Читать книгу Die Stadt unter dem Land - Ralph G. Kretschmann - Страница 15

10.

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„Wenn es nicht so hell wäre, könnten wir die Sterne sehen.“ Jasmin stand am Geländer der Promenade und starrte in den Himmel über der Elbe, der schwarz und gleichförmig über ihnen hing. Die Lichter von Blohm und Voss erleuchtete die Szenerie mit gelbem Licht und ließen Jazz und Graf lange Schatten werfen.

„Da müssten wir aber ein ganzes Stück raus aus der Stadt“, meinte Graf und knackte mit den Halswirbeln. Er nahm die beiden letzten Zigaretten aus seinem Etui und zündete sie an. Jasmin nahm wortlos die, die Graf ihr reichte, und nickte nur. „Am besten nach Osten, nach Meck-Pomm. Da ist es nachts noch richtig finster. Kaum Industrie …“

„Mäc…? Was?“ Jasmin runzelte die Stirn und wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich selbstständig gemacht hatte.

„Mecklenburg-Vorpommern. Meck-Pomm eben.“

Jasmin lachte leise. „Das hab ich ja noch nie gehört … Meck-Pomm … gefällt mir, das Wort. Es klingt nett.“

„Mir macht es irgendwie Hunger“, sagte Graf und rieb sich den Bauch. „Ist ja schon ‘ne Weile her seit dem Gyros … was meinst du? Noch einen Cheeseburger auf der Reeperbahn, und dann nach Hause?“

„Gute Idee. Und eine große Cola!“

„Wenn‘s sein muss auch mit großer Cola“, bestätigte Graf. „Ich zahle!“

Die Reeperbahn war auch zu dieser späten Stunde voller Leute.

„Touristen!“, beschwerte sich Graf.

„Sag mal nix weiter …“ Jasmin zog ihn in den amerikanischen Burgerladen. Sie bestellten jeder zwei Cheeseburger mit Pommes Frites und Cola.

„Das Zeug stopft!“, stellte Graf fest und rülpste. Sie gingen die Reeperbahn hinunter bis zur Einmündung der Hein-Hoyer-Straße, die die Verlängerung der Davidstraße darstellte. An der Ecke hielt Jasmin Graf am Arm fest. „Warte mal, bin gleich wieder da. Gib mir fünf Minuten!“ Sie verschwand in einem der Hauseingänge.

Graf kam sich ein wenig abgestellt vor und trat in den Hauseingang, in den Jazz gelaufen war. Der schwer verschnörkelte Jugendstilbau hatte schon bessere Zeiten gesehen. Der Putz wies Risse auf, und der Stuck über der Tür war fast schwarz von den Abgasen.

Es dauerte wirklich kaum mehr als fünf Minuten, bis Jasmin wieder auf die Straße trat und dabei fast mit Graf zusammengestoßen wäre.

„Alles klar, wir können!“, ordnete die junge Frau gut gelaunt an, hakte Graf unter und zog ihn mit sich, weiter die Hein-Hoyer-Straße hinunter, bis zu dem Haus, in dem Graf wohnte.

Graf wartete mit seiner Frage, bis sie sich in der Wohnung ihrer Jacken entledigt hatten.

„Was hast du denn da eben gemacht?“

„Ich hab mir was zu rauchen geholt.“ Jazz schnippte mit den Fingern. „Mir war danach, nach all dem Stress heute.“

Graf sah sie verständnislos an. „Ich hab genug Tabak im Haus …“

Jasmin lachte und ließ sich auf die Couch fallen. „Gras. Tabak hätte ich ja wohl auch an der Tanke gekriegt.“

„Die Tanke gibt‘s nicht mehr“, seufzte Graf und dachte wehmütig an die mittlerweile abgerissenen Esso-Häuser. „Aber einen Kiosk, der die ganze Nacht auf hat.“

Jasmin holte ein kleines Plastiktütchen aus der Tasche. Darin befand sich etwas, was aussah wie ein kleines Stückchen Küchenkräuter, fand Graf.

„Meinst du, das ist nötig?“ Ihm war nicht wohl.

„Sonst hätte ich‘s nicht gekauft. Oder?“

Sie öffnete das Tütchen, und ein süßlicher Geruch breitete sich aus. Jasmin drehte sich eine gehaltvolle Zigarette und rauchte sie in tiefen Zügen. Der süßliche Geruch wurde intensiver. Graf empfand den Duft als nicht unangenehm.

„Auch mal?“ Jasmin streckte Graf den improvisierten Joint entgegen.

„Nee, lass mal. Ich schenk mir lieber einen ein.“ Graf langte nach hinten und holte einen billigen Whisky aus den Reihen der Flaschen. „Damit kenne ich mich aus!“ Er holte sich ein Glas und schenkte sich drei Finger hoch von dem billigen Scotch ein. „Prost!“ Der Whisky verschwand mit einem Schluck.

„Ich kriege das nicht aus dem Kopf“, sagte Jasmin unvermittelt.

Graf drehte sich eine Zigarette und warf ihr nur einen kurzen Blick zu. „Was kriegst du nicht aus dem Kopf? Den Einbruch?“ Er klebte die Zigarette zusammen und zündete sie an.

„Nein. Ist auch nicht lustig … aber ich meine was anderes. Das Papier.“ Jasmin schüttelte sich. „Hat wirklich jemand Lindner umgebracht, nur wegen dieser alten Bücher?“

„Das ist doch gar nicht klar“, stellte Graf fest. „Kann sein, kann aber auch nicht sein. Kein Grund, dass du dir einen Kopf darum machst!“

Jasmin drückte die Hanfzigarette behutsam im Ascher aus.

„Ich weiß!“ Sie setzte sich aufrecht hin und nahm das Grastütchen in die Hand. „Aber das ist wieder so ‘ne Sache … ich kann einem guten Rätsel nicht widerstehen!“ Sie nahm eine Marihuanablüte aus der Tüte und begann, sie zwischen den Fingern zu zerreiben. „Und Störtebeker, das ist schon was. Weißt du, es ist nicht leicht, heutzutage, sich einen Namen zu machen! Und das hier … das könnte so was sein.“ Vor ihr lag ein Häufchen zerbröseltes Gras auf dem Tisch.

„Du hast doch eine Pfeife, oder?“

Graf sah sie entgeistert an. „Was?“

„Eine Pfeife … habe ich schon bei dir gesehen. So eine lange mit einem kleinen Kopf.“ Jasmin deutete mit den Händen die geschätzte Länge der Pfeife an.

„Meine … ja, kannst du benutzen.“ Endlich war bei Graf der Groschen gefallen. Er holte das Rauchinstrument aus der Lade, in der er sie aufbewahrte, und legte auch gleich einen Pfeifenstopfer und einen Reiniger vor Jasmin auf den Tisch.

Er schenkte sich selbst einen weiteren Whisky ein. Jasmin stopfte das zerrupfte Gras in die Pfeife und rauchte, was in einem Hustenanfall endete. Graf grinste verhalten. Er wollte nicht schadenfroh erscheinen, aber die hustende Frau sah zu komisch aus.

„Wie ist das denn nun mit dem Papier? Was steht drauf? Ich erkenne ja nur Bröckchen …“ Graf kippte den Whisky hinunter. „Was ist so wichtig, interessant oder gefährlich auf diesem antiken Zettel?“

Jasmin wischte sich die Lippen trocken. „Das ist schwierig. Ich bin mir noch nicht sicher, aber es wird noch dauern, bis ich die Lücken gefüllt habe, die der Text aufweist. Kann ich auch einen Scotch haben?“

„Ist aber kein besonderer Stoff.“ Graf holte ein zweites Glas und schenkte ein. Sie tranken, und Graf spendierte zwei Zigaretten. „Zeig mir doch mal diesen Wisch.“

Das Papier war dicker und irgendwie weicher, als das, was heutzutage in Benutzung ist, fand Graf. Er besah sich das Stück Papier von allen Seiten so genau, wie das mit dem bloßen Auge eben möglich war.

Gegen das Licht gehalten konnte man die Bereiche sehen, die Jasmin gemeint hatte. Dort war das Papier fast durchscheinend. Eine dünne, blasse, wässrig wirkende Schrift zeichnete sich undeutlich ab. Kaum erkennbare Striche und Linien, vereinzelte Buchstaben und an manchen Stellen ganze Worte. Aber sie waren nicht spiegelverkehrt. Graf kniff verwirrt die Augen zu und öffnete sie langsam wieder. Es änderte nichts an dem, was er sah. Die Buchstaben waren genauso geschrieben wie die offen sichtbare Schrift auf der Vorderseite. Wenn jemand zusätzlich auf der Rückseite etwas geschrieben hatte, dann sicher nicht in Spiegelschrift! Wie passt das zusammen?

Graf wendete das Papier und besah sich die Rückseite. An ein paar Flecken konnte er erkennen, dass Tinte durch das Papier gezogen war. An anderen Stellen konnte er die gleichen Striche und Buchstaben erkennen, die er auf der Vorderseite gesehen hatte, und die Schrift der Vorderseite schimmerte nur blass blau durch und überlagerte sich mit dem sichtbar Geschriebenen.

Was Graf auch auffiel, war ein Rand wie von einem Wasserschaden, der sich quer über das Papier zog und sich nahezu mit den Stellen deckte, an denen Schrift zu erkennen war.

„Ich glaube, da hat einer was mit unsichtbarer Tinte geschrieben. Das ist nicht nur ein beidseitig beschriebenes Blatt.“ Er streckte den Arm aus und hielt Jasmin den Bogen hin, damit sie es sich selbst ansehen konnte. „Die Schreibereien sind beide auf der gleichen Seite. Das Papier ist mal nass geworden oder irgendetwas anderes ist passiert, sodass ein wenig von der unsichtbaren Schrift erschienen ist. Denk ich mal.“ Graf sah verlegen auf sein leeres Glas. „Ich brauch noch einen.“ Er ließ den Worten die Tat folgen und schenkte auch Jasmin nach. Die betrachtete das Blatt mit starrem Gesichtsausdruck. Nach mehreren Minuten ließ sie das Papier sinken.

„Scheiße, du hast recht … warum bin ich nicht darauf gekommen?“

„Das Naheliegende sieht man oft nicht. Kenn‘ ich gut! Betriebsblind nannten wir das früher.“

„Das heißt heute auch nicht anders.“ Jasmin stöhnte leise. „Wie blöde kann man denn sein?“

„Na, na, blöde finde ich jetzt aber ‘n bisschen hart!Was ist nun mit der Tinte?“, wollte Graf wissen und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

Jasmin sah ihn verständnislos an. Das Gras war stark und machte sie etwas wuschig. „Was für Tinte?“

Graf stöhnte. „Mensch, Mädel, konzentriere dich! Die unsichtbare Tinte! Welche denn sonst? Wie machen wir die sichtbar?“ Er klopfte auf das Papier, das Jasmin auf den Tisch gelegt hatte.

„Oh, ja, klar …“ Sie war sich nicht sicher, aber sie glaubte, dass sie rot anlief. Wie peinlich … sie war die Fachfrau, und er hatte die größere Professionalität! „Damals hatten sie verschiedene Methoden, Schrift zu verbergen. Eine war Zitronensaft, mit dem Botschaften geschrieben wurden. Chemie war eine andere. Die hatten damals die unterschiedlichsten Mittelchen für so etwas.“

Graf nickte. „Hab ich von gelesen. Hatten die damals denn schon Zitronen?“

Jasmin lächelte.

„Müssen sie wohl, wenn sie mit Zitronensaft geschrieben haben.“

„Logisch!“ Graf grinste.

„Es kann aber auch eine andere Flüssigkeit gewesen sein. Die hatten damals, wie gesagt, schon die nötigen Chemikalien. Spielt aber auch keine Rolle, solange es funktioniert, oder?“

Jasmin nahm das Papier hoch und hielt es mit zusammengekniffenen Augen gegen den Schein der Lampe.

„Sichtbar wird das Geschriebene, wenn man das Stück Papier oder Pergament erhitzt. Aber das hier scheint nass geworden zu sein, und dann hat sich die verborgene Schrift gezeigt.“

„Salzwasser?“, mutmaßte Graf. Jasmin schürzte die Lippen.

„Oder Essig. Also eine schwache Säure.“

Sie sah so besonders sexy aus, fand Graf und schob den Gedanken sofort wieder beiseite. „Salzwasser ist aber wahrscheinlicher, oder?“

„Hast du Wattestäbchen?“

„Ohrstäbchen? Im Bad, hinter der linken Spiegeltür.“ Graf deutete mit einem Zeigefinger in den Flur hinein.

Jazz fand die Stäbchen, wo sie sein sollten, und in der Küche noch Essig und Salz. Das Salz streute sie in ein Glas Wasser und kehrte mit allem zurück zu Graf ins Wohnzimmer. „Dann wollen wir doch mal sehen, womit wir‘s zu tun haben …“

Jazz baute Essig, Salzwasser und Wattestäbchen auf dem Tisch neben dem Papier auf.

„Hast du vielleicht eine Lupe?“

Graf grunzte und stemmte sich hoch. „Solltest du wissen, dass ich eine habe.“ Er suchte die Lesehilfe aus der Schublade, in der er sie aufbewahrte, und reichte sie der jungen Frau.

Jasmin entnahm der Packung ein paar Wattestäbchen und legte sie neben das Papier. Eines der Stäbchen tunkte sie kurz in das Glas mit der Salzwasserlösung. Sehr vorsichtig tupfte sie die Flüssigkeit auf das Papier, an einer Stelle, an der eine Reaktion zu erwarten war, weil dort ein Strich schon teilweise zu sehen war. Mit der Lupe betrachtete sie die Stelle minutenlang. Graf saß schweigend da, nippte an seinem Whisky und schwieg.

Nach einer Weile nahm Jasmin das nächste Wattestäbchen, befeuchtete es mit etwas Essigessenz und tupfte das dann auf die Stelle, die sie schon für den Versuch mit dem Salzwasser ausprobiert hatte.

Graf beobachtete sie, wie sie mit der Lupe die angefeuchtete Stelle betrachtete. Sie sah so verdammt sexy aus … aber er war so alt und … Graf stand auf und ging in die Küche. Jasmin hatte zu tun, und er brauchte frische Luft. Das geöffnete Fenster ließ die kühle Nachtluft herein. Von der Straße drangen die Geräusche von St. Pauli hoch. Der Stadtteil schlief nie, vielleicht holte er einmal kurz Luft, morgens, zwischen sechs und acht, aber selbst dann waren die Straßen voller Leben – und wenn es nur Hamburgs Müllmänner waren, die den Unrat der letzten Nacht entfernten, bevor die Touristen wieder zum Sturm auf Deutschlands sündigste Meile ansetzten.

Graf versuchte, seinen Kopf frei zu kriegen, so gut das denn möglich war. Der Alkohol machte ihn unvorsichtig und gierig.

„Werner? Alles in Ordnung?“ Jasmins Stimme klang leise an sein Ohr.

„Alles gut. Ich komme gleich …“, antwortete er und schloss das Fenster wieder.

„Das bringt nichts.“ Jasmin deutete auf das Blatt, das vor ihr auf dem Tisch lag. „Keine Veränderung.“ Sie zupfte eben wieder eine Grasblüte auseinander. Graf setzte sich und atmete tief durch.

„Hitze“, sagte er aus einer Laune heraus und sah Jasmin an. „Zitronensaftschrift wird sichtbar, wenn man das Papier erhitzt. Vielleicht mit einem Bügeleisen … eine Kerzenflamme sollte auch gehen, ist aber gefährlich. Nicht, dass uns das Blatt abraucht!“

Jasmin starrte Graf an, die gestopfte Pfeife in der einen und ein Feuerzeug in der anderen Hand.

„Hast du denn ein Bügeleisen?“

„Na, selbstverständlich habe ich ein Bügeleisen!“ Graf sah sie entrüstet an. „Wie sollte ich sonst meine Hemden glatt kriegen?“

Es dauerte einen Moment, bis sich das Eisen auf die richtige Temperatur aufgeheizt hatte.

„So“, stellte er fest, „nu können wir.“

„Hast du noch ein Blatt Papier? Ich möchte das Plätteisen nicht direkt auf das alte Papier setzen.“ Jazz nahm das Eisen entgegen, und Graf holte ein leeres Blatt Papier aus seinem Drucker.

„Das macht Sinn.“

Jasmin platzierte das neue auf das alte Papier, legte beides auf eine ebene Oberfläche und fuhr vorsichtig mit dem Bügeleisen darüber. Nach einer Minute nahm sie das Eisen wieder hoch und stellte es auf dem Tisch ab. Sie entfernte das leere Deckblatt, kontrollierte es auf ungewollten Übertrag durch die Hitze und legte es dann zufrieden zur Seite. Auf dem alten Papier hatten sich tatsächlich neue, vorher nicht sichtbare Zeichen zu erkennen gegeben.

„Verdammter Mist!“, entfuhr es ihr. „Du hattest recht … da ist etwas Neues!“

Graf konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Noch mehr Text. Viel Spaß damit!“

„Das sieht nicht wie ein Text aus.“ Jasmin runzelte die Stirn und musterte die Linien. „Eher wie ein Plan …“

„Aha!“, machte Graf und rieb sich die Nase. „Scannen?“

„Scannen!“

Jasmin nahm das Papier vorsichtig hoch, da es nun mit dem Erhitzen ein wenig unter Spannung stand, und reichte es Graf. Nun wurde die Sache richtig kompliziert. Sie hatte zwei Seiten Text und darunter etwas anderes, was von dem Geschriebenen überlagert wurde.

„Da hat einer ‘ne Geheimbotschaft verfasst, und ein anderer hat auf dem anscheinend leeren Blatt einen Brief geschrieben, würde ich sagen.“ Graf legte das Blatt auf den Scanner, schloss den Deckel und drückte auf die Taste an seinem Rechner, die den Scanvorgang auslöste.

Jasmin hob die Brauen und sah Graf einen Augenblick lang an, als sei er vom Mars. „Du bist ein Naturtalent, was Detektivarbeit angeht, weißt du das?“

Der lächelte, winkte aber ab. „Ja, nee, klar! Ich und Detektiv … danke sehr. Ich ziehe nur so meine Schlüsse.“

Der Scanner hatte seine Arbeit getan, und Graf nahm das Blatt aus dem Gerät. Auf dem Bildschirm des Computers erschien das gescannte Abbild.

„Wenn einer diese geheime Botschaft selbst überschrieben hätte, dann sicher nicht so, dass man kaum etwas erkennen würde, wenn man die Botschaft sichtbar machen wollte, oder?“

„Das klingt logisch.“ Jasmin stopfte schon wieder etwas Gras in den Kopf von Grafs alter Pfeife und rauchte. Dann erhob sie sich auf unsicheren Füßen und kam zu Graf herüber, der neben seinem Rechner stehen geblieben war. Sie schob sich auf den Drehstuhl, der vor dem Tischchen mit dem Computerbildschirm und der Tastatur stand, und rückte ihn zurecht. „Dann wollen wir mal sehen, was wir da haben.“

Sie betrachtete das Ergebnis des Scans mit zusammengekniffenen Augen. Schließlich begann sie, das Bild zu optimieren. Ihre Finger huschten über die Tastatur, und das Bild veränderte sich. Zwischendurch speicherte sie immer wieder den Stand ihrer Bearbeitung. Gebannt sah Graf ihr zu. Ihm war es ein Rätsel, was sie da tat. Die blasse bläuliche Schrift wurde immer transparenter, und die gelbliche Schrift, die durch das Erhitzen erschienen war, trat immer deutlicher hervor.

„Wie zum Geier machst du das?“

„Eigentlich drehe ich nur die eine Farbe runter und die andere rauf. Dadurch wird die klarer, siehst du?“ Jasmin drückte auf die Entertaste, und wieder verstärkten sich die gelblichen Zeichen. „Wenn ich jetzt mit dem Farbersatzwerkzeug das Vergilbte in Schwarz umwandle, müssten wir das recht deutlich sehen können.“ Sie drückte ein paar Tasten, und die gelblichen Zeichen verwandelten sich in mehr oder weniger kräftiges Schwarz.

„Sieht aus wie ein Lageplan“, stellte Graf fest. „Aber was soll das für eine Schrift sein?“

„Karolingische Minuskel ist es jedenfalls nicht, wie auf der Vorder- und Rückseite. Das ist eine ganz andere Handschrift, von einem ganz anderen Schreiber. Das passt zu deiner Annahme, dass der Briefeschreiber nicht der Verfasser der unsichtbaren Botschaft ist.“

„Ich mag es, wenn ich recht habe“, sagte Graf seufzend. „Aber was bedeutet die Schrift? Ich kann da eine Windrose erkennen und eine Art von Küstenlinie, aber was steht da geschrieben? Das ist doch kein Deutsch …“

„Stimmt“, bestätigte Jasmin. „Das ist kein Deutsch, auch kein Niederdeutsch. Nicht einmal annähernd. Englisch und Französisch scheint es auch nicht zu sein, obwohl ich die mittelalterliche englische oder französische Sprache nicht beherrsche. Latein kann es auch nicht sein.“

„Dann wissen wir immerhin, was es nicht ist.“ Graf trat einen Schritt zurück, griff nach der Whiskyflasche und schenkte in beide Gläser nach, reichte das eine Jazz, nahm sich das zweite und prostete ihr zu. „Ex!“, sagte er und stürzte den Scotch hinunter. Jazz folgte seinem Vorbild und schüttelte sich, als der Schnaps durch ihre Kehle rann.

„Da werden wir wohl einen Fachmann fragen müssen“, sagte sie und stellte das leere Glas mit einem dumpfen Knall auf den Tisch. „Das sind lateinische Buchstaben, aber ich kenne die Sprache nicht.“

„Mich brauchst du nicht zu fragen. Ich kann nur Deutsch, Französisch und Englisch. Na gut, ich würde schon erkennen, wenn‘s Dänisch oder Spanisch wäre, aber lesen könnte ich‘s nicht.“ Graf beugte sich vor und deutete auf die Striche und Linien, die sich auf dem Schirm zeigten. „Aber vielleicht können wir da was erkennen. Sieht aus, als wenn das eine Karte ist.“

„Pfff … eine Karte.“ Jazz seufzte leise. „Das hatten wir schon mal.“

„Gibt es da Übereinstimmungen mit unserer Karte? Die vom Turm in Mulsum?“ Graf richtete sich wieder auf und stemmte die Hände in seinen schmerzenden Rücken. Die Haltung war nicht eben bequem gewesen, und seine Bandscheiben meldeten sich protestierend.

„Das sieht mir nicht so aus. Aber um sicher zu sein, müsste ich die Dateien auf meinen Rechner ziehen.“ Jasmin schob den Stuhl zurück und stand auf. Ihr Laptop stand neben dem Sofa. Sie holte das Gerät und schloss es an die Steckdose an. In der Laptoptasche befand sich auch ihr USB-Stick, den sie in Grafs Rechner stöpselte, um den Scan darauf zu speichern.

„Das ist dann aber der letzte für mich!“ Jasmin nahm das Glas Scotch, das Graf ihr, ganz Gastgeber, unaufgefordert reichte. „Ich hab schon ganz schön einen im Tee!“

„Das kommt von dem Zeug, das du rauchst.“

„Ich merke noch nicht viel.“ Jasmin kicherte. „Du solltest auch mal was rauchen. Gras, meine ich.“

„Ich weiß nicht.“ Graf runzelte die Stirn. „Ich hab mit so was nix am Hut.“

„Das ist harmloser als dein Whisky, das kann ich dir versichern!“

„Als ob Whisky …“

„Feigling!“ Sie lachte, und um ihre Nase bildeten sich kleine Fältchen.

Graf nahm die Pfeife und zog …

„Au Schiet!“ Graf legte schwer hustend die Pfeife auf den Tisch. „Da bleibe ich doch lieber bei meinem Tabak …“

Er nahm die Whiskyflasche und schenkte wieder in beide Gläser nach. Der Schnaps putzte seinen Rachen, und Graf atmete tief durch. Ein Summen machte sich in seinem Körper breit.

Jazz tat es ihm gleich und kippte das Glas in einem hinunter. Sie schüttelte sich und kicherte leise.

„Dann wollen wir mal sehen ...“ Sie öffnete das passende Programm und lud das Bild mit dem Scan. Dann legte sie darüber das Bild des Plans, den sie in Sankt Katharinen gefunden hatten.

„Keine Ähnlichkeit“, stellte sie fest. „Was da auch immer gezeigt wird, es hat nichts mit unserem Turm zu tun.“

Graf kniff die Augen zusammen, aber er musste ihr recht geben. Zwischen den beiden Plänen gab es nicht die geringste Ähnlichkeit.

„Wäre ja auch zu schön gewesen.“ Graf stützte sich auf der Tischplatte ab und lehnte sich so weit vor, dass er auch ohne Brille sehen konnte, was sich auf dem Schirm befand. „Mach das mal weg …“

Jasmin drückte einige Tasten, und der alte Plan verschwand. Zurück blieb der neue Scan. Die Linien und Zeichen ergaben keinen Sinn für Graf.

„Schade, dass der Text und der Plan nichts miteinander zu tun haben.“

„Das“, bemerkte Jasmin, „ist eine Annahme, die erst noch bewiesen werden muss. Es könnte durchaus Verbindungen geben, aber dazu müssten wir erst mal wissen, was der Text genau aussagt. Und wir müssten wissen, was die Zeichen bedeuten, die wir da sehen … es könnte alles Mögliche heißen.“

Graf rieb sich die Augen. War es das Gras oder der Alkohol oder vielleicht die gemeinsame Wirkung? Er kam sich irgendwie leicht und zugleich müde vor, sein Augen fühlten sich an, als seien sie trocken, und die Zunge in seinem Mund hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Staubtuch als mit dem Organ, das ihm beim Essen den Geschmack lieferte.

Die Gedanken in seinem Kopf liefen auf eine ihm fremde Art kreuz und quer, und es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren.

Er versuchte, die Zeichnung auf dem Bildschirm zu fixieren. Striche und Linien. Seltsame Zeichen gemischt mit Buchstaben und Buchstabengruppen, die ganz eindeutig lateinische Schrift waren. Aber es war kein Muster zu erkennen, nichts, an dem das Auge hängen blieb. Graf kniff ein Auge zu. Das Bild wurde zweidimensional. Flach. Wie die norddeutsche Tiefebene. Landschaft. Wege. Was sollten diese Striche darstellen? Das ganze Geschreibsel sah aus, als habe da einer etwas angefangen und nicht zu Ende gebracht. An manchen Stellen waren leere Räume, an anderer drängten sich die Buchstaben eng zusammen. Es sah alles so halbgar aus, wie unfertig.

Graf stutzte. Was hatte er da grade gedacht? Unfertig? Nein, das andere! Halbgar … das war es, worüber er gestolpert war. Das war die Lösung!

Graf richtete sich auf, und seine Wirbel dankten es ihm mit lautem Knacken.

„Das ist nur ein Teil des Plans, wenn es denn so was wie ein Plan ist. Da gehören noch mehr Teile dazu“, sagte er und schielte zu Jasmin hinüber, die in sich versunken dasaß und auf den Bildschirm starrte.

Einen langen Augenblick herrschte Stille, dann ertönte ein lang gezogener Seufzer, und Jazz legte den Kopf auf ihre Handfläche.

„Ich geb‘s auf. Du bist besser. Natürlich!“

Sie richtete sich auf.

„Aus dem Textanfang ging ja hervor, dass der Brief mehrere Seiten umfasst. Drei ist also wahrscheinlich unsere magische Zahl.“

„Toll.“ Graf ließ sich in seinen Sessel fallen und langte nach der fast leeren Whiskyflasche. Was noch darin war, reichte so eben noch für zwei Gläser.

„Das heißt also, wir haben hier ein Drittel Rätsel. Und nun?“

„Was, und nun?“ Jazz sah Graf mit gerümpfter Nase an. Soooo schlecht sah der Kerl wirklich nicht aus. Mann, musste sie betrunken sein! Sie schüttelte den Kopf und drängte die Gedanken zurück. Husch, fort mit euch!

„Der Zettel allein bringt uns nicht weiter.“ Graf machte eine fahrige Geste in Richtung des Computers, obwohl der Wisch, also das Papier, vor ihm auf dem Tisch lag. „Also stelle ich die Frage, was wir nun damit machen?“ Er beugte sich vor und griff nach dem Tabakbeutel und den Blättchen. „Und du bist nun mal die, die die Frage beantworten muss. Ist ja dein Papier, das mich betrifft.“

„Keine Ahnung“, antwortete Jasmin und fiel zwischen die Kissen, die auf dem Sofa lagen. „Aber ich habe auch eine Frage! Ist mir eben eingefallen.“

Graf hob die Brauen.

„Und die wäre?“ Eigentlich hatte er so gar keine Lust auf Fragespielchen.

„Hast du noch was zu trinken?“ Sie grinste ihn an. Es sollte freundlich wirken, kam aber eher dümmlich bei Graf an.

„Ich hab noch Rum und Korn …“

„Rum!“ Jazz hob die Hand. „Eindeutig Rum, euer Ehren!“ Sie kicherte.

Nichtsdestotrotz holte er aus seiner Hausbar eine Flasche Malteco, einen guatemaltekischen Rum, der für den geringen Preis, der für ihn aufgerufen wurde, erstaunlich gut schmeckte. Graf hatte bei Weinquelle Lühmann eben erst eine Flasche geholt. Man bekam das Zeug nicht überall.

Er wechselte die Gläser. Stil musste sein, und einen guten Rum aus einem Glas zu trinken, in dem sich eben noch ein billiger Whisky befunden hatte, kam unter keinen Umständen infrage. Graf füllte die Gläser zwei Finger hoch mit dem goldgelben Destillat. „Prost!“

Sie tranken einander zu. Jasmin Dreyer stellte ihr Glas ab und wischte sich über die Lippen.

„Ich stopf uns noch eine Pfeife …“ sagte sie.

*

Onno Becker war früh mit Kopfschmerzen ins Bett gegangen. Wieder einmal … Die Tablette, die er vor dem Zu-Bett-Gehen genommen hatte, war nicht eine von der rezeptfreien Art gewesen und würde sicher ihre Wirkung tun. Meistens erwachte er morgens, leicht gerädert, und erinnerte sich kaum noch an die Träume der vergangenen Nacht und wenn, dann als verschwommene Bilder.

An den Traum dieser Nacht aber erinnerte er sich … er würde ihn nie vergessen, so real erschien er ihm.

Er stand am Strand. Der kalte Seewind peitschte ihm ins Gesicht. Der Wind wehte scharf und trug Sandkörner mit sich, die wie Nadeln in sein Gesicht stachen. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, schützte sich mit vorgehaltener Hand vor dem umherfliegenden Sand.

Der Strand lag weit und leer vor ihm, und die Wellen brandeten an ein einsames Gestade. Genau der richtige Ort, um sich mit einem zu treffen, der wenig vertrauenswürdig war. Er würde wohl über Land kommen, nicht von See. Das Wasser war zu aufgewühlt, um mit einem Boot anzulanden. Selbst ein erfahrener Seemann hätte dieses Wagnis gescheut.

Der kleine Punkt, der sich bald in der Ferne abzeichnete, wuchs und wurde größer, bis endlich ein schwer atmender, hoch aufgewachsener Mann vor ihm stand, mit wächserner Haut und faltigem Gesicht. Das also war Kersten Mieles.

„Gott zum Gruße.“ Der Hansevertreter deutete eine Verbeugung an.

Der Mann, der zu sein Onno träumte, blieb ungerührt stehen. „Schenkt Euch diese Floskeln, Herr Mieles. Und lasst Gott aus dem Spiel, denn er hat nichts mit Eurem Verrat zu schaffen! Er nicht und der Teufel nicht! Das ist einzig und allein auf Eurem Mist gewachsen …“, hörte er sich sagen. Die Stimme war nicht laut, nicht erhoben oder anklagend. Eher klang sie leise und fast gelangweilt. „So frage ich Euch erneut … Wollt Ihr Eure Schuld bezahlen und mir und meinen Männern geben, was ihres sein sollte?“

Der Hochaufgeschossene senkte den Blick. „Ich sage Euch, der Ihr vor mir steht, nichts würde ich lieber tun, als Euch eben dieses zuzusagen. Doch hat der Rat der freien und Hansestadt zu Hamburg anders entschieden.“

Onno hörte sich seufzen. „Wer hätte das erwartet? Nun, wollt Ihr mich wissen lassen, wie die Sicht des hohen Rates der freien und Hansestadt lautete?“ Sein Tonfall war zynisch und kalt.

„Sie erklären hiermit durch mich, dass alle Absprachen zwischen der ehrbaren Kaufmannschaft des Hansebundes und den Männern, die man als Vitalienbrüder bezeichnet, hinfällig und null und nichtig sind. Die Vitalienbrüder haben ohne Auftrag selbstherrlich gehandelt und werden fürderhin von der Hanse verfolgt werden, und es wird ein Kopfgeld auf jeden einzelnen ausgesetzt werden.“ Die Stimme des Hochgewachsenen war nur noch ein Flüstern.

Onno hörte sich lachen. „Wie hoch wäre denn das meine?“

Der Hochgewachsene schüttelte leicht den Kopf. „Das vermag ich nicht zu sagen. Bei meiner Abreise diskutierten die Ratsmitglieder noch über die Höhe der Kopfgelder.“ Er räusperte sich. Seine Stimme war mit jedem Wort etwas heiserer geworden. „Verzeihung.“

„Nun, wenn das so ist, werden wir die Schulden eben anders beitreiben müssen.“ Er hörte die Kälte in seiner Stimme förmlich klirren. „Ihr sagtet uns eine Belohnung zu, und eine Belohnung werden wir erhalten! Seid sicher, dass die Hanse bluten wird.“

Der Hochgewachsene schloss die Augen.

„Ich weiß“, sagte er leise. „Aber ich kann nichts dagegen tun. Ich sehe, wie das Unheil sich anbahnt, und kann es nicht aufhalten. Wie armselig …“

Einen Augenblick lang herrschte Stille, und nur das leise, unstete Pfeifen des Windes war zu vernehmen.

„Geht. Ich laste es Euch nicht an, aber nichtsdestotrotz – sehen wir uns ein nächstes Mal, werde ich Euch töten.“ Er ließ den Hochgewachsenen stehen. Wortbrüchiges Gesindel, das sich ehrbar schimpfte!

Dabei war es so einfach! Die Pfeffersäcke in Lübeck hatten sich mit Margarete von Dänemark angelegt und brauchten jemanden, der die Kanonen abfeuerte, denn ihre Schiffe waren allesamt schwere Frachtsegler und wenig für einen Kampf geeignet, von den Mannschaften einmal ganz zu schweigen, die eben Kaufleute waren und keine Kämpfer. Und er hatte diese Aufgabe übernommen und Schiffe und Mannschaften bereitgestellt, die die Lebensmittel transportierten. Man hatte ihnen den Namen Vitalienbrüder gegeben, und sie waren sehr erfolgreich gewesen.

Aber als es ans Bezahlen ging, da sträubten und zierten sich die ehrbaren Kaufleute mit einem Mal. Sie weigerten sich schlichtweg, die angefallenen Schulden zu bezahlen. Ausrede folgte auf Ausrede. Bis die Vitalienbrüder dem Rat ein letztes Ultimatum gestellt hatten.

Und wieder hatten die Pfeffersäcke die dargebotene Hand fort geschlagen. Nun, dann sollten sie die Früchte ihres Handels ernten dürfen!

Er würde sich jeden Gulden holen, der ihm zustand, darauf durften sie gern wetten! Er war nicht allein, was sie vielleicht denken mochten. Hinter ihm standen Männer, die es satthatten, sich von den feinen Pinkeln hinhalten zu lassen. Hinter ihm standen eine ganze Gemeinschaft und ein friesischer Häuptling, mit dem nicht gut Kirschen essen war.

Mit unverhohlener Wut in den Zügen stieg er in sein Boot und ruderte auf das Meer hinaus. Seine Leute würden ihn vor der Wesermündung einsammeln, so hatten sie es verabredet. Was dann kommen würde, lag nicht mehr in seiner Hand. Blut würde fließen, und es würde Hanseblut sein!

Bilder tauchten auf. Bilder von brennenden Schiffen und ertrinkenden Matrosen. Ein Mann wurde an einen Mast genagelt. Schwerter klirrten, und Schüsse fielen. Rauch nahm ihm Sicht und Atem.

Keuchend und schweißgebadet erwachte Onno Becker.

Es war noch stockfinster, mitten in der Nacht, aber er konnte nicht wieder in den Schlaf finden. Endlich stand er auf und setzte sich an den Küchentisch, ein Flasche Helbing-Kümmel vor sich. Onno trank und rauchte eine Zigarette nach der anderen.

Der Traum war so realistisch gewesen … noch immer glaubte er den salzigen Geruch des Meeres in der Nase zu spüren. Becker kippte den Kümmel ungezählt hinunter, bis sich der Raum um ihn zu drehen begann. Völlig betrunken fiel er ins Bett, als die Morgensonne einen ersten fahlen Schein an den nächtlichen Himmel warf.

*

Sie hielten ihn für ausgeschaltet, aber das war er nicht. Es erstaunte ihn selbst immer wieder, was Geld zu erreichen vermochte. Er war vielleicht eingeschränkt in seiner Freiheit, aber daran war er gewöhnt.

Er hatte seine Leute. Schon immer hatte er Menschen dafür bezahlt, dass sie Dinge für ihn erledigten. Das funktionierte reibungslos, solange er zahlte, und er zahlte immer gut und pünktlich. Erkaufte Loyalität war die verlässlichste. Und zur Sicherheit war es immer gut, wenn man einige der kleinen Geheimnisse kannte, die jeder Mensch versteckte. Mit diesem System war er weit gekommen.

Er gab seine Anweisungen, und denen wurde Folge geleistet, egal, wo er selbst sich befand. Eben jetzt wartete er auf neue Informationen. Sein Anwalt würde in ein paar Stunden erscheinen und Neuigkeiten bringen. Mit neuen Anweisungen würde er ihn wieder verlassen. Er bekam am Ende stets, was er wollte.

Der Rechtsvertreter war pünktlich. Er übergab einen Umschlag, der zu unterzeichnende Papiere enthielt, und sagte nur einen Satz.

„Eins von dreien.“

Der Anwalt war danach schnell gegangen, denn das Gesicht seines Mandanten hatte Bände gesprochen. Er schien nicht sonderlich erfreut zu sein.

Er war sogar äußerst ungehalten. Er würde Druck machen müssen, wenn er die Dinge in die richtige Richtung dirigieren wollte.

Die Stadt unter dem Land

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