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II. Hugo Grotius als Wegbereiter eines säkularen Strafrechtskonzepts

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Hugo Grotius (1583–1645), der „Vater des Völkerrechts“ und Begründer der modernen Naturrechtslehre, hat auch für die Strafrechtswissenschaft Bedeutendes geleistet.[30] Seine Gedanken zum Strafrecht finden sich vor allem im 20. Kapitel des zweiten Buchs seines rechtstheoretischen Hauptwerks „De jure belli ac pacis“ (1625).[31] Mit Grotius kommt „eine völlig andere Denkart, als wie sie sonst in der Strafrechtswissenschaft, vor allem bei Carpzov, am Werk gewesen ist“[32] zum Durchbruch. Er löst das Strafrecht aus seinen theokratischen Grundlagen und drängt den Einfluss der Theologie zurück, er relativiert den Vergeltungsgedanken und macht so den Weg frei für ein am Gemeinwohl und der Humanität orientierten general- und spezialpräventiven Verständnis von Strafe.

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Das Naturrecht, so Grotius’ bekannte Bemerkung in der Vorrede von „De jure belli ac pacis“, würde auch dann gelten, wenn „man annähme, was freilich ohne die größte Sünde nicht geschehen könnte, dass es keinen Gott gäbe oder dass er sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht bekümmere.“[33] Strafe ist für ihn „in ihrer allgemeinen Bedeutung ein Übel, das man erleidet, weil man ein Übel getan hat.“[34] Wer Übles getan habe, so Grotius, müsse auch Übles erleiden.[35]

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Die darin liegende Anknüpfung an die überkommene Straftheorie wird sogleich deutlich abgeschwächt: Zwar beruhe das Vergeltungsbedürfnis auf einem natürlichen Trieb, doch dies bedeute nicht, dass es als vernünftig akzeptiert werden könne: „Die Vernunft gebietet aber, nichts vorzunehmen, was dem anderen schade, wenn man nicht einen guten Zweck dabei habe.“[36] Strafen müssen also aus ihren Vorteilen rechtfertigbar sein. Grotius nennt hier zum einen die Prävention zum Nutzen des Geschädigten selbst (dass die Tat nicht noch einmal an ihm begangen werde), zum anderen aber auch allgemein spezial- und generalpräventive Gesichtspunkte.[37]

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Grotius unterscheidet, hierin sich ebenfalls von älteren Anhängern einer absoluten Straftheorie absetzend, die Pflicht zur Bestrafung von dem Recht, eine Strafe zu verhängen. Nicht jede Straftat muss bestraft werden.[38] Interessant ist Grotius Begründung des Rechts zu strafen: Wie bei einem Vertrag habe sich der Schädiger durch seinen Willen (der in der Straftat zum Ausdruck gekommen ist, E.H.) der Bestrafung unterworfen.[39] Die Strafbefugnis wird also nicht, wie später bei den Strafphilosophen der Aufklärung, aus einem Gesellschaftsvertrag,[40] sondern aus einem privaten „Unterwerfungsvertrag“ hergeleitet oder zumindest plausibel gemacht.

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Aus dem Gesagten wird deutlich, warum Grotius auch keine Scheu davor hat, Strafen zu mildern oder von einer Verhängung von Strafe ganz abzusehen, etwa wenn der Täter Reue zeigt.[41] An der Möglichkeit einer Todesstrafe hält Grotius fest, erwähnt allerdings zustimmend die Möglichkeit, sie in Strafarbeit umzuwandeln.[42] Auch sonst erwähnt er verschiedene Strafmilderungsmöglichkeiten, wobei er sich oft auf die caritas (Barmherzigkeit, Humanität) beruft.[43]

2. Abschnitt: Strafrechtsgeschichte§ 6 Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des heutigen Strafrechts in der Aufklärung › D. Aufklärung und Strafrechtsreform

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