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II. Reichsreformen, Reformation und Dreißigjähriger Krieg
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Während die Könige Englands und Frankreichs im Hoch- und Spätmittelalter ihre Macht konsolidieren, verlieren die römisch-deutschen Kaiser allmählich Regalien an die Reichsfürsten und Freien Reichsstädte. Das Reich verfügt weder über größere eigene Einnahmen noch ein eigenes Heer, so dass die Habsburgischen Kaiser ihre Politik weitgehend nur auf ihre eigene Hausmacht stützen können. Weil es die Zustimmung dreier Kollegien (der Kurfürsten, der Reichsfürsten und der Freien Städte) erfordert, wird ein konzertiertes Agieren des Reiches erheblich erschwert; stattdessen betreiben die Reichsstände jeweils selbstständig Außenpolitik. Die Herausbildung des frühmodernen Staates vollzieht sich in Deutschland also nicht bezogen auf das Reich, sondern auf die Territorien, die auf ihre „Libertät“ pochen. Nach früheren erfolglosen Reformbemühungen Mitte des 15. Jahrhunderts ist es Kaiser Maximilian I. (1459–1519), der um die Wende zum 16. Jahrhunderts Reformen einleitet, um die innere Rechtsunsicherheit zu beseitigen und die Zentralgewalt (und damit die eigene Machtbasis) zu stärken.[64] Die auf dem Wormser Reichstag 1495 beschlossene Erhebung einer allgemeinen Reichssteuer („Gemeiner Pfennig“) lässt sich nicht dauerhaft durchsetzen. Die 1500 realisierte Verwaltungsreform, nach der das Reich in sechs, später zehn Reichskreise gegliedert wird, erweist sich als dauerhafter, kann aber nicht verhindern, dass historisch schließlich nicht das Reich, sondern die Territorien zu souveränen Staaten werden. Erfolgreich ist die fürstlicherseits betriebene Ausrufung eines Ewigen Landfriedens 1495, der das immer noch geübte Fehdewesen[65] mittelfristig beseitigt. Konflikte werden nun stattdessen auf juristischem Weg beigelegt, nämlich vor dem zu diesem Zweck eingerichteten Reichskammergericht mit Sitz zunächst in Frankfurt am Main, seit 1527 in Speyer, seit 1693 in Wetzlar.[66] Als Gegengewicht und in Konkurrenz zu diesem politisch von der Person des Kaisers losgelösten Gericht errichtet dieser 1498 den Reichshofrat als letzte Appellationsinstanz neben dem Reichskammergericht.[67]
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Zeitgleich zu den Bemühungen, das Reich zu reformieren, beginnt die Reformation der Kirche. Erste Impulse reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück (John Wiclif, 1325–1384; Jan Hus, 1369–1415). Am Beginn des 16. Jahrhunderts nimmt der in Wittenberg tätige Augustinermönch Martin Luther (1483–1546) den humanistischen Ruf „ad fontes“ (zu den Quellen) auf und entdeckt im Bibelstudium das paulinische Evangelium neu, nach dem der Mensch nicht durch gute Werke vor Gott gerechtfertigt werden kann, sondern allein durch Gottes Gnade und den Glauben. In seinen 1517 veröffentlichten 95 Thesen kritisiert Luther den zu seiner Zeit verbreiteten Ablasshandel, den Verkauf von Sündenvergebung durch die Kirche, der allerdings eine finanzielle Säule der letzteren bildet.[68] Die Auseinandersetzungen führen 1521 zu Exkommunikation und Reichsacht, aber unter dem Schutz des Sächsischen Kurfürsten Friedrichs III., des Weisen (1463–1525), kann Luther sein Reformwerk fortsetzen, insbesondere die Bibel ins Deutsche übersetzen. Die überaus rasche mediale Verbreitung der reformatorischen Ideen ist möglich durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in der Mitte 15. Jahrhunderts. Nachdem sich mehrere Reichsfürsten und Freie Reichsstädte dem Reformprogramm anschließen (Confessio Augustana, d.i. das auf dem Augsburger Reichstag von 1530 erklärte Protestantische Bekenntnis), kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen katholischen und protestantischen Reichsständen, die 1555 im Augsburger Religionsfrieden beigelegt werden. Dieses nach der Goldenen Bulle (1356) und dem Ewigen Landfrieden (1495) dritte grundlegende Reichsgesetz billigt nach der (später geprägten) Formel cuius regio, eius religio (wessen Land, dessen Religion) dem Territorialherrscher die Wahl des Bekenntnisses zu (ius reformandi), den dissentierenden Untertanen das Recht zu emigrieren (ius emigrandi). Der Augsburger Religionsfrieden manifestiert demnach eine weitere Stärkung territorialfürstlicher Macht zulasten der kaiserlichen Zentralgewalt.[69]
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Der Augsburger Religionsfrieden leitet für das Reich eine bis 1618 dauernde Friedenszeit ein, aber die nur kompromisshaft beigelegten konfessionellen Konflikte schwelen weiter, verstärkt durch die von der katholischen Kirche eingeleitete theologische Profilierung in der Gegenreformation, die etwa in der Gründung des Jesuitenordens 1534 Ausdruck findet. Radikaler in der Ablehnung katholischer Traditionen als das Luthertum ist die sogenannte reformierte Lehre, die sich in der Schweiz durch das Wirken von Ulrich Zwingli (1484–1531) und Johannes Calvin (1509–1564) entwickelt und sich auch in einigen Reichsterritorien, vor allem aber in der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und den angelsächsischen Ländern ausbreitet. In Frankreich führt die blutige Verfolgung der dort Hugenotten genannten Reformierten (Höhepunkt ist die pogromartige Bartholomäusnacht 1572) zu Flüchtlingsströmen auch ins Reich; erst das (Toleranz-)Edikt von Nantes 1598 bringt zeitweilige Beruhigung. In England ereignen sich konfessionsbedingte blutige Auseinandersetzungen bis zur Etablierung der anglikanischen Kirche durch Königin Elisabeth I. (reg. 1558–1603); die in der Mehrzahl reformierten Niederländer kämpfen gegen die – katholischen – spanischen Besatzer.[70] Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) brechen die Konflikte gewaltsam im Reichsgebiet auf. Am Ende dieses für die Bevölkerung überaus verlustreichen und das kulturelle Leben verwüstenden Krieges steht – im Westfälischen Frieden von 1648 – die gleichberechtigte Anerkennung des Katholizismus, des Luthertums und des Calvinismus, politisch können ein weiteres Mal die Territorien ihre Macht zulasten des Kaisers stärken.[71]