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1.Kaufvertrag

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51Nach welchen Rechtsregeln sich Abschluss und inhaltliche Ausgestaltung des zur dauerhaften Überlassung eines Gegenstandes geschlossenen Kaufvertrages im konkreten Einzelfall beurteilen, hängt maßgeblich davon ab, ob die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihre Niederlassung einheitlich in Deutschland haben oder ob es sich um einen grenzüberschreitenden Absatzsachverhalt handelt. Je nach Sachlage ist der Kaufvertrag auf rein nationaler oder auf übergeordnet internationaler Ebene zu verorten. Ein originäres europäisches Kaufvertragsrecht für innereuropäische Absatzgeschäfte konnte sich bislang nicht etablieren.

52a) Nationale Ebene. Handelt es sich bei dem Kaufvertrag um kein grenzüberschreitendes Absatzgeschäft, findet in erster Linie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) Anwendung. Häufig sind ergänzend weitere Regelwerke heranzuziehen, namentlich das Handelsgesetzbuch (HGB), sofern zumindest eine Vertragspartei ein sog. Kaufmann ist.

Unabhängig von Kaufmanns-, Unternehmer- oder Verbrauchereigenschaft der Parteien unterliegt jeder beliebige Kaufvertrag dem Reglement der §§ 433–453 BGB.

53Der Abschluss eines Kaufvertrages über eine bestimmte Sache begründet auf beiden Seiten Rechte und Pflichten. Der Verkäufer wird durch den Kaufvertrag verpflichtet, dem Käufer 1. die Sache zu übergeben und 2. das Eigentum hieran zu verschaffen, d. h. den Gegenstand zu übereignen. Mit dieser Pflicht des Verkäufers korrespondiert ein klagbarer Erfüllungsanspruch des Käufers auf Übergabe und Übereignung. Umgekehrt ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer 1. den für die Sache als Gegenleistung vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und 2. den Kaufgegenstand auch tatsächlich abzunehmen. Entsprechend steht der verkaufenden Partei ein einklagbarer Anspruch auf Zahlung und Abnahme zu.

54Die dem Verkäufer obliegende Pflicht zur Übergabe bedeutet regelmäßig die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Ware, d. h. der Käufer muss die tatsächliche Gewalt über den Kaufgegenstand erlangen. Dies ist allerdings nicht zwingend erforderlich: Es genügt auch, dass der Verkäufer einen außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten zur Übergabe der Kaufsache an den Käufer veranlasst. Ebenso ist es möglich, dass nicht der Käufer selbst, sondern ein Dritter die Sachherrschaft über den verkauften Gegenstand erlangt. Typischerweise ist dies der Fall, wenn der Käufer seinerseits die Ware an einen Abnehmer weiterverkauft hat. Man spricht in diesem Fall von einem sog. Streckengeschäft.

55Die Eigentumsverschaffung an der Ware muss frei von Rechten Dritter erfolgen. Nach deutschem Recht ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache neben der Übergabe der Sache an den Erwerber ein weiterer, vom zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft abstrakter Verfügungsvertrag erforderlich. Dieser konstituiert sich ausschließlich aus der Einigung beider Parteien darüber, dass das Eigentum an der Sache übergehen soll. Regelmäßig erfolgt dieser zusätzliche Vertragsschluss konkludent, etwa in dem die Ware einverständlich übergeben und angenommen wird.

56Über die Übergabe- und Eigentumsverschaffungspflicht hinaus treffen den Verkäufer auch verschiedene Nebenpflichten. So muss er nach der gesetzlichen Ausgangssituation an sich die Kosten der Übergabe einschließlich Verpackungs- und Versendungskosten tragen. Die Wirtschaftsrealität bringt freilich eine regelmäßige Abbedingung dieser Kostentragungspflicht mit sich. In Gestalt sog. INCOTERMS (International Commercial Terms) werden die Kosten auf den Käufer verlagert. Aus Treu und Glauben können sich gegebenenfalls weitere Pflichten des Verkäufers zu Aufklärung und Instruktion ergeben.

Die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, der die gesetzliche Mehrwertsteuer nicht notwendigerweise bereits beinhalten muss, stellt eine sog. Geldschuld dar. Diese ist in der inländischen Währung zu erfüllen, seit dem 1.1.2002 mithin in Euro. Ob die Erfüllung in bar, d. h. durch Übereignung von Geldzeichen, oder – rechtstatsächlich bedeutsamer – in Form sog. Buchgeldes, also durch Überweisung von einem Konto auf das andere oder durch Übersendung eines Schecks, erfolgt, unterliegt der Disposition der Vertragsparteien.

57Neben der Verpflichtung zur Preiszahlung muss der Käufer dem Verkäufer die Ware auch abnehmen. Der Verkäufer soll von dem unmittelbaren Besitz der Kaufsache, der u. U. erhebliche Kosten verursachen kann (z. B. Lagerung, Pflege), entlastet werden. Nimmt der Käufer die Ware nicht (rechtzeitig) ab, kann er sich eventuell schadensersatzpflichtig machen.

58Die kaufvertraglichen Leistungs- und Gegenleistungspflichten sind synallagmatisch verknüpft, d. h. sie stehen zueinander im Verhältnis der Gegenseitigkeit. Der jeweils Verpflichtete kann damit die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, es besteht ausnahmsweise eine – etwa rechtsgeschäftlich vereinbarte – Vorleistungspflicht. Mit dieser Einrede des nicht erfüllten Vertrages wird zum einen die Sicherung des vertraglichen Anspruchs und zum anderen eine Druckausübungsfunktion auf den Schuldner bezweckt. Im Regelfall sind die Kaufvertragsparteien gehalten, die Leistungen Zug-um-Zug auszutauschen.

59Sofern der Verkäufer seine Hauptpflichten zur Eigentumsverschaffung und Übergabe verletzt, indem er nicht oder zu spät leistet, muss er dem Käufer gegenüber prinzipiell haften. Dessen Rechte ergeben sich aus den allgemeinschuldrechtlichen Bestimmungen. Ist die Erfüllung des kaufvertraglichen Primäranspruchs dem Verkäufer unmöglich, etwa weil die zu übereignende Ware nachträglich zerstört worden ist, kann der Käufer Schadensersatz statt der Leistung verlangen, z. B. gerichtet auf Kompensation etwaiger Mehrkosten oder des entgangenen Gewinns. Ebenso (und sogar kumulativ) ist es dem Käufer im Falle der Unmöglichkeit gestattet, vom geschlossenen Kaufvertrag zurückzutreten. Im Falle der verspäteten Erfüllung durch den Verkäufer kann der Käufer gegebenenfalls Ersatz seines sog. Verzögerungsschadens verlangen, also jenes Schadens, der gerade in der Verspätung der Leistung seine Ursache hat. Der Verkäufer muss in diesem Fall den Käufer so stellen, als ob rechtzeitig erfüllt worden wäre. Diese Ersatzpflicht kann beträchtliche Ausmaße erreichen, etwa wenn aufgrund der verspäteten Lieferung von Rohstoffen Produktionsausfälle zu verzeichnen sind.

Während sich Nicht- und Spätleistung durch den Verkäufer nach den allgemeinen Regeln beurteilen, sieht das BGB für den Fall der mangelbehafteten Erfüllungsleistung (Schlechtleistung) eine Reihe besonderer Rechtsregeln vor.

60Ausgangspunkt der kaufvertraglichen Gewährleistungshaftung des Verkäufers ist die Feststellung eines Sachmangels. Ein Sachmangel liegt vor, wenn die wirkliche Beschaffenheit der Sache (sog. Istbeschaffenheit) zum Nachteil des Käufers von der vertragsgemäßen Beschaffenheit der Sache (sog. Sollbeschaffenheit) abweicht. Die Istbeschaffenheit ist regelmäßig ohne weiteres festzustellen und einem Beweis zugänglich. Als problematisch kann sich dagegen im Einzelfall die Ermittlung der maßgeblichen Sollbeschaffenheit erweisen. Nach § 434 BGB ist hierfür auf drei Kriterien abzustellen. In erster Linie muss die Kaufsache bei Gefahrübergang der von den Vertragsparteien vereinbarten Beschaffenheit entsprechen, sog. subjektiver Fehlerbegriff. Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, ist maßgeblich, ob sich die Ware für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Zuletzt ist darauf abzustellen, ob sich die Kaufsache zumindest für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Dem hiernach begründeten Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache (sog. aliud) oder eine zu geringe Menge (sog. minus) liefert. Ein Sachmangel ist überdies auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage unsachgemäß durchgeführt worden ist oder die der Sache beigefügte Montageanleitung mangelhaft ist.

61Steht die Mangelhaftigkeit der Kaufsache fest, kommen für den Käufer eine Reihe von Rechtsbehelfen in Betracht: Er kann Nacherfüllung verlangen, vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern, aber auch Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen geltend machen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das deutsche Recht dem Verkäufer ein „Recht zur zweiten Andienung“ gewährt. Es besteht mithin ein Primat der Nacherfüllung, innerhalb der der Käufer aber immerhin die Wahl hat, ob er die Beseitigung des Mangels (also Reparatur der Kaufsache) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (gegen Rückgewähr der mangelhaften) verlangt. Ein Recht zur Selbstvornahme der erforderlichen Reparatur billigt das Gesetz dem Käufer nicht zu. Selbst der – berechtigten – Forderung nach einem Anspruch zugunsten des ausbessernden Käufers auf Ersatz der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen will die Rechtsprechung nicht nachkommen. Der Käufer muss also unweigerlich mit seinem Nacherfüllungsbegehren an den Verkäufer herantreten.

62Da der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat (z. B. Transport-, Arbeits- und Materialkosten), kann das dem Käufer zustehende Wahlrecht zwischen den beiden Arten der Nacherfüllung zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung des Verkäufers, insbesondere im Hinblick auf den Wert der Sache im mangelfreien Zustand und die Bedeutung des Mangels, führen. Für diesen Fall wird dem Verkäufer ein Recht zur Einrede zugestanden; er kann den Käufer auf die andere, weniger kostenintensive Nacherfüllungsvariante verweisen. Nur im Ausnahmefall wird er dagegen die Nacherfüllung gänzlich verweigern können.

63Erst wenn die vorrangige Nachbesserung oder Ersatzlieferung fehlgeschlagen ist oder vom Verkäufer verweigert wurde, kann der Käufer auf seine übrigen Rechte zurückgreifen. Sofern der Mangel nicht unerheblich ist und der Verkäufer die ihm grundsätzlich einzuräumende Nacherfüllungsfrist ungenutzt bzw. fruchtlos hat verstreichen lassen, kommt insoweit insbesondere der Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht. Die bis dato nicht erfüllten Pflichten aus dem Kaufvertrag entfallen sodann; die bereits erbrachten Leistungen sind vorrangig in Natur zurückzugeben oder alternativ durch entsprechenden Wertersatz auszugleichen. Statt zurückzutreten kann der Käufer den Kaufpreis aber auch mindern. Entschließt er sich hierzu, darf er die mangelhafte Kaufsache behalten und muss nur den verhältnismäßig reduzierten Kaufpreis begleichen. Da der Kaufpreis in dem Verhältnis herabgesetzt wird, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde, läuft die Wahl des Käufers zwischen Rücktritt und Minderung auf ein wirtschaftliches Rechenexempel hinaus: Hat der Käufer günstig gekauft, wird er sich vernünftigerweise zur Minderung entschließen, weil ihm dann der ursprüngliche Vorteil verbleibt. Im Falle eines ungünstigen Kaufs ist dem Käufer dagegen anzuraten, die Möglichkeit des Rücktritts zu nutzen; auf diesem Weg kann er sich von dem nachteiligen Geschäft ohne weitere Einbußen lösen.

64Häufig können Rücktritt und Minderung allein die für den Käufer aus dem Sachmangel folgenden Nachteile nicht ausgleichen, insbesondere wenn dem Käufer durch die Mangelhaftigkeit anderweitige Schäden entstanden sind. Unter verschiedenen Voraussetzungen gewährt das BGB dem Käufer daher nicht nur einen Anspruch auf Erstattung der sog. Mangelschäden (diese liegen in der Kaufsache selbst), sondern auch der außerhalb der Kaufsache auftretenden sog. Mangelfolgeschäden. Dem Käufer werden auch zwei Arten der Schadensberechnung zugestanden: Entweder er behält die mangelhafte Ware und verlangt als sog. kleinen Schadensersatz bloß die Wertdifferenz zu dem vertragsmäßigen Zustand ersetzt. Oder er lehnt die mangelhafte Sache ab bzw. gibt sie zurück und fordert das volle Erfüllungsinteresse in Geld. Diese Variante des sog. großen Schadensersatzes ist allerdings nur möglich, wenn der Mangel nicht nur unerheblich ist. Eine wesentliche Bedeutung kommt im Rahmen dieser Schadensersatzansprüche dem Erfordernis des Verschuldens (Vorsatz und Fahrlässigkeit) zu: Der Verkäufer muss nur dann die kausal entstandenen Schäden ersetzen, wenn ihm hinsichtlich der Mangelhaftigkeit ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, d. h. der Verkäufer muss zumindest die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben.

65Sämtliche Mängelrechte des Käufers sind ausgeschlossen, wenn dieser bei Vertragsschluss den Mangel gekannt hat. Erforderlich ist positive Kenntnis; ist dem Käufer der Mangel dagegen lediglich infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, haftet der Verkäufer nur, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Die gleiche Einschränkung gilt, wenn die Parteien qua Individualvertrag die Mängelhaftung des Verkäufers an sich ausgeschlossen oder beschränkt haben. Sofern die Haftungsbeschränkungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen begründet werden sollen, d. h. durch faktisch einseitigen Gestaltungsakt des Verkäufers, sind die recht engen gesetzlichen Grenzen zum Schutze des Käufers zu beachten.

66Aus rechtstatsächlicher Perspektive ergibt sich eine weitgehende Verdrängung der Sachmängelhaftung des BGB. Die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Käufers werden häufig durch gleichsam überprivilegierende Garantieversprechen von Verkäufer und insbesondere Hersteller verdeckt, mögen sie auch neben der Garantie unbeschadet fortbestehen. Begrifflich ist die Garantie eine Vereinbarung, in der der Verkäufer oder ein Dritter die Gewähr dafür übernimmt, dass die verkaufte Sache zur Zeit des Gefahrübergangs eine bestimmte Beschaffenheit aufweist (sog. Beschaffenheitsgarantie) und/oder für eine bestimmte Dauer behält (sog. Haltbarkeitsgarantie). Je nach inhaltlicher Ausgestaltung kann sich die Garantie auf die Mangelfreiheit der gesamten Kaufware oder nur auf einzelne bezeichnete Mängel beziehen. Mitunter erklärt sich der Garantiegeber auch dazu bereit, innerhalb eines bestimmten Zeitraums verschuldensunabhängig für etwaige zukünftige Schäden einzustehen. Wenn der Käufer die Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes entdeckt zu haben meint, beruft er sich erfahrungsgemäß nicht auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte, sondern auf die individualvertraglichen Garantieversprechen.

67In Nuancen weicht die rechtliche Behandlung sog. Verbrauchsgüterkäufe von den allgemeinen Regeln ab bzw. ergänzt diese. Entsprechend der zugrunde liegenden EG-Richtlinie 1999/44/EG „Zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter“ vom 25.5.1999 liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Maßgeblich sind mithin die Verbrauchereigenschaft auf Käufer- und die Unternehmereigenschaft auf Verkäuferseite: Verbraucher in diesem Sinne ist jede natürliche Person, die den Kaufvertrag zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Unternehmer kann dagegen eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sein, sofern sie bei Kaufvertragsabschluss in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

68Bedeutsam für den Verbrauchsgüterkauf ist insbesondere, dass die Vorschriften über die Mängelhaftung des Verkäufers zugunsten des Verbrauchers einseitig zwingendes Recht darstellen und der Unternehmer sich daher nicht auf eine zum Nachteil des Verbrauchers abweichende Vereinbarung berufen kann. Auch der Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen sind enge Grenzen gesetzt. Zudem statuiert das Gesetz zum Vorteil des Verbrauchers eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Zeitpunkts der Mangelhaftigkeit, was die Mängelhaftung des Unternehmers faktisch zu einer Haftung für die Haltbarkeit der Ware umfunktioniert.

69Sofern der Unternehmer die verkaufte (neu hergestellte) Sache als Folge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder der Verbraucher den Kaufpreis gemindert hat, erleichtern die §§ 478, 479 BGB in mehrerlei Hinsicht die Rückgriffsansprüche des Unternehmers gegenüber seinem Lieferanten. So wird dem Unternehmer etwa ein eigener Aufwendungsersatzanspruch hinsichtlich jener Kostenposten zugebilligt, die er im Verhältnis zum Verbraucher im Rahmen der Nacherfüllung zu tragen hatte. Hinter den im Detail recht komplizierten Regelungen steht die gesetzgeberische Erwägung, dass im Ergebnis die Kosten des Verbraucherschutzes auf denjenigen abzuwälzen sind, der den Mangel auch verursacht hat.

70In Deutschland haben Handelskaufverträge eine besondere Regelung im HGB gefunden. Sie ergänzen und modifizieren die Grundregeln der bereits dargestellten allgemeinen Vorschriften. Intendiert ist damit eine schnelle(re) und einfache(re) Abwicklung der Geschäfte. Dies geschieht namentlich durch eine nicht unerhebliche Stärkung der Rechtsstellung des Verkäufers.

71Der Handelskauf ist ein Kaufvertrag über Waren (oder Wertpapiere), der für zumindest eine Partei ein Handelsgeschäft darstellt, d. h. es muss sich um das Geschäft eines Kaufmannes im Sinne der §§ 1 ff. HGB handeln, das seinerseits zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört. Der Anwendungsbereich der handelsrechtlichen Spezialvorschriften ist also bereits dann eröffnet, wenn entweder auf Verkäufer- oder auf Käuferseite ein Kaufmann steht.

Die wichtigste handelskaufspezifische Modifikation ist in § 377 HGB normiert. Hier wird zu Lasten des Käufers eine weitreichende Untersuchungs- und Rügeobliegenheit aufgestellt: Der Käufer hat, sofern der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft ist, die Ware unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zu untersuchen. Zeigt sich im Rahmen dieser nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlichen Untersuchung ein Mangel, muss er den Verkäufer hiervon unverzüglich in Kenntnis setzen. Unterlässt der Käufer jedoch diese – Art und Umfang des konkreten Mangels hinreichend genau angebende – Rüge, gilt die Ware qua Gesetz als genehmigt (sog. gesetzliche Fiktion), es sei denn, der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen. Mit der fingierten Genehmigung entfallen alle andernfalls bestehenden Gewährleistungsrechte. Weder Qualität noch Menge der gelieferten Ware kann mit Erfolg beanstandet werden. Auch wenn die Ware Mängel aufweist oder mengenmäßig zu wenig geliefert wurde, muss der Käufer den vollen vereinbarten Kaufpreis zahlen. Gleiches gilt, wenn sich erst später ein Mangel zeigt und nicht ohne vermeidbare Verzögerung nach der Entdeckung dem Verkäufer mitgeteilt wird. Auch wenn die Nacherfüllung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, soll nach der Rechtsprechung eine unverzügliche Mängelrüge erforderlich sein.

72Um Herstellern die vor diesem Hintergrund dringende Eingangskontrolle zu ersparen, werden häufig zwischen Herstellern und Zulieferern sog. Qualitätssicherungsvereinbarungen geschlossen. Hiermit übernehmen die Zulieferer eine besondere Garantie für die Mangelfreiheit der gelieferten (Teil-)Produkte. Der Hersteller muss demgemäß weder untersuchen noch rügen, sondern kann unmittelbar mit der Weiterverarbeitung beginnen. In der Praxis werden bei sog. just-in-time-Lieferverträgen, also bei Verträgen, in denen eine zeitgenaue Lieferung vereinbart wurde (z. B. Fließbandproduktion), die abdingbaren Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB individualvertraglich vom Käufer auf den (zuliefernden) Verkäufer abgewälzt. Inwieweit eine Abbedingung mittels AGB rechtlich möglich ist, ist noch nicht vollends geklärt.

73In Modifikation der allgemeinen Regeln ist im Rahmen eines Handelskaufvertrages auch der käuferseitige Annahmeverzug geregelt. Ist der Käufer mit der Annahme der Ware im Verzuge, kann der Verkäufer die Ware auf Gefahr und Kosten des Käufers hinterlegen. Darüber hinaus ist er befugt, die Ware auf Rechnung des säumigen Käufers selbst zu verkaufen, freilich erst nach vorheriger Androhung und nur im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung (bei der Verkäufer und Käufer ebenfalls bieten können). Der Verkäufer hat also ein echtes Wahlrecht zwischen Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf.

Bemerkenswert ist zuletzt die gesonderte Regelung des sog. Fixhandelskaufs, § 376 HGB. Der Fixhandelskauf ist ein Handelskaufvertrag, in dem vereinbart wird, dass zumindest eine Partei ihre Leistung genau zu einer fest bestimmten Zeit oder innerhalb einer fest bestimmten Frist erbringen muss. Das Übereinkommen über die bestimmte Leistungszeit muss so wesentlicher Bestandteil des Vertrages sein, dass mit ihrer Einhaltung oder Versäumung der ganze Vertrag steht oder fällt. Es muss auf der Hand liegen, dass der Gläubiger an einer verspäteten Leistung kein Interesse mehr haben kann. Wird die Leistung zu dem fixen Zeitpunkt nicht erbracht, kann der Käufer – ohne vorherige Fristsetzung – vom Vertrag zurücktreten. Alternativ besteht die Möglichkeit der Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung, sofern der Verkäufer im Verzug ist.

74Da das Gesetz (anders als nach den allgemeinen Regeln) beim Fixhandelskauf davon ausgeht, dass der Gläubiger an der Anspruchserfüllung trotz Versäumung des vereinbarten Zeitpunkts in aller Regel kein Interesse hat, kann der Käufer Erfüllung nur dann beanspruchen, wenn er sofort nach Ablauf der Zeit oder der Frist dem Gegner sein unverändertes Erfüllungsverlangen signalisiert.

75b) Internationale Ebene. Beim Absatz mittels Verkauf ist auf internationaler Ebene die United Nations Convention on the International Sale of Goods (CISG) vom 11. April 1980 zu beachten. Die CISG (auch „Wiener Kaufrecht“ genannt, da die Abschlusskonferenz in Wien stattfand) ist ein multilaterales Abkommen, das für die Vertragsstaaten unmittelbar anwendbares, objektives Recht im Hinblick auf internationale Kaufverträge enthält. Im Rahmen seines Anwendungs- und Regelungsbereichs gelangt es automatisch zur Anwendung (die Parteien müssen also noch nicht einmal von der Existenz der CISG wissen) und verdrängt insoweit die kaufrechtlichen Regelungen des nationalen Rechts, in Deutschland also vornehmlich die des BGB und des HGB. Das UN-Kaufrecht ist in Deutschland am 1. Januar 1991 in Kraft getreten.

Ob die CISG im jeweiligen Einzelfall Anwendung findet, wird vom objektiven Anwendungsbereich bestimmt. Insoweit ist zwischen dem räumlichen, sachlichen, persönlichen und zeitlichen Anwendungsbereich zu differenzieren.

76In räumlicher Hinsicht ist zunächst klarzustellen, dass das UN-Kaufrecht ausschließlich internationale Kaufsachverhalte betrifft, d. h. für reine Inlandskäufe greift unverändert allein das nationale Kaufrecht. Nach Art. 1 Abs. 1 CISG ist das Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien (nur) anzuwenden, wenn die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben. Unter „Niederlassung“ ist dabei grundsätzlich jede Zweigstelle zu verstehen, die im eigenen Namen und mit relativ autonomer Entscheidungsgewalt am geschäftlichen Verkehr teilnimmt. Über diesen Auslandsbezug hinaus ist erforderlich, dass entweder die Staaten Vertragsstaaten sind oder die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts (zumindest) eines Vertragsstaates führen. Irrelevant ist die Staatsangehörigkeit der Parteien. Gegenwärtig sind 67 Staaten Vertragsstaaten der CISG, darunter das Gros der EU-Mitgliedsstaaten, China und Russland, ferner auch die Schweiz und die USA.

77Der sachliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts umfasst (lediglich) Kauf- und Werklieferungsverträge über Waren. Unter den Warenbegriff fallen nach allgemeiner Ansicht lediglich bewegliche Gegenstände (nicht also Grundstücke und Unternehmen). Geklärt ist mittlerweile, dass die Ware nicht ausnahmslos verkörpert sein muss, so dass im Einzelfall z. B. der Handel mit Software von der CISG erfasst wird. Hinsichtlich des Begriffs des Kaufvertrags – mangels Definition kann insoweit auf den Kaufbegriff des BGB zurückgegriffen werden – ergeben sich besondere Abgrenzungsprobleme. Tauschverträge, Barter-Kontrakte und Kompensationsgeschäfte sind nach überwiegender Auffassung nicht Gegenstand der CISG. Lediglich das Kompensationsgeschäft in Form zweier rechtlich unterscheidbarer, aber miteinander verknüpfter Kaufverträge soll dem Übereinkommen unterliegen. Gesichert ist, dass Mietkauf, Leasing und Verträge mit überwiegendem Dienstleistungsanteil nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der CISG unterliegen.

78In persönlicher Hinsicht beschränkt sich die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts auf unternehmerische Käufe. Der Kauf durch den Verbraucher, also „von Ware für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt“ (Art. 2 a) CISG), ist ausgeschlossen. Dies gilt allerdings nur aus der Perspektive des Käufers: Sofern ein Verbraucher Ware an einen unternehmerischen Käufer veräußert, findet die CISG sehr wohl Anwendung. Bemerkenswert (und gegensätzlich zum HGB, vgl. oben) ist, dass es für den unternehmerischen Bezug des Kaufgeschäftes nicht darauf ankommt, ob die Parteien Kaufleute oder Nichtkaufleute sind.

79Der zeitliche Geltungsbereich des UN-Kaufrechts schließlich hat in Art. 100 CISG eine detaillierte Regelung erfahren.

80Die Erfüllung der räumlichen, sachlichen, persönlichen und zeitlichen Voraussetzungen bedeutet nicht unausweichlich die Anwendung der CISG. Vielmehr steht es den Parteien nach Art. 6 CISG frei, die Anwendung des Übereinkommens – ganz oder zum Teil, ausdrücklich oder stillschweigend – auszuschließen. Ebenso können sie von einzelnen Bestimmungen abweichen oder die Rechtswirkung dieser Regelungen modifizieren. Hierfür bedarf es regelmäßig einer entsprechenden Einigung der Parteien.

81Das UN-Kaufrecht umfasst gegenständlich zwar weite Bereiche kaufrechtlich relevanter Sachverhalte, ist gleichwohl aber nicht im Sinne einer umfassenden Vollständigkeit zu verstehen. Vielmehr ist das Abkommen in mancher Hinsicht durchaus – und bewusst – lückenhaft gefasst. Neben einigen allgemeinen Bestimmungen, etwa zur Auslegung von Parteierklärungen, zur Beachtlichkeit von Handelsbräuchen und zum Grundsatz der Formfreiheit, beinhaltet es zum einen Regelungen zum Abschluss des Vertrages durch Angebot und Annahme (Art. 14–24 CISG) und zum anderen Bestimmungen zum Pflichtenkatalog von Verkäufer und Käufer sowie zu den Folgen von Leistungsstörungen. Demgegenüber betrifft es sachlich insbesondere und ausdrücklich (vgl. Art. 4 CISG) nicht die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen (z. B. Probleme der Geschäftsfähigkeit oder Willensmängel) sowie sachenrechtliche Fragen (Eigentumserwerb an der Kaufsache, dingliche Sicherung des Verkäufers mittels Eigentumsvorbehalt).

82Die Pflichtenstellung von Verkäufer und Käufer ist in der CISG ausführlich geregelt. Während es dem Verkäufer obliegt, die Ware insbesondere hinsichtlich Menge, Qualität und Art vertragskonform zu liefern, die die Ware betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen (Art. 30–51 CISG), ist der Käufer verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen (Art. 53–65 CISG). Wird einer dieser Vertragspflichten nicht (ausreichend) nachgekommen, liegt ein Fall der Leistungsstörung vor. Das Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechts differenziert nicht zwischen verschiedenen Leistungsstörungstypen (etwa Verzug, Unmöglichkeit, Schlechtleistung), sondern knüpft an einen einheitlichen Tatbestand der Vertragsverletzung an. Dieser wird erst auf Rechtsfolgenseite näher ausdifferenziert, indem den Parteien im Falle von Störungen vier Basisrechtsbehelfe an die Hand gegeben werden. Diese bestehen aus 1. dem Anspruch auf Erfüllung und Nacherfüllung, 2. verschiedenen Zurückbehaltungsrechten, 3. dem Anspruch auf Schadensersatz als rechtspraktisch wichtigstem Rechtsbehelf (zu dessen Umfang vgl. Art. 74–77 CISG) und 4. die Möglichkeit zur Aufhebung des Vertrages. Die letztgenannte Loslösungsoption greift allerdings immer nur dann, wenn die Pflichtverletzung des anderen Teils eine „wesentliche Vertragsverletzung“ im Sinne des Art. 25 CISG darstellt. Dem Käufer gewährt das UN-Kaufrecht über diese Behelfe hinaus ein weiteres Recht: Er kann den Kaufpreis im Falle der vertragswidrigen Beschaffenheit der Ware auch verhältnismäßig mindern, Art. 50 CISG.

83c) Auf europäischer Ebene. Das gegenwärtige deutsche Kaufvertragsrecht ist bereits in vielerlei Hinsicht durch die Umsetzung europäischer Vorgaben gekennzeichnet (z. B. durch die schon erwähnte Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie). Durch das gesamte Schuldrecht zieht sich der erhebliche Einfluss der EU, deren vornehmliches Aktionsziel häufig im Streben nach mehr Verbraucherschutz begründet liegt. Gleichwohl wurde bislang kein einheitliches europäisches (Kauf)Vertragsrecht kodifiziert; vielmehr wird (nach wie vor) über Sinn und Zweck sowie mögliche Strukturen eines „Europäischen Systems der Vertragsrechte“ debattiert. Es bleibt abzuwarten, ob sich auf kurz oder lang tatsächlich ein Europäisches Vertragsgesetzbuch im Sinne einer weitgehenden Rechtsvereinheitlichung etablieren lässt. De lege lata ist für die rechtliche Behandlung von Absatzkaufverträgen in erster Linie auf die Regelungen von BGB, HGB und CISG zurückzugreifen.

Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht

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