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Von Leben umgeben
ОглавлениеPrinzipiell gehe ich davon aus, dass alle, die diese Zeilen lesen, leben. Es sei denn, Sie sind soeben vor Schreck, vor Hunger, vor Begeisterung oder vor Lachen gestorben. Obwohl, so lustig war’s ja bis jetzt noch nicht. Wird es auch nicht mehr. Wir leben also beide. Wobei es durchaus sein kann, dass während Sie dieses Buch lesen, die Lebensgeschichte des Autors bereits Geschichte ist, davon möchte ich aber jetzt nicht ausgehen. Wir zwei Hübschen (egal ob nun nackt wie Sie oder bekleidet wie ich) leben aber in einer anderen Realität. Jeder von uns lebt seine Lebensgeschichte in seiner Welt, und der moderne Mensch kann sich heute sehr viele Welten aussuchen, vollkommen unabhängig vom Ort. Selbst in einer natürlichen Umgebung, in einem Wald – auf neutralem Boden sozusagen – macht es einen großen Unterschied, ob man Mountainbiker ist oder Jäger. Zur gleichen Zeit am selben Ort, und doch ganz woanders, in einem Paralleluniversum sozusagen. Oder ein anderes Beispiel: Sie sind mit dem Auto unterwegs (denn da ist man in der Regel öfter, weil es dort so schön ist und viel bequemer als im Wald), dann ist die Geschwindigkeit, mit der Sie unterwegs sind, die einzig richtige, die man zu diesem Zeitpunkt auf dieser Landstraße fahren kann. 94,3 Stundenkilometer. Wenn nun jemand vor Ihnen mit 86,9 Stundenkilometern dahinschleicht, also um 7,4 Stundenkilometer langsamer als Sie, dann ist dieser Jemand für Sie:
• eine fahrende Schikane
• ein alter Trottel
• zu deppert zum Autofahren
• ein Woama (Homo, Schwuchtl, Schwulette) oder
• (falls Sie ein Mann sind) mit Sicherheit einmal eine Frau
Sollten Sie, an derselben Stelle dieser Landstraße, mit der einzig richtigen Geschwindigkeit von 86,9 Stundenkilometern unterwegs sein und dabei von einem anderen Fahrzeug mit einem Geschwindigkeitsüberschuss von 7,4 Stundenkilometern überholt werden, dann ist die Person in dem Fahrzeug:
• eine Gemeingefährdung
• ein verantwortungsloser Raser
• offenbar »schwa augsoffn« (alkoholisiert)
• mit Sicherheit (falls Sie ein Mann sind) keine Frau
• dem gehört der Führerschein sofort entzogen
• und der »Komplexler« hat sicher ein zu kleines »Zumpferl« (Penis)
Ihr Weltbild könnte nun durcheinander kommen, wenn in dem an Ihnen vorbeiziehenden Fahrzeug Gery Keszler oder, noch schlimmer, eine Nonne am Steuer sitzt. Aber ganz egal in welcher Realität das Individuum sich gerade befindet, wir sind immer von Leben umgeben. Manches offensichtlich, wie Tiere oder Pflanzen, und anderes für unser Auge nicht erkennbar, weil unser Auge als für uns wichtigstes Sinnesorgan nur acht Prozent der Schwingungen, die sich um uns befinden, in ein Bild umwandeln kann. Wobei, umgewandelt wird das gelieferte Bild erst durch unser Gehirn. Das Auge selbst wandelt nicht, das schaut bloß blöd. Den Rest, stolze 92 Prozent, sehen wir nicht. Einiges riechen wir, oft unangenehmerweise, anderes hören wir, auch oft unangenehmerweise (Radio zum Beispiel). Von den sichtbaren acht Prozent bleibt uns aber auch noch einiges verborgen, all das, was wir zwar technisch sehen können aber nicht sehen wollen. Wie zum Beispiel die Wahrheit. Man kann uns also mit Recht als durchaus betriebsblind bezeichnen. Wobei die Wahrheit letztlich nur das ist, woran die Mehrheit von uns gerade glaubt oder glauben soll.
Das heißt, wir haben die Gabe, Dinge, die da sind, ganz einfach nicht zu sehen. Nicht nur, weil wir sie nicht sehen wollen, auch weil wir es nicht können. Als Beispiel seien hier die Mikroorganismen genannt. In einer Handvoll Ackerboden leben einige Milliarden Bakterien, deren Leben aus unserer Sicht natürlich nicht wirklich spannend aber dafür wenigstens kurz ist. Schlimm hingegen muss ein fades aber langes Leben sein. Da gibt’s ja auch viele Beispiele, auch prominente. Selbst der Mount Everest hat zwar ein langes aber durchaus langweiliges Leben. Er selbst hat ja reichlich wenig davon, der höchste Berg der Welt zu sein. Vielmehr hätte er als kleine Erhebung in dem an der Landesgrenze zwischen Niederösterreich und dem Burgenland gelegenen Leithagebirge ein ruhigeres Leben. Zumindest wäre er keine Müllhalde geworden und hätte sich zahlreiche Bezwingungen erspart. Jetzt können Sie mit Recht behaupten: »Na Moment einmal, das ist jetzt aber wirklich ein bisserl weltfremd. Ein Berg lebt nicht, haben Sie in der Schule nicht aufgepasst, Herr Düringer? Tote Materie! Ein Haufen Steine, da lebt nichts!«
Nun ja, Ansichtssache, würde ich jetzt einmal sagen. In von uns so gerne als »primitiv« bezeichneten Kulturen war es selbstverständlich, dass alles in der Natur belebt und beseelt ist. Alles trägt einen Geist in sich, und mit diesem kann man falls erforderlich auch kommunizieren. Naturverbunde Kulturen, wie zum Beispiel die allseits bekannten Indianer, sprechen mit Bergen, dem Wasser und sehen im Feuer die Dämonen tanzen. Nun gut, tanzende Dämonen im Lagerfeuer sind schon ein wenig weit hergeholt. Da leben ja wir beide Gott sei Dank in einer anderen Zeit, der Zeit der Naturwissenschaft, fernab von jedem Aberglauben. Der moderne Mensch weiß nun, was Sache ist, wir sind in unserer Entwicklung und in unserem Wissen so weit wie noch niemals zuvor in unserer Menschheitsgeschichte, die größten Rätsel der Menschheit scheinen gelöst, und doch stehen wir möglicherweise knapp vor einem Quantensprung in unserer geistigen Entwicklung. Quantensprung im wahrsten Sinn des Wortes, vor allem in der Physik. Quantenphysiker kommen allmählich zu folgendem Schluss: