ich folge Ihnen nicht weiter, nirgendwohin. Ich muss zurück zu meiner Schwester an Bord und mich weiter um sie sorgen.“

„Wohl verrückt geworden, wie, und dass bei der Wahnsinnsgewalt, die unser Schiff nun erfasst hat? Aber wie Sie wollen, Dr. Lindy. Drängen, zu bleiben, kann ich nur mit gezückter Waffe, aber das möchte ich nicht. Ich dachte vorhin, was wollen die denn mit dem Riesenpaket, dass der Bulle über die Reling hievte, nun weiß ich’s ja, Ihre Schwester. Wer hätte das gedacht. Respekt, wie diese Urgewalt von einem Menschen sich die Strickleiter mit seiner weiblichen Fracht die Schiffswand hochhangelte. Um Ihre Schwester werden sich unsere Sanis bestimmt als Erstes kümmern. Wenn Sie Ihre Schwester wiedersehen, sieht sie aus, als wäre ihr nichts passiert, das ist so bei uns. Unsere Jungs werden alles tun, um sie wieder gesund zu machen, Sie werden sehen, wie schnell das geht. Schon morgen, vielleicht übermorgen, können Sie Ihre Schwester wieder in die Arme nehmen und sie wird wieder ganz die Alte, sorry, sein.“

„So, meinen Sie? Ich muss wissen, was mir ihr passiert ist, dringend, und halten Sie mich bloß nicht länger auf, Slate.“

„Nicht so gereizt, Dr. Lindy. An Deck stören Sie nur die herrschende Deckhektik, und ich will vermeiden, dass Ihnen auf der Zielgeraden noch was passiert. Was für Zufälle das Leben bereithält? Ein James Lindy kommt mitten durch die Katastrophe gehagelt, nicht zu fassen. Weiß noch nicht, wie oft ich das in den Kasinos, in denen ich verkehre, erzählen werde. Unglaublich, Sie ehren mich damit, wissen Sie das?“

„Wer zum Teufel sind Sie überhaupt? Wüsste nicht, Ihnen nie jemals begegnet zu sein“, schrie James erregt.

„Oh, Dr. Lindy, so aufgeregt. Bei niederen Dienstgraden, wie ich einer gewesen bin, kann Vergesslichkeit schon mal passieren. Macht nichts, trotzdem erinnere ich mich an Sie, und das auf Anhieb, jawohl! Vor einigen Jahren hielten Sie auf der Coast Guard Academy in New London einen Vortrag über die Kalibrierung von Seegeschützen bei starkem Wellengang, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Hervorragende Vorträge behalte ich immer in Erinnerung, Ihren besonders. Hurrikan Barbara, den Namen haben sich wasserscheue Metrologen ausgedacht, ha, ha, werden wir schon noch ein Schnippchen schlagen, wäre doch gelacht, was?“

„Reden Sie keinen solchen Unsinn, Officer. Wenn Sie so weiterquatschen, sind wir bald alle Wasserleichen, treiben sarglos entlang der Ostküste, und wer weiß noch wo, herum. Auch dieses Schiff schwan …, nein, es nimmt wohl gerade wieder Fahrt auf.“

„Natürlich, Dr. Lindy, wie Sie richtig wahrnehmen, scheint unsere etwas abenteuerliche Seenotrettung vollzogen zu sein.“

James öffnete, ohne es anzukündigen, die Decktür, setzte sich im Laufschritt auf glitschigen Planken achtlos ins Freie in Bewegung. Petty Officer Slate stutzte zunächst, dann rannte er James händeringend nach und rief ihm durch den niederfallenden Starkregen nach:

„Dr. Lindy, bleiben Sie doch stehen. Auf dem Vorderdeck stören Sie doch nur. Nachher werden Sie selbst noch fortgeweht. Das macht doch keinen Sinn. Ach, Dr. Lindy, wissen Sie noch, wie Sie uns damals erklärten, dass jede noch so sensible Körperbewegung die Schusswirkung irritiert, einfach fabelhaft! Einen Lindy an Bord zu hieven, wow! Ihre Erfindungen haben ganzen Marineeinheiten das Leben gerettet. Jetzt haben wir Ihnen das Leben gerettet, gilt das nichts?“

Nach einigen Laufbewegungen rutschte James auf klitschnassem Deck aus und fiel der Länge nach hin. Bemüht, aufzustehen und Richtung Reling schauend, zuckte er, über das, was er in diesem Moment dort sah, zusammen. Denn im selben Moment sah er, wie ungeheure Sturmgewalt einen sich vorwärts kämpfenden Warrantoffizier quer übers Deck in Richtung Kommandobrücke schleuderte, sodass sein uniformierter Körper mit voller Wucht dicht neben James gegen die metallene Außenwand der Deckaufbauten prallte, dann, sich einmal überschlagend, liegen blieb. Nach dem Aufprall sah der Warrantoffizier, sich schon wieder erhebend, James mit großen Augen kurz an, danach sank sein Kopf wie leblos zur Seite weg.

Unversehens wollte Petty-Officer Slate dem Verunglückten zur Hilfe eilen, gelangte aber nicht einmal in seine Nähe. Im Überschwang rettender Vorwärtsbewegung rutschte Slate, wie schon James, auf dem klitschnassen Vorderdeck aus. Dessen Körper rutschte in die gegenüberliegende Schiffsecke, wo er gegen den Drehmechanismus des Vorderdeckgeschützes prallte und liegenblieb.

Melon Jim, Anns Körper berserkerhaft umklammernd, rutschte im Sitzen fluchend, zeternd an James vorbei, quer übers Deck. Monique, hinter dem wieder aufgerichteten James vorbeirennend, suchte wohl Deckung weiter hinten am Heck, wo zwei kleinere Rettungsboote in Sichtweite in ihren Aufhängungen stark schwankten. Jetzt erst sah James mit Erschrecken die auf dem vorderen Deck verteilt herumliegenden Hurrikanopfer der Schiffsmannschaft. Das Geschützrohr der einzigen Bordkanone klapperte herunterhängend wie wild gegen den Stahl der Geschützaußenwand.

James, sich umdrehend, sah gerade noch, wie Kimberley und Monique so gut wie zeitgleich von einer Böe gepackt und über Bord geschleudert wurden. Melon, schützend über Ann gebeugt, lief verwirrt aufheulend zu der Relingstelle, wo Monique aufs offene Meer herausgeschleudert worden war.

Als Barbaras Zorn zu einer weiteren Sturmbö ausholte, versagten selbst Melons Körperkräfte. Eine wirbelnde Bö sog eine in Wolldecken verpackte Ann aus schützender Umklammerung und katapultierte ihren Körper in großem Bogen ins wütende, rastlos tobende Meer hinaus.

James glaubten, seinen Augen nicht zu trauen, als er die Wolldecken, die Ann Schutz bieten sollten, über den sich auftürmenden Wellenbergen davonfliegen sah.

Wie irr raste er zu der Deckstelle, dorthin, wo der Wrestler unter Tränen in das wogend-dunkle Meer hineinstarrte, ‚Monique, Monique‘ wieder und wieder über sie hinausklagend. Kaum, dass James sich dem vom Schicksal so sehr Gepeinigten genähert hatte, wiederholte sich dasselbe, wie soeben: Er rutschte aus, knallte erneut der Länge nach hin, sein Körper schleuderte nun quer über das Deck. Nach seinem Aufprall verlor James das Bewusstsein.

Ein niederstürzender Antennenmast hatte auch Melon Jim gefällt. Nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, verfrachtete man den schweren, wohlproportionierten, muskulösen Mann, wie auch James, ins Schifflazarett. Beide wurden nebeneinander in zwei Krankenbetten gelegt.

Nach einigen Stunden wachte James im Schiffslazarett auf und wunderte sich zunächst, wo er lag. Nach einem ersten Versuch, aufzustehen, stellte er verbittert fest, dass er gehunfähig war.

Sturm und Regen waren, der Sicht durch das Bullauge nach zu urteilen, verschwunden und die Wellen schienen wieder im gewohnten Rhythmus zu wogen. Allmählich drängte zu Bewusstsein, dass nichts stimmte an der eingetretenen Situation. Ann war nicht da, Monique und Kimberley fehlten ebenfalls, nur der Wrestler schnarchte noch an James‘ Seite.

James‘ grüblerisch-verzweifelte Stimmung unterbrach erschreckend plötzlich ein schmaler uniformierter Mann mit mehreren Reihen Flaggenminiaturen an seiner Uniformjacke. Ziemlich ernst zog er die Lazaretttür auf und stellte sich erst mal vor: „Ich bin Chief-Captain Saunders, mir ist das Schiff anvertraut. Alles überstanden, Lindy?“ Kein Doktor, keine Mitleidsbekundung, nichts, wie seltsam!? War was in der Zwischenzeit geschehen, ließ sich das überhaupt verstehen? James ruckelte sich in seinem Krankenbett zurecht, fixierte den hereingeschneiten Chief-Captain skeptisch. Das ging mehrere Minuten so, kein Wort wechselte, bis der Eingetretene begann.

„Sie schweigen, Lindy? Lass die Coast-Guard nur machen, wer das nicht heutzutage alles denkt, ist es nicht so? Also, unsere abenteuerliche Rettungsaktion ist für uns leider noch nicht zu Ende. Wir konnten den Zorn Barbaras, also der auf uns niederprasselnden Wut des Hurrikans, dem Sie sich geradezu fahrlässig auslieferten, zwar gerade noch ein Schnippchen schlagen, aber wir werden, wie es aussieht, von dem Hurrikan bis ans Festland verfolgt werden. Wissen Sie eigentlich, dass Sie ausgesprochenes Glück hatten, dass wir gerade noch in der Gefahrenzone aufkreuzten, um euch fünf aus Seenot im fortgeschrittenen Stadium retten? Nun sind es nicht mehr fünf, leider. Ich muss Ihnen sagen, dass nur sie beide übriggeblieben sind.“

„Glück nennen Sie das, Captain? Ein schwarzer Tag, würde ich sagen. Nun sind wir nicht mehr fünf? Warum äußern Sie kein Mitleid? Ist das nicht Ihre primäre Aufgabe in einer solchen schicksalsgetrübten Situation?“

Was der Captain kalt lächelnd überging, stattdessen verzog sich seine Miene ins Grimmige.

„Keinen Seefunk während der Tour gehört? Nicht vorher gewarnt gewesen? So was rächt sich nun mal, schlimm, schlimm!? Mit Ostküstenhurrikans ist nicht zu scherzen. Aber gut, das wussten Sie auch vorher schon, bevor Sie, von wo auch immer, aufbrachen, nicht wahr? Nur gut, dass wir Sie bei unserer Rückfahrt auf dem Schirm hatten. Sonst wagen sich höchstens ein paar Verrückte weiter als nötig von der Küste weg. Aber, was soll’s? Sie hatten eine andere Intention, um bei uns hier aufzutauchen, stimmt‘s? Die Coast-Guard hat einen ihrer Warrants, einen Petty und mehrere Matrosen zu beklagen, Ihretwegen, wegen ihrer verdammten Starrköpfigkeit. War das wirklich nötig, frage ich Sie? Für Sie endet der etwas abenteuerliche und Leben gefährdende Ausflug gewiss noch trauriger, mein Beileid dafür! Eine von ihnen, die der Hurrikan zu sich holte, war Ihre Schwester, nicht?“

„Woher wissen Sie denn das, Chief-Officer“, schoss es aus James, ohne jegliche Rücksicht auf die Folgen heraus. Erst dann wurde ihm anscheinend klar, was er soeben Schreckliches vernommen hatte. Er stutzte, feuerte dann aber garstig: „Leider, war’s das?“

„Ob es das war? Entschlossenes ‚Nein‘, Lindy.

„Wie, nein?“

„Sehen Sie, eigentlich hat mein … äh, Krankenbesuch, einen anderen, weniger traurigen, sondern einen vielmehr dienstlichen Grund, Lindy. Einen Schwerwiegenderen, um es genau zu nehmen.“

„Was interessieren mich Ihre Gründe, Chief-Captain. Lassen Sie uns wieder allein. Ich muss erst verkraften, was Sie mir gerade überbrachten, gehen Sie.“

„Warum sollten Sie sich auch für meine dienstlichen Angelegenheiten interessieren?“

„Kontrollieren Sie von mir aus jede Niete auf Ihrem Kahn, aber lassen Sie mich in Ruhe mit dem Zeugs. Ich bin mit mir selber beschäftigt, außerdem kann ich kaum mich bewegen. Was ich bräuchte, wäre einen Schiffsarzt, aber nicht so einen nautischen Aktenhengst. Ich bin ein gewordenes Opfer, und brauche Ruhe, und zwar jetzt sofort, nichts sonst.“

„Das hätten Sie wohl gern, wie? Aber die Pflicht!? Manche Pflichten haben nämlich hässliche Fratzen, und dies hier ist eine davon, ich kann nichts daran ändern. Also, sagen Sie, was haben Sie überhaupt so weit draußen auf dem Atlantik gesucht? Die meisten hätten schon die Hose voll und würden auf der Stelle umkehren, sobald sie merkten, dass Walfontänen spitzen. Nur Sie, Dr. Lindy, und Ihre verwegene Crew hielten bis zuletzt durch. Warum so viel Risiko zur See? Haben Sie denn keinen Küstenfunk abgehört? Der war doch die letzten Tage voll von Hurrikanwarnungen mit ungefährer Zeitangabe über das Eintreffen über den verschiedenen Ostküste-Seegebieten. Dass sich der Himmel von Südosten im Minutentakt mehr und mehr zuzog, wollen Sie das denn nicht bemerkt haben?“

„Das schon, aber erst als es zu spät war, um abzudrehen, Chief-Captain.“

„Wie dem auch sei!? Was war der Anlass für Ihren idiotischen Ausflug zu Wasser? War es etwa Ihre Flucht, James D. Lindy? Das FBI ist hinter Ihnen her oder haben Sie das etwa auf hoher See verdrängt? Da, sehen Sie her.“

Der Chief-Captain zog eine Steckbriefkopie aus seiner Uniformtasche und hielt sie James vor die Nase, dann kommentierte er: „Da, sehen Sie, das FBI New York sucht nach Ihnen. Weiß zwar nicht warum, aber Sie werden das schon wissen, James Lindy. Tja, ich muss Sie wohl festnehmen und später dem örtlichen FBI übergeben. Nur keine Hektik, dass alles wird erst passieren, nachdem wir in unseren Heimathafen eingelaufen sind. Schätze nach Wetterlage, einige Stunden wird’s noch brauchen, bis wir ankern werden. Betrachten Sie sich deshalb ab sofort als mein Gefangener. Atlantisch passieren die ungewöhnlichsten Geschichten!? ‚James D. Lindy was wanted, und ist nun festgenommen.‘ So eine bescheuerte Dienstpflicht habe ich noch nie an Bord ausgeführt, bin jetzt wohl mal dran!? Wen haben Sie nicht schon alles die Hand gedrückt, Dr. Lindy, und mir soll das Schicksal mitspielen, Sie festzunehmen und Ihnen Handschellen anzulegen? Ihre Pappröhre ist übrigens vorhin im Gang liegen geblieben, bevor Sie aufs Vorderdeck abhauten. Was ist denn an dem Ding so wichtig, dass Sie es bei einer der waghalsigsten Seerettungen nicht verknusen konnten?“

„Male eben zum Zeitvertreib, Officer. Nicht viel, aber so la-la-la, was eben aufs Papier fließt. Meine Ergüsse und natürlich die Pappröhre, äh, Kunströhre, möchte ich um keine Umstände missen. Danke, dafür, zu verbeugen geht wohl bei meinem Zustand noch nicht.“

„Ihr Pläsier, Lindy, liegt übrigens im Raum neben unserem etwas beengten Seelazarett. Ich nehme sie solange an mich, Sie können, solange bis wir nicht geankert haben, sowieso nichts damit anfangen. Wissen Sie, mit Ihnen habe ich ein massives Problem an Bord, Dr. Lindy, über das ich erst mal nachdenken musste, wie ich weiter mit Ihnen umgehen soll.“

Kaum war der Captain in den Gang hinein verschwunden, öffnete sich die Lazaretttür wieder: „Sehen Sie, die Lösung ist schon da! Bis wir wieder in unseren Heimathafen einlaufen und ankern, werde ich Sie und den angeschlagenen Boliden an Ihrer Seite nicht in Handschellen legen. Danach fahren wir zu unserem Coast Guard Center im Landesinneren und bunkern sie beide dort ein. In getrennten Zellen, versteht sich. Und kümmern Sie sich in der Zeit, die Ihnen noch in begrenzter Freiheit bleibt, um Ihren Freund mit den vielen Pfunden, Lindy.“

„Werden wir noch lange unterwegs sein, Chief-Captain?“

„Ich schätze, noch hundertfünfzig Meilen, bis an die Küste Virginias. Von da ins Landesinnere werden es noch mal etwa 100 Meilen sein. Danach erst haben wir Haftzellen zur Verfügung. Meine Offizierspflicht kann ich erst dann nachholen und Ihnen Handschellen anlegen. Was mit Ihrem Gorillafreund an Ihrer Seite wird, keine Ahnung!? Lass mir noch was einfallen für ihn.“

James sah erstaunt am Chief-Captain hoch, fuhr ihn dann aggressiv an: „Chief-Captain Saunders, meine jüngere Schwester steckte wochenlang in einer CIA-Einrichtung und wurde psychisch schwer misshandelt, Gehirnwäsche, und so. Ihr ‚Gorilla‘, wie Sie sagen, und sein von Bord gerissener weiblicher Anhang haben meine Schwester, der Allmächtige hab’ sie selig, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus einer Geheimstation der CIA in Vermont rausgeholt.“

„Erzählen Sie mir gerade einen Krimi, Lindy?“

„Nein, wirklich, was ich Ihnen erzähle, hat sich genauso zugetragen. Die Bootsfahrt entlang der Ostküste war aus der Not geboren, um meiner Schwester Peiniger, unseren Verfolgern, zu entkommen. Wenn nicht dieser verfluchte Hurrikan uns dazwischengekommen wäre, hätten wir unseren Zielhafen Savannah, Georgia, in den nächsten Tagen sicher erreichen können.“

„Ich weiß, wo Savannah ist. Und das soll alles wegen der CIA im Nacken passiert sein? Lindy, dass Sie mir in Ihrer Lage einen solchen Bären aufbinden wollen, das ist das Letzte, wirklich!“

„Noch nicht mal ‘ne Salmonelle. Ich erfinde doch nichts. Das hat sich ehrlich so zugetragen, die Schufte sind andere, ehrlich.“

„Ah, auch noch zu Scherzen aufgelegt, was? Wissen Sie überhaupt, was Sie da behaupten, Lindy? Die Kleine wird wohl an widerspenstigem Schnupfen gelitten haben, und Sie wollen mir eine solche hanebüchene Story auf die Nase binden, mir lang gedientem Coast Guardler? Die CIA, ausgerechnet, wenn es nicht so ernst wäre, würde ich ja lachen. Eine ausladende Finte, Lindy, wie? Wie kann ich Ihnen noch glauben, wenn Sie schon kriminell sind? Sie werden vom FBI per Steckbrief gesucht, Mann, kapieren Sie das mal, was das bedeutet. Reinwaschbemühungen perlen bei mir ab, also hören Sie auf damit!“

Aber der Bettlägerige hörte nicht auf, sondern fing an, zu jammern:

„Wie kann ich nur beweisen, dass ich recht habe? Meine Schwester ist vorhin von Bord geweht worden, einfach so. Wäre sie noch hier, könnten Sie selbst sehen, wie schlimm sie auf dieser verdammten Geheimstation des CIA zugerichtet worden ist.“

„Was geschehen ist, ist nicht rückgängig zu machen, und mit Konditionalsätzen bewirken Sie bei mir und anderen nichts, das muss Ihnen doch klar sein, Lindy?“

„Ich schwindle doch nicht. Noch nie was davon gehört, MK-Ultra, Gehirnwäsche, Elektroschocks? Überlegen Sie mal, ‚geheim‘ im Hospital? Und das im Auftrag einer Abteilung der CIA zur massenhaften Erzeugung von wehrhaften Psychopatinnen. Der oberste Schweinehund heißt übrigens Gottlieb, schon mal gehört?“

„Beherrschen Sie sich, Lindy. Ich weiß wirklich nicht, was Sie mir mit dem Zeugs sagen wollen. Gleich die CIA vorschieben, wenn Sie selber was verbockt haben, von wegen. Sie halten mich wohl für dumm genug, um auf so was reinzufallen, wie? Außerdem sucht Sie das FBI New York, und nicht die CIA.“

„Was sollen die Zweifel noch, Chief-Captain? Warum wohl gefährdeten wir uns selber und schipperten mit einer sterbenskranken, acht Wochen lang schlimm gepeinigten Frau soweit auf draußen vor der Ostküste rum?“

„Was weiß ich!? Wenn ich noch lange hier unten bei Ihnen bleibe, hole ich mir am Ende mehr als nur einen Schnupfen, good bye.“

Die atlantische Magd

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