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2.Kontrahierungszwang

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18In den Fällen, in denen die Funktionsbedingungen des Grundsatzes der Abschlussfreiheit nicht gegeben sind, versagt das Instrument der Abschlussfreiheit als Steuerungsinstrument für das Wirtschaftsgeschehen. Deshalb werden in solchen Fällen Monopolanbieter von wichtigen Leistungen der Daseinsfürsorge von der Rechtsordnung zum Vertragsschluss gezwungen. Es besteht dann ausnahmsweise ein Vertragsabschluss- oder Kontrahierungszwang.

19Der Kontrahierungszwang gibt einen gesetzlich gesicherten Anspruch auf Abschluss eines nicht freiwillig gewährten Vertrages. Der Anspruch kann vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden. Regelmäßig hat der Gesetzgeber auch dafür zu sorgen, dass der Inhalt des Vertrages in solchen Fällen gesetzlich vorgeformt ist, damit nicht der Anspruch auf Abschluss des Vertrages durch das Fordern unangemessener Vertragsbedingungen konterkariert werden kann.

20Ein Kontrahierungszwang besteht in einer marktwirtschaftlichen Ordnung nur ausnahmsweise. In der Bundesrepublik Deutschland sieht die Rechtsordnung solche Fälle nur dann vor, wenn eine Monopol- oder monopolnahe Situation bei bestimmten Produkten oder Dienstleistungen für die Versorgung des Einzelnen mit wichtigen Gütern, die zum angemessenen Dasein gehören, den Kontrahierungszwang erforderlich macht. Er kann dann gestützt auf Generalklauseln des Privatrechts eingefordert und erforderlichenfalls vor den Gerichten eingeklagt werden. Spezielle Fälle des Kontrahierungszwangs sieht auch das Energierecht, das Telekommunikationsrecht und das Eisenbahnverkehrsrecht vor, indem es den Wettbewerbern eines marktstarken Anbieters in den betroffenen Wirtschaftsbereichen einen Anspruch auf Zugang zu der für ihre Wirtschaftstätigkeit unabdingbar notwendigen Infrastruktur ermöglicht. Auf diese Weise haben Unternehmen der angesprochenen besonderen Wirtschaftsbereiche die Möglichkeit, das Stromnetz, das Telefonnetz oder das Schienennetz ihres marktmächtigen Wettbewerbers am Markt gegen Zahlung einer angemessenen Gegenleistung diskriminierungsfrei mitzubenutzen.

21Daneben kennt das europäische und das deutsche Kartellrecht einen Anspruch auf Vertragsschluss in allen Fällen, in denen ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktstellung dadurch missbräuchlich ausnutzt, dass es den Vertragsschluss insbesondere über wichtige Einrichtungen und Leistungen (sog. essential facilities) mit einem Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund ablehnt. Im deutschen Recht ist dieser Anspruch dahingehend erweitert, dass ohne Rücksicht auf die marktbeherrschende Stellung der Anspruch auf Vertragsschluss schon immer dann besteht, wenn ein kleineres oder mittleres Unternehmen von einem anderen abhängig, also auf seine Leistungen angewiesen ist. Insbesondere die Hersteller von bekannten Markenartikeln unterliegen insofern einem erweiterten Kontrahierungszwang.

Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht

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