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ОглавлениеVon den Fenstern des Hauses in der Ujazdowska-Allee konnte man den beliebten Chopinpark überblicken. Eltern gingen mit ihren Kindern spazieren, Kindermädchen schoben Babys in ihren Wagen, und Familien breiteten unbeschwert ihre Picknickdecken auf dem Rasen aus.
Seit Tagen lag Michael Gertruda in den Ohren, mit ihm endlich wieder einmal in den Park zu gehen. Wegen der Drohbriefe waren sie ans Haus gefesselt, doch die Wochen vergingen und nichts passierte. Der Junge konnte nicht verstehen, warum er nicht mehr nach draußen durfte, und Gertruda litt zusehends darunter, ihn im Haus einsperren zu müssen. Eines Tages fasste sie sich ein Herz und besprach die Sache mit Lydia.
„Na schön, gehen Sie mit ihm in den Park“, willigte Lydia ein, „aber nur ganz kurz und unter der Bedingung, dass Emil zur Sicherheit mitkommt.“
Emil wurde von seiner Arbeit freigestellt, um Gertruda und Michael zu begleiten. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne lachte, als die drei den Weg zum Park einschlugen. In der Jackentasche des Chauffeurs steckte die Pistole, die Jacob ihm anvertraut hatte. Als er sie ihm gab, hatte er ihn ausdrücklich angewiesen, dicht bei Gertruda und dem Kind zu bleiben und sie nicht aus den Augen zu lassen.
Sie beschlossen, auf ein Eis in das kleine Café am See zu gehen. Gertruda konnte nichts Verdächtiges entdecken. Sie schloss die Augen und ließ sich die Sonne aufs Gesicht scheinen. Michael löffelte zufrieden seinen Eisbecher, und Emil zündete sich eine Zigarette an.
Bald darauf machten sie sich auf den Heimweg. Gertruda hielt Michaels Hand, Emil ging hinterher. Der Weg war stellenweise von Hecken gesäumt, und plötzlich stürzten ein Mann und eine Frau aus dem Gebüsch und ergriffen Michael. Gertruda hielt den Jungen mit aller Kraft fest und schrie um Hilfe. Die Angreifer versuchten, ihr das Kind aus den Armen zu reißen, und versetzten ihr einen derben Schlag ins Gesicht. Einige Spaziergänger sahen das Handgemenge und kamen herbeigerannt, um zu helfen. Die beiden Kidnapper ließen von Michael ab und flohen. Emil zog den Revolver, schoss und nahm die Verfolgung auf. Gertruda schloss den weinenden Michael in die Arme. Dann fragte sie die Umstehenden, ob jemand von ihnen sie nach Hause begleiten könne.
Als Lydia ihren Sohn und die Kinderfrau sah, ahnte sie, dass etwas Schlimmes geschehen war, und sperrte in panischer Eile die Haustür hinter ihnen zu. „Was ist passiert?“
Gertruda erzählte.
„Sie bluten ja.“
„Das ist halb so schlimm.“ Gertruda wischte sich die blutende Nase. Sie fühlte sich am ganzen Körper zerschlagen, doch sie wollte nicht klagen. Das Wichtigste war, dass Michael wieder zu Hause und in Sicherheit war. Wäre es den Kidnappern gelungen, ihn zu entführen, sie hätte es sich nie verziehen.
Lydia holte Verbandsmaterial und Jod.
Einige Zeit später kam Emil zurück. „Ich war den Schurken auf den Fersen, aber sie sind mir leider entwischt.“