Читать книгу Weltfremd - Roland Düringer - Страница 25
Nichtraucherkampagne
ОглавлениеDrehbuch für einen kurzen Kurzfilm
Personen:
Der VATER
Der SOHN
Ort:
Elterliches Auto
Aufblende
Der VATER sitzt am Steuer, daneben am Beifahrersitz sein zwölfähriger sohn. Der Vater betätigt den Zigarettenanzünder, versucht mit einer Hand eine Zigarette aus der verschlossenen Zigarettenschachtel zu nehmen. Nach einigen misslungenen Versuchen drückt er dem Sohn die Zigarettenschachtel in die Hand.
VATER
»Geh, ich hab’ keine Hand frei. Zünd mir du g’schwind einen Tschick an.«
Der Sohn holt eine Zigarette aus dem Päckchen, steckt sie sich in den Mund, greift nach dem glühenden Zigarettenanzünder und zündet die Zigarette an. Nimmt einen Zug, atmet aus, ohne zu husten und überreicht die brennende Zigarette seinem Vater. Der Vater nimmt ebenfalls einen tiefen Zug und wendet sich an seinen Sohn.
VATER
»Rauchst du?«
SOHN
»Nein.«
VATER
»Aber so wie es ausgschaut hat, war das nicht die erste, die du dir angheizt hast, oder?«
SOHN
(verlegen und ertappt)
»Oja.«
VATER
(streng)
»Ich bin nicht so blöd, wie ich ausschau’. Ich sag’s dir im Guten, wenn ich dich einmal mit einer Tschick erwisch’, rauscht’s im Blätterwald.«
Der Vater nimmt wieder einen tiefen, kräftigen Zug.
VATER
»Ich riech’ das auf einen Kilometer, wenn du geraucht hast.«
SOHN
»Ich rauch’ ja net.«
VATER
»Ich sag’s dir nur, fang nicht mit dem Blödsinn an. Das ist ungesund. Das steht alles am Packl drauf. Lebensgefahr, Krebs, Tod. Da, les amoi.«
SOHN
(liest)
»Koureni skodi zdravi. Was heißt das?«
VATER
»Weiß ich doch nicht. Aber sicher nichts Gutes. Das ist tschechisch.«
SOHN
»Wieso tschechisch?«
VATER
»Weil sie dort billiger sind, die Tschick.«
Der Vater nimmt wieder einen genüsslichen Zug.
Abblende
Mit der Zigarette in der Hand den Sprössling auf die Gefahren des Rauchens hinzuweisen, muss in einem sich im Bildungsprozess befindlichen Gehirn zwangsläufig zum Kurzschluss und damit zum Systemabsturz führen.
Was aber nicht heißt, dass der kleine Neandertaler tun und lassen konnte, was er wollte. Ganz im Gegenteil. Sein Lehrmeister war die Natur, und die Gesetzte der Natur musste er ohne wenn und aber befolgen. Sonst hätte es »gescheppert«, und das aber so richtig. Das elegante Umgehen von Naturgesetzen war da nicht möglich und wurde im schlimmsten Fall mit dem Tode bestraft, indem man als kleines Säbelzahntigermenü ein unschönes Ende fand. Das klingt natürlich, aus unserer Sicht, ganz schön hart und unbarmherzig. Aber für Geist und Seele macht es einen sehr großen Unterschied, ob ich nicht Ski fahren gehen kann, weil ganz einfach kein Schnee ist, oder ob ich an einem wunderbaren Wintertag, blauer Himmel und Pulverschnee nicht Ski fahren gehen kann, weil ein Erziehungsberechtigter zu mir sagt: »Heut wird net Ski gfoahn.« »Wieso?« »Weu is sog!«
Das macht zornig, das macht böse. Auf »kein Schnee« kann man nicht böse sein. Es sei denn, man ist verhaltensgestört, dann kann man natürlich auch auf das Wetter böse sein.
Etwas, das der Neandertaler auch nicht kannte, war der klassische Konflikt der Generationen. Das ist logisch, denn es handelte sich um einen Zeitraum von grob 100.000 Jahren, in denen sich nichts geändert hat, außer das Wetter. Da damals gestern zugleich heute war, hatten die ewig Gestrigen im Unterschied zu heute einfach recht und den typischen »alten Trottel« hat es damals nicht gegeben, denn wenn einer ein Trottel war, dann wurde der nicht alt.
Heute hingegen kann es ja ein Trottel relativ weit bringen. Man muss ja nicht besonders klug sein, um ein mächtiger Mann oder eine mächtige Frau in der Politik oder in der Wirtschaft zu sein. Da reicht es, wenn man clever ist und die Kunst des Lügens beherrscht. Das reicht natürlich nicht. Man braucht dann auch die, die sich gerne anlügen lassen. Bioroboter und brave Systemtrottel, die mit all den Lügen ganz gut leben können, weil wir von unseren Erziehungsberechtigten gelernt haben, Lügen und Angelogen-Werden als normal zu betrachten.
»Iss, damit du einmal groß und stark wirst« sollte heißen: »Iss, damit du einmal fett und unansehnlich wirst.«
»Ein Indianer kennt keinen Schmerz.« Woher auch sollten die Indianer Schmerzen kennen, nicht?
»Bis du heiratest, ist alles wieder gut.« Eigentlich fangt es da oft erst an.
»Das ist kein Kinderfilm, das ist ein Film für Erwachsene.« Damit meint man Filme mit Nackerten oder mit Mord und Totschlag oder eine gelungene Kombination daraus: Nackerte, die sich gegenseitig totschlagen. Stimmt, das sind keine Filme für Kinder, aber das sind auch keine Filme für erwachsene Menschen. Das sind Filme für ausgewachsene Raubaffen.
»Liebes Kind, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Schreib dir das hinter die Ohren.« Abgesehen von der Tatsache, dass es gar nicht so leicht ist, sich selbst etwas hinter die Ohren zu schreiben und dass man es dann, wenn es endlich hinter den Ohren steht, gar nicht gut lesen kann, hat in diesem Fall der Erziehungsberechtigte ja nicht unrecht. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, richtig sollte es heißen: »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, aber wer immer lügt, dem glauben Millionen.« Dafür gibt’s in der Geschichte ja viele Beispiele.
Eine der Lügen, die wir alle schon mal gehört haben, lautet: