Читать книгу Notaph - Reinhold Zobel - Страница 17
Kapitel 15
ОглавлениеEr schaltet das TV ein.
Gerade läuft die Wettervorhersage, auf CNN, moderiert von einem jungen Mädchen mit fernöstlichen Gesichtszügen. Wie sie wohl nackt aussehen mag, denkt Marc und öffnet die Bierflasche. Er trinkt einen Schluck, stellt die Flasche am Boden ab und legt die Beine hoch. Er klemmt sich die Kopfhörer seines betagten Musik-Players an die Ohren, streckt sich danach ganz aus auf dem knarrenden Hotelbett, verschränkt die Hände im Nacken und starrt minutenlang an die Wand. Dort hockt etwas. Er kann es nicht genau erkennen. Wahrscheinlich eine Stechmücke. Oder ist es sein noch unerschlossenes Ich?
Er besitzt jetzt ein wenig Geld. Er hat das Geschenk versetzt. Dem Mann im Leihhaus fiel, als er den Ring in Augenschein nahm, ein Blick aus der Gesichtsmaske, der Marc vermuten ließ, dass das Teil von einigem Wert sein müsste. Er ist entschlossen, den Schmuck eines Tages wieder einzulösen. Ich bin es meiner Tante schuldig, denkt er. Und nicht allein das. Er könnte eines Tages gut zu meinem Wegbegleiter, zu meinem Talisman werden. Er passt zu mir, sagt er sich, ich spüre das… Ja, nicht einmal gegen die Schätze eines Maharadscha werde ich ihn eintauschen wollen… Doch für den Moment muss das gute Stück zu seinem Bedauern im Leihhaus zwischengeparkt werden.
Er ist nun also in Frankfurt. Zuletzt hat ein LKW-Fahrer ihn mitgenommen. Es ist mitunter mühselig, per Anhalter zu reisen. Für diese Strecke hat er fast den ganzen Tag und drei Fahrer benötigt. Zwischendrin gab es als unerwünschten Reisegefährten den einen oder anderen kräftigen Regenschauer. Zauberhaft!
Er ist in einer billigen Pension in Bahnhofsnähe abgestiegen, weil er plötzlich den Wunsch nach einer Dusche verspürte und weil er sich ausruhen wollte. Von morgen an kommen die Klöster an die Reihe. Er hat sich schon informiert - in einem Internet-Café - wie er seine Nadeln auf der Landkarte stecken muss. Seine nächsten Ziele lauten: Wien, Budapest, Rom.
Momentan schätzt er das Alleinsein. Er sieht sich im Grunde ohnehin als Einzelgänger, wenngleich, so ihn danach verlangte, in der Regel stets genügend Freunde, Bekannte, Menschen um ihn herum gewesen sind. Er spürt, dass die düsteren Stimmungen der vergangenen Wochen sich verflüchtigt haben. Vielleicht bringen das die vielen neuen Eindrücke mit sich. Wenngleich diese sich, von Ausnahmen abgesehen, nicht immer als hochglanzfähig erwiesen haben. Oder es liegt an den Erwartungen, die die Reiselust in seinem Kopf erzeugt? Mag sein, dass es weitere Gründe gibt. Er hat nicht selten galoppierende Stimmungswechsel, und sie kommen vorzugsweise en passant.
Er will Spaß haben an diesem Abend. Eine Prise Nachtleben. Eine Runde Abtanzen in irgendeiner Disco. Aber es ist noch zu früh, um auszugehen. Er trinkt den Rest Bier aus und wirft die Flasche in den Müll. Anschließend genehmigt er sich ein Porno-Video auf einem Pay-TV Kanal, masturbiert dazu. Im Bad wäscht er sich kurz, öffnet dann seinen Rucksack, nimmt ein frisches Hemd heraus. Er pfeift vor sich hin. Er ist in bester Weggehlaune. Ein Blick aus dem Fenster zeigt ihm, dass es aufgehört hat zu regnen.
Eine knappe Stunde später verlässt er die Pension. Seine Schritte federn auf dem Bürgersteig. Die Nacht glitzert. Schneeluft. Es ist kalt. Das Wetter scheint umzuschlagen. Ein unerwartetes Hochgefühl schießt durch seine Venen, strafft seine Nervenstränge. Er ist sich plötzlich sicher. Irgendwo auf diesem Erdkreis wartet eine Handvoll Glück auf ihn.