Читать книгу B'tong - Roland Platte - Страница 15

Оглавление

9.

Sybille räumt den Frühstücktisch auf, stellt die Tassen zusammen, die Teller, die zwischenzeitlich völlig verstummt sind. Sie hat heute 3 Unterrichtsstunden und muss sich daher zusammennehmen. Die Teenies machen ihr traditionsgemäß das Leben schwer, wie das auch schon zu ihrer Schulzeit mit Musiklehrern der Fall war. Dabei hatte sie anfangs versucht, den Unterricht so interessant und so zeitgemäß wie möglich zu gestalten. Aber die meisten Schüler halten das für Schwäche, sie stöpseln sich während des Unterrichts an ihre Ohrhörer und knallen sich ihre Ohren mit MP3- oder Streaming Musik voll. Als sie dann zuletzt versucht hat, Musiktheorie anhand von jugendlicher Popmusik einzuführen, wurde das seitens der Schüler als Anbiederungsversuch und seitens der Eltern als unseriös verurteilt. Also hat sie diesen Versuch schnellstens abgebrochen, die Ohrhörer verboten und strengen Musikunterricht durchgezogen. Seitdem scheint es besser zu werden. Manche Schüler sind sogar richtig bei der Sache.

Während sie Tassen und Besteck in die Spülmaschine räumt, fällt ihr Carstens Erfindung ein. Betonverflüssiger. Dämlicher Name, aber an sich ja gar keine schlechte Sache. Sie denkt an die vielen Megapolen, die auf der ganzen Welt wie Pilze aus dem Boden schießen. Ohne Verstand, ohne auf die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse zu achten, wird in einem fort Beton gegossen, um Menschen hinein zu pferchen wie Vieh.

Mit Carstens Erfindung könnte man das wohl alles wieder auf die einfachste Weise verschwinden lassen. Im Prinzip. Und die Menschen? Was macht er mit den Menschen? Carsten ist einfach ein Erfinder, ein Wissenschaftler denkt sich Sybille und klappt die Spülmaschinentür zu. Sie erinnert sich plötzlich an die beinahe geniale Idee, die Carsten zu Beginn ihres Musikstudiums hatte. Anscheinend hatte er irgendwie doch eine Brücke bauen wollen zwischen seiner Zukunft als Ingenieur und ihrem Musikerleben.

Als sie eines Abends bei einem Glas Wein zum X-ten Mal darüber diskutierten, hatte er mit dem Weinglas hellklingende Töne erzeugt, indem er mit seinem Zeigefinger langsam an den Rand entlanggefahren war und dadurch eine Schwingung entstanden war. Im Grunde genommen war es zu Beginn eine leicht genervte Geste gewesen. Aber auf einen Schlag, einer Eingebung folgend, hatte er einen Bleistift in die Hand genommen, und eine eigenartig geformte Maschine auf ein Blatt Papier geworfen. Ein gigantischer aufgespießter, gläserner Ringelwurm, aus vielen aufgeblasenen Glasscheiben bestehend, der auf der einen Seite dick und fett war, um aber von dort aus zur anderen Seite hin sich langsam zu verjüngen. Am Ende erschien wieder der Spieß, den man mittels eines Riemens samt dem ganzen Wurm um die eigene Achse drehen lassen konnte.

Sybille hatte nie verstanden, wie er das alles fertiggebracht hatte, zumal in so kurzer Zeit! Aber eine Woche später, pünktlich zu ihrem Geburtstag, stand diese Maschine, dieses Glasinstrument in ihrem Zimmer.

- Alles Liebe zu deinem Geburtstag, Liebes, hatte er ihr bei ihrem Aufwachen ins Ohr geflüstert. Ich hab' ja verstanden, dass du dein Leben mit Musik verbringen willst. Und wenn du möchtest, kannst du dich direkt ransetzen.

Sie hatte zunächst gar nicht verstanden, worum es überhaupt ging. Selbst, als sie das Instrument sah, hatte sie nicht kapiert, was das war.

- Komm, steh auf, ich zeig's dir.

Er setzte sich an das "Instrument", tauchte seine Finger in eine Schüssel mit Wasser und begann mit den Füßen, wie auf einer antiken Nähmaschine zu treten, bis der horizontale Glaswurm in eine schnelle und stete Rotation kam.

Als er dann vorsichtig mit den feuchten Fingern an die gläsernen, sich drehenden Scheiben griff, erzeugte der Glaswurm einen sanften, aber durchdringenden Klang, der sie durch und durch ergriff. Er hatte in ihr ein Gefühl von Leichtigkeit hochkommen lassen, das sie selten bis dahin erlebt hatte. Sie hatte die Augen geschlossen und die Klänge in sich aufgenommen, als ob sie zum ersten Mal in ihrem Leben Musik hörte. Carsten hatte es geschafft, sie mit seinem Glasinstrument zu verzaubern. Carsten sollte nicht aufhören. Nie. Sie hätte gewollt, dass diese Glasklänge ewig dauerten.

Und wo ist der Glaswurm jetzt? Sie weiß es nicht einmal. Vielleicht auf dem Dachboden, oder auch in der alten Scheune neben dem Haus, die voller Gerümpel steht und die sie schon seit Jahren umbauen wollen.

Als sie sich schon auf die Suche machen will, bemerkt sie plötzlich mit Schrecken, dass ihr Unterricht in nicht mal 10 Minuten beginnt. Vielleicht sollte sie doch mal etwas ernsthafter gegen diese Tagträume angehen, denkt sie während sie heftig auf die Pedale ihres etwas müden Fahrrads tritt.

B'tong

Подняться наверх