Читать книгу Die Teufelsbibel-Trilogie - Richard Dübell - Страница 40

16.

Оглавление

Der Mann sah aus wie Bischof Melchiors um vieles älterer Bruder; aber Cyprian kannte alle seine Onkel und wusste, dass der hagere Melchior nicht symptomatisch für das Erscheinungsbild der Männer der Familie Khlesl war, und so war ihm klar, dass die Ähnlichkeit der beiden Männer in der Arbeitsstube des Bischofs weniger genetischer, sondern vielmehr seelischer Natur sein musste. Der Besucher war vielleicht noch ein wenig schmaler als Bischof Khlesl, und Schnauz- und Kinnbart zogen sein Gesicht noch mehr in die Länge. Er trug zerschlissene Reisekleidung. Der Bischof blickte auf, musterte Cyprian und hob eine Augenbraue. Cyprian registrierte eine weitere Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern: ihre Gesichter waren grau, als versuchten sie einen Schock zu überwinden.

Cyprian schob die Pergamentrollen auf dem Arbeitstisch seines Onkels zur Seite und setzte sich halb auf die Tischplatte. Die Blicke des Besuchers gingen von Cyprian zu Melchior Khlesl und zurück.

„Mein Neffe ist vertrauenswürdig“, sagte der Bischof auf Latein. Cyprian verbarg seine Überraschung, aber die Sprache war ihm so geläufig wie seine eigene.

„Wie viel weiß er?“, fragte der Besucher, ebenfalls auf Latein.

„Alles, was ich selbst weiß.“

Es war klar, dass es nur um ein Thema gehen konnte. Melchior Khlesls weltliches Trachten kannte zwei Projekte: das Buch, das er das Vermächtnis des Bösen nannte, und die Krönung eines Mannes zum Kaiser, der besser als der derzeitige Amtsinhaber geeignet schien, den drohenden Zerfall der Christenheit abzuwenden. Was das zweite Projekt betraf, so spielte Cyprian darin keinerlei Rolle.

„Mein Großvater“, sagte Cyprian, „Bischof Melchiors und meines Vaters Vater – war Bäckermeister. Wir waren Protestanten. Mein Großvater hatte die Erlaubnis beantragt, den zum Tod verurteilten Protestanten eine letzte Mahlzeit stiften zu dürfen. Bischof Melchior als zweiter Sohn hatte den Auftrag, das Brot in das Malefizspitzbubenhaus zu bringen, wenn eine Hinrichtung bevorstand.“

„Ich war damals dreizehn Jahre alt“, sagte Melchior Khlesl. „Ich habe einige Dinge gesehen, die ich lieber nicht gesehen hätte. Wenn sich damals ein Jesuitenpater nicht meiner angenommen und mir erklärt hätte, dass all das Leid nötig war, um Seelen zu retten, wer weiß, was aus mir geworden wäre. Dieser Pater ist jetzt Rektor des Wiener Hauses der Societas Iesu. Er ist nicht mehr der Mann, der er war. Wenn ich ihm heute begegnen würde, würden mich keine zehn Pferde dazu bringen, zum wahren Glauben überzutreten.“

Beide Männer sahen Cyprian an. Dieser begriff, dass es eine Probe war, der man ihn unterzog, und dass sein Onkel diese Probe für unnötig hielt.

„Der Pater war damals gerade geweiht worden und hatte die ersten Prozesse gegen Ketzer in Gang gebracht. Er hatte auch das Todesurteil gegen einen alten Narren erwirkt, der als Alchimist aufgetreten war und die Familie eines Kaufmanns mit einem selbstgebrauten Lebenselixier versehentlich vergiftet hatte. Der Alte bat meinen Onkel am Abend seiner Verurteilung, bei ihm zu bleiben und ihm zu helfen, sich auf seine letzten Tage vorzubereiten …“

„… und er erzählte mir eine ganz und gar erstaunliche Geschichte über ein Buch“, vollendete Melchior Khlesl.

„Wie passt du ins Bild …?“, fragte Cyprian den Besucher. „… Eminenz?“

Der Besucher kniff die Augen zusammen und ermaß Cyprian. Cyprian blieb gelassen auf dem Tisch seines Onkels sitzen. Er deutete auf seinen eigenen rechten Mittelfinger. Der Besucher wandte den Blick ab und betrachtete den Ring mit dem violetten Stein, der auf seinem Mittelfinger prangte.

„Den hast du wohl abzunehmen vergessen, Eminenz“, sagte Cyprian.

Melchior Khlesl lächelte. „Cyprian, das ist Giovanni Antonio Facchinetti, Kardinal von Santissimi Quattro Coronati“, sagte er. „Wir teilen uns ein Lebensziel – das Testament des Teufels aus der Welt zu schaffen.“

Kardinal Facchinetti gab sich einen sichtlichen Ruck.

„Ich vertraue dir, mein Sohn“, sagte er. „Ich vertraue dir, weil mein Freund Melchior dir vertraut. Ansonsten habe ich wenig Grund, in dieser ganzen Sache überhaupt jemandem zu vertrauen. Ist dir klar, wonach wir suchen und mit welchen Kräften wir uns anlegen?“

„Das Böse, verkleidet als Gutes. Die Macht der Vernichtung, verkleidet als die Kraft des Wissens. Das Wort Luzifers. Die Bibel des Teufels.“ Cyprian schnaubte. „Ein paar Ameisen machten sich auf, den Elefanten zu Fall zu bringen.“

„Einen sehr großen Elefanten“, sagte Kardinal Facchinetti, ohne zu lächeln. „Wir sprechen von einem Wissen, das es schon gegeben hat, als die Erde wüst und leer war; wir sprechen von den Worten, die die Schlange sprach, als sie Eva dazu verführte, den Apfel zu nehmen. Wir sprechen von dem Wissen, das die Ägypter dazu verführte, ihre Pharaonen neben Gott zu setzen; vom Sechsten und Siebten Buch Moses. Diese Worte versuchen stets in neuer Form, in die Welt zu kommen und die Menschheit zu verderben. Als die christlichen Missionare begannen, heidnische Kultstätten zu zerstören, taten die Besten unter ihnen dies nicht aus Fanatismus, sondern weil sie hofften, damit vielleicht aus Zufall die Teufelsbibel zu vernichten. Verstehst du, mein Sohn: dieses Wissen allein ist völlig machtlos; aber es hat die Eigenschaft, sich einen schwachen Menschen zu suchen, der es anzuwenden versucht, und da es zuallererst Macht verleiht, wird aus dem schwachen ein mächtiger Mensch; es überwältigt den, der es zu beherrschen glaubt, und narrt den, der glaubt, es zum Guten anwenden zu können. Der Teufel hat schon immer die Mitarbeit der Menschen gebraucht, um seine Saat zu säen, und mit dem, was wir sein Vermächtnis nennen, ist ihm der größte Schlag gelungen. In allen Werken des Satans riecht man den Schwefel und sieht man den Bocksfuß – in seinem Testament dagegen erkennt man auf den ersten Blick nur den hehren Glanz des Wissens.“

„Es gibt die Geschichte von Prometheus …“, sagte Cyprian.

Kardinal Facchinetti machte das Kreuzzeichen. „Natürlich gibt es die!“, sagte er dann. „Was glaubst du, was ihre Wurzeln sind? Aber tatsächlich darf Wissen niemals ein Geschenk sein, verstehst du das nicht? Ich bin sicher, Gott hat gewollt, dass seine Geschöpfe nach und nach an seiner Weisheit teilhaben, aber wir müssen es uns erarbeiten. Wir dürfen es nur dann haben, wenn wir dazu reif sind. Das ist es doch, was das Vermächtnis des Teufels zu einem solchen Gift macht – dass wir es als Geschenk empfinden und glauben, es zum Guten anwenden zu können, während es uns nur zerstören wird!“

„Ich frage mich, warum man das Buch nicht vernichtet hat, gleich als es geschrieben war.“

Kardinal Facchinetti lachte freudlos. „Weil es in seiner Natur liegt, dass man seinen Einfluss nicht sofort erkennt. In der ersten Zeit durfte man es sogar studieren. Kaiser Friedrich von Hohenstaufen war einer der eifrigsten Studenten – was glaubst du, warum man ihn das 'Staunen der Welt' nannte? Er war es allerdings auch, dem klar wurde, was es anrichten konnte. Man weiß mittlerweile, dass er überlegte, es zerstören zu lassen. Ich glaube, er hätte die Macht dazu besessen; viele glaubten damals und glauben noch heute, dass er einer der wenigen Auserwählten war, die die Krone des Heiligen Römischen Reichs trugen.“

„Warum hat er’s nicht getan?“

„Weil auch er nur ein Mensch war und weil die Macht des Teufels so stark ist! Er brachte es nicht übers Herz! Trotz all seiner Weisheit betrachtete auch er das Werk als ein Geschenk an die Menschheit. Du weißt, dass der eigentliche Codex verschlüsselt worden ist?“

Cyprian nickte.

„Kaiser Friedrich ließ eine Kopie davon anfertigen, in der der Schlüssel zum Code fehlte, um das Wissen zu erhalten und gleichzeitig vor Entdeckung zu sichern. Diese Kopie kam ins Kloster nach Brevnov – das ist bei Prag –, weil der Mönch, der seinerzeit dazu verführt worden war, die Teufelsbibel zu schreiben, ursprünglich aus diesem Kloster stammte.“

„Verführt!“, sagte Cyprian. „Dem Burschen ist eine alte römische Version in die Hände gefallen – hier in Wien, in einem alten, fast zerstörten heidnischen Heiligtum! Er hat sie nur übersetzt.“

„Das ist meine höchstpersönliche Theorie“, sagte Melchior Khlesl und zuckte mit den Schultern.

„Verführung geschieht auf viele Weisen“, sagte Kardinal Facchinetti.

„Was ist aus der Kopie geworden?“, fragte Cyprian, dem diese Variante der Geschichte neu war. „Ist sie noch in Brevnov?“

„Die eigentliche Frage sollte lauten: was ist aus dem Original geworden?“

Cyprian spielte das Spiel mit. „Was ist aus dem Original geworden?“

Der Kardinal und der Bischof sahen sich an.

„Schwörst du bei allem, was dir heilig ist, das Geheimnis zu bewahren?“

„Eminenz“, sagte Cyprian gelassen, „so weit, wie ich schon drinstecke, ist es fast unerheblich, wenn ich noch mehr weiß. Außerdem ist das heute das letzte Mal, dass ich mich mit dieser Sache befasse. Mein Onkel hat mir auf meinen Wunsch den Abschied gegeben. Vertrau mir also oder vertrau mir nicht – ein Schwur ist dazu nicht nötig.“

„Eine der ersten Aufgaben jedes neuen Papstes ist es, die versiegelten Nachrichten zu lesen, die sein Vorgänger ihm hinterlässt. Darin geht es um all die Geheimnisse des Vatikans, die außer dem Heiligen Vater keiner wissen darf, und um all die Dokumente im Geheimen Archiv, die niemand jemals lesen darf. Eines der Geheimnisse – die anderen kenne ich nicht – betrifft die Teufelsbibel. In den Dokumenten heißt es, die oberste Pflicht des Heiligen Vaters bestehe darin, das Buch im Geheimen Archiv unter Verschluss zu halten und niemandem einen Blick hinein zu gestatten; einschließlich sich selbst.“ Facchinetti nahm seine Kopfbedeckung ab und fuhr sich durch das Haar. Er seufzte. „Dutzende von Päpsten haben sich daran gehalten.“

„Bis auf einen“, sagte Cyprian.

„Bis auf einen“, bestätigte Kardinal Facchinetti. „Giovanni Battista Kardinal Castagna, Großinquisitor des Heiligen Offiziums. Papst Urban VII. Er dachte, er sei der auserwählte Mann, um die Spaltung der Christenheit zu beenden. Er dachte, das Werkzeug, das für seine Aufgabe bereitgehalten würde, sei die Teufelsbibel. Er war sicher, dass er sie zum Guten würde einsetzen können.“

„Papst Urban ist voriges Jahr gestorben“, bemerkte Cyprian.

„Er hat die Kopie gefunden“, sagte Facchinetti.

Cyprian wechselte einen Blick mit seinem Onkel. Er sah in ein eingefallenes Gesicht, in dem sich mühsam eine Augenbraue hob.

„Was ist aus dem Original geworden?“, fragte Cyprian.

Der Kardinal und der Bischof sahen sich an. Sie zuckten mit den Schultern.

„Du willst mir erzählen, man hat die ganze Zeit über geglaubt, das Original befände sich sicher verwahrt im Geheimarchiv im Vatikan, und dabei war es nur die Kopie, die Kaiser Friedrich vor vierhundert Jahren hat anfertigen lassen?“, zischte Cyprian. „Und dass ein paar hochrangige Aasgeier in der Kirche davon Wind bekommen und sich gesagt haben: was der Papst kann, können wir auch? Dass Kardinal Facchinetti eigentlich zu diesem Kreis gehört, aber kalte Füße bekommen hat, weil ihm klar geworden ist, dass seine Kumpane die Teufelsbibel nicht vernichten, sondern für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen?“

Bischof Khlesl warf einen Blick über die Schulter zu seinem Arbeitstisch, an dem Kardinal Facchinetti hockte und in eigene Gedanken vertieft schien. Für Cyprian sah der Mann aus, als würde er in den Tod hinüberdämmern. Der Kardinal hatte keinen Einspruch erhoben, als Cyprian seinen Onkel auf ein Wort unter vier Augen gebeten hatte.

„Was ist mit ihm los?“, fragte Cyprian. „Erzähl mir nicht, die Reise aus Rom hätte ihm so zugesetzt. Du siehst auch nicht besser aus, und du hast dich seit Tagen nicht aus deinem Arbeitszimmer herausbewegt. Wozu ist er überhaupt hier?“

„Er hat mich um Hilfe gebeten.“

„Warum dich?“

„Weil er die Spur der Teufelsbibel bis hierher nach Wien verfolgt hat. So wie auch ich.“

„Und was will er von dir?“

„Eminenz?“, fragte Bischof Khlesl und wandte sich ab.

Cyprian packte seinen Onkel am Arm. „Was habt ihr beide mir noch nicht erzählt? Was soll ich nicht wissen?“

Melchior Khlesl nahm Cyprians Hand und löste sie von seinem Ärmel. Cyprian war bestürzt über die Kälte seiner Finger.

„Giovanni?“

Kardinal Facchinetti blickte auf. Bischof Melchior nickte. Der Kardinal atmete tief ein und ganz langsam aus. Sein Brustkorb fiel in sich zusammen.

„Von Spanien aus wurde ein Mann losgeschickt“, sagte er kaum hörbar. „Pater Xavier Espinosa. Ein Dominikaner. Er hat alle Freiheiten, die er braucht, um das Buch des Teufels zu finden und zurückzubringen. Wenn ich sage alle Freiheiten, dann meine ich alle. Man hat ihm schon im Voraus die Absolution erteilt. Ich habe vor Prag seine Spur verloren.“

Cyprian starrte ihn an. „Du hast ihn beschatten lassen?“

„Mein Spitzel ist spurlos verschwunden. Ich fürchte, er hat ihn entdeckt und beseitigt.“

„Du willst, dass ich diese Aufgabe übernehme?“

„Ich will nur verhindern, dass die Teufelsbibel gefunden wird und in die falschen Hände gerät. Wenn mir jemand sagen würde, sie sei in Flammen aufgegangen, würde ich meine Seele dafür geben. Dein Onkel hat dich vorgeschlagen.“

„Warum kümmerst du dich nicht selbst darum? Hier in Wien oder in Prag – du bist ein Kardinal! Du kannst die klügsten Köpfe hinter jeder Klostermauer haben, wenn du willst.“

Facchinetti und Khlesl wechselten einen erneuten Blick. Bischof Melchior nickte ein zweites Mal.

„Ich muss nach Rom“, sagte Kardinal Facchinetti. „Ich bin heute Morgen hier angekommen und reise morgen früh wieder ab.“

„Was denn“, sagte Cyprian und schaffte es nicht, den Zynismus aus seiner Stimme zu verbannen, obwohl er versuchte, so ausdruckslos wie möglich zu sprechen, „liegt Papst Gregor auch schon im Sterben?“ Er bedauerte es, kaum dass er es gesagt hatte.

„Ja“, sagte Melchior Khlesl einfach.

Cyprians Augen verengten sich.

„Es wird ein neues Konklave geben“, flüsterte Kardinal Facchinetti. „Ich möchte, dass du weißt, dass Papst Gregor und ich persönliche Freunde sind. Ich habe ihn nicht in die wahren Vorgänge um die Teufelsbibel eingeweiht, weil ich nicht gewagt habe, ihn hineinzuziehen. Vielleicht habe ich ihn deswegen auf dem Gewissen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich niemals rechtzeitig in Rom ankommen werde, um mich von ihm zu verabschieden und ihn um Verzeihung zu bitten.“

„Ich steige aus der Sache aus“, sagte Cyprian. Er sah seinen Onkel an. „Mir war es ernst, als wir das letzte Mal darüber gesprochen haben.“

„Ich habe Nachforschungen über Agnes angestellt“, sagte Bischof Melchior. „Niklas Wiegant hat gelogen.“

„Er hat ihr nichts über ihre Herkunft erzählt, weil er sie damit nicht belasten wollte – oder weil er die heile Welt seiner Familie aufrechterhalten wollte, was weiß ich. Spielt doch keine Rolle.“

„Nein, er hat gelogen, was ihre Herkunft betrifft.“

Cyprian brauchte nur einen Augenblick, um die Neuigkeit zu verarbeiten. „Und wenn? Soll sie doch sein Bastard sein! Ich würde sie lieben, selbst wenn Niklas sie mit einer Hure gezeugt und ihre Mutter sie in der Gosse geboren hätte.“

„Was durchaus möglich ist.“

Cyprian holte Atem und schluckte die Wut hinunter, die plötzlich in seiner Kehle saß. „Erklär dich genauer, Onkel“, sagte er heiser.

„Ich habe alle Findelhäuser in Wien überprüfen lassen …“

„Warum? Wozu hast du das getan?“

„… und ich kann mit Sicherheit sagen, dass niemals in diesem Leben ein Niklas Wiegant ein kleines Mädchen aus einem Findelhaus in Wien geholt hat.“

Cyprian schwieg. Er sah zu Kardinal Facchinetti hinüber, aber der Blick des alten Mannes war voller Mitleid, und Mitleid war das Letzte, das Cyprian jetzt zu sehen wünschte. Ihm wurde klar, dass Melchior den Kardinal in seine Rechercheergebnisse bezüglich Agnes eingeweiht hatte. Er versuchte, Zorn auf seinen Onkel zu empfinden, doch die dunkle Ahnung, die sich auf ihn senkte, machte Zorn unmöglich. Cyprian riss seinen Blick los.

„Es muss eine Urkunde in Niklas’ Kirchsprengel geben …“

„Die gibt es. Niklas Wiegant hat sie unterzeichnet. Sie ist eine Lüge. Niklas’ Zeuge, um diese Lüge zur Wahrheit werden zu lassen, war sein Geschäftspartner Sebastian Wilfing.“

„Hol ihn der Teufel“, wisperte Cyprian.

„Der wird uns alle holen“, murmelte Bischof Melchior.

„Das ist doch nicht alles, was du herausgefunden hast!“

„Ich habe nachgesehen, wo Niklas Wiegant gewesen ist, bevor er nach Hause zurückkehrte mit einem Kind im Arm, das nicht ihm gehörte.“

„In Prag“, sagte Cyprian. „Du würdest mir das alles nicht erzählen, wenn er nicht in Prag gewesen wäre.“

„Agnes Wiegant umgibt ein Geheimnis“, sagte der Bischof. „Ich kann es nicht lösen, aber ich bin sicher, dass es kein Zufall ist, dass Niklas Wiegant aus Prag mit einem Kind heimgekommen ist und für das Mädchen einen Meineid schwört ausgerechnet in der Zeit, in der die Teufelsbibel wieder unter die Menschen zu kommen droht.“

„Und wenn ich in Prag einen Hinweis darauf finde, wer Agnes wirklich ist, habe ich vielleicht die Möglichkeit, ihre Hochzeit mit Sebastian Wilfings Sohn zu verhindern, willst du mir das sagen? Mit dem Sohn des Mannes, der Niklas’ Meineid mitgeschworen hat!“

„Wenn du hier bleibst, mein Sohn, hast du gar keine Chance“, sagte der alte Kardinal.

Cyprians Kopf ruckte herum. Er hatte eine Erwiderung auf der Zunge, doch das Gesicht des Kardinals ließ ihn verstummen. Der alte Kardinal lächelte, obwohl sich über seine Wangen zwei Tränenspuren zogen. „Du kannst vielleicht nicht verhindern, dass die Frau, die du liebst, einem anderen gehören wird; aber du kannst verhindern, dass du dir als alter Mann vorwirfst, die Gelegenheit verpasst zu haben, das Richtige zu tun.“

„So wie du“, sagte Cyprian. „So wie du diese letzte Jagd auf dich nimmst, weil du glaubst, Papst Gregor würde nicht im Sterben liegen, wenn du ihn eingeweiht hättest; weil du glaubst, dass deine Verschwörerfreunde für seinen Tod verantwortlich sind und die Schuld dich damit auch trifft.“

„Wir haben alle einen Grund für das, was wir tun“, sagte Kardinal Facchinetti. „Dein Onkel hat zugesehen, wie der Mann, der ihn vor dem Untergang bewahrt hat, selbst untergegangen ist in Hass und Fanatismus, und er will verhindern, dass die ganze Welt darin untergeht, wenn das Wort des Teufels erst einmal erkannt wird.“

„Die Welt ist mir im Augenblick scheißegal“, sagte Cyprian.

„Es sind nicht die schlechtesten Dinge, die wir aus Liebe tun.“ Kardinal Facchinetti lächelte flüchtig.

Cyprian musterte die beiden alten Männer. Bischof Melchiors Gesicht war unbewegt und vollkommen unlesbar. Darin war er ebenso gut wie Cyprian selbst. Cyprian fühlte, wie sich in ihm etwas auflehnte und zornig schrie: Da siehst du, wie du manipuliert worden bist! Wenn es darauf ankommt, sind sie alle gleich! Er wusste, dass er seinem Onkel unrecht tat, doch die Wut wurde davon nicht geringer.

„Ich stelle die Frage nur der Vollständigkeit halber“, sagte Cyprian. „Natürlich hat schon jemand überprüft, ob das Original der Teufelsbibel nicht vielleicht doch in Brevnov liegt, und der Prior benutzt es, um die Zugluft aus seiner Zelle fernzuhalten?“

Der Kardinal und der Bischof sahen ihn stumm an. Cyprian zuckte aufgebracht mit den Schultern.

„Cyprian“, erklärte der Bischof, „Kein Mensch auf der Welt hat auch nur die leiseste Ahnung, wo genau sich das Vermächtnis des Bösen verbirgt. Wir wissen nur eines …“

„… es kann jederzeit gefunden werden“, sagte Kardinal Facchinetti.

Die Teufelsbibel-Trilogie

Подняться наверх