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Pacelli empfiehlt erneut Zugeständnisse

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Im Anschluss an die mündliche Verhandlungsreihe wurde von staatlicher Seite noch einmal ein neuer Konkordatsgegenentwurf angefertigt, der aber in dem hier fraglichen Artikel 14 § 1 keinerlei Veränderungen enthielt.226 Das Heft des Handelns lag nun wieder auf Seiten der Kurie. Um vom Heiligen Stuhl Zugeständnisse zu erreichen, griff Heinrich Held, Fraktionsvorsitzender der BVP im bayerischen Landtag und Mitglied des staatlichen Verhandlungsgremiums, ein wichtiges Argument der staatlichen Verhandlungsbasis wieder auf und führte dem Nuntius die Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Parlaments vor Augen. In einem ausführlichen Brief vom 30. Januar 1923 rechnete er vor, wie man auf die nötigen 80 Stimmen der einfachen Mehrheit für die Annahme des Konkordats kommen könne.227 Dafür bedürfe es unbedingt weitgehender Konzessionen, um die notwendigen Stimmen der Bayerischen Mittelpartei (BMP), des bayerischen Ablegers der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), zu gewinnen:

„Die Bayerische Mittelpartei wird meines Erachtens aber nur dann gewonnen werden, wenn in dem Konkordat auch Bestimmungen enthalten sind, die als Gegenleistungen der Kirche an den Staat für die neu festgesetzten Leistungen des Staates bedeutungsvoll ins Auge springen. Als solche kommen meines Erachtens in Frage: Die Bestimmungen über die Staatsangehörigkeit und Vorbildung der katholischen Geistlichen und der Obern der in Bayern ansässigen Orden und religiösen Genossenschaften, ferner die Mitwirkung der Domkapitel bei der Wahl der Bischöfe und Domkapitulare mit wesentlichen Rechten und nicht zuletzt eine gewisse Ingerenz des Staates bei der Besetzung der Seelsorgestellen.“228

Dabei dachte Held freilich nicht an irgendwelche Kompromisse, sondern bat Pacelli vielmehr – „wie ich das auch mündlich schon so oft getan“229 –, die Bestimmungen zu diesen Themen genau so zu akzeptieren, wie sie der bayerische Gegenentwurf vorsah.

Die Frage, ob und wie der Staatskirchenvertrag die politische Hürde im Landtag nehmen konnte, entwickelte sich zunehmend zum zentralen Druckmittel der Regierung, zumal auch Pacelli anerkannte, dass die entsprechende Darlegung Helds „ernste Erwägung verdient“230, wie er an Gasparri schrieb. Was würde nämlich passieren, wenn das Konkordatsprojekt scheitern sollte? Der alte Vertrag könne unmöglich einfach fortgelten.231 Stattdessen wäre der Heilige Stuhl gezwungen, viele der früher dem Staat gewährten Privilegien zu widerrufen, was wahrscheinlich dazu führen würde, dass der Staat das Konkordat als aufgelöst betrachte. Rhetorisch fragte Pacelli den Kardinalstaatssekretär, was das für die Kirche in Bayern bedeute. Natürlich sei der Heilige Stuhl dann in der Lage, seine Freiheit in der Ämterbesetzung einzufordern. Doch könne dieser der Regierung, „aus Höflichkeit“232, trotzdem nicht verweigern, ein politisches Bedenkenrecht innerhalb des Prozesses der Bischofseinsetzung auszuüben. Pacelli erinnerte Gasparri daran, dass zwar das Ziel der WRV eine – wenn auch nicht totale – Trennung von Kirche und Staat gewesen sei, sodass sie einerseits die künftige Kooperation beider Gewalten in der kirchlichen Ämterbesetzung ausschließe und andererseits die finanziellen Verpflichtungen des Staates gegenüber der Kirche bis zur Ablösung aufrecht erhalte. Doch wie die kürzlichen Diskussionen gezeigt hätten, werde diese Auffassung von den bayerischen Ministern nicht geteilt. Diese verlangten stattdessen konkrete Gegenleistungen für die finanziellen Zuwendungen. Natürlich könne sich die Kirche – theoretisierte Pacelli weiter – auf die Verpflichtungen aus der Säkularisation berufen, infolgedessen die aktuelle bayerische Regierung gewiss die Zahlungen an die Kirche fortsetzen würde, selbst wenn die Kirche alle Rechte einfordere. Aber diese Zahlungen wären dann „freie Leistungen und losgelöst von einem rechtlichen Fundament“233, sodass sie von einer künftigen, eventuell der Kirche nicht wohlgesonnenen Regierung, leicht verringert oder gar eingestellt werden könnten. Dadurch aber wäre die Lage der Kirche „äußerst prekär und ungewiss“234.

Mit diesen Überlegungen verfolgte Pacelli offensichtlich den Zweck, dem Kardinalstaatssekretär die Bedeutung und Wichtigkeit ad oculos zu führen, die Verhandlungen erfolgreich abzuschließen. Dieses Ziel baute der Nuntius weiter aus, indem er resümierte, dass der bayerische Konkordatsentwurf insgesamt betrachtet doch gar nicht so schlecht sei. Im Gegenteil sei zu konstatieren, „dass er, da er in vielen Punkten wenigstens substantiell die entsprechenden Artikel der Vorschläge des Heiligen Stuhls unberührt lässt, diesbezüglich für die Kirche so wohlwollende Bestimmungen enthält, welche schwerlich, in den modernen Zeiten, besser konzipiert werden könnten“235. Aus dieser Kombination von strikter Notwendigkeit des Konkordats einerseits und den bereits vorhandenen Errungenschaften – nur eben nicht in der Frage der Besetzung der bischöflichen Stühle – im bayerischen Vertragsentwurf andererseits leitete Pacelli für den Heiligen Stuhl die Möglichkeit ab, dem Staat Konzessionen zu machen und zwar „bis an die äußersten Grenzen, die mit Seiner Würde und mit den Interessen der Kirche vereinbar“236 seien. Nicht unbedingt wegen der finanziellen Leistungen, für die keine Gegenleistungen gefordert werden dürften, aber wegen der parlamentarischen Situation und der öffentlichen Meinung sei es absolut erforderlich, dass die Regierung handfeste Verhandlungserfolge vorweisen könne, die äquivalent seien zu denen, welche der Staat der Kirche in der neuen Vereinbarung zugestehe und zu den staatlichen Privilegien des alten Konkordats, die nunmehr entfielen. Pacelli machte seinem Vorgesetzten hier mehr als deutlich, dass das Konkordat nicht geschlossen werden konnte, wenn es auf Seiten des Staates ein reiner „Verlustvertrag“ war, der lediglich frühere Rechte preisgab.

Ein – wenn nicht gar der – Bereich, in dem Zugeständnisse für Pacelli unumgänglich schienen, war die Frage der Bischofsbestellung:

„… der Punkt, der mir die größte Schwierigkeit darzustellen scheint, ist jener hinsichtlich der Kapitelswahl der Bischöfe. Es ist tatsächlich zu befürchten, dass ein solches Prozedere Hirten hervorbringen würde, die gemäß den heiligen Canones ohne Zweifel für sich würdig und geeignet sind und denen der Heilige Stuhl daher die Bestätigung nicht verweigern könnte, die aber im Allgemeinen nur mittelmäßig sind, während hingegen die meisten derjenigen ausgeschlossen blieben, die ihre philosophischen und theologischen Studien in Rom absolviert haben, besonders am Collegium Germanicum, und die daher, weniger fanatisch hinsichtlich der hier gebräuchlichen [theologischen, R.H.] Methoden (auch ohne ihre Verdienste zu verkennen), besser in der Lage wären, die nötigen Reformen in die Hand zu nehmen. Wenn jedoch – ich muss es glauben, insoweit es mir Herr Held gesagt hat, auch wenn er ein energischer Verteidiger der Kapitelswahl ist – die Regierung in letzter Konsequenz sich auch damit zufrieden geben würde, wenn die Domkapitel eine Liste von mehreren Kandidaten präsentieren könnten, dann wäre es vielleicht angemessen hinzuzufügen – wie schon im Entwurf des Heiligen Stuhls für das alte Konkordat237 –, dass die Kandidaten ‚zum Teil aus dem Schoß des Kapitels, zum Teil aus dem übrigen Säkular- oder Regularklerus‘ entnommen sein müssen, oder eine ähnliche Wendung, damit die Kanoniker nicht fordern, dass der neue Bischof immer aus ihren Reihen gewählt wird.“238

Wenngleich die bischöflichen Kandidatenlisten noch fehlten, wies der Vorschlag bereits in die Richtung, die später im Konkordat fixiert werden sollte: In der so wichtigen Frage der Bistumsbesetzung konnte sich Pacelli sogar – weil ihm weitreichende Zugeständnisse unumgänglich schienen – ein den Papst offensichtlich bindendes Präsentationsrecht der Domkapitel vorstellen.239

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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