Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 34
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Оглавление1. Hinsichtlich Pacellis Bischofsprofil, das in den Konkordatsverhandlungen in abstracto eine gewichtige Rolle spielte, insofern der diskutierte Besetzungsmodus (vgl. Nr.2) letztlich „nur“ Mittel zum Zweck war, einen Diözesanbischof zu installieren, fällt zunächst der Fertigkeitenkatalog ins Auge, den der Nuntius in den Ausführungsdekreten zum konkordatären Listenverfahren festschrieb:
„Die Kandidaten müssen reifen Alters, aber nicht zu weit vorgerückt sein; ausgestattet mit Klugheit im Umgang mit den Umständen, die aus der Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeiten erwiesen worden ist; mit gesündester und nicht gewöhnlicher Lehre ausgerüstet, und diese verbunden mit der geschuldeten Ergebenheit gegenüber dem Heiligen Stuhl; im höchsten Grad aber hervorragend in der Ehrbarkeit des Lebens und der Frömmigkeit. Zu achten ist überdies auf die Geschicklichkeit der Kandidaten in der Verwaltung der weltlichen Güter, auf ihre familiären Verhältnisse, auf Charakter und Gesundheit. Mit einem Wort, es ist zu sehen, ob sie in allen diesen Qualitäten erblühen, die für einen sehr guten Hirten erforderlich sind, um imstande zu sein, fruchtbar und erbaulich das Volk Gottes zu leiten.“
So umfassend diese Aufzählung von Anforderungen ist, denen gemäß ein Bischof praktisch eine universale Begabung sowohl in geistlichen als auch in weltlichen Dingen besitzen musste, so aufschlussreich ist sie auch. Sie zeigt eine klare Priorisierung des ersten Teils: Die Anwärter von mittlerem Alter müssen sich in ihren bisherigen – logischerweise vor allem geistlichen – Aufgaben bewährt und eine „gesunde“ Theologie gelernt haben, dem Heiligen Stuhl ergeben sowie von integrem und frommem Lebenswandel sein. Dieser genuin kirchlich-geistlichen Ebene gegenüber werden Aspekte wie Administration, Familie, Charakter und Gesundheit nachgeordnet („überdies ist zu achten auf …“). Dieses Gefälle findet ihre Entsprechung in der finalen Zuspitzung: Der Bischof soll ein Hirte sein, der in der Lage ist, das Gottesvolk mit geistlichem Gewinn zu lenken, das heißt, das Bischofsbild bekommt hier eine dezidiert seelsorglich-pastorale Grundsignatur.
Dieses Ergebnis lässt sich anhand der vom Nuntius im Verlauf der Konkordatsverhandlungen getätigten Aussagen präzisieren. Hinsichtlich der Tauglichkeit eines Kandidaten nahm Pacelli eine fundamentale Klassifizierung vor: Er unterschied zwischen würdigen und sehr würdigen Bischöfen. Zur ersten Klasse zählte er jene Geistliche, die den allgemeinen Anforderungen des Kirchenrechts und der kirchlichen Lehrüberlieferung entsprachen. Diese erfüllten also die Grundvoraussetzungen und konnten daher auch vom Heiligen Stuhl nicht abgelehnt werden, wenn sie ihm zur Bestätigung vorgelegt wurden. Die sehr würdigen Kandidaten hingegen setzten sich in einem entscheidenden Punkt von dieser Gruppe ab. Im Hintergrund stand die Frage nach der „gesunden“ Theologie: Pacelli monierte, dass an den deutschen Universitäten und Lyzeen zu viel Gewicht auf historische und positive Methoden und Inhalte gelegt wurde anstatt wie an römischen Lehranstalten, insbesondere an der von Jesuiten geführten päpstlichen Gregoriana, auf spekulative Systematik und Scholastik. Dieser defizitäre Zustand der deutschen Theologie musste seiner Ansicht nach im Sinne der korrekten römischen reformiert werden, wie es der Geheimerlass der Studienkongregation vom 9. Oktober 1921 dem deutschen Episkopat aufgetragen hatte. Nüchtern konstatierte Pacelli jedoch diesbezüglich, dass „alle Instruktionen des Heiligen Stuhls … mehr oder weniger toter Buchstabe“ blieben, „wenn es keine Bischöfe gibt, die vollkommen ihre Notwendigkeit und Bedeutung erfasst haben und daher mit aller Energie ihre treue und vollständige Umsetzung fördern“. Die Studienreform tatkräftig umzusetzen, war also Pacellis Meinung nach die vorrangige Aufgabe des Oberhirten und sehr würdige hatten dies erkannt und handelten danach. Damit war schlussendlich das Ziel des Ganzen eine Aufwertung der Priesterausbildung im Sinne der römischen Theologie und Aszese. Hier lag das zentrale Proprium von Pacellis idealem Bischofsbild, was mit der oben skizzierten pastoralen Ausrichtung insofern korreliert, als die „korrekt“ ausgebildeten Priester folgerichtig auch eine „korrekte“ Seelsorge betreiben würden.
Nun blieben aber nach Pacellis Auffassung die meisten bloß würdigen Bischöfe bei der Umsetzung der Studienreform lediglich „mittelmäßig“, weil und insofern sie nämlich selbst die unzureichende deutsche Theologie studiert hatten. Dagegen ging er davon aus, dass ein Ex-Alumne des Germanicums, der die römisch-scholastische Ausbildung genossen hatte, prinzipiell einen besseren Sinn für die Notwendigkeit der Reform besaß und von der bischöflichen Cathedra aus alles daransetzen würde, sie durchzuführen. Deshalb waren für Pacelli die in Rom geformten Geistlichen im Allgemeinen die tauglicheren Bischofsaspiranten.377
2. Pacellis Bischofsideal brachte logischerweise maßgebliche Konsequenzen für den von ihm präferierten Besetzungsmodus mit sich: Natürlich ist es als solches nicht überraschend, dass der Nuntius für die freie päpstliche Nomination gemäß Can. 329 § 2 CIC als Idealform eintrat, zumal für deren möglichst getreue Umsetzung die Situation im katholischen Bayern angesichts der neuen kirchlichen Freiheiten der WRV so günstig wie selten schien. Doch seine Begründung verdient Beachtung: Die freie Besetzung der Bischofsstühle durch den Papst ermögliche, die sehr würdigen Geistlichen an die Spitze der Diözesen zu bringen, während bei einer Wahl durch die örtlichen Domkapitel zwar gewiss die würdigen Kleriker zum Zuge kämen, aber eben „bloß“ diese. Unrechtmäßige Einflussnahmen, Parteiungen, Neid, Eifersucht und Gegensätze unter den Domherren, kurzum niedere Beweggründe, würden die Wahl der tauglichsten Personen allzu oft verhindern. Insbesondere die „römischen“ Kandidaten blieben außen vor. Diese negativen Elemente seien hingegen bei einer römischen Ernennung nicht vorhanden, im Gegenteil lege der Heilige Stuhl „auf die Wahl der Bischöfe die peinlichste Sorge und Unvoreingenommenheit“ – wie Pacelli den staatlichen Verhandlungsführern versprach –, das heißt er bestelle die Bischöfe einzig aus den sachgemäßen Prinzipien. Auch die Katholiken nähmen keinen Anstoß an einem von Rom ernannten episcopus, denn ihnen sei einzig wichtig, dass es „ein würdiger und heiliger Hirte“ sei.
Pacellis persönliche Erfahrungen flossen in sein hartes Urteil über die Domkapitel ein, da er das Beschriebene in Mainz 1920/21 und Trier 1921/22 selbst erlebt hatte. Von daher überrascht es nicht, dass ihm ein Auditionsrecht des Episkopats willkommener war als eine Beteiligung der Domherren am Besetzungsverfahren, die er so lange wie nur möglich verhindern wollte; oder dass er ihre Bittschriften nicht beantwortete und sie mit einem Ersatz für die Bischofswahl, nämlich einer Mitsprache bei der Besetzung der Domherrenstellen, beschwichtigen wollte; oder dass er schließlich die unerwartet fehlende Bindung des Heiligen Stuhls an die Vorschlagslisten der Domkapitel im staatlichen Konkordatsentwurf vom November 1923 klar heraushob.378
Auf der anderen Seite war es aber dann doch wieder Pacelli, der sich im Verlauf der Konkordatsverhandlungen mehrfach beim Kardinalstaatssekretär für eine Partizipation der Domkapitel an der Besetzung der Bischofsstühle einsetzte (vgl. Nr. 5) – wenn auch nur als Notlösung. Diese Beteiligung der Domkapitel konnte für ihn aber lediglich in einem Vorschlagsrecht bestehen, das er mit seiner skizzierten Maxime noch für vereinbar hielt. In einer ersten Überlegung (April 1922) dachte er – vermutlich in Anlehnung an die nordamerikanische Praxis379 – an eine wenigstens drei Kandidaten umfassende Sedisvakanzliste des jeweiligen Kapitels, die vom Metropoliten und den übrigen Provinzbischöfen überarbeitet, nach Rom geschickt und dort als eine nicht verbindliche Grundlage für die Ernennung des Bischofs dienen sollte. War hier die Freiheit der päpstlichen Nomination noch in hohem Maße garantiert, so zeichnet ein späterer Vorschlag (Februar 1923) ein völlig anderes Bild: Dieses Mal schwebte ihm erneut eine Sedisvakanzliste des betroffenen Domkapitels vor, die jedoch nun für den Papst verpflichtend war. Dieser Syllabus sollte jeweils zur Hälfte aus Kapitularen und Säkular- beziehungsweise Regularklerikern bestehen, wie es ähnlich in einem Entwurf des bayerischen Konkordats von 1816 gedacht gewesen war. Zwar diente diese Struktur der Liste als Maßnahme gegen die Domherren, damit diese nämlich nicht verlangten, „dass der neue Bischof immer aus ihren Reihen gewählt wird“. Dennoch konzedierte der Modus insgesamt den Kanonikern einen größeren Einfluss auf die Bischofsfindung, als zum Beispiel die schlussendlich im Konkordat verabschiedete Variante, die dem Papst mit den Triennallisten eine sehr viel größere Kandidatenauswahl ließ.
Mit anderen Worten: Pacelli war – zumindest in der Dynamik der Verhandlungen – bereit, die Freiheit des Heiligen Stuhls weiter einzuschränken, als sie letztlich im verabschiedeten Konkordatsmodus eingeschränkt wurde. Das zeigt, wie weit er in der Lage war, von seinem Ideal in der Wirklichkeit abzurücken und das faktisch Durchsetzbare hinzunehmen, wozu ein freier Umgang Roms mit den Vorschlagslisten augenscheinlich nicht gehörte. Die Nachgiebigkeit war für ihn deshalb möglich und geboten, weil ihm der Konkordatsabschluss als solcher wichtiger war, als die getreue Umsetzung des Can. 329 § 2 CIC. Er hatte nicht etwa vorgefertigte „Besetzungsmodelle“ parat, auf die er während der Verhandlungen bei passender Gelegenheit zurückgegriffen hätte, sondern oberhalb einer Untergrenze (kein Kapitelswahlrecht) verhandelte er völlig ergebnisoffen. Dabei waren alle Zugeständnisse zugunsten der unliebsamen Domkapitel nicht als Gunsterweise für sie, sondern ausschließlich als Konzessionen an die bayerische Regierung verstanden und der Sorge um einen glücklichen Konkordatsabschluss geschuldet – und das obgleich er die Methode zur Besetzung der Bischofsstühle als innerkirchlichen Akt verstand, der den Staat eigentlich nichts anging. Damit ist bereits der nächste Punkte angerissen.
3. Die erste zentrale Frage zum Thema „Staat“, die den Modus der Bischofseinsetzungen bestimmen musste, war die nach der Fortgeltung des alten Konkordats nach dem Untergang der Monarchie und der neuen Verfassung von Weimar. Anders als in der Forschung vielfach zu lesen, war Pacelli nicht der Ansicht, dass der alte Staatskirchenvertrag seine Geltung verloren hatte, vielmehr ging er davon aus, dass das Konkordat – gemäß der Vertragstheorie, die er als Anhänger der am römischen Apollinare gelehrten Rechtstradition und in Übereinstimmung auch mit Hollweck vertrat – in seiner Gesamtheit noch in Kraft war und nur einzelne Bestimmungen ihre Geltung verloren hatten.380 Zu diesen gehörte seiner Ansicht nach zunächst und vor allem das königliche Recht zur Nomination der Diözesanbischöfe, das als streng auszulegendes persönliches Privileg der bayerischen Krone zu interpretieren und folgerichtig zusammen mit dem Untergang des Privilegienempfängers gefallen war. Das Recht konnte also nicht einfach auf die neue, demokratische Regierung Bayerns übergehen, wofür es seiner Überzeugung nach einer neuen päpstlichen Konzession bedurfte. Eine solche lehnte Pacelli jedoch strikt ab, da er die staatliche Besetzung kirchlicher Ämter als einen herben Einschnitt in die libertas ecclesiae und damit als „größtmögliches Übel“ betrachtete. Erschwerend kam hinzu, dass eine demokratisch gewählte Regierung der Kirche niemals die gleichen Sicherheiten bieten könne, wie ein katholisches Königtum. Denn falls akatholische oder sogar antikatholische Kräfte legitim an die Macht kommen sollten, erhielten diese fundamentalen Einfluss auf das innerkirchliche Leben, was für Pacelli nur als katastrophal eingestuft werden konnte. Im Auge hatte er vor allem sozialistisch-bolschewistische Strömungen, was abgesehen vom grundsätzlichen katholischen Antikommunismus gerade vor seinen hautnahen Erlebnissen in und nach den Revolutionswirren in München sowie der „legitimen“, knapp einjährigen Regierungszeit des „feindlichen und antiklerikalen“ Mehrheitssozialisten Hoffmann Kontur gewinnt. Von daher war der Nuntius also prinzipiell der Ansicht, dass die Kirche in der Besetzung der bayerischen Bischofsstühle nach den politischen Umwälzungen völlig frei war. Ein zentrales Argument für diese Sicht fand Pacelli zusätzlich in Artikel 137, Absatz 3 der WRV, aufgrund dessen er ursprünglich sogar davon ausging, dass das staatliche Präsentationsrecht der Benefizien sich von selbst erledigen würde.
Dies bildete seine theoretische Grundlage. Die praktische Auseinandersetzung mit der bayerischen Staatsregierung verlangte aber etwas völlig anderes. Sich schlicht auf die neue Verfassung zu berufen und eine freie Besetzung der Kirchenämter vorzunehmen, schien Pacelli zu „heikel“. Er ahnte, dass dies von staatlicher Seite als Konkordatsbruch ausgelegt würde, mit allen Konsequenzen, die dies für die Kirche besonders in finanzieller Hinsicht nach sich ziehen konnte. Erst recht unmöglich erschien ein solches Vorgehen, als im Herbst 1919 klar wurde, dass Hoffmann das bayerische Konkordat in vollem Umfang für noch gültig erachtete und zusammen mit den übrigen deutschen Kultusministern beschloss, dass die kirchliche Ämterbesetzungsautonomie der WRV nur eine Richtlinie sei, die erst noch in die jeweilige Landesgesetzgebung umgesetzt werden müsse, um rechtlich wirksam zu werden. Es prallten also zwei grundsätzlich gegensätzliche Auffassungen aufeinander und Pacelli erachtete den Versuch für aussichtslos, in theoreticis eine Einigung mit dem staatlichen Verhandlungspartner zu erzielen – ihm war klar, dass die eigene Position nicht akzeptiert werden würde. Letztlich hielt er es sogar für gefährlich, wenn der Heilige Stuhl seine eigene Sicht auf die Rechtslage nach außen trug, was in dem Augenblick virulent wurde, als Hoffmann ihn vor die Frage stellte, ob Rom das Konkordat von 1817 für gültig oder ungültig erachtete.
Pacellis Dilemma war offensichtlich: Einerseits wollte er den Vertrag nicht für gefallen erklären – was vor allem Konsultor Ojetti verlangte (vgl. Nr. 5) –, etwa um dadurch den Weg für eine freie kirchliche Ämterbesetzung zu ebnen, denn eine solche Erklärung hätte „den schwersten Schaden“ für die bayerische Kirche zur Folge, weil nämlich a) das alte Konkordat im Gegenteil die „festeste und sicherste Basis“ sei, um der Kirche so viel wie möglich von den alten Rechten zu erhalten, wie die Staatleistungen, das Recht auf theologische Fakultäten und Seminare etc.; weil b) man mit der WRV ohnehin ein starkes Argument besitze, um auf dem Verhandlungsweg die freie kirchliche Ämterbesetzung durchzusetzen und weil c) eine solche Erklärung als „feindliches Verhalten“ gegenüber Demokratie und Regierung interpretiert würde. Andererseits konnte und durfte er die Fortgeltung des Konkordats auch nicht bejahen, da er damit faktisch die anachronistischen Einflussrechte des Staates sanktioniert und die Möglichkeit verspielt hätte, eine neue Vereinbarung zu erzielen.
Pacellis Ausweg aus dieser aporetischen Situation spiegelt eindrücklich seine diplomatische Raffinesse: Er beantwortete die Frage des Kultusministers nämlich nicht, ließ die Fortgeltungsfrage absichtlich offen und betonte stattdessen die dringende Notwendigkeit, einen neuen Staatskirchenvertrag abzuschließen. Diese Verhandlungsofferte kleidete er in folgenden Dreischritt: 1) Zunächst wies er dem Staat eine Schuldnerrolle zu, indem er klarstellte, dass dieser in der WRV (sowie der bayerischen Verfassung) einseitig das Kirche-Staat-Verhältnis geändert und dabei das Konkordat von 1817 mehrfach verletzt habe – vor allem dadurch, dass die katholische Kirche ihren bevorzugten Status verloren habe. Obwohl er also die neuen verfassungsmäßig verbürgten kirchlichen Freiheiten als Kernargument ausnutzen wollte – nicht zufällig formulierte er das freie Besetzungsrecht in seinen Punktationen in enger Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 137 der WRV –, zeichnete er die Kirche als durch die neuen Verfassungen dezidiert Geschädigte. 2) Als nächstes meldete er gegen dieses unrechtmäßige Vorgehen des Staates Vorbehalt an und leitete aus der benachteiligten Position der Kirche das grundsätzliche Recht ab, in ihren ureigensten Angelegenheiten – wie der Ämterbesetzung – umso größere Freiheiten fordern zu können. 3) Schließlich stellte er den Heiligen Stuhl als großzügig dar, indem dieser trotz seiner Benachteiligung bereit sei, „den ganzen Inhalt“ der Staat und Kirche betreffenden Materie „von Neuem zu regeln“. Diese sorgfältig gewählte Formel verhinderte jede Interpretation, dass man römischerseits das alte Konkordat für aufgehoben betrachtete. Kurzum: Pacelli schaffte es auf diese Weise, neue Freiheiten für die Kirche reklamieren zu können, ohne dabei den bayerischen Staat aus seinen alten Verpflichtungen zu entlassen.
Damit hatte er für die anstehenden Verhandlungen, deren Monopol er für sich als dem Vertreter des Heiligen Stuhls reklamierte, die bestmögliche Ausgangslage geschaffen und verlangte prompt das „billige und vernünftige“ Recht, die Bischofsstühle völlig unabhängig vom Staat besetzen zu können. Allerdings war Pacelli Realist genug, um von vornherein zu wissen, dass diese Idealform nicht zu erreichen war. Die theoretische Grundsatzdiskussion darüber, ob der Staat auf die Besetzung der Bischofsstühle Einfluss geltend machen konnte, lief wie folgt: Die Regierung argumentierte, dass die königlichen Rechte hinsichtlich der Bischofseinsetzung eine kirchliche Gegenleistung für die Staatsleistungen gewesen seien – ein Zusammenhang, auf dessen Basis man jetzt ein allgemeines Bedenkenrecht der Regierung und ein Bischofswahlrecht für die Domkapitel fordern könne. Außerdem glaubte sie, dass die Bischofswahl vor dem bayerischen Konkordat von 1817 gemeine Praxis gewesen sei, auf die man jetzt zurückkommen müsse. Pacelli hingegen war der Meinung, dass die alten Rechte der Krone ihren Grund in der Derogation der Gesetze des Staatskirchentums gehabt hätten und nicht in den finanziellen Leistungen, die vielmehr als eine partielle Restitution der in der Säkularisation eingezogenen Kirchengüter verstanden werden müssten. Außerdem sei die Bischofswahl im beginnenden 19. Jahrhundert keineswegs ius commune gewesen, sondern nur ein Partikularrecht. Zudem habe die Kurie dem bayerischen Staat seinerzeit das Bischofswahlrecht angeboten, das dieser jedoch zugunsten der nominatio regis abgelehnt habe, insbesondere um dem Heiligen Stuhl so wenig Einfluss wie möglich zu geben. Insofern habe Bayern das „Anrecht“ auf eine Domkapitelswahl der Bischöfe verwirkt, nachdem jetzt auch nach Ansicht vieler Staatsvertreter das genuin königliche Privileg durch die politischen Umwälzungen gefallen sei. Diese Grundsatzdebatte erbrachte allerdings erneut keinen Konsens, was Pacelli frustriert auf die „alten liberalen und josephinistischen Ideen“ des Staatskirchentums zurückführte, die sich tief in die Staatsgewalt eingebrannt hätten.
Deshalb hielt er es auch hier für sinnvoller, den Grunddissens beiseite zu lassen und lieber konkret Artikel für Artikel durchzusprechen. Auf diese Weise kristallisierten sich im Lauf des Verhandlungsgangs zwei neue, wesentliche Argumente der bayerischen Verhandlungsführer für das Bischofswahlrecht heraus: Zum einen müsse man dem Landtag eine Kompensation für den Wegfall des königlichen Nominationsrechts bieten, zum anderen sei es für das katholische Bayern unerträglich, wenn es ihm verwehrt und dem protestantischen Preußen gewährt würde. Dem ersten Punkt nahm Pacelli die Schlagkraft, indem er geschickt über eine doppelte Vermittlung (vgl. Nr. 4) die Auffassung der BMP zum Bischofswahlrecht ergründete und dabei erfuhr, dass ihre parlamentarische Zustimmung zum Staatskirchenvertrag nicht davon abhing. Diese Erkenntnis brachte ihm die Sicherheit, mit einer Erweiterung des Listenverfahrens – die Sedisvakanzliste kam auf diese Weise zustande – den staatlichen Forderungen Genüge zu tun, ohne eine Ablehnung des Konkordats im Landtag fürchten zu müssen. Was den zweiten Punkt anbelangte, so brachte Pacelli zwar Verständnis dafür auf, dass Bayern nicht hinter Preußen zurückgestellt werden wollte. Dennoch hielt er diese Klage für unberechtigt, was er mit der Grundsignatur des Handelns des Heiligen Stuhls – das heißt seines Handelns – in der Interimszeit zwischen Revolution und den neu abzuschließenden Staatskirchenverträgen begründete: nämlich die Besetzung der Kirchenämter provisorisch nach dem bisherigen Modus vorzunehmen (und zwar um die Fortgeltung der alten Verträge nicht durch eine veränderte Praxis in Zweifel zu ziehen): Daraus folgte für ihn eindeutig, dass Preußen die Bischofswahl erlaubt, Bayern jedoch verweigert war.381 Wie diese strittige Frage schließlich gelöst wurde, erweist sich aus der Retrospektive als gravierend: Um die „Meistbegünstigungsklausel“ zu vermeiden und die Zustimmung der Regierung zu Artikel 14 § 1 zu erreichen, versprach Pacelli, dass der Heilige Stuhl in künftigen Verträgen keinem deutschen Teilstaat „das Privileg der Bischofswahl durch die Kapitel in irgendeiner Form zugestehen werde“. Diese Zusicherung, die wichtigen Anteil daran hatte, dass die Regierung den Artikel schlussendlich akzeptierte, wurde von römischer Seite faktisch in allen folgenden Konkordaten – mit Preußen, Baden und damit auch mit dem Reich – gebrochen.382 Entscheidend für die Rolle Pacellis ist hierbei jedoch, dass er dieses Versprechen für falsch hielt und es nur auf mehrfache Anweisung des Kardinalstaatssekretärs hin leistete (vgl. Nr. 5).
Wichtig ist die Frage, warum der Nuntius überhaupt bereit war, auf den Staat zuzugehen, obwohl er diesem jegliche Rechte auf dem Feld der Bischofseinsetzungen theoretisch absprach. Die Antwort lautet: weil er Gegenleistungen verlangen konnte – schließlich wäre es „absurd“, in dieser wichtigen Materie Konzessionen ohne „angemessenen Nutzen“ einzuräumen. Der angemessene Nutzen bestand letztlich in dem Abschluss eines Konkordats, das „in vielen Punkten wenigstens substantiell … die Vorschläge des Heiligen Stuhls unberührt lässt“ und „für die Kirche so wohlwollende Bestimmungen enthält, welche schwerlich, in den modernen Zeiten, besser konzipiert werden könnten“. Dieser Einschätzung Pacellis kommt eine Schlüsselrolle zu: Ein so gutes Konkordat, das zum Beispiel hinsichtlich des Schulartikels – wie das Kultusministerium selbst genau zur Kenntnis nahm – oder der finanziellen Leistungen praktisch alles erreichte, was er verlangt hatte, durfte nicht dadurch gefährdet werden, dass man hinsichtlich der Bischofseinsetzungen auf dem eigenen Standpunkt unverrückbar verharrte. Für die Regierung war dieses Thema zentral und der Vertrag daher ohne Zugehen des Heiligen Stuhls in diesem Punkt in ernster Gefahr. Dieses Risiko einzugehen, hielt der Nuntius für nicht wert: Ohne Konkordat könne der Heilige Stuhl zwar die völlige Freiheit der Ämterbesetzung einfordern, doch müsse man der Regierung trotzdem ein politisches Bedenkenrecht einräumen, um ein spannungsfreies Miteinander von Kirche und Staat sicherzustellen. Die finanziellen Leistungen könne man zwar ohne Konkordat mit Rekurs auf die Verpflichtungen aus der Säkularisation begründen, doch seien die Zahlungen dann ohne rechtliches Fundament, also dem Gutdünken des Staates und womöglich kirchenfeindlichen Regierungen anheim gestellt. Demnach war die rechtliche Fixierung der weitreichenden und für das kirchliche Leben zentralen Aspekte im Konkordat, wie vor allem die Gewähr der kirchlich-katholischen Sozialisation und Ausbildung der Kinder im Religionsunterricht und die Sicherung der Staatsleistungen für Pacelli wichtiger als die reine Umsetzung des Can. 329 § 2 CIC 1917 (vgl. Nr. 2). Er tat alles dafür, dass die Verhandlungen erfolgreich verliefen und war bereit, „bis an die äußersten Grenzen“ zu gehen, die mit der „Würde“ des Heiligen Stuhls und „den Interessen der Kirche vereinbar“ schienen. Wenn Pacelli der Regierung gegenüber mitunter auch einen Abbruch der Verhandlungen androhte, um massiven Druck auszuüben, so zeigen seine Nuntiaturberichte doch eindrücklich, dass ein solcher für ihn überhaupt nicht infrage kam.
Was waren für Pacelli „die äußersten Grenzen“ im Bereich des Besetzungsmodus? Das erste Zugeständnis, zu dem Pacelli – eher als der bayerische Episkopat – bereit war, bestand in dem politischen Bedenkenrecht, für das es in der gerade angebrochenen „Konkordatsära“383 bereits Präzedenzfälle gab und das daher nach Ansicht des Nuntius dem bayerischen Staat nicht verweigert werden konnte. Nach dem eben Gesagten ist es eigentlich gar nicht als „Zugeständnis“ zu deklarieren, insofern es Pacelli der Regierung sogar ohne Konkordat zugestanden hätte. Für dasselbe in Verhandlungen Gegenleistungen zu verlangen, war also Taktik. Gegen die Forderung der Regierung nach einem allgemeinen Bedenkenrecht setzte er das enger gefasste politische Bedenkenrecht durch. Auf die grundsätzliche Klärung und inhaltliche Umschreibung des Bedenkenrechts, die innerhalb der AES anlässlich der bayerischen Konkordatsverhandlungen erfolgte, hatte Pacelli – nach Lage der Quellen – keinerlei Einfluss. Näher an die „äußerste Grenze“ rückten schließlich die Konzessionen, zu denen Pacelli hinsichtlich der Methode der Bischofsbestellung und das hieß zugunsten der Domkapitel bereit war. Dass diese in Form von Vorschlagsrechten durchaus weiter gingen, als der verabschiedete Konkordatsmodus vermuten lässt, wurde schon erwähnt (vgl. Nr. 2) und lässt sich vor dem hier gezeichneten Hintergrund richtig einordnen. Das Bischofswahlrecht der Domkapitel schließlich, auf das die Regierung lange drang, lehnte er strikt ab – dieses ging über die „äußerste Grenze“ hinaus, die ihm sein Bischofsideal diktierte.
4. Zentraler Ansprechpartner und Unterstützer Pacellis bei den Konkordatsverhandlungen war Erzbischof Faulhaber und über dessen Vermittlung in zweiter Linie auch der übrige bayerische Episkopat, der auf den alljährlichen Freisinger Konferenzen und auch zwischendurch über die aktuellen Konkordatsentwürfe beriet. Nur Hauck und Mergel wandten sich in der Bischofsfrage auf direktem Weg an Pacelli, der wiederum außer Faulhaber niemanden isoliert um Rat oder Informationen anging. Den Münchener Erzbischof informierte der Nuntius regelmäßig über Fort- und Rückschritte der Verhandlungen, fragte ihn nach seiner Einschätzung der WRV oder legte ihm seine Punktation I vor, die er wiederum auf Basis der von Faulhaber eingeholten Anmerkungen der Bischöfe überarbeitete. Was den Besetzungsmodus der Bischofsstühle anbelangt, ging der Episkopat – anders als etwa in Preußen – mit Pacelli in allen wesentlichen Aspekten konform, insbesondere in der Ausschaltung der staatlichen Einmischung und der Ablehnung des Kapitelswahlrechts. Wenn es auch unterschiedliche Auffassungen darüber gab, ob den Domherren nicht zumindest ein Vorschlagsrecht eingeräumt werden sollte – Bischof Mergel war beispielsweise von Anfang an dafür –, teilten sie doch Pacellis Ärger über die Vorstöße der Domkapitel, in denen Faulhaber nicht weniger als Verrat erblickte. Die Domherren ignorierte der Nuntius völlig, mit Ausnahme von Kiefl und Scheglmann, insofern sie nämlich seine Position teilten und daher seinen Dank verdienten.
Als zweite Gruppe, zu der Pacelli in Verbindung stand, sind die Kanonisten Hollweck und Scharnagl zu nennen.384 Den Erstgenannten, den er schon früher bei den Kodifizierungsarbeiten des Kirchenrechts persönlich kennengelernt hatte, bat der Nuntius zwar nicht selbst um das Gutachten zur Fortgeltung des Konkordats, aber dennoch stimmte er dessen Urteil fast vollständig zu. Der Zweitgenannte war Landtagsabgeordneter und Teil des Beratungsgremiums im Münchener Ordinariat. Scharnagl vertrat in seiner Stellungnahme vom Januar 1923 die kuriale Position zum Bischofswahlrecht, hielt allerdings ein Vorschlagsrecht der Domkapitel für möglich. Insofern ist es nachvollziehbar, warum Pacelli im August des Jahres bei ihm Rat einholte, wie der Besetzungsmodus modifiziert werden könnte, um die Regierung zufrieden zu stellen. Scharnagls „römische Ausrichtung“ trotz Parteibindung war vermutlich Grund für Pacelli, ihm zu vertrauen und ihn gegenüber Gasparri als „Geistlichen von bester Gesinnung“385 zu qualifizieren.386 Dessen Vorschlag, anstatt Triennal- besser Sedisvakanzlisten zu erlauben, griff Pacelli auf und gab ihn an die Kurie weiter, wo er in Form der zusätzlichen „Spezialliste“ des betroffenen Domkapitels prompt in den neuen Entwurf implementiert wurde. Auf diese Weise hatte Scharnagl gewichtigen Anteil am endgültigen Konkordatsmodus, auch wenn diese Listenform bereits früher von Pacelli angedacht war.
Die Konkordatsverhandlungen brachten für Pacelli notwendigerweise ein permanentes Auftreten auf politischem Parkett mit sich, bei dem er sich die Unterstützung von Seiten der katholischen Abgeordneten der BVP erhoffte: sei es als Vermittler – wie im Frühjahr 1919 der Vorsitzende Friedrich Speck –, sei es ab 1920 als eigentliche Verhandlungspartner. Dabei wünschte der Nuntius, dass die Katholizität ihre Sicht auf die kirchliche Freiheit der Ämterbesetzung bestimmte, fand jedoch in dieser Hinsicht Grund zur Klage, als er feststellte, dass seine Verhandlungspartner den Idealen des Staatskirchentums verpflichtet seien (vgl. Nr. 3).387
Besondere Erwähnung verdient noch Pacellis erfolgreicher Versuch, über die aristokratische Linie Preysing-Soden informell an Justizminister Gürtner heranzutreten, um Informationen über die Haltung der BMP zum Kapitelswahlrecht zu erhalten. Die enge Verbindung zwischen Pacelli und dem Münchener Stadtpfarrer bestand schon seit Anfang der 1920er Jahre. Preysing war ihm ein steter Begleiter, beispielsweise auf seinen ständigen Dienstreisen in die Reichshauptstadt.388 Der Graf war dem Nuntius so vertraut, dass er dem ihm befreundeten, streng kirchlich gesinnten Juristen Carl-Oskar von Soden nicht verriet, im Auftrag Pacellis zu handeln.389 Diese Episode ist durch Pacellis Nuntiaturberichterstattung bezeugt. Nur erahnen lässt sich, wie intensiv die vor allem mündlichen Absprachen mit den „Münchenern“ Preysing oder Faulhaber waren, von denen kein schriftliches Zeugnis überliefert wurde.
5. Dass die Person und das Verhandlungsgeschick Pacellis zu großen Teilen für den erfolgreichen Abschluss eines Konkordats verantwortlich waren, das der Kirche beziehungsweise dem Heiligen Stuhl so viele Vorteile brachte, um als Musterkonkordat gelten zu können, ist kein Geheimnis.390 Die Nuntiaturkorrespondenz ermöglicht, seine Rolle kurienintern genauer zu fassen. Dabei ergibt sich das Bild eines Nuntius, der keineswegs nur Exekutor römischer Instruktionen war, sondern vielmehr klare eigene Positionen besaß und diese auch vertrat.
Augenfällig wurde dies direkt zu Verhandlungsbeginn angesichts der Grundfrage nach der bleibenden Gültigkeit des alten Konkordats. Nachdem Pacelli diesbezüglich seine Auffassung vorgetragen hatte, schickte ihm Gasparri kommentarlos und ohne Nennung des Verfassers Ojetti ein Gutachten, das nicht nur die gegenteilige Ansicht vertrat, sondern dem Nuntius außerdem vorwarf, dass er die theoretisch-korrekte kanonistische Sicht zugunsten opportunistischer Vorteile – etwa um sich nicht „den Groll einer gewiss nicht gottesfürchtigen Regierung“ zuzuziehen – opfere. Damit ignorierte der Jesuit nicht nur die konkrete Verhandlungssituation, in der sich der Nuntius befand, sondern erfasste letztlich auch gar nicht die Problematik, die seine Position – das alte Konkordat sei gefallen – für die deutsche beziehungsweise bayerische Kirche mit sich bringen konnte (vgl. Nr. 3).391 Ebenso bleibt es fraglich, was Gasparri eigentlich bezweckte, als er Pacelli dieses Votum zukommen ließ. Jedenfalls brachte er ihn in eine schwierige Situation, etwas ohne nähere Erläuterung vertreten zu müssen, was dieser für falsch erachtete. Die Art, wie sich der Nuntius daraus befreite, demonstriert, was er von Gasparris Weisung hielt und wie viel Selbstbewusstsein er besaß: Er vertrat vor dem staatlichen Verhandlungspartner seine Ansicht von der Fortgeltung des Konkordats! Zwar deklarierte er diese zunächst nur als seine Privatmeinung, doch Ende Dezember 1919 formulierte er sie als offizielle Stellungnahme des Heiligen Stuhls und zwar ohne, dass Gasparri diese zuvor ausdrücklich abgesegnet hätte. Vor dem Kardinalstaatssekretär rechtfertigte sich Pacelli, warum er nicht die Position Ojettis vom Fall des alten Konkordats eingenommen hatte, zum einen mit einer Erklärung der daraus sich ergebenden Konsequenzen und zum anderen mit der kasuistischen Bemerkung, dass „Eure Eminenz, als Sie mir … die Kopie des Gutachtens … übersandten, nicht auftrugen, dessen Schlussfolgerungen zu übernehmen“. Er hatte also ein Schlupfloch gefunden, Gasparris Weisung auszuhebeln, weil dieser keine präzisen Anordnungen formuliert hatte. Mit einem Nuntius, der die rechtliche Situation nicht so klar erfasst oder aber nicht einen solchen Schritt gegenüber seinem Vorgesetzten gewagt hätte, wäre die Ausgangslage der Konkordatsverhandlungen für den Heiligen Stuhl grundlegend anders gewesen. „Die“ nach außen hin vertretene Position des Heiligen Stuhls war also in dieser zentralen Frage nichts anderes als die Position Pacellis, die dieser gegen Rom behauptete. Trotz der unklaren Rolle Gasparris, der hier nicht den Eindruck machte, als hätte er die politische Tragweite der Fortgeltungsfrage tatsächlich erfasst, ist aber nicht zu übersehen, dass er Pacelli gewähren ließ und dieses Thema nicht mehr ansprach. Vielmehr war er mit den von Pacelli im Anschluss ausgearbeiteten Punktationen und insbesondere mit dem darin postulierten freien kirchlichen Recht auf Ernennung der Bischöfe zufrieden.
Diese Maximalforderung zu Beginn bereitete dem Nuntius jedoch im Fortgang der Verhandlungen große Schwierigkeiten, denn von nun an musste er den Kardinalstaatssekretär und die übrigen Kardinäle der AES mühsam davon überzeugen, dass Abstriche von dieser unbedingten Freiheit für den erfolgreichen Konkordatsabschluss notwendig waren. Sie billigten zwar umgehend die politische Klausel, als Pacelli diese empfahl, aber das vom Nuntius ebenfalls angeratene Listenverfahren lehnten sie strikt ab (Mai 1922). Auf den dezenten Hinweis Pacellis, dass eine Zugehen auf die Regierung auch hinsichtlich der Besetzungsmethode nötig sein und vielleicht zumindest ein Auditionsrecht der Bischöfe etabliert werden könnte, reagierten die Kardinäle – vor allem De Lai – erneut ablehnend (August 1922). Darin halfen sie Pacelli bei den Verhandlungen nicht und wälzten mit dem Hinweis, die „Klugheit“ des Nuntius werde die Problematik schon lösen, die Verantwortung auf ihn ab.
Dieses Grundmuster blieb in der Folgezeit bestehen: Der Nuntius bat um Zugeständnisse, damit das Konkordat keinen „Schiffbruch“ erlitt (Oktober 1922), untermauerte seine Bitte sogar mit der Einschätzung der beiden bayerischen Erzbischöfe Hauck und Faulhaber, um gleichsam zu zeigen, dass nicht etwa sein fehlendes Verhandlungsgeschick, sondern die realpolitischen Umstände das Zugehen erforderten. Gasparri hingegen legte lediglich eine veränderte politische Klausel vor, die das eigentliche Problem nicht löste (November 1922). Die gemeinsame Bittschrift der bayerischen Domkapitel nahm Pacelli zum Anlass, um Gasparri erneut die Notwendigkeit von Konzessionen klarzumachen (Dezember 1922). Als die Regierung zum Auftakt der mündlichen Verhandlungen weiterhin auf dem Bischofswahlrecht insistierte, nahm Pacellis Berichterstattung fast flehentliche Züge an, endlich mehr Verhandlungsspielraum zu bekommen (Februar 1923). Ausführlich führte er dem Kardinalstaatssekretär die Konsequenzen vor Augen, falls das Konkordat scheiterte; er zeigte auf, dass die – von ihm geleistete – theoretische Widerlegung der staatlichen Position keinen Effekt habe; er explizierte, dass die Vorteile und Errungenschaften des Vertrags mehr wogen als die reine Umsetzung des Can. 329 § 2 und schlug schließlich erneut ein Listenverfahren der Domkapitel vor. Erst jetzt zog Gasparri ein Zugeständnis bei der Methode der Bischofseinsetzung in Betracht, aber anscheinend nicht, weil er Pacellis langem Drängen nachgegeben hätte, sondern weil ihn vielmehr ein Gespräch mit dem bayerischen Gesandten Ritter überzeugt hatte. Nur dessen Anliegen, der Regierung den „Anschein“ eines Zugeständnisses zu machen und die Versicherung abzugeben, keinem deutschen Teilstaat das Kapitelswahlrecht mehr zu konzedieren, wollte er stattgeben (Mai 1923). Dementsprechend wich nicht nur das von ihm der AES vorgetragene Listenverfahren (jährliche Kapitels- und Bischofslisten) von Pacellis Vorschlag (Sedisvakanzliste) ab, sondern gerade auch die genannte Versicherung stand im Gegensatz zur Position des Nuntius, der ein künftiges Kapitelswahlrecht in Preußen bereits für wahrscheinlich erklärt hatte. Gasparri vertraute dem bayerischen Gesandten also mehr als dem Nuntius beziehungsweise er wollte die Konkordatsverhandlungen offensichtlich eigenständig einer glücklichen Lösung zuführen. Entscheidend ist, dass Pacelli zwar den aus der AES-Sitzung (Mai 1923) hervorgegangenen Listenmodus an die staatlichen Verhandlungsführer weiter kommunizierte, das aufgetragene Versprechen jedoch nicht leistete. Hier stellte er sich gegen Gasparri und die AES, weil er eine solche Zusicherung für nicht einhaltbar, inopportun und daher falsch hielt.
Die Regierung reagierte auf den neuen römischen Modus unerwartet mit der inakzeptablen Forderung, dass das betroffene Domkapitel eine verbindliche „Zweierliste“ aufstellen sollte, woraufhin Pacelli schließlich empfahl, dem Modus eine Sedisvakanzliste hinzuzufügen, was Gasparri und Pius XI. dann auch als äußerste Konzession akzeptierten (August 1923). Auffällig ist, dass Pacelli diese Instruktion noch mehr als gewöhnlich völlig wortgetreu bis ins kleinste Detail übernahm, als er der Regierung diesen letzten Modus vorlegte (September 1923). Vermutlich wollte er sich damit versichern, dass, falls die staatliche Seite nicht einlenken und die Verhandlungen an diesem Punkt scheitern sollten, er die Verantwortung von sich weisen und beweisen konnte, „nur“ die römischen Anordnungen ausgeführt zu haben. Die Regierung lenkte daraufhin ein und war prinzipiell bereit, eine römische Nomination plus Listenverfahren anzunehmen (Oktober 1923). Eine wesentliche Bedingung war jedoch, dass der Heilige Stuhl die „Meistbegünstigungsklausel“ akzeptierte, welche die Regierung überhaupt erst deshalb verlangte, weil Pacelli das Versprechen, dass Bayern hinsichtlich des Kapitelwahlrechts nicht schlechter als die übrigen deutschen Staaten gestellt werde, noch nicht geleistet hatte. Das bedeutete freilich, dass der Nuntius seinem Vorgesetzten gestehen musste, die Anweisung nicht ausgeführt zu haben. Wieder einmal bestritt er einen doppelten „Kampf “: Einerseits gegen die Regierung, insofern er unbedingt vermeiden wollte, dass diese Begünstigungsklausel im Konkordatstext verankert wurde. Andererseits gegen Gasparri und die AES, insofern er die einfachste Lösung, der Regierung das offizielle Versprechen zu geben, weder Preußen noch sonst einem Land das Bischofswahlrecht zuzugestehen, ebenso verhindern wollte. Deshalb legte er Gasparri in aller Ausführlichkeit dar, welch weitreichende Konsequenzen dieses Versprechen für die Staatsleistungen an die Kirche und die gesamte, provisorische Ämterbesetzungspolitik des Heiligen Stuhls in Preußen, Deutschland und sogar darüber hinaus haben könnte (November 1923). Damit nahm Pacelli letztlich eine universale Perspektive ein, die eigentlich die des Kardinalstaatssekretärs und nicht des den örtlichen Interessen verpflichteten Nuntius gewesen wäre. Aber die Argumentation nützte nichts: Gasparri befahl ihm dennoch, der Regierung die angesprochene Zusicherung zu geben, weil der Heilige Stuhl fest entschlossen sei, keinem deutschen Staat das Kapitelswahlrecht mehr zu gewähren (Dezember 1923). Daraufhin gab Pacelli nach und leistete das Versprechen, das – wie erwähnt (vgl. Nr. 3) – später gebrochen wurde. In der oben skizzierten Fortgeltungsfrage hatte Pacelli noch einen (zugegeben) spitzfindigen Grund gefunden, Gasparris „Weisung“ nicht auszuführen, aber in dieser Frage sah er angesichts der mehrfachen ausdrücklichen Instruktion Gasparris keinen anderen Ausweg, als sie im Gehorsam zu seinen Amtspflichten zu erfüllen. Es war also gerade nicht, wie Jörg Zedler erklärt, Pacellis „Anregung“392, zu versichern, dass man keinem deutschen Staat das Bischofswahlrecht der Domherren mehr konzedieren werde, sondern dieser hatte vielmehr alles ihm möglich erscheinende getan, das Versprechen zu verhindern.393
Fasst man das Skizzierte zusammen, so bleibt festzuhalten, dass Pacelli sich zwar mit Gasparri, den Kardinälen der AES und letztlich auch Pius XI. in der Ablehnung des Bischofswahlrechts für die bayerischen Domkapitel einig war.394 Auch hinsichtlich der politischen Klausel gab es keine Divergenzen. Doch darüber hinaus stand er mit dem Kardinalstaatssekretär (und der von diesem geführten AES) trotz dessen mehrfach gezollter Anerkennung für seine Verhandlungserfolge praktisch in ständiger Frontstellung. Gasparri fehlte nicht nur der realpolitische und umfassende Blick des Nuntius vor Ort, sondern auch die Bereitschaft, Pacelli die nötige Verhandlungsfreiheit zu gewähren. Dieser hingegen vertrat seine jeweils nach allen Seiten abgewogene Position nachdrücklich und versuchte ihr innerhalb der ihm gesteckten Grenzen, die er respektierte, und nicht ohne die Nerven der Verantwortlichen im Staatsekretariat zu strapazieren,395 so viel Geltung wie möglich zu verschaffen. Das gelang ihm geschickt in der Fortgeltungsfrage. Doch was den Besetzungsmodus anbelangte, schaffte er es ohne „Mithilfe“ Ritters nicht, bei Gasparri ein Listenverfahren durchzusetzen – erst für die nachträglich eingefügte Sedisvakanzliste war Pacelli wesentlich verantwortlich –, noch vermochte er das Versprechen hinsichtlich des außerbayerischen Kapitelswahlrechts zu verhindern.
1 Vgl. zum bayerischen Konkordat von 1924 und den Verhandlungen die Dokumente sowie den Konkordatstext bei HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche IV, S. 293–315 sowie bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I; außerdem CHENAUX, Pie XII, S. 135–142; DEUERLEIN, Reichskonkordat, S. 40–52; FELDKAMP, Pius XII., S. 56–58; FRANZ-WILLING, Vatikangesandtschaft, S. 181–227; GROLL, Domkapitel, S. 381–397; HEINRITZI, Neuordnung; DERS., Staat-Kirche-Verhältnis; HUBER, Verfassungsgeschichte VI, S. 912–918; LISTL, Entwicklung; MAY, Kaas 2, S. 382–393; SCHEUERMANN, Konkordat; SCHMIDT, Kultusminister, bes. S. 192–220; SCHOLDER, Kirchen 1, bes. S. 86f.; STEHLIN, Weimar, S. 402–411; ZEDLER, Bayern, S. 374–454. Vgl. gesondert zur Frage der Besetzung der Bischofsstühle HAAG, Recht, S. 12–31; FORSTNER, Nominierungen; HARTMANN, Bischof, S. 62–67; Link, Besetzung, S. 231–239; LISTL, Besetzung, S. 35–40; MÓRSDORF, Besetzungsrecht, S. 108–118; DERS., Stand, S. 721–723; PETRONCELLI, provvista, S. 80–82; ZEDLER, Bayern, S. 409–419.
2 Vgl. bayerisches Konkordat vom 5. Juni 1817, abgedruckt bei HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 170–177 (Nr. 73). Vgl. dazu AMMERICH (Hg.), Konkordat; GROLL, Domkapitel, S. 13–51; HAUSBERGER, Staat; MÜLLER, Säkularisation (1991).
3 Vgl. Art. XI des bayerischen Konkordats von 1817, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 175.
4 Faulhaber an Schioppa vom 27. November 1918, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 2rv, hier 2r.
5 Vgl. Schioppa an Gasparri vom 28. November 1918, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 59, Fasz. 39, Fol. 2r–3r. Diesem Schreiben fügte der Auditor den entsprechenden offiziellen Antrag Faulhabers vom 27. November 1918 an Benedikt XV. bei. Vgl. ebd., Fol. 4r–5v. Eine andere Auffassung als Faulhaber und die übrigen Oberhirten vertrat der Regensburger Bischof Anton von Henle. Da es ihm ausgeschlossen schien, dass der Heilige Stuhl die dem Staat im Konkordat von 1817 gewährten Privilegien angesichts der neuen politischen Situation sofort zurückziehen konnte, votierte er dafür, „einstweilen die definitive Besetzung der Pfarreien bez[iehungsweise] Pfründen jeder Art auszusetzen“ und damit der Regierung eben nicht das provisorische Präsentationsrecht zu überlassen. Vgl. Auszug aus einem Schreiben Henles an Faulhaber ohne Datum [17. November 1918], ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 6r–7r, hier 7r; vollständig abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 42–44 (Nr. 21). Obwohl Faulhaber diese Ansicht nicht teilte, sandte er dieses Skriptum an die Münchener Nuntiatur und Schioppa reichte es als weitere Meinung ebenfalls nach Rom weiter.
6 Vgl. Gasparri an Schioppa vom 31. Dezember 1918, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 10r.
7 Schioppa an Faulhaber vom 4. Januar 1919 (Entwurf), ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 11r.
8 Faulhaber an Schioppa vom 7. Januar 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 12rv, hier 12r-v.
9 Vgl. Bd. 1, Kap. II.1.1 (Der Auftakt der Frage nach der Geltung der alten Rechtsgrundlagen).
10 Vgl. Art. IX des bayerischen Konkordats von 1817, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 174. Vgl. dazu BUSLEY, Nominationsrecht; SCHARNAGL, Nominationsrecht.
11 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 3. April 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 59, Fasz. 39, Fol. 13r–19r.
12 Vgl. auch den Auszug aus dem Brief Haucks an Faulhaber vom 20. März 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 14rv; vollständig abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 65–67 (Nr. 33).
13 Gutachten Hollwecks ohne Datum (Abschrift), ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 15r–16v, hier 15r. Vgl. dazu auch Bd. 1, Kap. II.1.1 (Die Fortgeltung der Verträge und das Wahlrecht der Domkapitel: die Debatte der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten).
14 Vgl. dazu Cavagnis’ Ausführungen: „Respondemus conventiones afficere ipsam societatem, etsi contrahantur eius nomine ab auctoritate nunc praesidente societati; hinc iura et onera acquiruntur societati mediantibus rectoribus; et quoniam societas est persona perfecta, semper de se perdurant etsi mutentur rectores et regiminis formae. Et proinde est duplex persona consideranda; ea cuius administratio geritur, et ea quae eamdem gerit; illa est societas et permanet; haec est persona gubernans sive physica sive moralis; et quoad formam mutatur in Statu. Igitur sicut ex hac mutatione non corruunt tractatus internationales, ita nec concordata, quae his aequiparantur; imo neque corruunt per se ceterae conventiones …“ CAVAGNIS, Institutiones I, S. 442. Vgl. zur Einordnung Cavagnis’ in die Entwicklung des Ius Publicum Ecclesiasticum LISTL, Kirche, S. 32–34.
15 Vgl. dazu Bd. 1, Kap. II.1.1 Anm. 276.
16 Gutachten Hollwecks ohne Datum (Abschrift), ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 15v–16r. Hervorhebung im Original.
17 „Non vi è dubbio che il Concordato bavarese … nel suo complesso sia rimasto in vigore anche dopo il recente cambiamento nella forma di Governo; ma sembra che sarebbe lecito di domandarsi se l’eccezione ammessa espressamente da Monsignor Hollweck per il diritto di nomina alle sedi vescovili vacanti non valga altresì per la presentazione alle parrocchie ed ai benefici non concistoriali. Infatti, i privilegi contra ius debbono interpretarsi strettamente, e perciò sono da ritenersi piuttosto come personali che come reali; regola questa, la quale vale evidentemente sopratutto nel diritto di nomina o presentazione, che è odioso, perchè diminuisce la libertà della Chiesa nel conferimento benefici …“ Pacelli an Gasparri vom 3. April 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 59, Fasz. 39, Fol. 15v–16r. Hervorhebungen im Original.
18 Die unterschiedliche Rechtspraxis – auf der einen Seite Bischöfe wie Faulhaber, die es nicht wagen würden, der Regierung eine Kandidatenterna vorzulegen, in der Angst, ein rechtliches Präjudizium zu schaffen; auf der anderen Seite Bischöfe wie Hauck, die die bisherige Praxis fortführen würden – erzeuge Spaltungen und Missmut, sowohl innerkirchlich wie auch im Verhältnis zum Staat. Verstärkt würde dies durch die wirtschaftliche Lage: Wenn nämlich die erste Seite ersatzweise Pfarrverweser einsetze, um das Problem der Pfarrpräsentation zu umschiffen, so würden diese doch erheblich schlechter bezahlt, was angesichts zunehmender Inflation und materieller Not Unzufriedenheit hervorrufe. Angesichts dessen, sei es – so Pacelli – nicht verwunderlich, dass viele Oberhirten wünschten, der Heilige Stuhl möge die staatliche Präsentation tolerieren.
19 Der Landtag hatte Hoffmann kurz zuvor, am 17. März 1919, zum Ministerpräsidenten gewählt und dessen Kabinett gebilligt. Vgl. dazu HENNIG, Hoffmann, S. 217–252; MENGES, Freistaat, S. 173f.; SCHWARZ, Zeit von 1918 bis 1933. Erster Teil, bes. S. 428f.
20 Niemand könne vorhersehen, was am nächsten Tag passieren und ob das Kabinett Hoffmann sich halten werde. Außerdem hegte er Bedenken gegen die Person Hoffmanns: Zwar sei er gemäßigter als der kürzlich erschossene Kurt Eisner, aber dennoch stehe er der Religion grundsätzlich ablehnend gegenüber, „tanto che può dirsi che la lotta contra di essa, massime nella scuola, sia stato l’ideale supremo della sua vita“. Pacelli an Gasparri vom 3. April 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 59, Fasz. 39, Fol. 18r. Derzeit seien feindliche Übergriffe von ihm nicht zu erwarten, da er der Unterstützung durch die Bayerische Volkspartei (BVP) bedürfe. Dennoch sei es schwer, von einer solchen Person auf zufriedenstellende Weise Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl über die kirchliche Lage in Bayern zu erwarten. Seine Versuche – so Pacelli –, auf „klugem“ Wege über den Vorsitzenden der BVP, einem „guten Katholiken“, Karl Friedrich Speck, eine Verbindung zu Hoffmann aufzubauen, seien bislang gescheitert.
21 Am 29. April war Pacelli mit vorgehaltener Waffe von Spartakisten im Nuntiaturgebäude bedroht worden. Vgl. die Schilderung Pacellis für Gasparri vom 30. April 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 62, Fasz. 40, Fol. 42r–45v. Vgl. dazu auch BESIER, Heilige Stuhl, S. 44f.; FATTORINI, Germania, S. 116; FELDKAMP, Pius XII., S. 33–35; LEHNERT, Ich durfte ihm dienen, S. 15f.; WOLF, Papst, S. 90; ZEDLER, Bayern, S. 384f.
22 Vgl. dazu Bd. 1, Kap. II.1.1 Anm. 163.
23 Vgl. Pacelli an Faulhaber vom 9. August 1919 (Entwurf), ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 31rv.
24 Faulhaber an Pacelli vom 11. August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 34r–35r, hier 34r. Die gleiche Auffassung, dass die am 11. August verabschiedete WRV und die praktisch zeitgleich eingeführte Bayerische Verfassung das Konkordat von 1817 nicht beseitigt hatte, vertrat der Bamberger Generalvikar und Weihbischof, Adam Senger. Dieser wandte sich an den Nuntius mit der missmutigen Analyse, dass die freie kirchliche Ämterbesetzung, die Artikel 137 WRV – ebenso wie die württembergische Verfassung in § 19, Absatz 1 und die badische Verfassung in § 18, Absatz 3 – festgelegt habe, wegen des bestehenden Konkordats nicht greifen könne. Von verschiedenen Seiten seien Befürchtungen geäußert worden, dass die „sozialistische“ Regierung „auf die wichtigsten Stellen nur Geistliche befördern [würde], die weder in sozialer noch in seelsorglicher Beziehung besonders eifrig gewesen waren; es könnte infolge dessen die Rückwirkung auf schwache Charaktere nicht ausbleiben, die sich bei der sozialistischen Regierung einschmeicheln wollen.“ Dem Heiligen Stuhl obliege nun die Pflicht, diese Befürchtungen ungeachtet der Fortgeltung des Konkordats auszuräumen. Vgl. Senger an Pacelli vom 16. August 1919, ebd., Fol. 43r–44v, hier 43v. Die Kirchenartikel der bayerischen beziehungsweise badischen Verfassung sind abgedruckt bei HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche IV, S. 138–140 (Nr. 101) (Bayern) und 142f. (Nr. 103) (Baden). Bei der angesprochenen württembergischen Verfassung handelte es sich um die erste Version, die am 20. Mai 1919 in Kraft trat, jedoch nach Promulgation der WRV grundlegend revidiert wurde. Vgl. Verfassungsurkunde des freien Volksstaats Württemberg vom 20. Mai 1919, in: Regierungsblatt für Württemberg Nr. 14 vom 23. Mai 1919, S. 85–102. Die in Artikel 19 verbürgte Selbstverwaltungsautonomie entfiel in der revidierten Fassung. Vgl. Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, in: ebd. Nr. 30 vom 25. September 1919, S. 281–292.
25 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 14. August 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 59, Fasz. 39, Fol. 25r.
26 Vgl. Gasparri an Pacelli vom 16. August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 45r. Der Nuntius gab diese Anweisung an den Münchener Erzbischof weiter. Vgl. Pacelli an Faulhaber vom 17. August 1919 (Entwurf), ebd., Fol. 46rv.
27 Vgl. ZEDLER, Bayern, S. 385–388.
28 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 19. August 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 4r, 5r. Erfahren habe Pacelli diese Informationen von einem „Membro Centro Bavaria“. Vermutlich meinte er damit den oben bereits genannten Vorsitzenden Speck.
29 „Sarebbe facile rispondergli ogni questione già risolta da detta Costituzione, che lascia Chiesa libera nomina ed obbliga Stato pagamento; ma sembra delicato da parte Santa Sede rompere per prima Concordato.“ Pacelli an Gasparri vom 19. August 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 4r.
30 Pacelli dachte hier an die geistliche Schulaufsicht, die es der Kirche ermöglichte, die Schulen hinsichtlich der Glaubens- und Sittenlehre zu überwachen. Sie wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der bayerischen Gesetzgebung verankert und im bayerischen Konkordat von 1817 bestätigt. Vgl. Art. V des bayerischen Konkordats von 1817, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 173f. Ihre Abschaffung gehörte lange Zeit zum kulturpolitischen Programm sozialdemokratischer und liberaler Parteien, wurde aber erst durch eine Verordnung Hoffmanns im Dezember 1918 realisiert. Durch diese Verordnung wurde die bischöfliche Schulaufsicht am 1. Januar 1919 aufgehoben. Vgl. Verordnung der Regierung des Volksstaats Bayern, betreffend Beaufsichtigung und Leitung der Volksschulen vom 16. Dezember 1918, abgedruckt bei DERS./DERS. (Hg.), Staat und Kirche IV, S. 86f. (Nr. 72). Ebenso wie der bayerische Episkopat sah auch Pacelli – wie hier deutlich wird – in dieser einseitigen staatlichen Maßnahme eine Konkordatsverletzung. Vgl. auch ausführlicher Pacelli an Gasparri vom 6. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 62, Fasz. 40, Fol. 78r–92v, hier 90r–91v. Vgl. generell zur Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht in Bayern HENNIG, Hoffmann, bes. S. 130–146; HUBER, Verfassungsgeschichte V, S. 890; KERN, Kirche; SCHARNAGL, Schulpolitik, bes. S. 6–8; SCHMIDT, Kultusminister, S. 109–118.
31 Vgl. Gasparri an Pacelli vom 23. August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 50r.
32 Vgl. Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 52r–55v.
33 Vgl. zu Pacellis und Ojettis Auffassungen sowie den Konkordatstheorien Bd. 1, Kap. II.1.1 Anm. 269.
34 „Con chi l’uno e l’altro dei contraenti intende di celebrare il contratto, e a chi l’uno e l’altro intende obbligarsi?“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 53r.
35 Vgl. die Präambel des bayerischen Konkordats von 1817, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 170f.
36 Vgl.: „I Concordati infatti non possono dirsi Trattati internazionali, se non al più prendendo questo nome nel suo senso generico; ma non possono affatto dirsi tali, se il nome si prenda nel suo senso specifico. E difatto in questo senso specifico essi dicono un patto fra due società pubbliche o fra due Stati, i quali per conseguenza si trovino in parità di condizione o di giurisdizione tra loro. Ora la Chiesa è società superiore, anzi suprema; quindi i patti da lei conclusi con gli Stati civili non sono, specificamente parlando, Trattati internazionali.“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 53ar. Hervorhebungen im Original. Dies verifizierte sich für Ojetti auch dadurch, dass jene Staatsrechtler, die eine Superiorität des Staates über die Kirche vertraten, Konkordate ebenfalls nicht unter die Kategorie internationaler Verträge subsumieren würden.
37 Das Argument Hollwecks, der Heilige Stuhl habe die Fortgeltung des napoleonischen Konkordats von 1801 trotz essentieller Änderungen der Regierungsverfassung in Frankreich vertreten, ließ Ojetti nicht gelten. Denn gemäß seiner Theorie sei es bei Ausrufung der Republik tatsächlich verfallen. Doch habe sofort eine faktische und stillschweigende Erneuerung des Konkordats stattgefunden, sodass die Verletzung desselben durch Frankreich 1905 zu Recht vom Heiligen Stuhl angeprangert worden sei.
38 „Però veggo con piacere che Mons. Nunzio, quantunque nel suo Rapporto abbia formulato il giudizio su riferito, parlando genericamente, non sembra poi mantenerlo quando si scende ai particolari.“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 53v–54r.
39 „… tre argomenti validissimi …“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 54r.
40 „… furono strappati al sottile ingegno e alla grande rettitudine di Nunzio dell’avere, forse anche inconscientemente, intuito il grave imbarazzo in cui si troverebbe la S. Sede se o dovesse riconoscere in favore del nuovo Governo il permanente valore del Concordato, o fosse costretta a denunziarlo tirando con ciò su i cattolici della Baviera l’odio e il risentimento di un Governo certo non devoto, forse anche apertamente ostile, alla Chiesa.“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 54r.
41 „Come potrebbesi non ritenere prodiga la S. Sede, che stringesse dei patti o facesse delle concessioni, il cui oggetto fosse così delicato come la nomina dei parroci e la praesentazione dei vescovi, quando questo patto o questa concessione dovesse intendersi estesa anche ad un eventuale soggetto o non cattolico o anche persecutore …?“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 54v.
42 „Quindi io penso, e mi sembra convenire in ciò anche Mons. Nunzio, che sia più decoroso per la S. Sede e praticamente più espediente l’attendere l’ulteriore svolgersi dei fatti, non compromettendosi intanto né con teoretiche né con pratiche ricognizioni in favore del nuovo Governo; ritenendo anzi come principio regolatore nella pratica che simili mutazioni di Governo importano la decadenza di qualunque Concordato e di qualunque concessione fatta dalla S. Sede agli antichi Governi. Questo principio a me sembra tutelare da una parte la libertà della Chiesa e preservarla da danni pressochè certi; e dall’altra non impedire nessun vantaggio alla Chiesa.“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 55r.
43 Vgl.: „… potrebbero forse i Vescovi tentare di nominare senz’altro i parroci …“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 55v.
44 „… tanto meglio.“ Gutachten Ojettis zum Kirche-Staat-Verhältnis in Bayern vom August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 55v.
45 Mergel an Pacelli vom 31. August 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 59rv, hier 59v.
46 Im Protokoll hieß es: „Die Konferenz ist der Auffassung, … daß das Konkordat in der alten Fassung nicht weiterbestehen kann, schon deshalb nicht, weil … Art. 137 der Reichsverfassung auch für Bayern die freihändige Besetzung der Kirchenämter verbürgt. Eine so weitgehende Mitwirkung der Staatsregierung bei der Besetzung der Kirchenstellen, wie sie in Artikel IX-XI des Konkordats [sc. von 1817, R.H.] zugestanden war, wäre unter der jetzigen Regierung eine Gefahr für die Disziplin des Klerus, ein Unheil für die Seelsorge und eine unerträgliche Fessel der kirchlichen Freiheit.“ Protokoll der Konferenz des bayerischen Episkopats vom 3.–4. September 1919, abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 88–96 (Nr. 46), hier 89.
47 Vgl. Hauck an Pacelli vom 12. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 2, Fol. 2r–12r (nur r). Vgl. dazu auch STASIEWSKI (Bearb.), Akten I, S. 85 Anm. 2.
48 Die Kritik bestand in dem fehlenden Gottesbezug in der Präambel der WRV, dem Ende der privilegierten Stellung der katholischen Kirche gegenüber den anderen Religionsgemeinschaften, wie in Artikel I des Bayernkonkordats von 1817 festgelegt, dem Fall der bischöflichen Schulaufsicht und der Bestimmung der bayerischen Verfassung, Jugendliche könnten mit der Absolvierung des 16. Lebensjahres über ihre Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft entscheiden, was einen Eingriff in die kirchliche Freiheit und in den Gewissensbereich bedeute.
49 Hauck an Pacelli vom 12. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 2, Fol. 4r.
50 Hauck an Pacelli vom 12. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 2, Fol. 5r.
51 Vgl. Faulhaber an Pacelli vom 21. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 2, Fol. 17r–18v, hier 17r.
52 Hauck an Pacelli vom 12. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 2, Fol. 5r.
53 Mergel an Pacelli vom 22. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 1, Fol. 67r–68r, hier 67r.
54 Mergel sorgte sich insbesondere um das „ganz innige Verhältnis“, das zwischen dem Eichstätter Priesterseminar und dem Bischof bestehe, weil Außenstehende häufig nicht das rechte Verständnis „für die eigenartige Verfassung“ dieser Einrichtung, die gänzlich kirchlich eingestellt sei, mitbrächten. Mergel an Pacelli vom 22. September 1919, ASV, ANM 402, Fasz. 1, Fol. 67r beziehungsweise 67v. Er glaubte, durch die Vorschlagstrias der Domherren würden Geistliche ins Spiel gebracht, die diesem Kriterium entsprächen. Relativierend fügte er jedoch hinzu: Sollte der Heilige Stuhl aber jemand ganz anderen nominieren, „so wird er sicher einen Mann senden, der noch kirchlichere Gesinnung hat als die vom Domkapitel bezeichneten Kandidaten …“. Ebd., Fol. 67v.
55 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 6. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 62, Fasz. 40, Fol. 78r–92v. Pacelli unterrichtete den Kardinalstaatssekretär in diesem Bericht umfassend über die neue bayerische Verfassung vom 14. August 1919 und listete anschließend minutiös die Punkte des Konkordats von 1817 auf, denen die bayerische Verfassung und Gesetzgebung sowie die Reichsverfassung seiner Ansicht nach widersprachen. Pacellis Kritik deckte sich im Wesentlichen mit den monita der Bischöfe. Vgl. Bd. 3, Kap. II.2.1 Anm. 48.
56 Vgl. zu diesen Bemühungen Ritters ZEDLER, Bayern, S. 409–419.
57 Während die „verpflichtenden Staatsleistungen“ in den Zahlungen zum Unterhalt der Bischöfe und Domkapitel bestanden, bezogen sich die „freiwilligen Staatsleistungen“ auf die Aufwendungen für den kirchlichen Gottesdienst. Während erstere rechtlich im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 gründeten, war es zwischen Staat und Kirche durchaus umstritten, inwieweit dies auch für letztere galt. Vgl. dazu Näheres bei MÜLLER, Staatsleistungen.
58 „… l’ostinato ed anticlericale …“ Pacelli an Gasparri vom 6. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1920, Pos. 62, Fasz. 40, Fol. 79v.
59 Vgl. zur Wirkung dieser Warnung in Rom ZEDLER, Bayern, S. 413.
60 Vgl. dazu Pacelli an Gasparri vom 30. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 20v–21v; Gasparri an Pacelli vom 3. November 1919, ASV, ANM 401, Fasz. 1, Fol. 72r; Pacelli an Hoffmann vom 5. und 8. November 1919 (Entwürfe), ebd., Fol. 75rv und 79r sowie die Antworten Hoffmanns an Pacelli vom 7. und 9. November 1919, ebd., Fol. 76r–77v und 82r. Vgl. auch ZEDLER, Bayern, S. 387f.
61 Vgl. dazu auch HENNIG, Hoffmann, S. 419f.
62 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 30. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 8r–23r. Vgl. dazu schon Bd. 1, Kap. II.1.1 (Die Position der staatlichen Autorität und die Wahl Joseph Vogts zum Kapitularvikar sowie Die Fortgeltung der Verträge und das Wahlrecht der Domkapitel: die Debatte der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten).
63 Die Minister beriefen sich für diese Argumentation auf den Absatz 8 desselben Artikels: „Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.“ Art. 137, Abs. 8 der WRV, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche IV, S. 130.
64 „Ho risposto dichiarando che non avevo avuto ancora occasione di ricevere istruzioni in proposito e che quindi parlavo esclusivamente a mio nome, riservandomi di riferire, come di dovere, alla Santa Sede. Non ho creduto opportuno di affermare la cessazione del Concordato suddetto per le seguenti ragioni: 1) perché l’Eminenza Vostra, nel trasmettermi col sullodato dispaccio … copia del dotto Voto di un Consultore della S. Congregazione degli Affari EE. SS., in cui si sostiene tale cessazione, non diceva di farne sue le conclusioni. 2) perché una simile esplicita asserzione porterebbe in pratica gravissimi danni alla Chiesa in Baviera. A me invero non spetta certamente di fare un esame teorico critico degli argomenti addotti dall’eminente Canonista …; è nondimeno mio dovere di segnalare all’Eminenza Vostra come, dichiarandosi decaduto il Concordato, si verrebbe a perdere forse l’unica, certo la più solida e sicura base per salvare quello che ancora si può dei diritti della Chiesa in Baviera. Infatti è in forza del Concordato che è possibile di conservare le varie prestazioni dello Stato …, di affermare il diritto della Chiesa ad avere scuole proprie di filosofia e di teologia nei Seminari, e così di seguito. D’altra parte, per svincolare la Chiesa nella maggior misura possibile dal diritto di nomina o presentazione dello Stato agli uffici ecclesiastici, si ha già un argomento efficacissimo nella Costituzione dell’Impero. 3) perché mi consta che di fatto la suddetta asserzione sarebbe (quantunque senza dubbio a torto) interpretata dal Governo come un atteggiamento ostile della Santa Sede verso la nuova forma repubblicana di Governo.“ Pacelli an Gasparri vom 30. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 9r–10r.
65 Vgl. Pacelli-Punktation I ohne Datum (Entwurf), ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 103rv. Später legte er den Katalog mit der Bitte um Anmerkungen dem Münchener Erzbischof vor. Vgl. Pacelli an Faulhaber mit Pacelli-Punktation I vom 28. November 1919, abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 116f. (Nr. 54). Vgl. dazu auch die Hinweise in Pacelli an Faulhaber vom 10. Februar 1920 (Entwurf), ASV, ANM 399, Fasz. 1, Fol. 105rv.
66 Pacelli, der Gasparri dieses Skriptum zusandte, berichtete aber auch, dass – wie ihm Faulhaber mitgeteilt habe – faktisch nicht alle bayerischen Bischöfe völlig mit den von Hauck notierten Vorstellungen einverstanden seien, insbesondere hinsichtlich des staatlichen Einflusses auf die kirchliche Ämterbesetzung. Ein solcher war vom Bamberger Oberhirten als immerhin möglich deklariert worden, was neben anderen auch Faulhaber ablehnte.
67 Vgl: „Die Römisch-katholische apostolische Religion wird in dem ganzen Umfange des Königreichs Baiern und in den dazu gehörigen Gebieten unversehrt mit jenen Rechten und Prärogativen erhalten werden, welche sie nach göttlicher Anordnung und den canonischen Satzungen zu genießen hat.“ Art. I des bayerischen Konkordats von 1817, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 171.
68 „I. – La Chiesa nomina liberamente a tutti gli uffici ecclesiastici senza cooperazione dello Stato o dei Comuni.“ Pacelli an Gasparri vom 30. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 10v. Hervorhebung im Original. Vgl. auch Pacelli-Punktation I (Entwurf), ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 103r.
69 „Circa la libera provvista delle Sedi vescovili da parte della Santa Sede egli ha fatto qualche vaga ed oscura riserva, senza però esprimere chiaramente il suo pensiero al riguardo.“ Pacelli an Gasparri vom 30. Oktober 1919, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 21v.
70 Vgl. Gasparri an Pacelli vom 12. November 1919, ASV, ANM 396, Fasz. 8, Fol. 22r.
71 Vgl. dazu Bd. 1, Kap. II.1.1 (Die Reise Pacellis nach Berlin und Köln) und Exkurs I (Erste Standpunkte zum Modus der Bischofsbestellung und die schwierige Ausgangslage für ein Reichskonkordat).
72 Pacelli an Hoffmann vom 27. Dezember 1919 (Entwurf), ASV, ANM 399, Fasz. 1, Fol. 84r. Hervorhebung im Original.
73 Vgl. zum selben Vorgehen im Kontext des Preußenkonkordats Bd. 1, Kap. II.1.1 (Modifikationen in der Vorgehensweise des Heiligen Stuhls).
74 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 4. Januar 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Germania, 1919–1922, Pos. 1718, Fasz. 898, Fol. 41rv.
75 Vgl. Hoffmann an Pacelli vom 20. Januar 1920, ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 131rv.
76 Vgl. den italienischen Text der Pacelli-Punktation II, den Pacelli nach Rom übermittelte, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 42r–43v; deutscher Text ebd., Fol. 48r–49v; abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 129–131 (Nr. 63a) und HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche IV, S. 294–296 (Nr. 172). Wie bereits gesagt, hatte Pacelli die erste Fassung dem Münchener Erzbischof schon am 28. November 1919 vorgelegt. Faulhaber setzte seinerseits eine Beratungskommission zur Vorbereitung der Verhandlungen ein. Vgl. Faulhaber an Pacelli vom 28. November 1919, ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 108r. Zu der genannten Kommission gehörten nach Faulhabers Angaben sein Generalvikar, Michael Buchberger, der Eichstätter Domkapitular Georg Wohlmuth, der Passauer Kirchenrechtsprofessor, Franz Xaver Eggersdorfer, der Domdekan von Regensburg, Franz Xaver Kiefl, und der Münchener Kanonist, Eduard Eichmann. Vgl. Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 27. November 1919, abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 110–115 (Nr. 52), hier 113. Bei den Beratungen, die am 7. Januar 1920 im Münchener Ordinariat begannen, waren dann aber noch einige Personen mehr vertreten. Vgl. Anton Scharnagls Niederschrift der Beratung über die künftige Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse in Bayern vom 7. Januar 1920, ASV, ANM 399, Fasz. 1, Fol. 40r–47v. Zunächst stellte Buchberger unumwunden fest, dass der wichtige Artikel 137, Absatz 3 entgegen der staatlichen Auffassung nicht nur Norm für die Landesgesetzgebung, sondern bereits jetzt bindendes Recht sei. Damit ergab sich für ihn das Ziel einer vertraglich zugesicherten Besetzungsautonomie der kirchlichen Ämter von selbst. Allerdings hielt er bei der Besetzung der Bistümer Zugeständnisse – freilich in einer Art, die nicht als dem Verfassungsartikel entgegenstehende „Mitwirkung“ des Staates verstanden werden konnte – für möglich, um auf der Gegenseite ein akzeptables Ergebnis bei der Ablösung der staatlichen Leistungen zu finden. Innerhalb der Diskussion über die Frage, ob der Artikel 137, Absatz 3 zwingendes Recht konstituierte, ergab sich aber ein anderes Bild: Hier lautete der Tenor, dass die einseitige staatliche Rechtssetzung nicht das Konkordat verändern könne und die Verfassungsnorm deshalb kein unmittelbar geltendes Recht schaffe. Freilich ergebe sich aus der Reichsverfassung die staatliche Verpflichtung, das Konkordat in ihrem Sinne zu ändern. Pacelli – der diese Aufzeichnung später erhielt – markierte sich die entsprechenden Passagen. Eine weitere Zusammenkunft der Kommission erfolgte wenige Tage später. Vgl. Anton Scharnagls Niederschrift der 2. Sitzung zur Beratung über die künftige Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse in Bayern vom 10. Januar 1920, ebd., Fol. 56r–62r (nur r).
77 Pacelli-Punktation II, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 48r. Italienischer Text: „I. Alla Chiesa spetta il diritto di piena e libera provvista di tutti gli uffici ecclesiastici senza cooperazione dello Stato e dei Comuni. Il patronato privato rimane nei limiti delle prescrizioni del diritto canonico.“ Ebd., Fol. 42r.
78 Vgl.: „Naturalmente sarà assai difficile di ottenere che il Governo bavarese accetti integralmente i punti anzidetti e converrà quindi molto probabilmente nel corso delle trattative rinunziare almeno in parte ad alcuni di essi o consentire ad altre concessioni; parmi ciò nondimeno opportuno che la Santa Sede chieda nel primo progetto tutto ciò a cui avrebbe equamente e ragionevolmente diritto.“ Pacelli an Gasparri vom 22. Januar 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 39r–40v, hier 40r-v. Gasparri beurteilte die vorgeschlagenen Artikel als sehr gut, wenngleich noch einige Modifikationen und Ergänzungen zu machen seien. Vgl. Gasparri an Pacelli vom 2. Februar 920, ASV, ANM 396, Fasz. 8, Fol. 28r.
79 LISTL, Entwicklung, S. 449.
80 Vgl. Pacelli an Hoffmann vom 4. Februar 1920 (Entwurf), ASV, ANM 399, Fasz. 1, Fol. 97r.
81 Vgl. Hoffmann an Pacelli vom Februar 1920 (Abschrift), S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 55r.
82 Vgl. dazu HUBER, Verfassungsgeschichte VI, S. 782–784; SCHWARZ, Zeit von 1918 bis 1933. Zweiter Teil, S. 454–465.
83 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 19. Juli 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 59r–62v.
84 Matt an Pacelli vom 26. August 1920 (Abschrift), S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 83r–89v, hier 83r.
85 Matt an Pacelli vom 26. August 1920 (Abschrift), S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 85r.
86 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 11. September 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 71r–82r. Grundsätzliche Kritik übte Pacelli an der von Matt vertretenen Auffassung, dass ein neues Konkordat „sich also in den Grenzen halten [muss], die dem Freistaate Bayern durch die Verfassung und die Gesetzgebung des Deutschen Reiches gezogen sind“. Matt an Pacelli vom 26. August 1920 (Abschrift), ebd., Fol. 83v. Demgegenüber hatte die Kirche nach Pacelli das volle Recht, mehr zu fordern, als die Reichsverfassung bereits enthielt. Diese weitergehenden Bestimmungen stünden dann auch nicht entgegen (contra) der Reichsverfassung, sondern außerhalb (praeter) ihrer Reglementierung. Falls der Staat dieses Prinzip nicht anerkenne – so Pacelli – „non vedo in verità quale profitto ritrarrebbe la S. Sede dalla conclusione di un nuovo Concordato“. Pacelli an Gasparri vom 11. September 1920, ebd., Fol. 73r.
87 Vgl.: „Sua Santità, prima di nominare definitivamente l’Arcivescovo di Belgrado ed il Vescovo di Scopia, notificherà al Regio Governo la persona del rispettivo candidato, per conoscere se vi siano fatti o ragioni di ordine politico o civile in contrario.“ Art. 4 des Serbischen Konkordats vom 24. Juni 1914, MERCATI (Hg.), Concordati I, S. 1100.
88 „Sarebbe infatti assurdo che la S. Sede accettasse una limitazione qualsiasi della sua libertà in materia così importante per lo stesso Governo, senza averne una proporzionata utilità.“ Pacelli an Gasparri vom 11. September 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 74r.
89 Vgl. Protokoll der Konferenz des bayerischen Episkopats vom 8.–10. September 1920, abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 150–157 (Nr. 76). Anfang Oktober übersandte Faulhaber dem Nuntius das Protokoll. Vgl. Faulhaber an Pacelli vom 5. Oktober 1920, ASV, ANM 399, Fasz. 1, Fol. 196r.
90 Vgl. Erklärung der Reichsregierung vom 13. September 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 123r. Vgl. dazu FRANZ-WILLING, Vatikangesandtschaft, S. 183f.
91 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 14. November 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 121r–122v.
92 Vgl. Pacelli an Kahr vom 6. Februar 1921 (Entwurf), ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 197rv. Als Gründe für die Verzögerungen seien ihm – so der Nuntius – die Komplexität der Verhandlungsmaterie und die Arbeitslast des Kultusministeriums genannt worden. Pacelli vermutete freilich auch prinzipielle Sorgen auf Seiten des bayerischen Kultusministers, was die Schulfrage im Zusammenhang mit reichsrechtlichen Bestimmungen anbelangte und die Pacelli eigentlich mit der Erklärung der Reichsregierung vom 13. September ausgeräumt zu haben glaubte. Vgl. dazu SCHMIDT, Kultusminister, S. 200–202.
93 Kahr an Pacelli vom 26. März 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 212r–213r, hier 213r.
94 Vgl. Matt an Pacelli vom 28. Mai 1921 (dt. Text ohne Anschreiben), S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 90r–94v; ital. Übersetzung mit Anschreiben, ASV, ANM 400, Fasz. 1, Fol. 2r–11r; Pacelli an Gasparri vom 8. Juni 1921, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 143r–151v.
95 Vgl. dazu auch die Verhandlungen zwischen Vertretern der Reichs- und der bayerischen Regierung in Berlin vom 11. Juli 1921, ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 230r–235v.
96 Vgl. dazu Bd. 1, Kap. II.1.2 Anm. 580.
97 Vgl. dazu schon Bd. 1, Exkurs I (Erste Standpunkte zum Modus der Bischofsbestellung und die schwierige Ausgangslage für ein Reichskonkordat).
98 Auch der bayerische Episkopat, allen voran Faulhaber, setzte sich vehement dafür ein, dass Pacelli bis zum bayerischen Konkordatsabschluss in München verblieb. Vgl. eindrücklich Faulhaber an Benedikt XV. vom 20. August 1921, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 155r–156v; abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 199f. (Nr. 99). Unterstützung kam vom preußischen Episkopat, vor allem von Kardinal Schulte, der Gasparri auf die Vorteilhaftigkeit dieses Anliegens auch für Preußen hinwies: „So sehr vielleicht aus diplomatischen Gründen diese eilige Übersiedlung [sc. Pacellis nach Berlin, R.H.] gewünscht werden muß, ebensosehr ist aber dieselbe verhängnisvoll für das Zustandekommen kirchlich günstiger Konkordate. … Nur aber, wenn Monsignor Pacelli ein kirchlich günstiges Konkordat bald in Bayern zustandebringt, … wird er in Berlin für Preußen und das Reich erfolgreich auf Konkordate hinarbeiten können …“ Schulte an Gasparri vom 26. August 1921 (dt. Entwurf), abgedruckt bei HÜRTEN (Bearb.), Akten 1, S. 356f. (Nr. 170), hier 356; ital. Ausfertigung abgelegt in S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 159rv.
99 Bereits im März 1921 trugen mehrere Domkapitel Bayerns dem Nuntius die an den Papst gerichtete Bitte vor, dass sie künftig – entgegen Can. 403 CIC 1917, aber in Anlehnung an die bisherige Praxis des Artikels X des Bayernkonkordats von 1817 – alternierend mit dem jeweiligen Diözesanbischof vakante Kanonikate besetzen durften. Vgl. unter anderem die entsprechenden Bittschreiben in ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 230r–238r beziehungsweise S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 138r–146v. Nun sahen sie die Gelegenheit, sich ein neues Einflussrecht auf die Besetzung des höchsten Teilkirchenamtes zu erwerben.
100 Vgl. Hartl an Pacelli vom 6. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 243r sowie Denkschrift des Münchener Metropolitankapitels vom 6. Juni 1921, ebd., Fol. 244r–245v.
101 „…, ut in nova Conventione id saltem Juris Capitulo Metropolitano Monacensi concedatur, ut Sede Episcopali vacante ternos candidatos ad conferendum proponat.“ Denkschrift des Münchener Metropolitankapitels vom 6. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 245v. Hervorhebung im Original.
102 Vgl. Bd. 1, Exkurs I (Die „endgültige“ Entscheidung aus Rom zum künftigen Modus der Bischofseinsetzung).
103 Vgl.: „Maxime e re et utilitate dioecesis esse videretur, si Capitulo Ecclesiae Cathedralis liceret, in singulis casibus ternos candidatos eligere eosque Sedi Apostolicae nominare. Quare Sanctitatem Vestram supplices rogamus, ut in nova Conventione hunc electionis episcopi modum concedere dignetur.“ Brehm an Benedikt XV. vom 9. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 248r. Vgl. auch das Anschreiben von Brehm an Pacelli vom 9. Juni 1921, ebd., Fol. 246r.
104 Vgl. Triller an Pacelli vom 24. Juni 1921, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 125r.
105 Vgl.: „Cui postulationi nos infrascripti in tantum non consentimus, ut potius contradicamus, mala exinde timentes.“ Kiefl und Scheglmann an Benedikt XV. vom 27. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 250r–251r, hier 250r. Vgl. auch das Anschreiben von Scheglmann an Pacelli vom 27. Juni 1921, ebd., Fol. 249rv.
106 „Sane 1° in Capitulis facile inveniuntur factiones, aemulationes, simultates, viri audaciores et turbulentiores, post suam voluntatem simpliciores ac timidiores omni conatu trahentes, unde exoritur periculum, ne saepius spiritu passionum decidatur, quod debebat esse opus sanctum, instinctu Spiritus Sancti religiose ac pacifice perficiendum.“ Kiefl und Scheglmann an Benedikt XV. vom 27. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 250r.
107 „… videre in Episcopo potius creaturam quam Dominum.“ Kiefl und Scheglmann an Benedikt XV. vom 27. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 250v.
108 „… sed sanctum sancte tractabitur.“ Kiefl und Scheglmann an Benedikt XV. vom 27. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 250v.
109 „… non praejudicium Capitulorum in Borussia, cum singulares ibidem viguerint historiae rationes; non aliquod gregis Bavaricae desiderium, nam in toto populo ne vestigium quidem talis voluntatis invenitur.“ Kiefl und Scheglmann an Benedikt XV. vom 27. Juni 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 250v.
110 Vgl. Pacelli an Scheglmann vom 1. Juli 1921 (Entwurf), ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 252r.
111 Vgl. Hartl an Pacelli vom 16. Oktober 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 255r und Supplik der bayerischen Domkapitel an Benedikt XV. vom 10. Oktober 1921, ebd., Fol. 253r–254v. Die Domdekane und Dompröpste aller sieben Bistümer Bayerns unterzeichneten das Dokument, ausgenommen natürlich Regensburg, wo anstatt des Dekans Kiefl der Kapitelssenior Karl Loibl seine Unterschrift unter das Papier setzte.
112 Vgl. dazu Bd. 1, Exkurs I (Episkopat und Domkapitel gemeinsam für das Bischofswahlrecht und Pacellis Verhandlungsfokus).
113 „Quod capitula cathedralia Borussiae sibi a Sanctitae Vestra expetere licere existimant, Capitula quoque cathedralia Bavariae sibi expetere juris atque officii sui habent …“ Supplik der bayerischen Domkapitel an Benedikt XV. vom 10. Oktober 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 253r.
114 „… Capitula cathedralia Bavariae pleno jure vota et petitiones Capitulorum cathedralium Borussiae sibi adsciscere posse arbitrantur.“ Supplik der bayerischen Domkapitel an Benedikt XV. vom 10. Oktober 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 253v.
115 Die Kanoniker sprachen wohl bewusst von „wegnehmen“ oder „rauben“, um zu betonen, dass ihnen das Bischofswahlrecht von der Geschichte her rechtmäßig zustand: „… haec jura adempta essent.“ Supplik der bayerischen Domkapitel an Benedikt XV. vom 10. Oktober 1921, ASV, ANM 399, Fasz. 2, Fol. 253v. Hervorhebung R.H.
116 Vgl. Protokoll der Konferenz des bayerischen Episkopats vom 6.–7. September 1921, abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 202–213 (Nr. 101).
117 Am 21. September 1921 wurde Hugo Graf von Lerchenfeld (BVP) zum neuen Ministerpräsidenten gewählt, den Pacelli wiederum umgehend aufsuchte, um über die Konkordatsverhandlungen sprechen. Matt behielt das Amt des Ministers für Unterricht und Kultus. Vgl. Pacelli an Gasparri vom 3. Oktober 1921, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 273r–278r. Vgl. dazu HUBER, Verfassungsgeschichte VI, S. 784.
118 Vgl. dazu Bd. 1, Exkurs I (Wieder die leidige Fortgeltungsfrage: die Konsistorialallokution Benedikts XV.).
119 Vgl. Matt an Pacelli vom 9. Dezember 1921, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 51rv.
120 Vgl. Pacellis Berichte an Gasparri vom 28. Dezember 1921, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1918–1922, Pos. 72, Vol. I, Fol. 288r–295, vom 10. Februar 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 11r–15v und vom 5. April 1922, ebd., Fol. 53r–66r.
121 Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 3. April 1922 (Abschrift), ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 278r–279v, hier 278r; abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 237–240 (Nr. 110).
122 Vgl. „Vorschläge des Bayerischen Kultusministeriums zum neuen Konkordat mit dem H[eiligen] Stuhle“ vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 264rv; abgedruckt bei FRANZ-WILLING, Vatikangesandtschaft, S. 221f.
123 „Vorschläge des Bayerischen Kultusministeriums zum neuen Konkordat mit dem H[eiligen] Stuhle“ vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 264r.
124 Matt an Pacelli vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 260r–262v, hier 260r; abgedruckt bei FRANZ-WILLING, Vatikangesandtschaft, S. 219–221.
125 Matt an Pacelli vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 261r.
126 Matt an Pacelli vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 261v.
127 Matt an Pacelli vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 261v.
128 Matt an Pacelli vom 30. März 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 261v.
129 Vgl. Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 3. April 1922 (Abschrift), ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 278r–279v.
130 Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 3. April 1922 (Abschrift), ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 278v.
131 Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 3. April 1922 (Abschrift), ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 279r.
132 Vgl. Bd. 1, Exkurs I (Die „endgültige“ Entscheidung aus Rom zum künftigen Modus der Bischofseinsetzung).
133 Vgl. Bd. 1, Exkurs II (Priesterausbildung versus Kapitelswahl: Pacellis Ansicht zum Modus der Bischofseinsetzung).
134 Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 3. April 1922 (Abschrift), ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 279r.
135 Faulhaber an den bayerischen Episkopat vom 3. April 1922 (Abschrift), ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 279r.
136 Auch zur Frage der Nationalität und der Vorbildung des Klerus hatte sich Matt in seinem Konkordatsentwurf geäußert: In der Nummer zwei erwartete er von der Kirche die Zusage, dass in der Diözesanleitung (ebenso wie in der Verwaltung und Pfarrseelsorge) nur Geistliche eingesetzt würden, welche die bayerische oder zumindest deutsche Staatsbürgerschaft besäßen, das Reifezeugnis an einem staatlich anerkannten Gymnasium erworben und ihr mindestens dreijähriges Theologiestudium an deutschen Hochschulen, bayerischen Lyzeen oder den kirchlichen Priesterausbildungsstätten in Rom absolviert hätten. In seinem Anschreiben begründete er diese Forderungen damit, dass von ihnen die Anerkennung des Geistlichen durch das Volk abhänge. Außerdem sei nur mit diesen Voraussetzungen eine adäquate gesellschaftliche und soziale Stellung des Klerus zu erreichen, die sich in der Mitwirkung bei staatlichen Einrichtungen wie dem Schul- oder Armenverband konkretisieren könne. Da Matt also keine ausländischen Bürger als Oberhirten deutscher Bistümer akzeptierte, war der auf der Freisinger Konferenz von 1921 beschlossene Anwendungsfall der politischen Klausel ohnehin hinfällig geworden. Wenngleich widerwillig konnte sich Faulhaber eine Zustimmung zu den Forderungen Matts im zweiten Punkt hinsichtlich der Nationalität des Klerus und der Ausbildungsvoraussetzungen unter der Bedingung, dass ein „gutes“ Konkordat dabei herauskäme, vorstellen. Jedoch galt ihm diese Zustimmung nur als gewichtige Konzession, die eine ebensolche auf staatlicher Seite verlangte. Die übrigen Oberhirten Bayerns stimmten mit Faulhabers Auffassung überein.
137 Erzbischof Hauck von Bamberg bekräftigte freilich erneut, dass er sich zumindest ein Vorschlagsrecht der Domkapitel vorstellen konnte, „damit nicht Unverantwortliche (z[um] B[eispiel] Ordensleute oder katholische Adelige) Vorschläge zu machen versuchen“. Hinsichtlich der politischen Klausel forderten zwei Oberhirten eine veränderte Formel, welche das Bedenkenrecht der Regierung präzisieren und damit weniger Spielraum gewähren sollte. Vgl. Faulhaber an Pacelli vom 9. April 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 277rv, 280rv, hier 280r; abgedruckt bei VOLK (Bearb.), Akten Faulhabers I, S. 248–250 (Nr. 115).
138 Vgl. Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 95r–110v. Die Forderungen des Kultusministers hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und Vorbildung der Geistlichen beäugte Pacelli schon allein deshalb ähnlich kritisch wie der Episkopat, weil es sich für ihn um eine „delicatissima materia“ handelte. Ebd., Fol. 102r. Er merkte an, dass sich im Konkordat von 1817 solche Einschränkungen nicht fänden, sondern im Gegenteil die Beurteilung der Kandidaten-profile einzig den Bischöfen unterstellt worden sei. Es sei von den vom König zu ernennenden Diözesanbischöfen lediglich verlangt worden, würdig und tauglich sowie mit den von den kirchlichen Satzungen bestimmten Eigenschaften begabt zu sein. Vgl. den Art. IX des Konkordats, auf den sich Pacelli hier berief, HUBER/HUBER (Hg.), Staat und Kirche I, S. 174. Der Nuntius fügte allerdings hinzu, dass diese kirchlichen Freiheiten in der Priesterausbildung angesichts des bayerischen Religionsedikts von 1818 nicht in dieser Form umgesetzt worden seien. Daher schienen ihm Zugeständnisse in diesem Punkt im Rahmen des neuen Konkordats unvermeidlich zu sein. Die Frage, die Pacelli daraufhin für Gasparri diskutierte, war, wie weit diese gehen durften. Zum Beispiel hielt er es für grundsätzlich gefährlich, wenn die künftigen Bischöfe und Pfarrer dazu verpflichtet würden, ein staatliches Gymnasium zu besuchen: „Che cosa accadrebbe, se questi divenissero un giorno, colle attuali tendenze di scristianizzazione della scuola, completamente antireligiosi?“ Ebd., Fol. 103v. Die Eingrenzung der Studienorte für die Alumnen bewertete Pacelli zusammen mit den bayerischen Bischöfen als nicht kompatibel mit Artikel 137 WRV, hielt es jedoch für einen Fortschritt, dass die römischen Bildungsanstalten ausdrücklich mit eingeschlossen waren. Vgl. Pacellis ausführliche Diskussion der Nummer zwei des staatlichen Entwurfs, ebd., Fol. 101v–104v.
139 „… i dissensi e le lotte interne dei Capitoli …“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 105v. Die Spannungen im Domkapitel durchzogen und bestimmten den gesamten Besetzungsfall. Vgl. Bd. 3, Kap. II.3.2.
140 Pacelli rekurrierte hier auf die Meinung des Augsburger Bischofs Maximilian von Lingg, die bei Kardinal Faulhaber Anfang April eingegangen war. Lingg schrieb: „In der Reichsverfassung und in der bayerischen Verfassung ist ausdrücklich gesagt, die Kirche verwalte ihre Angelegenheiten selbständig ohne Mitwirkung des Staates. Konkordate ordnen jene Angelegenheiten, an denen Kirche und Staat ein Interesse haben. Wenn nun der Staat in der Verfassung selber sagt, er habe keine Interesse an der Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten (‚ohne Mitwirkung des Staates‘), dann kann er die Aufnahme von Bestimmungen über Besetzung der Bischofsstühle und Kanonikate nicht verlangen. Diese zwei Artikel gehören also überhaupt nicht mehr in das Konkordat.“ Faulhaber an Pacelli vom 9. April 1922, ASV, ANM 400, Fasz. 2, Fol. 277r. Hervorhebung im Original.
141 Vgl. dazu oben Bd. 3, Kap. II.2.1 Anm. 136 und 138.
142 „… dal punto di vista politico o civile …“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106r.
143 „… poi questo vengo scelto dal Capitolo o direttamente dalla S. Sede, è un affare interno, in cui lo Stato non ha per sé alcun diritto né motivo d’intervenire.“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106r.
144 „La popolazione cattolica accoglie con non minor venerazione ed attaccamento un Vescovo nominato dal S. Padre; l’importante è che esso sia degno e santo Pastore.“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106r.
145 Vgl.: „Che poi fino al Concordato del 1817 la provvista delle Sedi vescovili per mezzo della elezione capitolare fosse diritto comune, al quale, caduto il particolare privilegio della nomina regia, dovrebbesi ora tornare, è manifesto errore storico e giuridico, che non abbisogna di confutazione.“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106r-v. Hervorhebung im Original.
146 „… ecclesiastici degni ed idonei a norma dei sacri Canoni …“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106v. Hervorhebung im Original.
147 Pacelli verwies hier nicht nur auf die entsprechenden Anschuldigungen Kiefls und Scheglmanns, sondern auch auf das Gutachten Joseph Hollwecks vom 7. August 1919, das dieser auf Bitten Pacellis im Kontext der Diskussion um die Besetzung der bischöflichen Stühle in Preußen angefertigt und worin er den Kapiteln die nötige Freiheit für eine Wahl im rein kirchlichen Sinne abgesprochen hatte. Vgl. dazu Bd. 1, Kap. II.1.1 (Das Gutachten von Joseph Hollweck und die Vorstellungen des Nuntius).
148 „… facilmente impedire l’elezione del più degno, come ho potuto constatare anche in casi recenti.“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106v. Hervorhebung im Original.
149 Vgl. Bd. 1, Kap. II.1.3 (Die Wahl Franz Rudolf Bornewassers zum Bischof von Trier).
150 „… dovere di coscienza …“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106v.
151 „È indubitato che la formazione del Clero in Germania … esige miglioramenti e riforme, ed a tal fine la S. Congregazione dei Seminari e delle Università degli Studi ha indirizzato all’Episcopato in data del 9 Ottobre 1921 una opportuna Istruzione. Ora però (come dimostra l’esperienza) tutte le Istruzioni della S. Sede al riguardo resteranno più o meno lettera morta, se non si avranno Vescovi, i quali siano pienamente compresi della loro necessità ed importanza e ne promuovano quindi con ogni energia la fedele e completa esecuzione.“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 106v–107r.
152 Vgl. dazu Bd. 1, Kap. II.1.3 Anm. 728.
153 Vgl. zu den vom CIC 1917 geforderten Eigenschaften eines Bischofs Bd. 1, Kap. I.6.
154 „… ogniqualvolta per speciali ragioni lo giudichi più opportuno.“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 107v.
155 „Per quanto desiderabile possa essere l’assoluta libertà della Chiesa, nella scelta dei Vescovi, sembra tuttavia difficile di poter rifiutare, salvo gli opportuni miglioramenti nella redazione, questa richiesta del Governo, mentre che un eguale concessione è stata già fatta dalla S. Sede nel Concordato colla Serbia (art. 4) e nel progetto di Concordato colla Lettonia (art. 4).“ Pacelli an Gasparri vom 15. April 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 107v.
156 Vgl. dazu Bd. 3, Kap. II.2.1 Anm. 175.
157 Vgl. Bd. 1, Kap. II.1.3 (Der modus procedendi der Bischofswahl).
158 Anwesend waren die Kardinäle Gaetano De Lai, Gennaro Granito Pignatelli di Belmonte, Raffaele Scapinelli di Léguigno, Gaetano Bisleti, Andreas Frühwirth und Pietro Gasparri. Von den Eingeladenen fehlten Basilio Pompilj und Raffaele Merry del Val. Vgl. Protokoll Borgongini Ducas der Congregatio particularis der AES vom 28. Mai 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1250, ohne Foliierung [6 Seiten].
159 Vgl. Relation „Progetto di Concordato“ der AES vom Mai 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 170 [35 Seiten].
160 „… poco discussione …“ Protokoll Borgongini Ducas der Congregatio particularis der AES vom 28. Mai 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1250, [5].
161 „La nomina degli Arcivescovi e dei Vescovi è riservata alla Santa Sede, la quale, prima della pubblicazione della Bolla, si assicurerà che contro il candidato non vi siano difficoltà di ordine politico.“ Protokoll Borgongini Ducas der Congregatio particularis der AES vom 28. Mai 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1250, [5].
162 Vgl. Gasparri an Pacelli vom 1. Juni 1922, ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 427r–428v. Hinsichtlich der Vorbildung des Klerus erklärte der Kardinalstaatssekretär die staatlichen Forderungen für prinzipiell unvereinbar mit der WRV. Während die bayerische oder zumindest deutsche Staatsbürgerschaft als Prämisse zur Übernahme eines geistlichen Amtes akzeptabel sei, dürfe sich die Regierung nicht in die genuin kirchliche Kompetenz einmischen. Abgesehen davon könne sie sich sicher sein, „che la Santa Sede usa sempre la massima cura perchè i Vescovi e i parroci siano, per doti morali e per coltura intellettuale, idonei all’alto e delicato ministero loro affidato“. Ebd., Fol. 427v.
163 „Qualora il Governo insistesse per maggiori concessioni circa la provvista della Sedi arcivescovili e vescovili, sarebbe ammissibile l’aggiunta proposta già dai Revmi Vescovi: ‚auditis provinciae Ordinariis‘?“ Pacelli an Gasparri vom 11. Juni 1920, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 178r–180r, hier 178v.
164 Vgl. Protokoll Ciriacis der Congregatio particularis der AES vom 6. August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1256, ohne Foliierung [10 Seiten]; Relation „Baviera, progetto di Concordato“ der AES vom Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 182 [154 Seiten]. Die Relation umfasste neben den Promemorien des bayerischen Kultusministeriums alle relevanten Berichte Pacellis. Anwesend waren diesmal die Kardinäle Gaetano De Lai, Raffaele Merry del Val, Donato Sbarretti, Giovanni Tacci, Gaetano Bisleti und Pietro Gasparri.
165 „Egli nota che la S. Sede sentirà gli Ordinari, come di fatto li sente, ma che non è il caso di metterlo nel Concordato, vincolandosi così definitivamente, mentre talvolta si potrebbero essere ragioni per non sentire i Vescovi.“ Protokoll Ciriacis der Congregatio particularis der AES vom 6. August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1256, [8].
166 „Finchè è possibile, negativamente.“ Protokoll Ciriacis der Congregatio particularis der AES vom 6. August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1256, [8].
167 Vgl. römischer Konkordatsentwurf vom August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 193r–205r (nur r).
168 Vgl.: „La nomina degli Arcivescovi e dei Vescovi è riservata alla S. Sede, la quale, prima della pubblicazione della Bolla, si assicurerà, in via officiosa che contro il candidato non vi siano difficoltà di ordine politico.“ Römischer Konkordatsentwurf vom August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 204r. Hervorhebung R.H.
169 „Benché, infatti, nella provvista delle Diocesi la Santa Sede usi sentire gli Ordinari, è preferibile evitare questo vincolo di fronte al Governo.“ Römischer Konkordatsentwurf vom August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera, 1922–1928, Pos. 72, Vol. II, Fol. 204r. Beim Hauptsatz handelte es sich um eine korrigierte Fassung. Was jetzt als wünschenswert deklariert wurde, war in der ersten Version absolut ausgeschlossen: „… gli Ordinari, non conviene [sc. la Santa Sede, R.H.], però, che Essa si vincoli al ciò di fronte al Governo.“
170 Von der Klugheit und dem diplomatischen Geschick des Nuntius war man in der Kurie überzeugt und mit der bisherigen Arbeit Pacellis hochzufrieden, wie Gasparri diesem mitteilte: „In pari tempo mi è grato parteciparLe che gli Eminentissimi hanno concordamente tributato alla S. V. i più vivi elogi per l’intelligente attività da Lei esplicata in sì importante affare. Anche l’Augusto Pontefice si è degnato esprimere tutta la sua soddisfazione per l’opera da Lei compiuta.“ Gasparri an Pacelli vom 19. August 1922, ASV, ANM 398, Fasz. unico, Fol. 437rv, hier 437rv. Vgl. auch die lobende Hervorhebung Pacellis durch Gasparri innerhalb der Sitzung der Kongregation, Protokoll Ciriacis der Congregatio particularis der AES vom 6. August 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1256, [7].
171 Vgl. zur Geschichte und Rechtsnatur der politischen Klausel in den Konkordaten die entsprechenden Passagen in der kanonistischen Literatur in Bd. 1, Kap. I.1 Anm. 49.
172 Vgl. Relation „Circa il ‚nulla osta‘ governativo nella nomina dei Vescovi“ der AES vom Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, ohne Foliierung [5 Seiten]; Protokoll Ciriacis der Congregatio plenaria der AES vom 30. Juli 1922, ebd., ohne Foliierung [8 Seiten]. An der Congregatio plenaria nahmen teil: Antonio Vico, Gennaro Granito Pignatelli di Belmonte, Raffaele Merry del Val, Andreas Frühwirth, Raffaele Scapinelli di Léguigno, Tommaso Pio Boggiani, Giovanni Tacci, Gaetano Bisleti, Oreste Giorgi, Pietro Gasparri.
173 Vgl. zum dramatischen Ausbau des Regalien-Wesens insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Staatskirchentums Feldhaus, Regalismus.
174 Vgl.: „L’abbandono di tale privilegio – che, in fondo, non era stato introdotte se non per le esigenze del regalismo, quando questo era in fiore, – tolse alla Chiesa uno dei più gravi vincoli alla sua libertà.“ Relation „Circa il ‚nulla osta‘ governativo nella nomina dei Vescovi“ der AES vom Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, [3].
175 „… un nuovo genere di concessione … la S. Sede si è, cioè, impegnata a partecipare ai Governi, prima della nomina definitiva, la person adel candidato da Essa liberamente scelto, per conoscere se si opponga qualche ragione di ordine politico.“ Relation „Circa il ‚nulla osta‘ governativo nella nomina dei Vescovi“ der AES vom Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, [3]. Hervorhebung im Original.
Bei Untersuchung der politischen Klauseln, die der Heilige Stuhl in den Staatskirchenverträgen der jüngsten Vergangenheit bereits vereinbart hatte – so im Konkordat mit Montenegro 1886, mit Kolumbien 1887 und Serbien 1914 –, stellte der Relator fest, dass hier jeweils noch von „ragioni di ordine politico e civile“ die Rede sei. Ebd., [3]. Hervorhebung im Original. Vgl. auch Art. 2 des Konkordats mit Montenegro, MERCATI (Hg.), Concordati I, S. 1048; Art. 15 des Konkordats mit Kolumbien, ebd., S. 1055f. und Art. 4 des Konkordats mit Serbien, ebd., S. 1100. Im zuletzt abgeschlossenen Konkordat mit Lettland von 1922 jedoch sei es – so der Relator weiter – das Anliegen des Heiligen Stuhls gewesen, das Adjektiv „bürgerlich“ aus der Formel zu streichen, sodass dort nur noch von „politischen“ Gründen die Rede sei. Vgl. Art. IV des Konkordats mit Lettland, DERS. (Hg.), Concordati II, S. 6. Die dadurch erfolgte Einschränkung des staatlichen Bedenkenrechts war in ihrem Umfang in der Kurie bislang noch nicht abschließend reflektiert worden.
176 „… nel senso più ampio possibile …“ Relation „Circa il ‚nulla osta‘ governativo nella nomina dei Vescovi“ der AES vom Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, [4].
177 Kardinal Boggiani hatte sein Votum zu der Thematik zuvor schriftlich fixiert und zur Sitzung mitgebracht. Vgl. „Circa il ‚nulla osta‘ governativo nella nomina dei Vescovi“ Boggianis vom 30. Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, ohne Foliierung [3 Seiten].
178 „… che si debba trattare proprio di rompere l’unità nazionale e non semplicemente di propugnare un’autonomia nell’orbita dello Stato esisstente.“ Protokoll Ciriacis der Congregatio plenaria der AES vom 30. Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, [5].
179 „Se il candidato abbia fatto propaganda o contro la forma di governo o contro l’unità nazionale, la S. Sede lo esclude definitivamente; se invece vi sono contro di lui solo ragioni di partito, la S. Sede per momento non insiste, ma non lo esclude per sempre.“ Protokoll Ciriacis der Congregatio plenaria der AES vom 30. Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, [6f.].
180 „… che, cioè, per una dioecesi sia molto scarso il numero dei candidati e quelli che conoscono la lingua del luogo non abbiano tutte le qualità ecclesiastiche richieste dall’ufficio di Vescovo. In tal caso la scelta della S. Sede deve cadere tra quelli che non conoscono la lingua locale, nonostante le insistenze in contrario del Governo.“ Protokoll Ciriacis der Congregatio plenaria der AES vom 30. Juli 1922, S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones, 1922, Sessio 1255, [7f.]. Außerdem – so bemerkte Merry del Val laut Protokoll abschließend – könne der Ernannte die Sprache ja auch lernen oder einen Generalvikar berufen, der ihr mächtig sei.
181 Vgl. Gasparri an Pacelli vom 26. August 1922, ASV, ANB 83, Fasz. 4, Fol. 2r–3v.