Читать книгу Die Stadt unter dem Land - Ralph G. Kretschmann - Страница 14

9.

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Das Schwert lag auf dem Küchentisch wie ein Fremdkörper. Onno Becker saß schon seit einer geschlagenen Stunde vor dem alten Mordinstrument und fragte sich, was ihn so an diesem überlangen Schlachterwerkzeug faszinierte. Was genau war es? Seltsam genug, dass er es für so wenig Geld hatte ersteigern können. Diese Waffe war nichts Besonderes, soweit er das erkennen konnte. Ein mittelalterliches Schwert eben. Eines von vielen … wenn da nicht dieses Gefühl von Vertrautheit gewesen wäre. Becker hatte es gesehen und gewusst, dass er es besitzen wollte. Dass er es besitzen musste!

Und dann war da das Blut. Er war sich sicher, dass während der Auktion keines auf der Klinge gewesen war. Und auch jetzt war da nur blanker Stahl. Eine scharfe Klinge mit Gebrauchsspuren. Das Bild der blutigen Kruste und das des Enthaupteten wollten ihm dennoch nicht aus dem Kopf.

Beides machte ihm Angst. Trotz der Furcht, die ihn befallen hatte, war da aber auch ein Gefühl des Sieges. Er hatte es geschafft, und das Schwert gehörte ihm. Er fühlte, dass es so sein sollte. Und er fühlte, dass da noch etwas anderes war. Etwas, was er nicht fassen konnte.

Onno musste an seine Großtante denken, die in der Familie den Ruf genoss, etwas seltsam zu sein. „Die Spökenkiekerin“, nannten sie sie oft. Großtante Antje hatte oft von ihren sogenannten Visionen erzählt. Als Kind hatte er ihre Geschichten geliebt, egal, ob seine Mutter ihm immer wieder sagte, dass die Tante „spinnen“ würde. Großtante Antje hatte von Schiffen und Piraten erzählt, von Räubern und Gespenstern. Onno erinnerte sich nicht mehr genau an ihre Geschichten, und er konnte sie nicht mehr fragen. Antje war schon seit über zwanzig Jahren tot.

War er auch so einer? Ein Spökenkieker?

Auf der Suche nach Anhaltspunkten, ging er sein Leben durch wie ein Fotoalbum. Er war fast fünfzig und ein Mann, der sich selbst als bodenständig bezeichnete. Ein gestandener Kerl, der in seinem Beruf stets Fortschritte gemacht hatte. Dadurch war er zum Leiter der führenden Firma für technisches Gewebe geworden. Egal, ob Naturstoffe aus Hanf oder Leinen oder kugelsichere Gewebe aus Kevlar … seine Firma hatte, was gebraucht wurde. Sie lieferten an Hersteller von kugelsicheren Westen und an Segelmacher, an Zeltfabrikanten und Textildesigner. Noch sieben Jahre, dann würde er in Pension gehen.

Becker war Junggeselle, was im Betrieb schon zu den seltsamsten Vermutungen geführt hatte. Es ging das Gerücht, er sei schwul. Becker konnte darüber nur lächeln. Er konnte an nackten Männern nichts Reizvolles finden. Er hatte aber auch nie eine Frau gefunden, bei der er sich vorstellen konnte, den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen. Er hatte einige Bekanntschaften gehabt, durchaus auch über eine längere Zeit, aber letztendlich hatte am Ende immer die Trennung gestanden.

Er hatte seinen Beruf und sein Hobby, das war ihm genug.

Seine Mutter hatte Onno immer für einen antriebslosen Menschen gehalten. Er war nicht der Typ gewesen, der Wünsche hatte, entwickelte keinen übergroßen Ehrgeiz und ließ sich eher treiben. Seinen Job hatte er zufällig gefunden, seine Karriere war irgendwie passiert.

Ein belangloses Leben. Onno wusste das, aber er wusste nicht, was er daran hätte ändern können. So war es eben.

Und nun das!

Als er das Schwert zum ersten Mal gesehen hatte, in dem Auktionskatalog, hatte er die Nacht darauf geträumt. Nicht von dem Schwert, aber von seltsamen Dingen, von Wappen und Siegeln. Er hatte eines dieser Wappen im Internet recherchieren können. Es war das alte Stadtsiegel der freien und Hansestadt Hamburg gewesen. Er hatte es sicher irgendwann in einem seiner Bücher gesehen, woher sonst sollten diese Bilder stammen, die er träumte? Das Wappen war alt, uralt. Aus den Zeiten der Hanse.

Onno hatte festgestellt, dass die Träume immer dann kamen, wenn er auf eine lieb gewordene Angewohnheit verzichtete. Er war kein Säufer. Am Tage trank er nie Alkohol, nicht einmal ein Bier, und auch am Abend, vor dem Fernseher, konnte er gut auf Alkohol verzichten. Aber bevor er sich schlafen legte, genehmigte er sich oft ein oder zwei Gläser Rum. Keinen Verschnitt aus dem Supermarkt, sondern wirklich abgelagerte, edle Tropfen. Er hatte damit angefangen, weil er oft noch lange wach gelegen hatte in der Nacht. Der Rum half ihm beim Einschlafen. Er schlief dann fest und traumlos. Legte er sich nüchtern hin, gingen ihm immer wieder alte Geschichten durch den Kopf, Erinnerungen an vergangene Tage oder Dinge, die ihn in der Firma beschäftigten.

War das der kurze Anfang vom langen Ende? Wurde er auch so seltsam und verschroben wie Großtante Antje auf seine alten Tage? Onno hatte niemanden, mit dem er darüber hätte reden können. Der Einzige, zu dem er außerhalb seines Betriebs noch Kontakt hatte, war ausgerechnet der Dorfpfarrer, Pastor Hansen. Ein gebildeter Mann, der sich nicht daran stieß, dass Onno ein überzeugter Heide war. Er hatte nie versucht, ihn zu bekehren, und das war Onno nur lieb und recht. Er hatte nichts über für Religion. Mit der Kirche und ihrer Botschaft konnte er herzlich wenig anfangen. Der Pfarrer hatte, wie Onno, ein Faible für das Mittelalter, und das verband sie.

Es hatte keinen Sinn, noch weiter auf die Klinge zu starren. Onno dachte ihr bereits einen Platz in seiner kleinen Sammlung zu und hatte dafür eine Halterung zwischen zwei seiner Repliken angebracht. Er hängte das Schwert an die vorgesehene Stelle und betrachtete das Arrangement. Eigentlich sollte er stolz auf seine Neuerwerbung sein, aber da war ein unergründliches Gefühl in ihm, als warte er auf etwas …

Irgendwann riss er sich von dem Anblick los. Er hatte reichlich zu tun, und hier herumzustehen brachte ihn nicht weiter. Da war Brennholz im Garten, das darauf wartete, gespalten zu werden. Die Regenrinne musste gereinigt werden. Die Blätter vom letzten Herbst verstopften bei jedem Regen die Fallrohre. Er musste noch einkaufen gehen. Der Kühlschrank war fast zur Gänze geleert.

Onno entschied sich, zuerst die Einkäufe zu erledigen. Danach dann die Regenrinne und am Nachmittag das Brennholz. Er zog seine Jacke an, nahm einen Einkaufsbeutel von der Anrichte und machte sich auf den Weg ins Dorf.

*

„Wäre schön, wenn Sie das bis heute Abend hinkriegen.“ Wilkens setzte sein liebenswürdigstes Gesicht auf. „Ist von meiner Nichte, die Festplatte. Passt die denn überhaupt in den Rechner?“

Er hatte seinen Computer und die Festplatte, die er Jasmin Dreyer gestohlen hatte, früh am Morgen in seinen Wagen geladen und war zu dem kleinen Laden in der Herderstraße gefahren, den er vorher im Internet gegoogelt hatte. Die Webseite des Computerladens warb mit Schnelligkeit und niedrigen Preisen und machte nicht den Eindruck, als stecke eine große Company dahinter.

„Das könnten Sie doch auch selbst machen.“ Der Mann hinter dem Tresen lächelte Wilkens freundlich an. „Natürlich kann ich das für Sie machen, aber Sie sparen eine Menge Geld, wenn Sie einfach diesen Stecker in den Port …“

„Meister!“, knurrte Wilkens. „Ich bin froh, dass ich die Knöpfe auf der Tastatur finde! Ich habe von diesem Technikkram nicht die leiseste Ahnung. Also, machen Sie!“

Der Mensch hinter der Theke zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie wollen … ist heute Abend fertig.“

„Wenn‘s so einfach ist, können Sie das nicht jetzt gleich machen? Dann muss ich nicht noch mal wiederkommen“, fragte Wilkens in anbiedernder Weise.

„Nee, ich habe Termine. Immer alle der Reihe nach. Ihr Rechner ist heute Nachmittag fertig, so gegen fünf. Ich habe bis neunzehn Uhr geöffnet. Und morgen früh wieder ab neun.“

„Ich bin Punkt fünf wieder hier!“ Wilkens nickte dem Computermann zu und verließ den Souterrainladen. Der Himmel hing über ihm wie eine einfarbige Fläche von dunklem Grau. Es sah nach Regen aus.

Im Büro saß Wilkens lustlos an seinem Tisch und warf alle Nase lang einen Blick auf die Uhr, deren Zeiger sich so langsam vorwärts bewegten, dass er den Eindruck bekam, sie bewegten sich rückwärts. Gegen zehn erschien Heidmüller und klopfte an den Rahmen der offen stehenden Tür.

„Guten Morgen, Kollege Wilkens! Haben Sie schon gehört?“

„Ich hab schon mal was gehört …“, knurrte Wilkens unwillig. „Worum geht`s denn?“

„Ich war gestern bei dieser Dreyer, Sie wissen schon, die mit dem Bücherschatz, die Sie kennen. Bei ihr wurde eingebrochen, und ich glaube, dass das mit unserem Fall zusammenhängt.“ Das Mobiltelefon in Heidmüllers Tasche meldete sich mit einem unüberhörbaren Geräusch.

„Heidmüller“, meldete sich der Kriminalhauptkommissar. „Nee, nein, hab meine Mails noch nicht gelesen … was? Gut, mach ich. Ich ruf Sie dann gleich zurück.“ Er steckte das Telefon wieder ein und schüttelte den Kopf. „Das war die Gerichtsmedizin. Die haben irgendwas gefunden … ich hab eine E-Mail von denen. Ich sag Bescheid, wenn‘s was Wichtiges sein sollte.“

Heidmüller ging in sein Büro und Wilkens auf Toilette. Er nahm seine gewohnte Abhörposition ein und drückte das Ohr gegen die Wand.

Der Rechner brauchte seine Zeit, um hochzufahren. Die Kripo arbeitete nicht eben mit den allerneuesten Geräten. Heidmüller öffnete sein Postfach und klickte die Mail aus der Pathologie an. Die Mail war recht lang und hatte Anhänge, die er erst herunterladen musste. Es dauerte eine Weile, bis Heidmüller das Ganze gesehen, gelesen und verstanden hatte.

Das Zauberwort war „Garotte“. Heidmüller googelte das Wort. Eine Würgeschlinge. Ein unangenehmes Gerät. Damit hatte man im Mittelalter Menschen stranguliert.

Die Pathologin, Frau Doktor Schuller, war sich sicher, dass Doktor Lindner mit einer Garotte getötet worden war. Die Mordwaffe soll ein sehr dünner Draht gewesen sein … erkennbar an den in die Wunde hineingezogenen Fleischfasern, die über den gesamten Verlauf des Schnitts zu beobachten waren.

Heidmüller stöhnte. Weshalb konnte das hier nicht ein ganz einfacher, normaler Mord sein? Irgendwas aus Leidenschaft oder dergleichen? Nein, er hatte einen Psychofall! Natürlich! Heidmüller stand so abrupt auf, dass sein Sessel bis an die Wand zurückrollte.

„Kollege Wilkens, haben Sie einen Moment?“

„Bringen Sie ‘n Kaffee mit, und ich hör mir alles an!“ Wilkens brannte darauf, berichtet zu bekommen, was die Gerichtsmedizinerin gewollt hatte, denn sein Horchposten hatte ihm mangels Gesagtem keine Informationen geliefert.

Heidmüller verschwand und erschien einen Augenblick später mit zwei Bechern leidlich trinkbaren Kaffees.

„Die Gerichtsmedizinerin, diese Schuller, Sie erinnern sich?“, fing Heidmüller an. Wilkens nickte.

„Süßes Luder. Die würde ich gern mal … auf einen Tanz einladen!“ Er schlürfte von seinem Kaffee. „Ja, ich erinnere mich!“

„Sie hat Beweise gefunden, dass dieser Professor da, an der Uni, dass der mit einer Drahtschlinge getötet worden ist.“

„Mit einer Drahtschlinge? Sie meinen eine Garotte?“, fragte Wilkens ungläubig. Er hatte über dieses Würgeinstrument einmal etwas im Deutschen Waffenjournal gelesen, das er abonniert hatte.

Heidmüller kam sich vor wie ein Idiot. Kannte denn jeder dieses Wort? Garotte? Selbst Wilkens, der nicht der Gebildetste unter Hamburgs Beamten war, kannte eine Garotte?

„Genau. Und die Schuller meint, dass der Draht so fies dünn gewesen ist, dass er glatt durch das Fleisch geschnitten hat.“

„Das“, sagte Wilkens und schüttelte sich, „ist ein Bild, das ich lieber nicht in meinem Kopf hätte. Danke, Kollege!“ Er rutschte von seinem Sessel und stand auf. „Das klingt noch um einiges unangenehmer als ein Schwert. Glaube ich zumindest.“

„Ich würde gern beides vermeiden.“ Heidmüllers Stimme klang heiser. „Am Ende ist das Ergebnis das gleiche. Man ist eine Leiche.“

Wilkens lachte wiehernd los. „Das gleiche … ‘ne Leiche!“ Wilkens hustete röchelnd und konnte kaum an sich halten. „Sie sind ‘n verdammter Dichter, Heidmüller, wissen Sie das?“

Der starrte seinen Kollegen ungläubig an und fragte sich, was daran so erheiternd gewesen sein sollte.

„Und Sie sind albern, Kollege!“

Wilkens versuchte, den unwiderstehlichen Drang, loszulachen, niederzukämpfen. Er konnte Heidmüller ja schlecht gestehen, dass er sich auf der Toilette bei offenem Fenster einen kleinen Joint von dem Gras, das er bei Jasmin Dreyer hatte mitgehen lassen, genehmigt hatte. Ernst bleiben, ermahnte er sich.

„Mag sein, mag sein. Es überkam mich eben … bei Ihrem Reim. Schon gut.“

„Wo waren wir vor Ihrem Anfall? Ach ja … die Garotte.“ Heidmüller rieb sich die Hände. „Da wir beide mit diesem Fall betraut wurden, schlage ich Arbeitsteilung vor. Ich übernehme die Recherche, was das Opfer angeht. Sie kümmern sich um die anderen Verdächtigen.“

Wilkens knurrte unwillig, stimmte aber zu. So konnte er beeinflussen, in welche Richtung die Ermittlungen gingen. Heidmüller, der sich schon zum Gehen umgewandt hatte, blieb stehen und drehte sich noch einmal zu Wilkens zu.

„Ach ja, fast vergessen … die Dreyer können wir wirklich von der Liste streichen. War ja wie gesagt gestern da, wegen Einbruchs … entwendet wurde nur eine Festplatte. Nun ja, Sie hatten wohl recht mit Ihrer Einschätzung. Die hat keinen Dreck am Stecken. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie diese zierliche Person die Kraft aufbringt, einen Mann mit so einer Schlinge zu strangulieren, geschweige denn zu köpfen! So, ich bin dann mal weg.“

Geh du nur, dachte Wilkens. Eine Festplatte und ein Beutelchen Gras, wenn du es genau wissen willst. Er konnte sich ein dümmliches Grinsen nicht verkneifen.

*

Manche Dinge liefen einfach schief, ohne dass man erkennen konnte, woran das lag. Chukov kippte den letzten Wodka aus der ersten Flasche runter, öffnete die zweite Flasche und schenkte sich nach.

Er war ein Spezialist und bekannt dafür, seine Aufträge leise und sauber durchzuziehen. Diesmal war das ganz anders gelaufen. Er hatte einen Mann getötet. Es hatte sich nicht vermeiden lassen. Chukov trank das Glas leer, füllte nach und stürzte auch dieses runter. Er hatte antike Bücher stehlen sollen, und nicht einmal das war ihm gelungen! Ein anderer war schneller gewesen. Immerhin stand er nicht ganz mit leeren Händen da. Er hatte sich an die Anweisungen gehalten, die man ihm gegeben hatte. Strikte Anweisungen, die er unbedingt einhalten sollte. Er hatte drei bestimmte Bücher an erster Stelle an sich nehmen sollen, und das hatte er getan.

Dann war dieser Gelehrte aus dem Keller hochgekommen. Chukov hatte sich gut versteckt, und der gelehrte Störenfried wäre sicher wieder verschwunden, aber dann hatte er festgestellt, dass da noch jemand hinter den Büchern her war. Chukov hatte aus seinem Versteck heraus nicht mitbekommen, wie es dazu kam, aber der Gelehrte und der andere Dieb hatten sich eine filmreife Schlägerei geliefert.

Als der Gelehrte den Dieb zu Boden befördert hatte, hatte er auch Chukov entdeckt. Sofort war er auf ihn losgegangen. Der schmächtige Mann hatte gewusst, was er tat, denn seine Schläge und Tritte hatten gesessen.

Einmal hatte er Chukov am Kopf getroffen, und er war danach in die Knie gegangen. Dabei hatte der Gelehrte Chukov die Skimaske vom Kopf gezogen und sein Gesicht gesehen. Ein großer Fehler.

„So, Freundchen …“, hörte Chukov ihn jetzt noch sagen. Zu mehr war er aber nicht gekommen, denn Chukov war geradezu explodiert.

Die Schlinge aus hauchdünnem Wolframdraht hatte sich um den Hals des Wissenschaftlers gelegt, und Chukov hatte ruckartig zugezogen …

Chukov füllte wieder das Glas und trank. Das war nicht sein erster Mord gewesen, und es würde wahrscheinlich auch nicht sein letzter sein. Trotzdem war es ihm nicht egal, dass er ein Leben beendet hatte. Ihm wäre lieber, es hätte nicht sein müssen.

Früher war es staatlich sanktioniert gewesen, was er tat. Damals, beim russischen Geheimdienst. Aber das war vollendete Vergangenheit. Jetzt arbeitete er für den, der am meisten bezahlte. Oder für den, der einen lukrativen Job anzubieten hatte.

Dieser Job war so lukrativ gewesen. Nur ein paar Bücher holen … so konnte man sich irren!

Das Mobiltelefon auf dem Tisch brummte. Mit beherrschten Bewegungen nahm Chukov das Telefon auf.

„Ja?“

„Berichten Sie“, sagte eine krächzende, heisere Stimme. Der Auftraggeber schien ein älterer Mann zu sein, schlossfolgerte Chukov. Es konnte aber auch sein, dass man nur wollte, dass er das dachte. Am Ende sagte die Stimme nichts aus.

„Ich habe die drei Primärziele. Die anderen Ziele wurden von einem Dritten entnommen, der unerwartet auftauchte. Es hat einen Toten gegeben.“ Chukovs Deutsch war gut. Sehr gut sogar. Er war in der ehemaligen DDR stationiert gewesen und hatte von seiner dortigen Liebschaft Deutsch gelernt. Nur sein “ch“ klang gutturaler als bei einem Mitteleuropäer, mehr hinten aus dem Rachen, nicht gehaucht, wie in Deutschland mehrheitlich üblich.

„Das ist bedauernswert. Kann eine Spur zu Ihnen zurückverfolgt werden?“

„Nein“, antwortete Chukov und wusste, dass sein Auftraggeber das anders empfinden würde. Trotzdem kam ein „Gut“ aus dem Hörer. Natürlich konnte der Mann am anderen Ende nicht zugeben, dass er versuchen würde, den Auftragnehmer um die Ecke bringen zu lassen.

„Sie erhalten trotz des teilweisen Misserfolges die volle vereinbarte Summe. Wann können Sie die Zielobjekte übergeben?“ Der Auftraggeber konnte das leicht zusagen. Er beabsichtigte ja nicht zu zahlen. So konnte er ruhig großzügig wirken.

„Morgen. Vierzehn Uhr, Landungsbrücke drei“, sagte Chukov.

„Ich schicke meinen Gewährsmann.“ Abrupt und grußlos wurde das Gespräch beendet. Chukov schenkte sich einen weiteren Wodka ein. Einen Gewährsmann würde er schicken. Da war sich Chukov sicher, das würde er! Er kippte den Schnaps hinunter.

Sollte der Auftraggeber ruhig einen Profi schicken. Er war selbst professionell genug, um zu wissen, was er zu tun hatte.

Die Stadt unter dem Land

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