Читать книгу Die Verbrechen der Medizin. Nicht erst seit „Corona“ (Teilband 1) - Richard A. Huthmacher - Страница 68
Оглавление30 Millionen Einwohnern komme man also auf ´mindestens 180.000´ Schwindsüchtige. Daß Kochs Veröffentlichung zudem zeitgleich mit überaus positiven Erfahrungsberichten seiner Vertrauten erfolgte, diente also, schreibt Gradmann, ´ebenso sehr der Prüfung wie der Propaganda des Mittels´.
Skeptische Beobachtungen wie die der Nebenabteilung für innerlich Kranke an der Charité, die das Tuberkulin ebenfalls seit September an Patienten erprobt hatte, fanden keinen Eingang in das begehrte Sonderheft. Stattdessen inszenierte der berühmte Chirurg Ernst von Bergmann 183 184 185 186 187 auf Betreiben Kochs in Anwesenheit hochrangiger staatlicher Prominenz öffentlich eine Demonstration von Tuberkulininjektion an Kranken. Fortan häuften sich in der Fachpresse Berichte über zuvor undenkbare Heilungen. Die internationale Tagespresse erging sich in täglichen Hymnen über das ´Kochsche Heilverfahren´.
Die New York Sun beschreibt eine Szene in Berlin, in der Robert Koch stolz ein Fläschchen Tuberkulin als Heilmittel hochhält und ausruft: ´Ich glaube, ich habe es hier drin´ … Erst langsam mischten sich kritische Stimmen in die blinde Euphorie. Im britischen Lancet distanzierte sich schon Mitte November ein hellsichtiger Korrespondent von der Massenhysterie … Es sei ´klüger, die praktischen Resultate abzuwarten´...
Genau die sahen schon damals nicht günstig aus. Fieberschübe hielten manchmal länger an als erwartet, was mitunter den Tod der Patienten bedeutete. Bei Kranken standen Dauer und Schnelligkeit der Tuberkulinreaktion in keinem Verhältnis zu Stärke oder Ausbreitung des tuberkulösen Prozesses. Selbst Gesunde zeigten heftige Tuberkulinreaktionen … Als dann ab Anfang Januar Rückfälle selbst bei den wenigen Patienten auftraten, auf die sich bisher der Ruhm des Mittels gründete, übte der berühmte Pathologe Rudolf Virchow 188 erste vernichtende Kritik.
Die Autorität Virchow wies nach, daß sich bei Leichen frische Tuberkel an der Injektionsstelle nachweisen ließen, was Kochs Geheimmittel nicht nur als unwirksam auswies, sondern sogar fürchten ließ, daß Tuberkulin den schwelenden Krankheitsprozeß anheizen konnte. Eine Woche nach diesem Donnerschlag sah sich Koch widerwillig genötigt, sein Geheimrezept offenzulegen. Er verstärkte damit die Enttäuschung, der innovative Zauber der Medizin verflog, weil es sich bei dem Kochschen Heilmittel lediglich um ein wenig definiertes Extrakt aus Tuberkeln handelte …
Böse Zungen behaupteten nun sogar, der Verdacht liege nahe, daß man insbesondere leichte Fälle, die sonst gar nicht als behandlungsbedürftig eingestuft worden wären, ´geheilt´ habe.“