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Vorwort

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Es war einmal eine Zeit, da gab es Hunger, Elend und Krieg. Sie entbahr der Hoffnung auf Zukunft. Menschen flohen vor Unterdrückung und drohendem Tod. Sie ließen ihre Freunde und die Familie zurück und hofften auf ein Wiedersehen in der Fremde. Die Heimat trugen sie im Herzen, als sie sich vor ihren Häschern versteckten, sich fremde Namen gaben und vor Angst nicht schlafen konnten.

Es war einmal eine Zeit, da kam das Lachen zurück und der helle Tag war endlich wieder nur ein heller Tag. Es war einmal, da schien alles vergessen. Der Hunger, das Elend und der Krieg wurden ein Märchen aus uralter Zeit.

Es war einmal eine Zeit, da reckte der Krieg wieder seine eiserne Hand nach den Menschen. Da fand der Hunger wieder Opfer und das Elend verdunkelte den hellen Tag. Die Gefängnisse waren überfüllt und die Friedhöfe auch. Das freie Wort starb und mit ihm die Hoffnung. In dieser Zeit kamen Flüchtlinge in hellen Scharen ins Land. Sie kamen auf durchlaufenen Sohlen, mit nichts als ihrem nackten Leben. Menschen gaben Menschen zu essen und ein Dach über dem Kopf. Denn diese hatten alles verloren: ihre Heimat, ihre Familie und ihre Vergangenheit. Sie waren Menschen ohne Pass, ohne Identifikation. Sie hatten Namen oder gaben sich solche, die keiner kannte und niemand verstand; hatten Berufe, die sie nicht mehr ausüben konnten; und die verzweifelte Aussicht auf eine neue Heimat, deren Sprache sie nicht sprachen.

Viele lernten, sich einzurichten. Aber unter ihnen waren Menschen, die von der Sprache lebten. Schriftsteller, Journalisten, Blogger - Menschen, die die Sprache für ihre Arbeit brauchten; Menschen, die Menschen brauchten, die ihre Sprache verstanden. Es waren einmal Menschen, denen die Flucht ihre Sprache raubte.

Es war einmal eine Idee. Eine Schriftstellerin und ein Schrift-steller wollten den fremden, geflüchteten Kolleginnen ihre Sprache wiedergeben. Sie spürten die Not, ohne Sprache zu sein. Ausgestoßen aus der Muttersprache, macht das Schreiben keinen Sinn. Wenn die geflüchteten Schriftstellerinnen also keine Leser und Leserinnen in ihrer Sprache mehr haben, warum ihnen nicht in der Fremde Gehör verschaffen? Warum nicht eine alte Tradition in der Literatur aufgreifen und ihre Texte übersetzen? Warum ihnen nicht auf diesem Wege ein neues Publikum erschließen.

Es-war-einmal ist immer ein Märchen, ein Raunen aus alter Zeit. Mit Gnomen, Hexen, Prinzen und Prinzessinnen. Und immer mit Zauber, Ränken und Wundern versehen. Meist haben Märchen ein gutes Ende. Eines mit „dann leben sie noch heute.“ Vielleicht kann die Anthologie dazu beitragen, dass die Autoren und Schriftstellerinnen nicht nur heute schreiben, sondern auch morgen und übermorgen.

Diese Sammlung von Texten zu Flucht, Migration, Integration versteht sich als erster Schritt, um den geflüchteten Kollegen ein Sprachrohr zu geben. Dabei haben sich die Herausgeber bemüht, den stilistischen und literarischen Eigenheiten der hier vertretenen Autorinnen und Autoren – mit ihrer fremden Muttersprache – gerecht zu werden. So ist ein Teil der Texte nicht übersetzt, sondern wurde in der neuen, gerade erst erworbenen, Sprache, dem Deutschen, geschrieben. Dass hier dann Momente entstehen, wie in dem Text von Hussam Al Zaher, in dem eine Deutsche fremd klingendes Deutsch spricht, entbehrt nicht einer gewissen Zwangsläufigkeit. Bewusst haben wir diese Besonderheiten nicht „verbessert“, sondern nur leicht korrigiert, denn diese Stellen demonstrieren auf eine besondere Weise die Schwierigkeiten, wie auch spannende Eigentümlichkeiten, mit denen Schriftsteller zu kämpfen haben, wenn sie das Land ihrer Muttersprache verlassen müssen.

Auch das Lektorieren der übersetzten Texte erforderte besonderes Feingefühl, sind doch Redewendungen meist nicht wörtlich in die andere Sprache zu übertragen, sondern nur sinngemäß. Dass wir die fremdsprachig verfassten Texte nicht nur in der deutschen Fassung in die Anthologie aufgenommen haben, sondern auch im Original ist der Überlegung geschuldet, auch Flüchtlinge, die das Deutsche noch nicht so beherrschen, als Leser zu gewinnen. Für manche politische Emigranten ist es außerdem eine Möglichkeit, mit dieser Veröffentlichung ihr heimisches Publikum zu erreichen. Das unterstützen wir gern. Außerdem gefällt den Herausgebern das gewisse Flair, das durch die Kontraste entsteht.

Wir haben aber nicht nur versucht, diesen sprachlichen Besonderheiten gerecht zu werden, sondern haben auch alle Ansichten und Meinungen der Geflüchteten ungeschmälert in die Anthologie übernommen und wiedergegeben. Diese Meinungen kennenzulernen und zu bedenken, hat einen Wert an sich, unabhängig davon, ob man jeden einzelnen Punkt teilt. Nicht jeder Leser wird sich beispielsweise bedingungslos der Ansicht anschließen, dass Damaskus die Mutter aller großen Städte ist. Aber wir verstehen sofort die übergroße Liebe des Flüchtlings zu seiner Vaterstadt, die er hinter sich lassen musste.

So stehen in dieser Anthologie auch Texte unterschiedlicher literarischer Qualität nebeneinander. Dies verstehen wir nicht als Manko, sondern als Gewinn, da so die ganze Bandbreite von Fluchterfahrungen aufgegriffen und wiedergegeben werden konnte.

In all den Phasen der Arbeit an der Anthologie „Fluchtpunkt Hamburg“ wurden wir von vielen Institutionen und Menschen guten Willens unterstützt. Ihnen gilt unser Dank. Ein besonderer Dank gilt den Übersetzern Uwe Friesel, David Richardson, Herrn Aalam, Ayman Lathkani, Bhaswati Chatterjee, Ezra Hamadeh, Ebaa Hamadah, Fahman Hussein, Mohad Bashir und allen voran Angelika Oppenheimer, die in der Anfangsphase selbst zur Tat schritt und uns mit Kontakten half.

Sven j. Olsson

(für die Herausgeber und Herausgeberinnen)


Der iranische Dichter Hani Navaseri hält Ausschau. (Foto: Hani Navaseri)

Fluchtpunkt Hamburg

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