Читать книгу Die Stadt unter dem Land - Ralph G. Kretschmann - Страница 13
8.
ОглавлениеWilkens hatte zweimal geklingelt. Er presste sein Ohr gegen die Tür, aber aus der Wohnung war kein Laut zu vernehmen. Es war niemand zu Haus. Er atmete tief durch und trat mit voller Wucht gegen die Tür, genau in Höhe des Schlosses. Sie öffnete sich ein Stück weit. Der Tritt hatte das Blech aus dem Rahmen gerissen. Ein weiterer, leichterer Tritt öffnete den Durchgang völlig.
Wilkens warf einen kurzen Blick die Treppe hinunter, aber da war nichts zu hören. Die meisten der anliegenden Wohnungen dieser Gegend waren am Tag verlassen und die Bewohner auf der Arbeit. Der Kriminalhauptkommissar betrat die Wohnung und drückte die eingetretene Tür provisorisch zu.
Er zwängte seine wurstigen Finger in die mitgebrachten Plastikhandschuhe. Zwar mochte er die Dinger nicht, aber sie waren unbestreitbar nützlich. Um keinen Preis wollte er seine Abdrücke hier irgendwo hinterlassen!
Die Wohnung war nicht besonders weitläufig. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Für eine Frau recht übersichtlich möbliert. Kein Fernseher. Schallplatten. Vinyl. Dead Kennedys, Black Flag und The Clash. Punkrock, aber das war zu erwarten gewesen. Bücher reihten sich an Bücher. Ein paar Magazine, meist über Musik. Zigaretten in einer Vorratsdose. Ein Tütchen Gras, das Wilkens grinsend einsteckte. Heidmüller sollte keinen Vorwand zugespielt bekommen, um doch noch …
Der Computer war ausgeschaltet und vermutlich passwortgeschützt. Wilkens zog den Stecker und löste die Schrauben der Rückseite des PCs mit dem Schraubendreher seines Schweizer Taschenmessers. Er wusste nicht viel über Computer, aber er wusste, wie man eine Festplatte aus einem Rechner herauszog. Er stellte den Computer zurück, damit man nicht sofort das Fehlen der Festplatte bemerken würde.
Er überprüfte jede Schublade, jedes Schrankfach, ob da noch etwas war, was irgendetwas mit den Büchern oder einem Schatz zu tun haben könnte, aber da war rein gar nichts. Nicht das kleinste Hinweislein.
Wilkens warf einen Blick auf die Uhr. Er war seit über drei Stunden in der Wohnung. Lange genug. Das Gras und die Papers hatte er eingesteckt, die Festplatte steckte in seinem Sakko. Den Rest mochte Heidmüller durchsuchen, solange er wollte.
Ein kalter Wind empfing den Kriminalhauptkommissar unten auf der Straße. Möglichst unauffällig schlenderte er die Straße hinunter zum Heussweg. Er sah nicht mehr, wie die Polizeiwagen vor dem Haus hielten, das er eben verlassen hatte. Er sah nicht, wie die Beamten die Treppen hinauf stürmten und die aufgebrochene Tür fanden. Er sah auch nicht das entgleiste Gesicht von Kommissar Heidmüller, als er die Wohnung betrat, die ein reines Chaos und offenbar der Tatort eines Einbruchs war.
Wilkens fuhr heim und drehte sich einen dicken Joint von dem konfiszierten Gras. Er brauchte drei Anläufe und einige zerrissene Blättchen, bis er es hinbekam. Das Marihuana und eine Flasche Astra halfen ihm zu entspannen.
Auf seinem Schreibtisch lag die Festplatte von Jasmin Dreyer, auf der vielleicht ein Teil zur Lösung dieses Rätsels zu finden sein würde. Vielleicht! Eventuell! Und dann war da noch das Problem, dass Wilkens nicht die blasseste Ahnung hatte, wie er diese Festplatte an seinen Rechner anschließen konnte.
Natürlich hatte die Hamburger Polizei jede Möglichkeit. Die waren auf dem neuesten Stand der Technik, aber Wilkens konnte es nicht riskieren, den Dienstweg zu gehen. Er musste einen anderen Weg finden.
Er rieb sich die trockenen Augen und holte sich ein weiteres Bier. Da war etwas hinter dem Bücherklau, was ihn nicht losließ, und es hatte mit dem anderen Fall zu tun, den er verbockt hatte. Er durfte gar nicht daran denken, wie viel Kohle er auf dem schwarzen Markt für diese antiken Schwarten hätte kriegen können!
Ein drittes Bier änderte jedenfalls nichts an Wilkens Misere.
*
Kommissar Heidmüller stand im Flur von Jasmin Dreyers Wohnung, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben, und starrte mit finsterem Gesichtsausdruck auf die aufgebrochene Tür. Seine Mitarbeiter durchsuchten die Bude, aber er war sich jetzt schon sicher, dass sie nichts finden würden. Immerhin brauchte er Frau Dreyer nun nicht mehr mit dem Durchsuchungsbefehl zu belästigen.
Heidmüller hielt einen Beamten auf, der sich an ihm vorbei schob. „Suchen Sie mir mal die Mobilnummer der Wohnungsbesitzerin raus!“
Der Beamte murrte irgendetwas Unverständliches und ging weiter. Kurz darauf kehrte er zurück und drückte dem Kommissar einen Zettel in die Hand. „Zwei Nummern“, sagte er und tippte auf den Zettel. „Eine ist privat, die andere von der Uni. Ist aber trotzdem eine Mobilfunknummer.“
„Danke, Wachtmeister.“ Heidmüller holte sein Handy aus dem Jackett und wählte die erste der beiden Nummern, hinter der das Wort „Uni“ stand. Ein Signal ertönte.
„Dreyer?“, meldete sich eine weibliche Stimme. Heidmüller atmete tief durch. „Frau Dreyer, mein Name ist Kriminalhauptkommissar Heidmüller. Ich stehe hier im Flur Ihrer Wohnung. Bei Ihnen ist eingebrochen worden.“
Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann erreichte ein kraftvolles „Fuck!“ Heidmüllers Ohr. „Ich komme sofort!“ Dann wurde die Verbindung unterbrochen. Heidmüller verstaute das Telefon wieder im Sakko. Sie kam … Das war doch schon mal was!
Die Leute von der Spurensicherung packten schon ihre Sachen zusammen. „Und?“, fragte Heidmüller den Chef der Truppe, einen dicklichen Mann mit Halbglatze, der Dany de Vito ähnelte.
„Nix und.“ Der Dickliche klappte seinen Alukoffer zu. „Das ist ‘ne ganz normale Studentenbude. Nichts Illegales, nichts Gefährliches. Wenn man von einigen dieser Bücher da im Regal absieht. Diese Bude ist so was von sauber. Nicht einmal Staub haben wir finden können, und die Fingerabdrücke scheinen alle von der gleichen Person zu sein, ich nehme mal an, von der Wohnungsinhaberin. Ach, eins noch … die Festplatte aus ihrem Rechner fehlt. Das war‘s dann aber auch.“
Nichts. Das war genau, was Heidmüller nicht hatte hören wollen.
Nach und nach verließen die Kollegen die Wohnung, und er blieb allein zurück.
*
Der Kaffee war kalt geworden und Grafs Zigarette zu einer Aschespur verglüht. Seit Stunden saßen Jasmin und er nebeneinander auf dem Sofa, vor sich Jasmins Laptop und das ominöse Papier. Graf hatte einen Block auf den Knien und notierte eifrig, was die junge Frau ihm diktierte.
Das Klingeln des Telefons ließ beide zusammenschrecken. Graf brach die Spitze seines Bleistifts ab. Jasmin suchte das klingelnde Gerät in den Tiefen ihrer Tasche und meldete sich fast gehetzt.
„Dreyer?“ Ihre Miene verfinsterte sich zusehends.
„Fuck!“, fluchte sie und atmete tief ein. „Ich komme sofort!“ Sie drückte das Gespräch weg und starrte auf den bläulich scheinenden Schirm des Handys.
„Was ist? Ärger?“ Graf legte den Block auf den Tisch.
Jasmin nickte. „Bei mir ist eingebrochen worden. Das war die Kripo. Ich muss nach Hause.“ Sie sah Graf an und hatte eine Träne im Auge. „Verdammt, warum ich? Bei mir gibt‘s doch nichts zu klauen …“
Graf stand auf und legte ihr den Arm um die Schulter. „Und der Brief da? Das wäre schon ein Grund für manche Leute!“
Jasmin lachte heiser. „Es weiß doch keiner von dem Wisch …“ Sie erstarrte. „Oder doch? Meinst du …?“
„Es scheint mir nur nicht ganz so abwegig zu sein …“
Jazz hob abwehrend die Arme. „Spielt keine Rolle! Ich muss nach Hause und mir den Schaden ansehen. Da sitzt ein Kriminaler und wartet auf mich.“
„Aber nicht unser Freund Wilkens, oder doch?“ Graf zog die Augenbrauen hoch.
Jasmin schüttelte den Kopf. „Nee, nein! Der, der sich gemeldet hat, hatte eine ganz andere Stimme.“ Sie ging in den Flur und nahm ihre Jacke vom Haken. „Heilmeier oder so ähnlich.“
Werner Graf nahm seine neue Lederjacke von der Garderobe. „Ich komm mit.“
Eine halbe Stunde später standen sie vor Jasmins Wohnung. Die junge Frau lehnte sich vor und stützte sich an dem gesplitterten Rahmen ab.
„Hallo? Herr Kommissar?“ Geräusche aus dem Hintergrund. Ein Schatten im Eingang zu ihrem Wohnzimmer.
„Heidmüller. Einen guten Tag zu wünschen verkneife ich mir mal, angesichts des Tatbestandes.“
Jasmin lachte laut los. Tatbestand! Was für ein Wort! Sie riss sich zusammen und räusperte sich.
„Entschuldigung, Herr Heidmüller. Dreyer.“ Sie streckte dem Kommissar die Hand hin. „Was ist gestohlen worden?“
„Das müssen Sie mir sagen, Frau Dreyer. Soweit wir das überblicken, wurde Ihre Festplatte entwendet … können Sie mir sagen, warum?“ Der Kriminalkommissar blickte sein Opfer mit unschuldigem Dackelblick an.
„Das muss was mit meinem Job zu tun haben. Also, mit meinem ehemaligen Job. Ich habe gestern gekündigt“, antwortete Jasmin wie aus der Pistole geschossen.
„Moin“, sagte Graf und lüftete kurz seinen Elbsegler. „Graf.“
Irritiert sah Heidmüller den schlanken Mann in der alten Polizeijacke an. „Und Sie sind?“
„Graf“, wiederholte er. „Sagte ich doch.“
„Er ist ein Freund“, sagte Jasmin und lächelte so gewinnend, wie sie konnte.
„Ihr Freund?“ Heidmüller zog, ohne es zu merken, eine Braue hoch.
„Ein Freund“, sagte Jasmin mit deutlicher Betonung auf dem ersten Wort.
„Ein … väterlicher Freud“, ergänzte Graf. „Ich bin die moralische Unterstützung, könnte man sagen.“
„Mal ganz davon abgesehen, dass Sie das einen Scheiß angeht!“, keifte Jazz ohne Vorwarnung. Bei ihr kochten die emanzipativen Tendenzen hoch. „Oder interessiert sich die Polizei dafür, mit wem ich ins Bett gehe?“
Nicht gut, diagnostizierte Heidmüller. Er wollte mit der Frau reden, sie am besten einlullen und aushorchen, nicht gegen sich aufbringen!
„Um Gottes Willen, nein!“ Er hob abwehrend die Hände. „Ich hab selbst eine jüngere Freundin.“ Glatt gelogen, machte aber gutes Wetter. „Frau Dreyer, ich brauche von Ihnen eine Liste mit den Dingen, die entwendet wurden. Wüssten Sie einen Grund, weshalb jemand bei Ihnen einbrechen würde? Was der Dieb gesucht haben könnte?“
„Sagte ich doch …“ Jasmin ließ sich auf ihr Sofa sinken. „Da muss einer angenommen haben, ich hätte was, was wertvoll ist. Und das kann nur mit der Uni zusammenhängen, mit den Büchern. Denn ich habe nichts von Wert!“ Sie schnaubte durch die Nase wie ein wütendes Nashorn. „Ich sehe nach, was fehlt!“
Jazz begann, ihre verwüstete Wohnung in Augenschein zu nehmen.
„Und wie stehen Sie zu Frau Dreyer?“, wandte sich Heidmüller an Werner Graf. Der ehemalige Kranführer grinste breit.
„Wir sind alte Kampfgefährten.“ Graf nahm seine Mütze ab und setzte sich dorthin, wo vorher Jazz gesessen hatte. „Sie haben vielleicht von dieser Geschichte gehört … die Bibliothek von Magister Wigbold. Das waren wir.“
„Und Kriminalhauptkommissar Wilkens, wenn ich richtig informiert bin.“
Graf nickte behäbig.
„Der war hilfreich. Komischer Mann. So verschlossen.“
„Ja“, seufzte Heidmüller. „Das ist er.“
„Ach verdammt!“ Jazz stieß wütend mit dem Fuß auf. „Alles ist durcheinander! Und überall dieses weiße Zeug!“
Heidmüller und Graf sahen einander an und gingen dann zu Jasmin Dreyer, die inmitten des angerichteten Chaos stand. „Und?“, wollte Heidmüller wissen. „Was fehlt?“
„Außer der Festplatte und meinem Gras … nichts“, knurrte Jasmin.
„Das habe ich nicht gehört!“ Heidmüller zog die Stirn in Falten. „Es fehlt also nichts, ausgenommen Ihrer Festplatte? Richtig?“
„Sieht so aus. Ja.“
Jasmin machte eine ausholende Geste. „Soweit ich das sehen kann. Aber das sagt mir, dass irgendwer dachte, ich hätte was auf dem Rechner, was ich aber nicht habe. Hatte. Mist, verfluchter!“ Sie trat gegen einen zerbrochenen Aschenbecher, dass der quer durch den Raum schlitterte.
„Ich verstehe Ihre Wut gut.“ Heidmüller steckte seinen Notizblock ein.
„Ach, tun Sie das? Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie ich mich gerade fühle!“ Jasmin funkelte den Kriminalen kampfeslustig an.
„Doch, kann ich! Letzten Sommer, als ich an der Ostsee im Urlaub war, ist bei mir auch eingebrochen worden. Sie können mir glauben, ich weiß, wie Sie sich fühlen!“
Das war gelogen. Heidmüller war im letzten Jahr zwar im Urlaub an der Ostsee in Boltenhagen gewesen, nur eingebrochen wurde bei ihm in der Zeit nicht. Sein Trick schien zu wirken. Die wütende junge Frau beruhigte sich und schnaubte etwas, was wie ein „Na ja, vielleicht …“ klang.
„Das war kein zufälliger Einbruch“, sagte Heidmüller mit der sanftesten Stimme, derer er fähig war. „Jemand hat etwas gesucht.“
„Sage ich doch! Es muss etwas mit den Büchern von Wigbold zu tun haben. Da hat einer geglaubt, ich hätte etwas, aber ich habe nichts.“ Auch das war gelogen. Werner Graf lehnte mit versteinertem Gesicht am Türrahmen und lauschte der Unterhaltung. Es kam ihm fast wie ein Déjà vue vor. Nein, das hier war anders als die Sache mit dem Pergament. Das hier roch gleich von Anfang an nach Kriminalität.
„Sie haben also nichts in Ihrem Besitz, was mit diesen Büchern in Verbindung steht?“, hakte Heidmüller nach.
Jasmin seufzte tief.
„Ich habe keines der Bücher mitgenommen, nein, verdammt noch mal. Das würde ich nie tun! Diese Werke sind …“ Sie rollte mit den Augen. „… unbezahlbar und müssen mit Samthandschuhen angefasst werden! Diese Werke sind so kostbar, dass sie nur unter Laborbedingungen …“ Sie brach ab und musterte den Kriminalbeamten eindringlich. „Warum fragen Sie nicht einfach meinen ehemaligen Chef? Dieser Armleuchter wird Ihnen gern alles zu diesem Thema erzählen. Er liebt es zu schwadronieren! Wenn eines der Bücher gefehlt hätte, hätte er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um …“
„Doktor Lindner ist tot“, sagte Heidmüller.
„Er wurde von einem Einbrecher nahezu enthauptet. Ich kann ihn also schwerlich befragen.“
Jazz krampfte sich der Magen zusammen, und ihr wurde schlecht. „Enthauptet?“, fragte sie ungläubig.
Heidmüller nickte. „Nicht ganz, aber nahe dran. Die Wirbelsäule …“ Er brach ab und räusperte sich.
„Scheiße“, wisperte Jasmin und setzte sich. „Er war ein Drecksack, aber so was …“
Heidmüller sah der blass gewordenen Frau in die Augen und strich sie von der Liste der Verdächtigen. Diese Frau war entsetzt, und das spielte sie nicht nur. Abgesehen davon konnte Heidmüller sich nicht vorstellen, dass sie mittels eines Schwertes oder dergleichen einen Menschen ermordete. Das passte nicht zu ihr. Heidmüller musste Wilkens recht geben, der behauptet hatte, die Dreyer käme als Täterin nicht infrage. Sie stand mit der Sache in Zusammenhang, das war ganz klar, aber sie war keine Täterin.
Graf holte zwei vorgedrehte Zigaretten aus dem Blechetui, zündete sie an und reichte Jasmin eine davon. Sie nahm den Glimmstängel und zog heftig daran. Lindner war tot … bei ihr war eingebrochen worden. Das waren keine guten Omen.
„Aber wer schneidet einem Menschen den Hals durch?“ Jasmin sah Heidmüller mit entgeisterter Miene an.
„Wenn ich die Antwort auf diese Frage kennen würde“, sagte Heidmüller und seufzte, „dann würden wir uns hier nicht unterhalten, sondern der Täter säße schon hinter schwedischen Gardinen.“
„Sorry, war ‘ne blöde Frage.“ Jazz rieb sich die Augen. „Entschuldigen Sie, Herr … Heid …?“
„Müller“, half Heidmüller weiter.
„Herr Heidmüller … Lindner tot. Das muss ich erst mal verkraften. Der Mann war eine Pest. Ein Macho, der sich die Lorbeeren ans Revers heftete, die andere erworben hatten, wenn Sie wissen, was ich meine.“
Heidmüller wusste genau, wovon Jasmin Dreyer sprach. Derlei Kollegen hatten sie auch auf dem Kommissariat. Mitläufer auf der Überholspur … das waren nicht gerade die Beliebtesten.
„Lindner war ein Chauvi, wie er im Buche steht. Herablassend, arrogant und beleidigend. Aber immerhin konnte er lesen.“ Jasmin drückte ihre Zigarette aus. „Herr Kommissar, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen, und wie Sie sehen können, habe ich noch zu tun …“ Sie deutete auf das herrschende Chaos. „Wenn Sie also keine Fragen mehr haben, würde ich gern mit dem Aufräumen anfangen.“
Heidmüller erhob sich, zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie Jasmin.
„Sie kennen den Spruch sicher aus dem Fernsehen … wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich an. Guten Abend!“
Heidmüller nickte Graf zu und verschwand dann im Hausflur. Seine Schritte, die Treppe hinunter, verhallten.
„Scheibenkleister“, sagte Graf und stieß sich vom Rahmen ab. „Das ist ‘n Stück Arbeit.“
„Kann ich bei dir schlafen?“
Graf sah Jasmin überrascht an. „Öh … ja, sicher. Warum?“
„Das Türschloss ist aufgebrochen, es ist nach sieben, und der Schlüsseldienst wird um die Zeit noch teurer. Und hier ist eingebrochen worden. Ich fühle mich … nicht wohl, solange da kein neues Schloss drin ist.“ Sie sah Graf bittend an.
„Klar kannst du. Ich hau mich aufs Sofa.“
Jasmin schüttelte den Kopf. „Das Sofa nehme ich. Wirklich, es reicht, dass du mir deine Gastfreundschaft gibst. Das Sofa ist cool!“
„Wenn du unbedingt willst …“ Graf zuckte mit den Schultern. „Dann lass uns anfangen, hier aufzuräumen.“
„Nee. Morgen. Ich will das jetzt nicht. Das habe ich nur gesagt, um den Polypen loszuwerden. Nach Aufräumen ist mir gerade so gar nicht!“ Jasmin ging in die Küche und kam mit einem Akkuschrauber wieder. Ein, zwei, drei Spax-Schrauben später war der Rahmen notdürftig repariert, und Jasmin zog die Tür ins Schloss.
„So. Und jetzt gehen wir in die Schanze zu meinem Lieblingsgriechen. Ich lade dich ein.“ Sie griff Graf am Ärmel seiner Erdmannjacke und zog ihn mit sich.