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1. Allgemeine Grundsätze

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Die Konvention geht davon aus, dass eine vollständige Wiedergutmachung des festgestellten Konventionsverstoßes (restitutio in integrum) häufig nicht (mehr) möglich ist. Gestattet das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaates nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen der Verletzung oder ist eine restitutio in integrum zwar möglich, vom Staat aber bisher nicht in die Wege geleitet worden, so kann der EGMR dem Bf. eine angemessene Entschädigung als Ausgleich für erlittene materielle und immaterielle Schäden zusprechen (Art. 41 EMRK)[40], die vom verurteilten Vertragsstaat zu leisten ist.[41] Bei Individualbeschwerden erkennt der Gerichtshof regelmäßig – aber nicht automatisch – auf eine Entschädigung, auch dann, wenn der Bf. auf nationaler Ebene eine Entschädigung verlangen könnte (eine Wiedergutmachung nach nationalem Recht also möglich ist), ihm deren Durchsetzung aber nicht zumutbar ist (Dauer; zweifelhafte Erfolgsaussicht).

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Die Entschädigung i.S.v. Art. 41 EMRK umfasst

den materiellen Schaden (pecuniary damage)
den immateriellen Schaden (non-pecuniary damage)
den Ersatz der Kosten und Auslagen für die Rechtsverfolgung vor den nationalen Gerichten und vor dem EGMR, insbesondere die Gebühren für Rechtsanwälte (costs and expenses).

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Zu den Einzelheiten siehe Practice Direction – Just Satisfaction Claims (PD-JS; Stand: 14.11.2016). Voraussetzung für alle Posten ist, dass eine Entschädigung vom Verletzten rechtzeitig, also innerhalb der Frist für Ausführungen zur Begründetheit, geltend gemacht und ordnungsgemäß belegt wird (Rule 60, §§ 16 ff. PD-JS, siehe auch schon Rn. 287).

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Stellt die Kammer eine Verletzung der Konvention fest, so entscheidet sie regelmäßig in demselben Urteil über die zu gewährende Entschädigung. Ist die Frage der Entschädigung noch nicht spruchreif, so erfolgt ein separates Urteil über diese Frage zu einem späteren Zeitpunkt (Rule 75 Abs. 1).[42] Die Parteien werden in der Regel aufgefordert, sich innerhalb einer vom Gerichtshof gesetzten Frist (meist sechs Monate ab Eintritt der Endgültigkeit des Urteils; Art. 44 Abs. 2 EMRK) schriftlich zur Frage der Entschädigung zu äußern.

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Um das Verfahren zu verkürzen, sollten die Parteien im Anschluss an ein Urteil, das sich auf die Feststellung eines Konventionsverstoßes beschränkt, den Versuch unternehmen, eine gütliche Einigung über die Frage der Entschädigung zu erzielen.[43] Gerade die als Teil der Kosten und Auslagen zu berücksichtigenden Anwaltsgebühren sind hier in einem weitaus höheren Maße verhandelbar als die Summen, die der Gerichtshof im streitigen Verfahren zuspricht. Kommt es zu einer solchen gütlichen Einigung, streicht der Gerichtshof die Beschwerde aus dem Register (Rule 75 Abs. 4), andernfalls ergeht ein zweites Urteil über die Frage der Entschädigung (siehe schon Rn. 380).

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In dem Urteil, in dem der EGMR die vom Vertragsstaat zu zahlende Entschädigung festsetzt, bestimmt er üblicherweise eine Frist (in der Regel drei Monate; § 25 PD-JS), innerhalb derer die Entschädigung zu zahlen ist. Die Frist beginnt mit dem Datum, an dem das Urteil endgültig (final) i.S.v. Art. 44 Abs. 2 EMRK wird.

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Der Gerichtshof ist grundsätzlich auf die Festsetzung einer kompensatorischen Entschädigung in Form von Geld beschränkt (monetary award); ausnahmsweise (s.o. Rn. 469) kann eine spezielle Form der Naturalrestitution (z.B. Rückgabe einer beschlagnahmten Sache) oder eine sonstige Form der Beendigung des Konventionsverstoßes angeordnet werden (consequential order, § 23 PD-JS). Sollen dem betroffenen Vertragsstaat die Mittel zur Umsetzung des Urteils mit auf den Weg gegeben werden, empfiehlt es sich, einen entsprechenden Antrag schon in der Beschwerdeschrift zu formulieren. Anspruch auf den Ausspruch einer solchen consequential order hat der Bf. allerdings nicht.

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Die Zahlung einer Entschädigungssumme (einschließlich der zu erstattenden Kosten) erfolgt an den Bf. Der Verteidiger kann seine Gebühren daher grundsätzlich nur gegenüber seinem Mandanten (d.h. weder gegenüber dem EGMR noch gegenüber dem Vertragsstaat) geltend machen. Abweichende Vereinbarungen sind möglich (vgl. § 22 PD-JS; Rn. 409). Der EGMR berücksichtigt dies regelmäßig und verpflichtet ggf. den belangten Staat zur Zahlung an den Rechtsvertreter.[44]

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Ein als Entschädigung an den Bf. zu zahlender Geldbetrag wird vom Gerichtshof in EURO festgesetzt, unabhängig davon, in welcher Währung der Bf. seine Schäden beziffert hat (§ 24 PD-JS). Gehört der betroffene Vertragsstaat nicht der Europäischen Währungsunion an, muss die Entschädigungssumme anschließend in die entsprechende Landeswährung umgerechnet werden. Maßgeblich ist der Umrechnungskurs am Tag der Zahlung (exchange rate applicable on the date of payment; § 24 PD-JS).

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Etwaige vom Bf. auf die Entschädigungssumme zu entrichtende Steuern sind auf den vom EGMR festgesetzten Betrag aufzuschlagen (plus any tax that may be chargeable).

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Werden einzelne vom Bf. geltend gemachte Schadenspositionen vom Gerichtshof nicht als erstattungsfähig anerkannt, so führt dies weder zu einem „Teilunterliegen“ noch löst dieser Umstand eine Kostenlast bzw. Erstattungspflicht auf Seiten des Bf. aus.

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Umgekehrt können geltend gemachte Schäden oder Kosten in vollem Umfang erstattungsfähig sein, obwohl der Gerichtshof nicht alle vom Bf. behaupteten Konventionsverstöße festgestellt hat. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Kosten speziell im Zusammenhang mit dem nicht erfolgreichen Teil der Beschwerde entstanden sind, denn dann fehlt regelmäßig der für die Erstattungsfähigkeit stets erforderliche causal link (s.u. Rn. 495).

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Bei der Schadensberechnung ist zu beachten, dass der vom Gerichtshof festgesetzten Entschädigungsleistung kein punitiver Effekt, d.h. keine den verurteilten Vertragsstaat bestrafende oder abschreckende („exemplarische“) Wirkung zugeschrieben werden darf (§ 9 PD-JS).

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