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Semantischer Drahtverhau

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Das Imponierdeutsch schadet unserer Sprache durch seine verkappte einseitige Wirtschaftsbezogenheit, durch seine hohle Allgemeinheit sowie schließlich durch den sozialen Abstand, den es schafft. Seine aufgeblähte, schwer verständliche Ausdrucksweise steht weitab von der Präzision einer echten Fachsprache und weitab von der Deftigkeit und Griffigkeit einer volksnahen Alltagssprache. Als Idiom der Eliten müsste es eigentlich das beste Deutsch sein: das differenzierteste, klarste, zugänglichste und zugleich stilistisch eleganteste.

Jargons sind sprachliche Besonderheiten, die eine soziale Zugehörigkeit markieren. Sie sollen und wollen sich von der Alltagssprache abheben, streben keine Allgemeinverständlichkeit an. Jargons sind aus Fachwortschätzen abgeleitet. Jedes Handwerk hat seinen umfangreichen Fachwortschatz für die verschiedenen Werkzeuge, Werkstoffe, die zu bearbeitenden Gegenstände und Bearbeitungstechniken. Auch der Jargon des Imponierdeutschen führt ein solches Eigenleben, als Sprache einer sozialen Schicht. Ihm liegt eine Haltung zugrunde, die Einfachheit mit Primitivität verwechselt und Unanschaulichkeit mit geistigem Anspruch.

Ein kurzer Blick über den Zaun: Es ist interessant, dass in Frankreich, welches uns als das Mutterland einer feinen, höfisch geprägten Sprache erscheint, gerade die Einfachheit in der Sprache besonders viel gilt. Die simplicité ist aber nicht geistige Schlichtheit, sondern die Kunst, aus dem Wortschatz das angemessene Wort zu wählen und einzusetzen. Die französische Sprachtradition legt keinen besonderen Wert auf einen großen Wortschatz und neue Wortschöpfungen. Die Kunst verständlicher Rede liegt in der richtigen Auswahl aus einem vorgegebenen Reservoir. Gewiss gibt es auch in Frankreich eine geschraubte Sprache, die mehr verhüllt als sie preisgibt. Nicht umsonst wird die Sprache der Politik „langue de bois“ genannt, hölzerne Sprache. Aber es wirkt doch eine rhetorische Tradition fort, an der sich die Redner messen lassen müssen und gemessen werden. Sie steht im Zeichen der Einfachheit, der Klarheit, der clarté. Das ist immer noch ein wirksames Korrektiv. Verständlich zu sprechen heißt, sich darum zu bemühen, dass man das treffende Wort findet und dass dieses Wort möglichst vielen Menschen zugänglich ist. Der Griff zum Wörterbuch, um sich eines Wortes zu vergewissern, gehört in Frankreich zum Alltag. Andere Sprachkulturen verfügen denn auch über einen Reichtum an Wörterbüchern, von denen wir nur träumen können.

Verständlich zu sprechen ist eine Kunst. Sie wird z. B. auch in England gepflegt: Das allgemeinverständliche Sachbuch genießt dort hohes Ansehen. In Deutschland dagegen steht populärwissenschaftliche Literatur immer noch unter dem Verdacht mangelnder Seriosität. Wissenschaftler, die Bestseller schreiben, werden hierzulande in ihrer eigenen Zunft eher beargwöhnt, als dass man sie als Mittler lobte.

Imponierdeutsch lähmt das Denken, statt es zu beflügeln. Offenbar gibt es bei uns kein gesellschaftlich anerkanntes Korrektiv, das ein Stilideal wie Einfachheit und Klarheit durchsetzen könnte und das die Verständlichkeit zur Leitschnur im allgemeingesellschaftlichen Umgang machte.

In unserem Land fehlt der Kompass für richtiges und gutes Deutsch. Gesprochen und geschrieben wird in einem wilden Durcheinander verschiedener Sprachstile. Natürlich sind wir ein freies Land, und jeder soll frei sprechen und schreiben dürfen. Aber wir sollten doch wissen, was angemessen ist, so dass wir mit der Sprache unser Denken schärfen, statt es zu vernebeln. Das sollte uns wichtig sein.

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