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4.

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In Warschau mussten Lydia und Jacob Stolowitzky am eigenen Leib erfahren, dass man sich mit Geld nicht alle Wünsche erfüllen kann und dass Reichtum nicht jede Sehnsucht stillt. Nach der ersten unbeschwerten Zeit, in der sie ihre junge Liebe und ihren Wohlstand genossen, schwand ihre Lebensfreude von Jahr zu Jahr. Lydia bewegte sich wie ein Schatten durch das große Haus, freudlos und stumm. Sie veranstaltete keine Partys oder Konzerte mehr, Freunde wurden nur noch selten eingeladen. In unzähligen Nächten weinte sie sich in den Schlaf. Denn trotz aller Bemühungen konnte sie nicht schwanger werden. Die Ärzte hatten alle Möglichkeiten ausgeschöpft und mussten eingestehen, dass sie ihr nicht helfen konnten. Alles deutete darauf hin, dass Lydia Stolowitzky niemals Kinder bekommen würde.

Doch Lydia gab nicht auf. Nachdem die besten Ärzte Warschaus ihren Kinderwunsch nicht erfüllen konnten, suchte sie Rat bei namhaften Spezialisten in Zürich und Wien. Die Behandlungen waren unangenehm und langwierig. Oft waren längere Aufenthalte in Privatkliniken fern von zu Hause nötig, doch sie ließ nichts unversucht, und Jacob unterstützte sie darin in jeder Hinsicht. „Geld spielt keine Rolle“, pflegte er zu sagen. „Für ein eigenes Kind ist uns kein Preis zu hoch.“

Trotz der erheblichen Summen, die sie als Honorare abrechneten, konnten auch die ausländischen Spezialisten nicht helfen. Aber Lydia wollte ihre Hoffnung noch nicht begraben. Da ihr die Medizin offensichtlich nicht weiterhelfen konnte, suchte sie Rat bei Rabbinern, Wunderheilern und Wahrsagern, spendete Geld für wohltätige Zwecke und füllte das Haus mit Amuletten gegen den bösen Blick.

Als auch dies nicht zum gewünschten Erfolg führte, verfiel sie in eine schwere Depression. Ihr Hausarzt verschrieb ihr Beruhigungsmittel. Ihr Mann machte mit ihr eine Donaukreuzfahrt und fuhr mit ihr nach Paris zum Kleiderkauf bei berühmten französischen Modeschöpfern. Doch nichts half, Lydias seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Sie sprach kaum noch, war bleich wie ein Gespenst und hatte an nichts mehr Interesse. Mehrfach hegte sie Selbstmordgedanken. Ohne ein eigenes Kind, das wusste sie, war ihr Leben leer und sinnlos. Freunde redeten ihnen zu, über eine Adoption nachzudenken, und Jacob hätte sich sogar mit dem Gedanken anfreunden können. Doch für Lydia kam so etwas nicht in Frage. Sie wollte ein leibliches Kind.

Umso größer war – nach zehn langen Jahren der Unfruchtbarkeit – bei Lydia und den Ärzten die Überraschung, als sie eines Tages feststellte, dass sie schwanger war. Von dem Augenblick an war Lydia wie verwandelt. Ihre Augen begannen wieder zu leuchten, ihr ganzes Gesicht strahlte, ihr Gang war aufrecht und beschwingt, und in das herrschaftliche Haus am Fluss war das Lachen zurückgekehrt. Eine Krankenschwester wurde eingestellt, die während Lydias gesamter Schwangerschaft Tag und Nacht für sie da war. Der Arzt kam täglich, um sie zu untersuchen.

Lydia und Jacob Stolowitzkys Tochter wurde zu Hause geboren, in einer rauen Winternacht. Sie lebte nur wenige Tage. Nach ihrem Tod war das Ehepaar fest entschlossen, es noch einmal zu versuchen, und begab sich erneut in Behandlung. Dann, Mitte Februar 1936, wurde ihnen ein Sohn geschenkt. Die Geburt verlief ohne Komplikationen und war leichter, als Lydia zu hoffen gewagt hatte. Sie war so glücklich wie nie zuvor im Leben.

Sie nannten den Jungen Michael, nach dem Engel Gottes, der das Böse besiegte, als Sinnbild der göttlichen Gnade.

Jacob ging in die Synagoge, dankte dem Schöpfer und spendete eine beträchtliche Summe für die Armen. Lydia saß selig an der Wiege ihres Sohnes, lachte und weinte abwechselnd und betrachtete ihn, als könne sie das Wunder noch immer nicht begreifen. Michael bekam ein fürstlich eingerichtetes Kinderzimmer, und eine Kinderfrau war rund um die Uhr für seine Bedürfnisse da. „Er ist mein Prinz, mein Ein und Alles“, sagte Lydia bei der Einstellung der Kinderfrau. „Passen Sie gut auf ihn auf und lassen Sie ihn niemals aus den Augen.“

Gertrudas Versprechen

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