Читать книгу Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht - Rolf Stober - Страница 37

1.Handelsvertreterverträge

Оглавление

133Als eine klassische Form des Vertriebsvertrags ist der Handelsvertretervertrag ausdrücklich gesetzlich geregelt. Auf europäischer Ebene findet sich dazu die Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter (ABl. EG L 382/17 vom 18.12.1986). Die Umsetzung der Richtlinie und mithin die genaue Ausgestaltung der Vorschriften über den Handelsvertreter(vertrag) ist Gegenstand der nationalen Rechtsordnungen. Die folgende Darstellung bezieht sich insoweit auf die Umsetzung der Richtlinie nach deutschem Recht in den §§ 84 ff. HGB.

134a) Gegenstand des Handelsvertretervertrages. Handelsvertreter ist nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 der EG-Handelsvertreter-Richtlinie (ABl. EG L 382/17 vom 18.12.1986), wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für eine andere Person (Unternehmer) den Verkauf oder Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers abzuschließen. § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB erfasst demgegenüber nicht nur den An- oder Verkauf von Waren, sondern stellt auf die Vermittlung oder den Abschluss von „Geschäften“ ab, worunter neben den Waren auch Dienstleistungen fallen.

135Vertragsparteien eines Handelsvertretervertrags sind somit der Unternehmer auf der einen und der Handelsvertreter auf der anderen Seite. Als Unternehmer kommt grundsätzlich jede beliebige Person in Betracht, die Waren oder Dienstleistungen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit absetzen möchte. Die Person des Handelsvertreters hingegen erfährt eine detailliertere gesetzliche Beschreibung.

136So muss der Handelsvertreter als selbstständiger Gewerbetreibender ständig mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften für den Unternehmer bzw. in dessen Namen betraut sein. Wichtig für die Abgrenzung von anderen Formen des Vertriebs sind dabei vor allem die Merkmale der Selbständigkeit und der ständigen Betrauung.

Das Kriterium der Selbständigkeit bewirkt eine Abgrenzung zum Angestellten des Unternehmers und mithin zum Anwendungsbereich des Arbeitsrechts. Als selbstständig in diesem Sinne gilt, „wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“ (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Es bedarf allerdings zur zutreffenden Einordnung des jeweiligen Einzelfalls einer umfassenden Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände.

137Die ständige Betrauung des Handelsvertreters mit seiner Tätigkeit für den Unternehmer, ist die Grundlage verschiedener spezifischer gesetzlicher Regelungen zum Handelsvertretervertrag. Indem der Handelsvertreter nämlich ständig für den Unternehmer tätig ist, ergibt sich eine stärkere Bindung an den Unternehmer sowie eine erhöhte Abhängigkeit von diesem, was eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters zur Folge hat. Dieser Schutzbedürftigkeit wird dementsprechend mit Regelungen zu Gunsten des Handelsvertreters, wie etwa dem Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB (vgl. dazu näher unten), Rechnung getragen. Das Merkmal „ständig“ ist erfüllt, wenn die Tätigkeit für eine gewisse Dauer und auf eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften angelegt ist.

138b) Vertragsinhalte im Einzelnen. Hauptpflicht des Handelsvertreters ist es, für den Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder solche in dessen Namen abzuschließen. Unter der Vermittlung von Geschäften ist eine Einwirkung des Handelsvertreters auf einen Dritten zu verstehen, mittels derer er den Geschäftsabschluss fördert. Hierfür reicht eine Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Handelsvertreters aus. Der bloße Aufbau von Geschäftsbeziehungen oder die reine Kontaktpflege bzw. Kundenbetreuung genügen hingegen ebenso wenig, wie eine ausschließliche Werbetätigkeit oder der schlichte Nachweis von Gelegenheiten zu Geschäften. Ist der Handelsvertreter entsprechend bevollmächtigt, umfasst seine Tätigkeit auch den Abschluss von Geschäften im Namen des Unternehmers. Der Vertragsschluss im fremden Namen kennzeichnet dabei einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen Handelsvertretervertrag und anderen Formen des Vertriebsvertrags, wie etwa Kommissions- oder Vertragshändlerverträgen, bei welchen die Vertriebsperson die Verträge im eigenen Namen abschließt.

139Was die Art der zu vermittelnden oder abzuschließenden Geschäfte anbetrifft, so bestehen keine Einschränkungen. Anzumerken ist auch, dass sich das Tätigkeitsfeld eines Handelsvertreters grundsätzlich nicht auf die Position des Absatzmittlers beschränken muss. Er kann über diese Funktion als Vertriebsperson hinaus ebenso als Einkaufsmittler für den Unternehmer fungieren. Diese Variante spielt jedoch in der Praxis eine nur untergeordnete Rolle.

140Die vertragliche Hauptpflicht des Handelsvertreters wird von verschiedenen Nebenpflichten begleitet. Diese ergeben sich zwar prinzipiell bereits aus der Rechtsnatur des Handelsvertretervertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter selbst, haben aber in § 86 HGB (in Umsetzung des Art. 3 HandelsvertreterRL) eine explizite, wenngleich vornehmlich deklaratorische, Regelung erfahren. So ist der Handelsvertreter verpflichtet, sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften zu bemühen und dabei die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen. Zudem trifft ihn die Pflicht, dem Unternehmer alle erforderlichen Nachrichten zukommen zu lassen, was insbesondere die unverzügliche Mitteilung jeder Geschäftsvermittlung bzw. jedes Geschäftsabschlusses beinhaltet. Diese Pflichten sind gem. § 86 Abs. 4 HGB (basierend auf Art. 5 HandelsvertreterRL) zwingend, so dass die Parteien keine Möglichkeit haben, hiervon im konkreten Handelsvertretervertrag abzuweichen.

141Die Interessenwahrungspflicht beinhaltet ein Wettbewerbsverbot für den Handelsvertreter während der Vertragszeit. Er selbst darf zum Unternehmer nicht in Wettbewerb treten, sofern dadurch dessen Interessen beeinträchtigt würden. (Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz des Wettbewerbsverbots vgl. u. § 4 II 1.d; zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot vgl. § 4 II 1.c).

142Des Weiteren besteht die Verpflichtung des Handelsvertreters, den angemessenen Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten. Auch diese Pflicht ergibt sich bereits aus der Rechtsnatur des Handelsvertretervertrages und ist zudem in Art. 3 Abs. 1 lit. c HandelsvertreterRL normiert.

143Unabhängig von diesem Weisungsrecht besitzt der Unternehmer gegenüber dem Handelsvertreter die vollständige Hoheit über die Preis- und Vertriebsgestaltung im Rahmen der vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte. Indem er Geschäfte ablehnt, die seinen Vorgaben zu wider laufen, bzw. dem Handelsvertreter eine entsprechend beschränkte Abschlussvollmacht erteilt, kann er ihm gegenüber Preis- und Vertriebsbindungen ohne weiteres durchsetzen. (Auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung derartiger Preis- und Vertriebsbindungen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden).

Der Hauptpflicht des Handelsvertreters, Geschäfte zu vermitteln oder für den Unternehmer abzuschließen, entspricht die Pflicht des Unternehmers, den Provisionsanspruch des Handelsvertreters zu erfüllen. Der Provisionsanspruch sowie seine Voraussetzungen sind in den §§ 87 ff. HGB bzw. Art. 7 ff. HandelsvertreterRL geregelt. Wesentliches Merkmal dieses Anspruchs ist der Umstand, dass es sich hierbei um eine erfolgsbezogene Vergütung handelt. Ohne tatsächlichen Abschluss des fraglichen Geschäfts kommt kein Provisionsanspruch des Handelsvertreters zu Stande. Der bloße Abschluss des Vertrages reicht indes noch nicht aus. Der Provisionsanspruch steht vielmehr unter der aufschiebenden Bedingung der Geschäftsausführung durch den Unternehmer (§ 87a Abs. 1 HGB) sowie unter der auflösenden Bedingung der feststehenden Nichtleistung durch den Dritten (§ 87a Abs. 2 HGB). Zwischen dem Geschäftsabschluss und der Tätigkeit des Handelsvertreters muss eine Verbindung dergestalt bestehen, dass ersterer auf die letztere zurückzuführen ist (§ 87 Abs. 1 HGB; Art. 7 Abs. 1 HandelsvertreterRL). Entbehrlich ist diese Ursächlichkeit allerdings dann, wenn der Handelsvertretervertrag dem Handelsvertreter einen bestimmten Bezirk oder Kundenkreis zuweist und ein Geschäft mit Personen eben dieses Bezirks oder Personenkreises abgeschlossen wird (§ 87 Abs. 2 HGB; Art. 7 Abs. 2 HandelsvertretrerRL). In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass sich der Provisionsanspruch grundsätzlich auf all diejenigen Geschäftsabschlüsse bezieht, die während der Vertragszeit zu Stande kommen. Ausnahmen sind für den Fall vorgesehen, dass ein Geschäftsabschluss zwar nach Vertragsbeendigung erfolgt, aber ganz wesentlich auf die Tätigkeit des ausscheidenden Handelsvertreters zurückzuführen ist (vgl. § 87 Abs. 3 HGB; Art. 8 HandelsvertreterRL).

144Auch für den Unternehmer erwachsen aus dem Handelsvertretervertrag verschiedene Nebenpflichten (vgl. § 86a HGB; Art. 4 HandelsvertreterRL). So ist der Unternehmer verpflichtet, den Handelsvertreter, insbesondere durch die Überlassung der erforderlichen Muster, Preislisten, Werbematerialien etc., zu unterstützen. Des Weiteren trifft ihn eine Informationspflicht, aufgrund derer er vor allem zur unverzüglichen Mitteilung über Annahme oder Ablehnung von Geschäften verpflichtet ist. Auch Umstände aus dem Geschäftsbereich, die sich nachteilig für den Handelsvertreter auswirken könnten, hat der Unternehmer diesem zur Kenntnis zu bringen. Die Informationspflichten gelten jedoch nur, soweit sie ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers nicht beeinträchtigen.

145Ein grundsätzliches Wettbewerbsverbot des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter ist dem Handelsvertretervertrag nicht immanent. Ein solches ergibt sich vielmehr aus der jeweiligen Ausgestaltung des einzelnen Vertrags, insbesondere etwa im Falle der Zusicherung von Bezirks- oder Kundenschutz. Der Unternehmer darf dem Handelsvertreter dann weder selbst, noch durch die Einschaltung weiterer Handelsvertreter Konkurrenz machen. Entscheidend ist jeweils, als wie stark sich die Vertragstreuepflicht des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter im speziellen Vertrag darstellt. (Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Wettbewerbsverboten für den Unternehmer vgl. unter d).

146c) Pflichten der Parteien des Handelsvertretervertrags nach Vertragsbeendigung. Nach Beendigung des Handelsvertretervertrags steht dem Handelsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausgleichsanspruch gegen den Unternehmer zu. Gesetzlich geregelt ist dieser Anspruch in § 89b HGB in Umsetzung der Art. 17 und 18 HandelsvertreterRL. Es handelt sich hierbei um einen Vergütungsanspruch für erbrachte Leistungen des Handelsvertreters, welche durch die Provisionszahlungen allein noch nicht vollständig abgegolten sind. Entlohnt werden soll die Überlassung des Kundenstamms, den der Handelsvertreter im Verlaufe seiner (immerhin selbstständigen) Tätigkeit rekrutiert hat, von der nun der Unternehmer profitiert, indem er eine Gewinnchance erhält, die er ohne den Einsatz des Handelsvertreters nicht gehabt hätte. Der Ausgleichsanspruch stellt damit auch einen Ausgleich für die Nachteile dar, die der Handelsvertreter dadurch erleidet, dass er die von ihm aufgebauten Kundenbeziehungen nach Vertragsbeendigung nicht mehr nutzen kann. Ein wesentliches Element des Ausgleichsanspruchs ist das der Billigkeit. Wenngleich der Rechtsgrund des Anspruchs in dessen Vergütungscharakter nicht aber in Billigkeitserwägungen zu sehen ist, so spielt das Billigkeitselement dennoch eine gewichtige Rolle bei der Entstehung und Bemessung des Ausgleichsanspruchs. Neben den Voraussetzungen, dass der Unternehmer auch nach der Vertragsbeendigung noch erhebliche Vorteile aus den durch den Handelsvertreter geschaffenen Kundenbeziehungen hat (vgl. § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB) und dass dem Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung keine weiteren Provisionsansprüche zuwachsen (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB), muss nämlich die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entsprechen (§ 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB). Diese Billigkeitsprüfung bildet das Einfallstor für eine wertende Einbeziehung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, die es ermöglichen soll, den Besonderheiten des jeweiligen Vertragsverhältnisses Rechnung zu tragen. So können z. B. Aspekte wie der Grad der Ursächlichkeit der Tätigkeit des Handelsvertreters für die Kundengewinnung, die Vertragsdauer, die Gründe für die Vertragsbeendigung, etc. Berücksichtigung finden. Der Ausgleichsanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Kündigung durch den Handelsvertreter erfolgt, ohne dass der Unternehmer hierzu berechtigten Anlass gegeben hat oder bei Kündigung durch den Unternehmer aufgrund schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters (§ 89b Abs. 3 HGB).

147Mit der Beendigung des Handelsvertretervertrages endet auch das Wettbewerbsverbot für den (ehemaligen) Handelsvertreter. Dieser ist nun grundsätzlich völlig frei, dem Unternehmer uneingeschränkt Konkurrenz zu machen. Mithilfe der während seiner Tätigkeit erworbenen Informationen über die Geschäftsmethoden des Unternehmers kann sich ein ehemaliger Handelsvertreter als besonders gefährlicher Konkurrent für diesen erweisen. Um das zu verhindern, ist der Unternehmer vielfach bestrebt, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in den Handelsvertretervertrag aufzunehmen. Eine derartige Wettbewerbsabrede ist grundsätzlich zulässig. Zum Schutz des Handelsvertreters bestehen jedoch zwingende gesetzliche Beschränkungen (§ 90a HGB; Art. 20 HandelsvertreterRL). So bedarf die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots im Handelsvertretervertrag der Schriftform. In zeitlicher Hinsicht ist die Höchstdauer des Wettbewerbsverbotes auf zwei Jahre nach Vertragsbeendigung beschränkt. Es darf sich zudem ausschließlich auf das dem Handelsvertreter im Vertrag zugewiesene Gebiet bzw. den ihm zugewiesenen Kundenkreis beziehen und nur solche Gegenstände erfassen, hinsichtlich derer er gegenüber dem Unternehmer zu Geschäftsvermittlung oder -abschluss verpflichtet war. Im Gegenzug hat der Unternehmer dem ausgeschiedenen Handelsvertreter für die Geltungsdauer des Wettbewerbsverbots eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

148d) Wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Handelsvertreterverträgen. Der Handelsvertretervertrag weist neben seiner vertragsrechtlichen auch eine bedeutende wettbewerbsrechtliche Relevanz auf. In diesem Zusammenhang ist infolge der Angleichung des deutschen an das europäische Kartellrecht im Ergebnis auf die Vorschriften des europäischen Kartellrechts (insbesondere Art. 101 AEUV) abzustellen.

149Als (kartellrechtlich verbotene) wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen kommen dabei vor allem zwei Aspekte des Handelsvertretervertrags in Betracht. Zum einen die Preis- und Vertriebsbindungen durch den Unternehmer und zum anderen alle denkbaren Konstellationen von Wettbewerbsverboten. Diese könnten als Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen sein. Als selbstständiger Kaufmann ist der Handelsvertreter grundsätzlich Unternehmer i. S. d. Art. 101 AEUV, so dass Vereinbarungen zwischen ihm und dem Unternehmer zunächst dem Anwendungsbereich der Norm unterfallen würden.

150Art. 101 Abs. 3 AEUV normiert die Möglichkeit der Freistellung vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Dafür besteht grundsätzlich die Option der Einzel- oder der Gruppenfreistellung. Die Einzelfreistellung richtet sich nach der Kartellverfahrensverordnung VO 1/2003 (Abl. EG L 1/1 vom 4.1.2003), der zufolge ein Verbot nicht besteht, wenn die betreffende Maßnahme die Freistellungsvoraussetzungen gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt. Eine derartige Prüfung erübrigt sich jedenfalls dann, wenn die fragliche Maßnahme einer Gruppenfreistellungsverordnung der EU wie etwa der Gruppenfreistellungsverordnung 2790/99 für vertikale Vereinbarungen unterfällt.

151Das Erfordernis der Freistellung insgesamt entfiele nur, wenn Handelsvertreterverträge aus anderen Gründen vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen wären. An dieser Stelle sind die Leitlinien der EG-Kommission für vertikale Beschränkungen in den Blick zu nehmen, die zwar keine Bindungswirkung im Sinne von Rechtssätzen entfalten, aber den künftigen Entscheidungsmaßstab der Kommission ankündigen. Eben diesen Leitlinien zufolge, werden Verpflichtungen die einen Handelsvertreter im Verhältnis zu seinem Prinzipal betreffen (also die Vereinbarungen in einem Handelsvertretervertrag) nicht vom Verbot des Art. 101 AEUV erfasst. Dies gilt jedoch nur für so genannte „echte“ Handelsvertreterverträge. Auf „unechte“ Handelsvertreterverträge hingegen ist Art. 101 AEUV grundsätzlich anwendbar. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen in solchen Verträgen bedürfen daher stets der Freistellung auf die oben dargestellte Art und Weise. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen „echten“ und „unechten“ Handelsvertreterverträgen ist die Risikoverteilung. Die formal gewählte Rechtsform ist insoweit unbeachtlich. Es kann also z. B. nicht genügen, wenn ein Vertriebsvertrag als „Handelsvertretervertrag“ bezeichnet wird. Maßgeblich sind allein die jeweils tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten.

152Ein „echter“ Handelsvertretervertrag liegt danach vor, wenn der Handelsvertreter selbst keine oder nur geringe Risiken im Hinblick auf die von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte trägt und keine oder nur geringe geschäftsspezifische Investitionen für das betreffende Geschäftsfeld tätigen muss. Ob der Handelsvertreter für einen oder für mehrere Unternehmer tätig ist (Doppelprägung), ist dabei irrrelevant.

Explizit vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen sind dann den Leitlinien zufolge insbesondere Gebietsbeschränkungen, Kundenkreisbeschränkungen sowie Preis- und Konditionenbindungen. Alleinvertreterklauseln, nach denen es dem Unternehmer untersagt ist, andere Vertreter für bestimmte Geschäftsarten, Gebiete oder Kundenkreise einzusetzen, werden als lediglich den Intra-brand-Wettbewerb betreffende Maßnahmen für regelmäßig unbedenklich gehalten. Wettbewerbsverbote hingegen (gleich ob während oder nach Ablauf des Vertrages) sollen, sofern sie zur Abschottung des relevanten Marktes führen, durchaus unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen können, da hierdurch der Inter-brand-Wettbewerb betroffen sei. Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten dürfte jedoch ein wettbewerbswidriger Charakter regelmäßig ausgeschlossen sein, sofern diese sich im Rahmen des § 90a HGB halten.

153e) Vor- und Nachteile des Handelsvertretervertrages für den Geschäftsherrn. Bei einer Gesamtbetrachtung sind folgende Faktoren in die Überlegung einzubeziehen, ob der Vertrieb mithilfe von Handelsvertretern erfolgen soll: Der Vorteil für den Geschäftsherrn liegt vor allem in seinen weit reichenden Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Preis- und Vertriebsgestaltung gerade auch aufgrund der Tatsache, dass kartellrechtliche Vorschriften hier nicht entgegenstehen. Zudem fällt ihm der durch den Handelsvertreter erworbene Goodwill zu.

Negativ schlägt dagegen insbesondere das wirtschaftliche Risiko zu Buche, welches in vollem Umfang beim Geschäftsherrn verbleibt.

Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht

Подняться наверх