Читать книгу Kuiper und die verschwundene Millionärin - Reinhold Grundguth - Страница 9
1975 - Die Rückkehr
ОглавлениеAls er die Türe zu seiner Wohnung öffnete, hörte er das vertraute leise Schnarren auf der gegenüberliegenden Seite. Frau Müller hatte seine Ankunft mitbekommen, wie immer. Sie lag den ganzen Tag auf der Lauer. Wenn der Aufzug hielt, wenn Schritte auf dem Flur zu hören waren, bewegte sie den Schieber ihres Türspions, um sich zu überzeugen, dass er oder ein anderer Bewohner des vierzehnten Stockwerks die Geräusche verursachte - und nicht ein Einbrecher oder ein ungebetener Gast.
Er wusste, dass sie innerhalb der nächsten zehn Minuten bei ihm klingeln und ihn mit irgendeiner Belanglosigkeit behelligen würde. Hauptsache, sie fand wieder ein Opfer. Er seufzte, aber er würde sich auf das Spiel einlassen.
Er betrat seine Wohnung. Die Zimmer waren picobello aufgeräumt, Bad und Toilette glänzten, im Kühlschrank standen keine Lebensmittel mit abgelaufenem Verfallsdatum. Auf Ordnung legte er großen Wert; nichts war in seinen Augen schlimmer als die Rückkehr in eine schlampige Wohnung.
Er setzte sich auf die Couch an seinem Wohnzimmertisch und wartete. Tatsächlich klingelte es nach acht Minuten.
„Schön, dass Sie wieder zurück sind“, sagte Frau Müller und strahlte ihn an. „Wie war es in Brasilien?“
„Anstrengend“, sagte er. „Großer Zeitunterschied. Jetlag. Ich glaube, ich muss mich gleich hinlegen.“
„Natürlich. Entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es keine besonderen Vorfälle gibt.“
„Danke. Ich bin froh, dass Sie so gut Acht geben. Obwohl es bei mir nicht viel zu holen gibt.“
„Aber Sie müssten doch mit Ihrer Arbeit auf Montage gut verdienen. Ich weiß das - mein verstorbener Mann war auch immer für seine Firma unterwegs und hat viel verdient. Leider hat er alles versoffen und mit irgendwelchen Huren auf den Kopf gehauen. Für mich blieb da nicht viel übrig. Und meine Witwenrente reicht hinten und vorne nicht.“
Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. Frau Müller hielt es für ein Zeichen der Anteilnahme; er war jedoch lediglich genervt. Die Klagen kannte er zur Genüge, er hatte sie gefühlt zehntausend Mal vernommen.
„Hier in der Wohnung ist nicht viel, aber ich habe einiges gespart“, sagte er.
Er teilte ihr nicht mit, dass die so genannten Ersparnisse sich inzwischen zu einem hohen sechsstelligen Betrag addierten und auf einem Nummernkonto in der Schweiz lagen.
„Ist alles für meine Altersvorsorge“, fügte er hinzu.
„Dann fangen Sie ja sehr früh an. Sie sind doch noch so jung“, sagte Frau Müller kokett. „Was soll ich denn mit meinen fünfundfünfzig Lenzen sagen?“
„Man kann nicht früh genug anfangen. Mit fünfzig möchte ich aufhören. Der Job schlaucht mich doch sehr. Das merke ich ganz besonders, wenn ich von einer Reise zurückkehre.“
Frau Müller verstand den Wink.
„Na, dann will ich Sie nicht länger stören.“
„Danke, Frau Müller“
Er schloss erleichtert die Türe hinter ihr.
„Lästige alte Kuh“, murmelte er. Eigentlich hatte er sich für diese anonyme Hochhaussiedlung im Bremer Norden entschieden, um seine Ruhe zu haben. Der hässliche Betonklotz mit seinen sechzig Wohnungen eignete sich hierfür im Prinzip hervorragend. Viele Zu- und Wegzüge bei insgesamt überraschend wenigen Fällen von Vandalismus und Kriminalität. Wenn nur diese Frau Müller nicht wäre, die ihm regelmäßig auf die Nerven ging. Andererseits war es vielleicht nicht schlecht, einen so guten Wachhund auf der gegenüber liegenden Seite des Flures zu haben.
Seine Tarnung als biederer Montagearbeiter, der seine bescheidene Wohnung nur für wenige Monate im Jahr aufsuchte, hatte sie ihm jedenfalls bisher abgenommen. Sie hatte keine Ahnung von seinem Zweitleben in teuren Hotels und Appartements mit Escortservice und allem, was sein Herz begehrte. Finanziell unterfüttert durch die Zuwendungen, die er mit seinen Spezialaufträgen verdiente. Es wurden zusehends mehr. Sein Ruf sprach sich in einschlägigen Kreisen herum, inzwischen konnte er frei entscheiden, welche Aufträge er annahm und welche er ablehnte. Der letzte Auftrag hatte ihm glatte vierzigtausend D-Mark eingebracht. Ein üppiges, aber, wie er fand, angemessenes Honorar.
Er war in der Tat müde. Mit Brasilien und dem Jetlag hatte dies jedoch nicht das Geringste zu tun. Der sechsstellig entlohnte Auftrag hatte ihm einiges an Konzentration und auch körperlichem Einsatz abverlangt.
Ohne sich umzuziehen legte er sich auf sein Bett und schlief sofort ein.