Читать книгу Der Andere - Reiner W. Netthöfel - Страница 15

14.

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Magnus schlug die Augen auf und fühlte sich fremd. Das war nicht die kleine, stickige Kammer unter dem Dach, das war nicht das schmale Feldbett, das ihm die Bryants zur Verfügung gestellt hatten und das auch für zwei Personen keinen Platz geboten hätte. Er sah seine Schlafpartnerin an und ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit durchströmte ihn. Holly lag auf der Seite, zu ihm gewandt, und hatte die Hände unter ihren Kopf gelegt. Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Er war versucht, sie auf ihre kleine Nase zu küssen, ließ es aber. Vorerst. Denn er wusste, dass es einmal passieren würde. Aber nicht jetzt. Jetzt müsste er sich um Stefania kümmern und darum, dass sie ihrem Urgroßvater nicht zu viel, und vor allem nichts Falsches, also das Richtige, erzählte. Stefania, die irgend etwas in ihm geöffnet zu haben schien.

Will deckte den Frühstückstisch, als Magnus mit Steffi an der Hand in der Küche erschien.

„Ah, da seid ihr ja. Was habt ihr gestern getrieben? Als ich nach Hause kam, lagen die beiden Frauen schlafend im Wohnzimmer, die Flasche Whiskey halb leer.“, bemerkte er mit leichtem Vorwurf.

„Wir haben eine Entdeckung gemacht.“, trompetete Steffi fröhlich und abgesprochen. Will lächelte seine Urenkelin wohlwollend an.

„Eine Entdeckung? Und die hat dazu geführt, dass Mom und Grandma sich betrunken haben?“

„Genau.“ Wills Lächeln erstarb und er sah Magnus, der ihn angrinste, fragend an. Magnus grinste weiter, auch wenn er sich im klaren darüber war, dass das, was sie sich ausgedacht hatten, haarsträubend war. Und so bemühte er sich, die Information, die er Will nun sandte, klingen zu lassen, wie die Neuigkeit, dass die Erde rund sei und Wasser nass.

„Die Spermaprobe war anscheinend von meinem Vater.“, rief er frohen Mutes aus. Wills Mund klappte auf. Er zeigte mit einem Löffel auf Steffi und Magnus.

„Dann seid ihr Geschwister?“ Steffi nickte wie eine Wahnsinnige und Magnus hob einen Daumen, als hinter ihnen eine heisere Stimme ertönte.

„Aber …“ Magnus hatte sich noch nie so schnell umgedreht und sah Kyonna nun mit einer Mimik an, die diese erst erschrecken und dann einigermaßen verstehen ließ.

„Ach so.“, sammelte sich Kyonna. „Na klar. Sicher, so ist das.“, stammelte sie. „Ich habs ja immer gewusst.“

„Was hast du gewusst?“, nuschelte Holly, die ebenfalls die Treppe hinunter gekommen war. Jetzt wurde die Sache brenzlig. Magnus sprach betont langsam und eindringlich und sah Holly dabei intensiv an.

„Wir haben ja gestern herausgefunden, dass die Spermaprobe von meinem Vater ist und Steffi und ich somit Halbgeschwister sind.“ Hollys Blick war unbeschreiblich. Sie war sich sicher, dass das Ergebnis ihrer gestrigen Diskussion ein anderes gewesen war, hatte jedoch die Hoffnung, dass sie das nur geträumt hatte. Hatte sie dann auch geträumt, dass Magnus bei ihr geschlafen hatte? Diese Traumerlebnisse waren so intensiv gewesen … Sie war in Ohnmacht gefallen, als Magnus behauptet hatte, er sei zweitausend Jahre alt … Nein, das war kein Traum gewesen. Magnus sah sie an und wies mit seinem Blick zu Will, der, in Erwartung einer Reaktion seiner Enkelin, noch immer mit dem Löffel in der Hand am Küchentisch stand.

Jetzt verstand sie. Das war eine Geschichte für Will. Also hatte sie nicht geträumt. Leider. Sie setzte sich schweigend.

„Was sagst du dazu? Steffi hat einen Bruder.“, informierte sie Will.

„Ja, das ist schön.“, meinte sie mechanisch und goss sich Kaffee ein. Will schüttelte unwillig den Kopf. Das Kind war seit einiger Zeit anders als sonst. Begeistert von dem Familienzuwachs schienen die beiden Damen jedenfalls nicht gerade zu sein.

Etwas überraschend für alle erklärte Magnus im weiteren Verlauf des Frühstücks Überlegungen, mit seiner neuen Schwester und deren Mutter nach Hause fliegen zu wollen, um Stefania sein Heim zu zeigen, und das so schnell wie möglich. Magnus behagte es überhaupt nicht, den Alten mit seiner absurden Geschichte angelogen zu haben und fühlte, dass auch Will bald die ganze Wahrheit erfahren würde.

Zunächst aber brachte er sich, seine Tochter und Holly aus der Schusslinie.

Der Tag war mit Reisevorbereitungen zu Ende gegangen, wobei besonders Stefania sehr aufgeregt war, stand doch ihre erste Flugreise bevor. Die Kleine putzte sich heraus, bestand darauf, ihr Sonntagskleidchen anziehen zu dürfen und ihre Drahthaare besonders gewagt um das Köpfchen zu drapieren. Kyonna hingegen wirkte entspannt und ausgeglichen, ja, geradezu fröhlich für ihre Verhältnisse und raunte ihrem Exlover nur hin und wieder zu, die Sache zu bereinigen. Dieser konnte sich aussuchen, was sie meinte, doch glaubte er, dass er Holly endgültig überzeugen sollte und Will reinen Wein einschenken, damit Steffi ihn auch in Anwesenheit von Will ‚Daddy‘ nennen konnte.

Holly wirkte hingegen seltsam abwesend und gedankenschwer, was nun nicht wirklich überraschte nach dem, was man ihr in den letzten achtundvierzig Stunden zugemutet hatte.

Magnus hingegen schickte sich an, an seine Zukunft zu denken, in der nicht nur wie bisher ausschließlich er eine Rolle zu spielen hatte. Schließlich hatte er eine Tochter, und die wiederum eine Mutter, wozu dann auch eine Familie gehörte.

Der Andere

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