Читать книгу Weltfremd - Roland Düringer - Страница 26
Du lernst nicht für die Schule, …
Оглавление… sondern du lernst fürs Leben. Und jetzt erinnern Sie sich einmal kurz an Ihre Schulzeit. Was von all den Dingen, die man Ihnen damals eintrichtern wollte, hat dann in weiterer Folge in Ihrem Leben eine Bedeutung bekommen, hat sie in Ihrer menschlichen Entwicklung weitergebracht und was war definitiv für den Mistkübel. Denken Sie nur an die »Bürgschaft«. Schwarze Punkterln auf weißem Papier in der richtigen Reihenfolge gemerkt, war damals ein Einser. Das Verstehen des Inhalts Nebensache, ihn zu hinterfragen war unerwünscht. Ganz ehrlich: Ist Nachplappern und Auswendiglernen ein Zeichen von Intelligenz oder doch eher von Blödheit? Was sagen Sie zu Ihren Kindern, wenn sie von der Schule heimkommen?
»Hast du eh brav aufgepasst?«
»Hast du was Gescheites gelernt heute?«
»Hast du viel Hausaufgabe? Zuerst die Aufgabe, dann das Spiel.« »Hast du mir eh keine Schande gemacht?«
»Haben sich die Lehrer eh nicht mit dir ärgern müssen?«
oder fragen Sie:
»Hast du heute in der Schule gute Fragen gestellt?«
Das Problem ist, dass es in der Schule niemanden gibt, der gute Fragen beantworten könnte. Nicht weil Lehrer dumm sind oder dies nicht wollten, sondern weil gute Fragen nicht im Lehrplan stehen. Gewünscht sind richtige Antworten, gute Fragen stören den Unterricht. Und auch Intelligenz ist in der Schule nicht erwünscht. Sie ist rebellisch, stellt Fragen, möchte ihr Leben selbst in die Hand nehmen. In der Schule tut man sich mit Intelligenz oft nichts Gutes. Darum sind die ersten Intelligenzvernichter oftmals auch unsere Erziehungsberechtigten, weil sie es ja nur gut mit uns meinen, denn: »Man soll’s ja im Leben einmal zu etwas bringen.«
Zu was genau? Zu mehr halt. Zumindest zu mehr als die Eltern … und das ist oft nicht wirklich viel außer eben mehr: mehr Schulden, mehr Stress, mehr Streit, mehr seelisches Leid und mehr chronische Krankheit. Dafür aber vielleicht einmal mehr materiellen Wohlstand als die Eltern und im Sport etwas mehr Pokale als der Papa. Was an Intelligenz von unseren Eltern übersehen wurde, wird vom Bildungssystem lückenlos vernichtet. Unser Bildungssystem, das ja ganz laut nach einer großen Reform schreit. Reformen haben etwas Gutes. Alles bleibt beim Alten. Das Wesen wird nicht verändert, bekommt nur einen neuen Anstrich. Sprich: Unser Bildungssystem bekommt eines Tages seine Bildungsreform und bleibt, was es ist. Keine Bildung, sondern eine Ausbildung. Wie der Name sagt, ist es dann aus mit der Bildung. Wenn man mit dieser Aus-Bildung fertig ist, kann man sicher sein, dass es mit der Intelligenz vorbei ist.
Man kann also davon ausgehen, dass der Neandertaler trotz fehlender Bildung überraschend intelligent war, aber natürlich kein Wissensexperte. Aber heißt es nicht immer: »Wissen ist Macht«? Ja, das heißt es, aber ist dies nicht sehr situationsbezogen? Wissen kann doch immer nur dann Macht bedeuten, wenn ich mich mit Menschen umgebe, die weniger wissen als ich, und selbst da ist es keine sichere Sache. Bleiben wir noch kurz beim Beispiel der »Bürgschaft«.
Wenn jetzt zum Beispiel eine attraktive Literaturwissenschaftlerin, beim abendlichen Joggen im Park, vollkommen unerwartet auf einen ihrer Zukünftigen trifft … im konkreten Fall auf ihren zukünftigen Vergewaltiger, der selbst im Polytechnischen Lehrgang kläglich gescheitert ist, wird sie ihr Wissen um den genauen Wortlaut von Schillers Bürgschaft, selbst der fehlerlose Vortrag der wunderbaren Ballade wird sie nicht vor ihrem Peiniger schützen können. Da wäre doch eine in der Bauchtasche vorsorglich aufewahrte Smith&Wesson, in Verbindung mit einem gezielten Schuss in die Eier, deutlich mehr Macht. Die 357 Magnum in den Eiern merkt sich der Übeltäter, ein Leben lang. Die Bürgschaft nicht.
Beginnen Ihre grauen Zellen gerade zu rotieren? Steht das in krassem Widerspruch zu Ihrem Weltbild? Bewaffnete Frauen im Park? Zurück zum Faustrecht? Es kann doch nicht sein, dass alle bewaffnet herumlaufen. Alle nicht, natürlich. Die Staatsgewalt, Gangster und Psychopathen aber schon. Letztlich besteht natürlich auch immer die Möglichkeit, dass unsere attraktive Literaturwissenschaftlerin die Psychopathin ist und Männer mit dem Vortrag der »Bürgschaft« in ihre Nähe lockt, um sie dann mit der 357er zu liquidieren. Wer weiß schon, was in dem Fall richtig ist? Ich nicht. Und braucht es nicht auch Wissen, um den Revolver zu bedienen? Braucht’s nicht auch Wissen, um diese Schusswaffe zu bauen? Ohne dieses Wissen stünde die Literaturwissenschaftlerin schön blöd da, und sie müsste den Angreifer mit einem beherzten Schlag das Nasenbein von unten ins Gehirn schieben. Natürlich ist der plausibel klingende Satz »Wissen ist Macht« anders gemeint, aber selbst da stimmt er nur bedingt. Wissen gibt das Gefühl von Macht, wenn man sein Wissen jemand anderem erzählen kann, vorzugsweise jemandem, der weniger weiß, denn sonst leidet das Ego. Jemanden, der mehr weiß als man selbst, mit nachgeplappertem Wissen beeindrucken zu wollen, das kann sehr peinlich sein. Ich möchte auch nicht ausschließen, das Sie, mein geschätzter Leser, meine geschätzte Leserin, in vielen Bereichen mehr wissen als ich und Sie manche Aussagen nur ein mitleidiges Lächeln kosten. Apropos Lächeln. Dazu gibt es den wohlbekannten Witz vom Karl aus Gerasdorf und Pamela Anderson gemeinsam auf einer Kreuzfahrt. Ich bin nicht unbedingt jemand, der Witze erzählt, aber in diesem Fall passt es wirklich. Es ist ein alter Witz, der aber sehr viel Wahrheit in sich trägt und meine vorangegangenen Erläuterungen sehr schlüssig auf den Punkt bringt. Noch dazu ist er wirklich sehr, sehr lustig. Zumindest ich habe damals Tränen gelacht, als er mir vor sicher mehr als 20 Jahren von einem lieben Kollegen am Filmset erzählt wurde. Ich nehme an, Sie kennen ihn? Nicht den Kollegen, den Witz vom Karli aus Gerasdorf und der Pamela Anderson. Falls nicht, umso besser, denn dies verleiht meinem Ego das Gefühl von Macht und Überlegenheit. Ich weiß etwas, das du nicht weißt, ha, ha! Sobald ich den Witz niedergeschrieben habe, Sie ihn gelesen und hoffentlich auch verstanden haben, ist meine Macht Geschichte. Nun werden Sie jemanden finden müssen, dem Sie den alten, aber klugen Witz vom Karli und der Pamela erzählen können:
»Servas, wie gehts?«
»Danke, man lebt. Und bei dir?«
»Du, muaß geh. Des neiche Düringabiachl hob i glesen«
»Echt, hot der a neichs Biachl gschriem?«
»Des wast du net?«
»Na, des is an mir vorübergongan.«
Was für ein Gefühl von Überlegenheit für Sie, was für ein Wissensvorsprung.
»Und wia is?«
»Jo eh, oiso net schlecht, a bissl weltfremd hoit.«
»Und wia hasts?«
»Wos?«
»Des Buach vom Düringa.«
»Aso, des hast, wia hast des schnö, na gibt’s des …?«
Jetzt schnell, bevor Ihre Macht sich durch Ihre Unwissenheit in Luft auslöst, der Witz vom Karli und der Pamela, als Zeichen Ihrer Überlegenheit.
»Übrigens, kennst scho den Witz, den vom Karli aus Gerasdorf und der Pamela …«
»Is des der, wo de zwa bei einer Kreuzfoat mitn Schiff untergengan und donn auf aner Insel budern?«
»Jo.«
»Den kenn i scho.«
Scheiße, scheiße, was für eine Niederlage, die Macht ist nun nicht mehr mit Ihnen, sie hat die Seiten gewechselt.
»Und wia hast des Buach vom Düringa jetzt?«
»Ich weiß es nicht.«
Das würde ich als stehend k.o. bezeichnen. Aber wer weiß, vielleicht finden Sie ja auch jemanden, dem Sie den Witz erzählen können, jemanden, der höflichkeitshalber so tut, als würde er diesen alten Witz nicht kennen. Und wenn Sie jetzt sagen, ein Witz ist doch keine Macht, dann muss ich Ihnen entgegenhalten: Ja, ein schlechter Witz nicht, der ist nur peinlich, aber ein guter Witz, wie der vom Karli und der Pamela auf der einsamen Insel, hinter dem eine wirklich große Wahrheit und Weisheit steckt, so ein Witz ist eine spürbare Macht. Aber überzeugen Sie sich doch ganz einfach selbst.
Nun aber zu etwas ganz anderem.