Читать книгу B'tong - Roland Platte - Страница 22

Оглавление

16.

Sybille steht unbeweglich am Fenster und schaut hinaus in den verregneten Garten, dahinter die triefend nasse Straße.

Ihre Gedanken kreisen immer wieder um das eigenartige Gefühl, das Sie am Sonntag im Wald verspürt hat. Es hat sie doch stärker aufgewühlt, als sie es Carsten und den Kindern gegenüber zugegeben hat.

Heute ist sie felsenfest davon überzeugt: Es ist eine Vorahnung gewesen! Sie hatte so etwas schon einmal verspürt. Es war kurz vor dem Tod ihres Vaters gewesen. Sie war mit Freundinnen über eine Wiese gelaufen und plötzlich hatte sie sich völlig allein gefühlt, total verlassen, einsam und kalt, und das am helllichten Tag, inmitten der damaligen Freundinnen auf der sonnigen Wiese. Es war ihr, als ob die Sonne plötzlich schwarz geworden war. Sie hatte schon gedacht, sie würde sterben. Aber nicht ihr Tod wurde angekündigt, sondern der ihres Vaters. Einen Tag später war er gestorben, und zwei Wochen später war sie mit ihrer Mutter in die fremde Stadt gezogen, in eine neue Welt, neues Gymnasium, neue Freunde, und ihr erster Freund: Carsten. Sollte jetzt Carsten sterben? Sie greift mit ihrer linken Hand an ihren Bernsteinschmuck, den sie an einer Kette um den Hals trägt und beginnt damit nervös zu spielen. Sie fühlt sich ein bisschen schuldig, da die unheilvolle Präkognition in ihr mehr aufwirbelt als das angekündigte Ableben ihres Mannes. Wieso Ableben? Quatsch, nichts ist sicher! Das sind doch alles nur Hirngespinste, redet sie sich ein.

Draußen wird ein Baum von einer heftigen, regengetränkten Windböe erfasst und schüttelt sich heftig. Einen kurzen Moment lang geht die Straßenbeleuchtung an, schaltet sich jedoch sofort wieder aus. In diesem Moment klingelt das Telefon.

Sybille löst sich von dem Fenster und hebt ab.

- Hallo?

- Bin ich bei Carsten Krause?

- Ja, ich bin Frau Krause.

- Ist Herr Krause nicht anwesend?

- Nein, er ist gerade nicht da, haben Sie es denn auf seinem Handy probiert?

- Ja, schon ein paar Mal, aber er hebt nicht ab.

- Kann ich ihm denn etwas ausrichten?

- Ja, sagen Sie ihm doch, dass er sich bitte dringend in Verbindung setzen soll mit mir, äh Wiese, Herr Wiese, das bin ich, von der Firma Destrukt. Das wäre nett.

- Ja, mache ich. Vielen Dank für Ihren Anruf, auf Wiederhören.

- Ja, äh, auf Wiederhören. Äh, Sie versprechen mir, dass Sie ihm die Mitteilung machen?

- Ja natürlich, auf Wiedersehen, Herr Wiese.

Kaum hat sie das Telefon wieder abgelegt, klingelt es von neuem.

- Hallo?

- Äh, Sie sind Frau Krause? Könnte ich mit Ihrem Mann sprechen?

- Es tut mir leid, aber mein Mann ist nicht zu Hause. Mit wem spreche ich denn?

- Hm, wo kann ich Ihn denn erreichen?

- Ich glaube, Sie haben meine Frage nicht gehört, wer sind Sie denn?

- Hm, mein Name wird Ihnen nichts bedeuten, ich vertrete ausländische Unternehmen in Deutschland und hmm, ein australischer Konzern würde gerne geschäftlich mit Ihrem Mann in Verbindung treten. Wann kann ich ihn denn erreichen?

- Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer und er ruft sie zurück, sobald er die Nachricht bekommen hat.

- Hm, ich melde mich später noch einmal, vielleicht habe ich dann mehr Glück.

Sybille schaut das Telefon an, als ob sie den fiependen Leerton sehen könne. Schließlich drückt sie den nervigen Ton weg und legt das Telefon auf die Fensterbank, wo es jedoch sofort wieder zu klingeln beginnt. Etwas gereizt nimmt sie es wieder auf.

- Hallo?

- Gut hier.

- Gut?

- Na, ich bin der Filialleiter Ihrer Bank. Ich müsste dringend mal mit Ihrem Mann sprechen.

- Wieso, stimmt denn etwas nicht mit unseren Konten?

- Nein, nein; es ist nur so, dass einer unserer Mitarbeiter sehr unklug mit Ihrem Mann umgegangen ist.

- Unklug? Was meinen Sie denn? Was ist denn los?

- Ich kann Ihnen aber versichern, Frau Krause, dass dieser Mitarbeiter nicht mehr in unserer Filiale tätig ist. Leider kann ich Ihn nicht rausschmeißen, das lassen die Gesetze in unserem Land nicht zu, aber er darf jetzt wieder die kleinen, unbedeutenden Arme-Rentner-Konten in der Südstadt pflegen, wenn ich das so ausdrücken darf, haha. Zunächst aber möchte ich mich im Namen unserer Bank bei Ihrem Mann für den unschönen Zwischenfall ganz offiziell entschuldigen. Das war kein Beratungsgespräch, was unser Mitarbeiter, meine ehemaliger Filialmitarbeiter da geführt hat, sondern eine unverantwortliche Sauerei.

- Herr …?

- Gut.

- Ja, Herr Gut, ich verstehe kein Wort von dem, was sie da reden. Um was geht es denn eigentlich?

- Das ist jetzt eine lange Geschichte. Am besten ist es, Ihr Mann klärt sie dahingehend auf. Und wenn er das getan hat, dann bitten Sie ihn doch dringend, hören Sie, drin…genst, bei uns anzurufen, das wäre furchtbar nett von Ihnen, ja? Kann ich auf Sie zählen?

- Ja sicher, Herr …

- Gut, Herr Gut!

- Gut, Herr Gut, aber wollen Sie mir denn nicht …

Sybille schaut konsterniert das Telefon an. Der Bankdirektor hat einfach aufgelegt.

Erneut drückt sie das Leerzeichen weg und will ärgerlich Carsten anrufen, als das Telefon erneut klingelt.

- Hallo?

Es rauscht eine Weile, bis sich endlich eine verzerrte, quäkende

Stimme meldet:

- Hallo? Mein Name ist Li Phong. Sind Sie He' K'ause?

- Nein, ich bin Frau Krause.

- Es wäre eine Eh'e, mit He' K'ause zu sp'echen. Ist He' K'ause in Haus?

- Tut mir leid Herr Phong, aber mein Mann ist gerade nicht zu Hause? Worum geht es denn? Kann ich meinem Mann eine Nachricht hinterlassen?

- Ja, das wä'e seh' nett: Sagen Sie ihm, es gibt bei uns ein Sp'ichwort: Ein gute' Vogel wählt den Baum aus, auf dem e' rastet und dann sagen Sie ihm, e' möchte "Li" sp'echen? Phong ist Vorname.

- Wie, ich habe Sie nicht ganz verstanden, was macht der Vogel?

- Ein gute' Vogel wählt den Baum aus, F'au K'ause.

- Na, ob er das verstehen wird. Aber ich richte es ihm aus.

- Danke F'au K'ause, hier ist die Nummer. Mühsam diktiert er die Ziffernfolge auf Deutsch.

Sie legt auf und hebt wieder ab, um endlich Carsten anzurufen, um herauszubekommen, was denn los ist. Bevor Sie jedoch die erste Nummerntaste drücken kann, hört sie eine zerdrückte Stimme aus dem Telefon.

- Hallo,…. Hallo. ist da jemand?

- Ja? Krause am Apparat.

- Ah, Frau Krause, wo ist denn eigentlich ihr Mann?

- Sie sind jetzt schon der Fünfte, der das wissen will. Und wer sind Sie?

- Ich bin der ehemalige Vorgesetzte Ihres Mannes, Herr Zelter.

- Ach, Herr Zelter, was kann ich denn für Sie tun?

- Leider nicht viel, aber ich glaube, dass Ihr Mann mit Problemen rechnen muss. Aber damit will ich Sie jetzt nicht belasten. Auf jeden Fall müssen wir Ihren Mann dringend sprechen. Sagen Sie ihm das bitte, sobald sie ihn sehen. Und ja, bitten Sie ihn doch, sein Handy anzuschalten, das würde die Kommunikation um einiges beschleunigen und würde Sie verschonen.

- Herr Zelter, ich werde mein Bestes tun, aber Sie kennen Ihn ja, wenn er sich einmal was in den Kopf gesetzt hat.

- Ja, ich kenne ihn, nur dass es ihm dieses Mal wohl den Kragen kosten wird.

- Wie bitte?

- Ich muss leider dieses Gespräch hiermit abbrechen. Auf Wiedersehen, Frau Krause, war mir eine Ehre.

Sybille blickt aus dem Fenster in den Regen. Es war also doch eine Vorahnung gewesen. Carsten ist in Gefahr. Daher auch die ganzen Anrufe. Wo ist er eigentlich? Was macht er nur? Ihr Blick verliert sich im feinen Regendunst, der jetzt unablässig den Garten nässt. Es ist ihre Methode, Stresssituationen zu entfliehen, einen Teil des Gehirns abschalten und dann einfach etwas Besinnliches anschauen, so wie hier jetzt der sachte Regenstaub. Einfach beruhigend. Plötzlich versteht sie, dass Carsten ihr gar nichts erklären wird, sie braucht einen anderen Ansprechpartner. Sie löst sich aus ihrer Starre, packt ihr Regencape und verlässt eilig das Haus, in dem das Telefon erneut schrill vor sich hin läutet.

Auf ihrem Fahrrad bereut sie fast ihre Aktion, der Regen ist doch stärker, als es von Innen den Anschein hatte. Aber als sie das Haus von Andros vor sich sieht, ist sie schließlich doch froh und fühlt sich wieder im Einklang mit sich und ihrer Initiative.

- Hallo Andros!

- Hallo Sybille, ich habe mir schon gedacht, dass du kommen würdest. Möchtest du etwas trinken? Ein Glas Sekt, einen Tee?

- Wieso, was ist denn? Nein, danke. Ich möchte nichts. Bei mir ist die Hölle los. Ständig rufen irgendwelche Leute an. Es ist grauenhaft.

- Tja, Carsten war etwas voreilig und du musst das jetzt ausbaden.

- Wie voreilig, was hat er denn gemacht?

Andros antwortet nicht, sondern reicht ihr stattdessen die Zeitung, den „BildkurieP'.

B'tong

Подняться наверх