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5.

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Seit ihren verzweifelten Bemühungen, ein Kind zu bekommen, war Lydia Stolowitzky abergläubisch und fürchtete, dass ihr Glück nicht von Dauer war. Obwohl es keinen einzigen konkreten Grund zur Sorge gab, lebte sie in ständiger Angst, ihrem einzigen Sohn könne etwas zustoßen, die Unternehmen ihres Mannes würden in Konkurs gehen, oder irgendeine andere Katastrophe würde sie alle in Trauer und Armut stürzen. Jacob ertrug geduldig die langen Monologe seiner Frau, die in allem und jedem ein schlechtes Omen sah, und versuchte vergeblich, ihre Ängste zu zerstreuen.

Falls Lydia einen Beweis brauchte, dass ihre Befürchtungen keine Hirngespinste waren, so sollte sie ihn an jenem schicksalhaften Samstagnachmittag bekommen. Es war ein warmer, sonniger Tag gewesen, und die Familie saß beim Sabbatmahl. Die Stimmung am Tisch war heiter und gelöst. Jacob erzählte von einem zukünftigen Vertrag mit der Regierung der Sowjetunion, in dem es um eine neue Eisenbahnstrecke von Moskau nach Taschkent in Usbekistan ging. Lydia schlug vor, das Ereignis durch einen festlichen Empfang mit musikalischer Umrahmung zu feiern und einen berühmten Geiger einzuladen. Michael sagte stolz und ohne zu stocken ein lustiges Gedicht aus einem neuen Kinderbuch auf, und alle klatschten Beifall.

Sie waren gerade mit der Suppe fertig, und das Küchenpersonal trug die gefüllten Fasane auf, als jemand klopfte. Alle schauten sich erstaunt an, denn es war strikt untersagt, die Familie während der Mahlzeiten zu stören, und das Hauspersonal respektierte das.

Es klopfte noch einmal, und plötzlich stand Emil in der Türöffnung. Er verbeugte sich und entschuldigte sich für die Störung.

„Kommen Sie später wieder“, sagte Jacob ungehalten.

„Verzeihung, aber dies ist dringend!“, beharrte der Chauffeur.

„Was ist so dringend, Emil?“

„Eine Frau gab mir diesen Brief für Sie. Sie sagte, es ginge um Leben oder Tod.“

Jacob Stolowitzky legte seine Gabel nieder und machte sich daran, den Umschlag zu öffnen. Dringende geschäftliche Nachrichten gehörten für ihn zum Alltag. Boten kamen und gingen selbst am Sabbat, doch noch nie hatte es jemand gewagt, ihn bei Tisch zu stören.

Als er die Zeilen überflog, erstarrte er. Wortlos reichte er den Brief an seine Frau weiter. Lydia unterdrückte einen Aufschrei. „Was in aller Welt soll das heißen?“ Ungläubig sah sie ihren Mann an.

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Jacob. „Ich habe noch nie zuvor einen derartigen Brief bekommen.“

„Ich habe es immer gewusst“, jammerte Lydia. „Unser sorgenfreies Leben konnte nicht ewig dauern.“ Sie starrte auf das anonyme Schreiben, bis die Buchstaben vor ihren Augen verschwammen:

Sehr geehrter Herr Stolowitzky, wenn Sie verhindern wollen, dass Ihnen und Ihrer Familie ein Unglück zustößt, halten Sie bis morgen eine Million Zloty in bar bereit. Schicken Sie Ihren Chauffeur zum Eingang des Kraszinskiparks als Zeichen, dass Sie sich einverstanden erklären, das Geld zu zahlen. Danach werden Sie von uns weitere Anweisungen erhalten. Gehen Sie auf keinen Fall zur Polizei. Wir warnen Sie!

Jacob las den Brief wieder und wieder und versuchte, den Inhalt zu verarbeiten.

Einige seiner wohlhabenden Geschäftsfreunde waren bereits Opfer von Erpressungen geworden. Einer von ihnen war sogar vor der eigenen Haustür erschossen worden, nachdem er sich geweigert hatte, auf die Bedingungen der Erpresser einzugehen. Lange Zeit hatte Jacob Stolowitzky verdrängt, dass ihm so etwas auch zustoßen konnte. Nun war er an der Reihe.

Besorgt wandte er sich an Emil. „Von wem haben Sie den Brief?“

„Eine Frau, die ich nicht kenne, gab ihn mir vor dem Haus und verschwand.“

„Beschreiben Sie sie.“

„Nicht mehr ganz jung, dünn, mit schwarzem Mantel und Sonnenbrille. Und sie trug ein braunes Kopftuch.“

„Waren noch andere Leute in ihrer Nähe?“

„Ich habe niemanden gesehen.“

„Woher wusste die Frau, dass Sie bei uns arbeiten?“

„Sie stand vor dem Tor. Als sie mich kommen sah, wartete sie, bis sich das Tor öffnete, schlüpfte hindurch und sprach mich an. Sie fragte, ob ich für Herrn Stolowitzky arbeite. Ich bejahte, und daraufhin gab sie mir den Brief und rannte davon.“

„Danke, Emil. Sie können jetzt gehen.“

Michael forschte im Gesicht seines Vaters, und Gertruda wagte nicht zu fragen, was passiert sei. Jacob stand vom Tisch auf und zog sich in sein Zimmer zurück. Von dort aus rief er die Polizei an.

Es dauerte nicht lange, bis ein Kommissar in Begleitung von zwei Polizeibeamten die Szene in der Ujazdowska-Allee betrat. Die Zeugenberichte des Chauffeurs und des übrigen Personals wurden zu Protokoll genommen. Die Beamten nahmen den Erpresserbrief mit und warnten die Familie, niemand solle in den nächsten Tagen allein aus dem Haus gehen. Jacob steckte seinen Revolver aus der Schreibtischschublade in seine Jackentasche. Lydia sagte alle Termine ab und schloss sich im Haus ein. Gertruda erhielt die strikte Anweisung, aus Sicherheitsgründen mit Michael nicht mehr nach draußen zu gehen, solange die Erpresser auf freiem Fuß waren.

Einige Tage lang geschah nichts, dann brachte Emil einen zweiten Brief. Dieses Mal habe ihm, so berichtete er, jemand den Umschlag zum halb geöffneten Fenster des Cadillacs hereingeworfen, als er in der Stadt an einer Kreuzung hielt. „Es war dieselbe Frau“, behauptete er.

Auch dieser Brief war anonym und an Jacob Stolowitzky adressiert:

Wir haben erfahren, dass Sie entgegen unserer Warnungen zur Polizei gegangen sind. Wir warnen Sie zum letzten Mal: Wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen und Ihrer Familie etwas zustößt, brechen Sie die Verbindung zur Polizei sofort ab und bezahlen Sie die geforderte Summe. Sagen Sie Ihrem Chauffeur, er soll morgen Nachmittag um fünf Uhr mit dem Wagen am Tor vor dem Chopinpark stehen als Zeichen, dass Sie unsere Bedingungen akzeptieren. Dann werden Sie weitere Anweisungen erhalten.

„Sie beschatten uns“, sagte Jacob zu Lydia mit besorgter Miene. „Sie haben gesehen, dass die Polizei hier war.“

„Oder jemand hat sie informiert.“

„Aber wer?“ In Jacobs Gesicht spiegelten sich Erstaunen und Bestürzung.

„Irgendjemand vom Personal. Ein Dienstmädchen, der Gärtner, die Köchin…Jeder von ihnen könnte mit den Erpressern unter einer Decke stecken.“

„Wir haben unser Personal immer gut behandelt. Der Gedanke, dass jemand von ihnen uns Böses will, ist ziemlich abwegig.“

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte Lydia.

„Natürlich gehe ich mit dem Brief zur Polizei. Auf keinen Fall lasse ich mich von diesen Schurken erpressen!“

Gertrudas Versprechen

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