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Aisha Yaqhobi: Flucht aus Afghanistan
ОглавлениеEin Bericht
Mein Name ist Aisha. Mit nur 17 Jahren übergaben mich meine Eltern einer fremden Person. Ich war damit überhaupt nicht einverstanden. Ab diesem Zeitpunkt fingen meine Schwierigkeiten an.
Mit 17 beendete ich nach 12 Schuljahren die Schule. Zu dieser Zeit nahm ich sogar an einer Zulassungsprüfung (Kankor) für die Universität teil. Während dieser Zeit gaben mich meine Eltern ohne meine Einwilligung an einen Mann, den ich sogleich heiraten musste. Genau zu dieser Zeit kamen auch die Ergebnisse der Zulassungsprüfung für die Universität.
Ich wollte ohne Einwilligung meines Mannes und seiner Familie mein Studium vollenden. Ich durfte ein Jahr studieren. In dieser Zeit wurde ich schwanger. Obwohl ich schwanger war, wurde ich, weil ich zur Uni ging, von meinem Mann und seiner Familie geschlagen. Trotz dieser Strapazen ging ich weiter zur Uni, bis ich mein Kind geboren habe. Anschließend habe ich ein Jahr ausgesetzt, um mich um mein Kind zu kümmern. Als mein Kind ein Jahr alt war, fing ich wieder an zu studieren. Ich hatte sehr schwere Zeiten hinter mir, aber ich gab nie auf und machte weiter.
Mein Mann war in Kabul mit dem An- und Verkauf von Grundstücken beschäftigt. Eines Tages bekam er wegen eines Grundstückes Schwierigkeiten. Aus diesem Grund mussten wir unsere Heimat Richtung Europa verlassen und fuhren in Richtung Iran. Dort hatte ich eine alleinstehende Schwester mit drei Kindern, die sehr schwer arbeitete, um ihre Kinder zu ernähren.
Als ich im Iran ankam und meine Schwester in einer solchen Situation sah, wurde ich traurig und sagte zu ihr: „Komm mit mir in Richtung Europa!“ Denn meiner Schwester war es aufgrund der Familie ihres Mannes auch nicht möglich, nach Afghanistan zurück zu gehen. Daher machte sie sich mit uns auf den Weg. Am Tag unserer Abreise stiegen wir in ein weißes Auto und fuhren damit in Richtung der türkischen Grenze.
Während der Fahrt verfolgte uns die iranische Polizei. Unser Auto war voll besetzt. Im Wagen befanden sich meine Schwester mit ihren drei Kindern, ich mit meinem Sohn und meinem Mann, der Fahrer - und selbst im Kofferraum des Autos lag ein Junge im pubertären Alter.
Als wir die iranische Grenze bei „Maku“ erreichten, schoss die Polizei mit Gewehren auf uns. Unser Fahrer hielt nicht an, sondern fuhr noch schneller, um irgendwie zu flüchten. Er war selbst Iraner, der unter keinen Umständen erwischt werden wollte, da ihm sonst schwere Konsequenzen drohten. Wegen der hohen Geschwindigkeiten, der Verfolgungsjagd und der Schießerei war die Lage sehr gefährlich. Mein Sohn und die Kinder meiner Schwester hatten große Angst, und alle schrien und weinten.
Als das Polizeiauto sich vor uns setzen konnte und Anstalten machte, unser Fahrzeug zu stoppen, versuchte unser Fahrer sein Fahrzeug umzudrehen, stieß dabei aber mit einem Anderen zusammen. Daraufhin überschlug sich unser Auto mehrfach und schleuderte von der Fahrbahn.
Beim Unfall wurden zwei der Kinder meiner Schwester verletzt. Es gab ein gebrochenes Bein und eine gebrochene Hand. Nun musste ich mich von meiner lieben Schwester, die unter großen Schwierigkeiten mit nach Europa kommen wollte, trennen. Sie wurde mit ihren Kindern ins Krankenhaus transportiert. Mein Mann und ich mussten mit meinem Sohn in den Wagen der iranischen Kriminalpolizei einsteigen und fuhren Richtung Polizeizentrale.
Während der Fahrt ist mein Sohn sehr krank geworden, hatte schlimme Kopfschmerzen und Übelkeit. Plötzlich drehte der fahrende Polizist sein Gesicht zu uns und sagte: „Wir wollen euch nach Afghanistan zurückbringen. Wenn ihr uns aber zwei Millionen bezahlt, schicken wir euch nicht nach Afghanistan, sondern zur türkischen Grenze.“
Mir liefen die Tränen, und ich dachte die ganze Zeit an meine Schwester. Ich fragte also die Polizisten: „Was ist mit meiner Schwester?“
Darauf bekam ich folgende Antwort: „Deine Schwester kann nicht mehr kommen, aber wir können euch aus dem Iran bringen. Deine Schwester wird nach Afghanistan deportiert.“
Ich bin untröstlich gewesen, doch mein Sohn war sehr krank, und wir konnten aufgrund dessen nicht nach Afghanistan zurückgehen. Sie transportierten uns an einen sehr schrecklichen, mir noch immer unbekannten Ort. Es war wirklich sehr schrecklich dort. Wir waren eine Nacht in Gefangenschaft. Am nächsten Tag nahmen sie uns die Handys und unser Geld ab. In der zweiten Nacht fuhren sie uns mit einem alten Fahrzeug Richtung Gebirge nahe der türkischen Grenze, wo wir unter einem Berg sitzen und auf die Dunkelheit warten mussten.
Als es dunkel wurde, machte ich mich mit meinem Mann und meinem Sohn auf den Weg. Ungefähr drei Stunden gingen wir zu Fuß über die Berge. Als wir uns der türkischen Grenze näherten, mussten wir in den Laderaum eines Lieferwagens einsteigen und wurden von dort in ein Dorf in der Türkei transportiert. Dort nahmen sie uns als Geisel. Sie wollten mehr Geld. Wir wurden zwei Nächte und zwei Tage ohne Essen und Trinken festgehalten. Mein Sohn weinte ununterbrochen. Es gab nicht genug Luft, um richtig atmen zu können. Ihnen gelang es, unser letztes Geld an sich zu nehmen, woraufhin sie uns freiließen und wir Richtung Istanbul fahren durften. Als wir in Istanbul ankamen, brachten sie uns in eine Wohnung. Nach zwei Tagen in der Wohnung fuhren wir in Richtung der griechischen Grenze. Die Nächte verbrachten wir in den türkischen Wäldern in der Kälte, durstig und hungrig. Wir hatten gerade so viel Essen dabei, um unser Kind zu ernähren.
Als wir am Meer anlangten, setzten uns die Schmuggler mit 25 Passagieren in ein Segelboot und schickten uns in Richtung Griechenland. Nachdem wir uns ein kleines Stück von der Küste entfernt hatten, bemerkten wir, dass das Boot voll Wasser lief und sinken würde. Wir hatten große Angst. Unsere Kleidung war völlig durchnässt. Also drehten wir wieder um. Mein Mann nahm mir unseren Sohn aus den Armen. Mit nassen Kleidern und in der Kälte schliefen wir an der Küste.
In den frühen Morgenstunden begaben wir uns wieder auf ein Boot, um die Reise in Richtung Griechenland erneut anzutreten. Es war sehr gefährlich, überall war Wasser und die Wellen kamen aus jeder Richtung. Wir alle hatten Angst. Nach einigen Stunden kamen wir in Griechenland an. Die Griechen begrüßten uns sehr herzlich, gaben meinem Sohn Spielzeug, Kuchen und allen etwas zum Essen. Wir rasteten einige Zeit auf der Straße.
Nach der Rast kam ein langer Fußmarsch auf uns zu. Bis zum Camp mussten wir acht Stunden zu Fuß gehen, die Sonne brannte, es war sehr warm. Bis man einen Ausweis bekommen konnte, musste man in aufgestellten Zelten auf dem steinigen Boden schlafen. Dieser Ausweis war wie eine Genehmigung, womit wir in ein Fahrzeug einsteigen durften. Wir schliefen etwa eine Woche auf der schmutzigen Erde und unter der heißen Sonne. Danach gaben sie uns einen Ausweis und wir fuhren damit in Richtung der griechischen Hauptstadt Athen.
Als wir in Athen ankamen, schliefen wir am Straßenrand, bis wir jemand fanden, der uns an unser Ziel bringen wollte, die ungarische Grenze. Wir sind einen Teil der Strecke mit dem Auto gefahren, aber den Großteil zu Fuß marschiert. Die Menschen, die wir auf dem Weg trafen, gaben allen Kindern Wasser, Essen und Brot. Abends schliefen wir wieder am Straßenrand. Wir durchquerten große Wälder, bis wir an der Grenze ankamen.
Die ungarische Polizei verhaftete uns und brachte uns zur Polizeistation. Sie sperrten uns zwei Tage ein und nahmen unsere Fingerabdrücke. Nachdem sie uns einen Zettel gegeben hatten, ließen sie uns frei, woraufhin wir uns in Richtung der ungarischen Hauptstadt bewegten. Als wir in Budapest ankamen, trafen wir sehr nette Menschen, die uns freundlich begrüßten, den Kindern Bekleidung, Wasser und Kekse gaben. Wir schliefen zwei Nächte am Straßenrand, bis wir einen Ausländer trafen, der uns nach Deutschland bringen wollte.
Er erklärte uns alles und wir stiegen in sein Auto und fuhren in Richtung Deutschland. Und zwar fuhren wir nachts. Der Fahrer war aber eines Nachts so müde, dass er während der Fahrt einschlief. Es kam beinahe zum zweiten Mal für uns zu einem Unfall. Nur durch unser Geschrei wurde der Fahrer wieder wach und hielt das Lenkrad seines Autos fest, und wir waren gerettet.
Am nächsten frühen Morgen erreichten wir die Bundesrepublik Deutschland. Unsere erste Station war die Stadt München. Von dort starteten wir nach Hamburg. Die Deutschen waren sehr nett zu uns. Obwohl wir illegale Flüchtlinge waren, wurden wir sehr freundlich empfangen. Sie besorgten uns einen Platz zum Schlafen, versorgten uns mit Essen, Trinken und Bekleidung.
Unsere gesamte Reise dauerte bis zur Ankunft in Deutschland etwa einen Monat. Hier leben sehr nette Menschen mit einer schönen Kultur. Im Flüchtlingslager versuchten alle, das Leben für uns leichter zu machen. Ich kann über die guten Seiten der Deutschen nicht genug schreiben.
Und war das die Geschichte meines Lebens?
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich habe ein viermonatiges Kind. Ich habe meine Geschichte mit vielen Schwierigkeiten geschrieben. Denn jedes Mal, wenn ich mich daransetzte, weinte meine Tochter. Ich musste ihr dann Milch geben. Daher vergaß ich vielleicht an manchen Stellen einige Details. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich bitte Sie, meine Geschichte nicht zu übersehen und richtig zu übersetzen.
Ich schulde euch große Dankbarkeit und ich hoffe, dass ich eines Tages alles Gute, was ich von den Deutschen erfahren habe, zurückgeben kann.
Herzlichen Dank.
Übersetzung aus dem Farsi: Mohad Bashir
Emina Kamber: Aus dem Zyklus „Im Strudel des Krieges“. (Öl auf Leinwand)