Читать книгу Kuiper und die verschwundene Millionärin - Reinhold Grundguth - Страница 16
Professor Schütz und sein Hase
Оглавление„Wirklich ganz vorzüglich, mein lieber Herr Kuiper“, sagte Arnold Schütz, nachdem er die ersten Bissen der Paella genossen hatte. Es klang ehrlich; offenbar hatte der Professor den Schock der letzten Begegnung mit Kuiper überwunden, als dieser ihn mit den Worten ‚heilig, heilig, heilig‘ abgefertigt hatte. „Stimmt‘s Hase?“
Der Hase entpuppte sich als eine graugesichtige, sehr zurückhaltende Person, zu der Kuiper ebenfalls keinen richtigen Draht fand. Sie war Angestellte in der Stadtbibliothek und schien sich weniger über Bücher als über moderne Ausleihe- und Rücknahmesysteme in Bibliotheken unterhalten zu wollen. Ein Thema, das nicht gerade weit oben auf Kuipers Agenda stand. Da widmete er sich fast schon lieber der unbefleckten Empfängnis Mariens.
„Nun, Herr Kuiper“, sagte Arnold Schütz und zog sein Professorengesicht auf, „was bedeutet Ihrer Meinung nach ‚unbefleckte Empfängnis‘ oder ‚immaculata conceptio‘, wie es auf Lateinisch heißt?“
Kuiper setzte schon zu einer flapsigen Antwort an, fing aber noch einen flehentlichen Blick seiner Frau auf und bemühte sich um eine sachliche Entgegnung.
„Jungfräuliche Geburt. Maria hat ein Kind bekommen, Jesus nämlich, aber sie war noch Jungfrau. Was ja nicht dem Normalfall entspricht.“
„Das, mein Guter, ist genau der populäre Irrtum, dem die meisten Menschen unterliegen, wenn es um dieses faszinierende Kirchendogma geht.“
Schütz lehnte sich zufrieden grinsend zurück, und Kuiper bedauerte schon, dass er vor dem Servieren der Versuchung widerstanden hatte, die Portion des Professors heimlich mit einem Löffel Rizinusöl anzureichern.
„Bin ich ja froh, dass ich wenigstens populär bin“, brummte er.
„Ja, so wie du denken viele“, schaltete sich Karin ein, die der aufkommenden Missstimmung etwas entgegen setzen wollte. „Das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Bei ‚unbefleckt’ denkt man eben meist direkt an ‚jungfräulich’. Dabei geht es um die Erbsünde, nicht wahr, Arnold?“
„In der Tat. Immaculata conceptio bedeutet, dass Maria, die Gottesmutter, bei der Zeugung durch Ihre Eltern von der Erbsünde....“
„.....die Sache mit Adam und Eva und diesem Apfel.....“
„.... kann man grob so sagen.... also, dass Maria von der Erbsünde ausgenommen wurde. Das hat folglich nichts mit Jungfräulichkeit zu tun.“
„Das wusste ich aber auch nicht“, warf der Hase ein.
„Schauen Sie, Herr Kuiper“, fuhr Schütz in seiner Lehrstunde fort, ohne auf den Beitrag seiner Frau einzugehen oder sie auch nur eines Blickes zu würdigen, „die Vorstellung, dass ein Mensch von einer Jungfrau geboren wird, gab es bereits in der vorchristlichen Zeit. Über Pythagoras wurde das erzählt, ebenso wie über Alexander den Großen. Die unbefleckte Empfängnis setzt daher einen anderen Akzent. Jesus konnte als Gottes Sohn nur absolut sündenfrei geboren werden. Daher musste seine Gebärerin, Maria, von Sünden frei sein.“
„So einfach geht‘s, wenn man sich alles mit Dogmen zurecht basteln kann“, sagte Kuiper.
„Sie müssen es nicht glauben, mein Lieber, aber sie sollten darüber Bescheid wissen.“
Karin schaltete sich wieder schnell in die Unterhaltung, da sie ihrem Mann ansah, dass dieser zu einer pampigen Replik ansetzte. Sie fragte den Hasen, ob in der Stadtbücherei viele Bücher abhanden kämen oder einfach nicht zurückgebracht wurden. Das Thema fand Kuiper leider noch weniger prickelnd als die unbefleckte Empfängnis, dennoch hielt er sich wacker, bis das Ehepaar Schütz sich gegen dreiundzwanzig Uhr mit vielen Dankesworten für die Einladung verabschiedete.
„Ich danke dir ebenfalls, mein tapferer Schatz“, sagte Karin, nachdem die Türe hinter den beiden Gästen in Schloss gefallen war.
„Bitte. Es ging ja so. Aber was findest du an diesem überheblichen Schwätzer? Hast du bemerkt, wie der seine Frau behandelt? Bei so einem Partner wird man zwangsläufig zur grauen Maus - oder man versetzt ihm einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten.“
„Um deine erste Frage zu beantworten: An Schütz als Mensch finde ich gar nichts. Er ist arrogant und verfügt über die Empathie einer Bahnschranke. Aber es ist in punkto Religionsgeschichte ein wandelndes Lexikon. Und teilt dieses Wissen gerne mit anderen. Nur auf dieser Ebene kann ich mit ihm auskommen. Aber das sehr gut. Und für‘s Herz habe ich dich.“
„Das hast du schön gesagt. Komm, lass uns schnell abräumen und dann ins Bett gehen. Wir müssen beide morgen früh raus.“