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II.Deutsches Transportrecht und Speditionsvertragsrecht 1.Allgemeines Frachtrecht

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183Die §§ 407–450 HGB enthalten allgemeine Vorschriften über das Frachtgeschäft. Sie sind auf Güterbeförderungen zu Lande (auf der Straße oder auf der Schiene), auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen anwendbar, wenn die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens (auch eines mindergewerblichen) gehört. Die Regelungen sind in weiten Teilen dispositiv, insbesondere von den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers jedoch kann im Wesentlichen nur durch Individualvereinbarungen, nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, abgewichen werden, § 449 HGB.

184a) Inhalt des Frachtvertrags. Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern, § 407 Abs. 1 HGB; der Absender hat die Fracht (Entgelt für die Tätigkeit des Frachtführers, nicht wie im allgemeinen Sprachgebrauch das beförderte Gut) zu zahlen, § 407 Abs. 2 HGB. Der Frachtvertrag ist als Werkvertrag einzuordnen – geschuldet ist der Beförderungserfolg – mit Elementen des Geschäftsbesorgungsvertrags, so etwa bei Einzug von Nachnahmen.

185Der Frachtvertrag kann als Stückgutfrachtvertrag abgeschlossen werden, d. h. über die Beförderung bestimmter Güter, oder als Raumfrachtvertrag, bei dem der Frachtführer dem Absender Laderaum oder auch beispielsweise einen kompletten Lkw zur Verfügung stellt. Beim Raumfrachtvertrag kann im Einzelfall die Abgrenzung zu einem bloßen Mietvertrag Schwierigkeiten bereiten, wesentliches Abgrenzungsmerkmal ist das Vorhandensein des werkvertraglichen Erfolgselements.

186b) Abschluss des Vertrags und beteiligte Personen. Der Frachtvertrag wird zwischen dem Frachtführer, der die Beförderung übernimmt, und dem Absender, der das Gut zur Verfügung stellt, geschlossen. Er unterliegt keinem Formzwang. Der Frachtvertrag ist ein Vertrag zugunsten eines Dritten i. S. v. § 328 BGB, nämlich zugunsten des Empfängers. Dieser hat insbesondere Anspruch auf Ablieferung des Guts am Bestimmungsort (§ 421 HGB) und gewisse Weisungsrechte.

187c) Transportdokumente. Wichtigstes Dokument der vom Allgemeinen Frachtrecht betroffenen Transporte ist der Frachtbrief, der kein Wertpapier ist. Der Frachtbrief ist nicht Voraussetzung für das Zustandekommen des Frachtvertrags. Der Frachtführer kann von dem Absender die Ausstellung des Frachtbriefs mit den in § 408 Abs. 1 HGB aufgeführten Angaben verlangen. Verweigert der Absender die Ausstellung oder stellt er den Frachtbrief fehlerhaft aus, verletzt er seine Mitwirkungspflicht, so dass der Frachtführer berechtigt ist, das Gut und gegebenenfalls den fehlerhaften Frachtbrief zurückzuweisen. Außerdem kann den Absender bei unrichtigen oder unvollständigen Frachtbriefangaben eine verschuldensunabhängige (allerdings summenmäßig beschränkte) Haftung treffen (§ 414 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB).

188Der Absender kann verlangen, dass auch der Frachtführer den Frachtbrief unterzeichnet. Dies ist für die Beweiskraft des Frachtbriefs von Bedeutung: Ist er von beiden Parteien unterzeichnet, dient er bis zum Beweis des Gegenteils als Nachweis für Abschluss und Inhalt des Frachtvertrags sowie für die Übernahme des Guts durch den Frachtführer. Er begründet dann ferner die widerlegliche Vermutung, dass das Gut und seine Verpackung bei der Übernahme durch den Frachtführer in äußerlich gutem Zustand waren und dass die Anzahl der Frachtstücke und ihre Zeichen und Nummern mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen. Letztere Vermutung kann von dem Frachtführer durch die Eintragung eines begründeten Vorbehalts in den Frachtbrief entkräftet werden.

189Bei Unterzeichnung des Frachtbriefs durch beide Parteien wirkt dieser auch als Sperrpapier, wenn das im Frachtbrief so vorgeschrieben ist (§ 418 Abs. 4 HGB): Der Absender kann dann sein frachtvertragliches Weisungsrecht gegenüber dem Frachtführer nur gegen Vorlage der Absenderausfertigung des Frachtbriefs ausüben.

190Gemäß §§ 444–448 kann der Frachtführer auch einen Ladeschein ausstellen. Dieser ist Wertpapier: Zur Geltendmachung des verbrieften Rechts ist die Vorlage des Papiers erforderlich. Der Ladeschein kann an Order ausgestellt werden und ist dann gekorenes Orderpapier (§ 363 Abs. 2 HGB). Er hat ohne weiteres die Funktion eines Sperrpapiers. Bei Landtransporten ist die Ausstellung eines Ladescheins unüblich, Bedeutung haben die Vorschriften vor allem für Binnenschiffs- und kombinierte Transporte.

191d) Rechte und Pflichten der Beteiligten. Die Hauptpflichten der Vertragsparteien sind in § 407 HGB geregelt: Der Frachtführer ist zur Beförderung zum Bestimmungsort und Ablieferung des Guts verpflichtet, der Absender hat die vereinbarte Fracht zu zahlen. Die Fracht wird bei Ablieferung des Guts fällig. Neben der Fracht kann ein weiterer Anspruch auf angemessene Vergütung bestehen, wenn bei der Beförderung eine Verzögerung eintritt, die dem Risikobereich des Absenders zuzurechnen ist. Zur Sicherung seines Frachtanspruchs hat der Frachtführer ein gesetzliches Pfandrecht an dem Gut, das auch nach Ablieferung noch drei Tage als besitzloses (!) Pfandrecht weiterbestehen kann. Der Empfänger kann nach Ankunft des Guts an der Ablieferungsstelle die Ablieferung nur gegen Erfüllung der frachtvertraglichen Verpflichtungen – etwa Zahlung noch ausstehender Fracht – verlangen.

192Bei Gefahrguttransporten ist der Absender verpflichtet, dem Frachtführer rechtzeitig schriftlich die genaue Art der Gefahr und eventuell zu treffende Vorsichtsmaßnahmen mitzuteilen. Wann ein gefährliches Gut i. S. v. § 410 HGB vorliegt, richtet sich nicht nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Gefahrgutrechts, sondern nach frachtrechtlichen, transportspezifischen Kriterien. Bei unterlassener Mitteilung kann der Frachtführer die Maßnahmen nach § 410 Abs. 2 HGB (z. B. ausladen oder vernichten) ergreifen und dafür Aufwendungsersatz verlangen. Der Absender haftet dann außerdem ohne Verschulden für Schäden des Frachtführers.

193Nach § 411 HGB ist der Absender verpflichtet, das Gut – soweit dessen Natur unter Berücksichtigung der vereinbarten Beförderung eine Verpackung erfordert – so zu verpacken, dass es vor Verlust und Beschädigung geschützt ist und dass auch dem Frachtführer keine Schäden entstehen. Der Absender hat auch für die erforderliche Kennzeichnung zu sorgen. Kommt der Absender diesen Pflichten nicht hinreichend nach, haftet er wiederum verschuldensunabhängig.

194Die Pflichtenverteilung beim Be- und Entladen wird durch § 412 HGB geregelt. Danach muss der Absender – soweit sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nichts anderes ergibt – das Gut beförderungssicher laden, stauen und befestigen (so dass es durch normale, vertragskonforme, beförderungsbedingte Einflüsse nicht beschädigt wird) sowie entladen. Der Frachtführer hat für die betriebssichere Verladung zu sorgen, d. h. sicherzustellen, dass das Fahrzeug im Hinblick auf seine individuellen Eigenschaften mit der Ladung jeder Verkehrslage gewachsen ist, mit der auf dem in Aussicht genommenen Weg zu rechnen ist. Für die vereinbarte oder angemessene Lade- und Entladezeit kann keine besondere Vergütung verlangt werden. Wartet der Frachtführer aus Gründen, die nicht seinem Risikobereich zuzuordnen sind, über diese Zeit hinaus, kann er eine angemessene Vergütung – sog. Standgeld – fordern. Der Frachtführer kann auch, wenn das Gut nicht innerhalb der Ladezeit verladen wird, den Vertrag nach Fristsetzung kündigen oder, wenn nur ein Teil verladen wurde, die Beförderung mit der unvollständigen Ladung beginnen (§ 415 und § 416 HGB), wenn nicht die Nichteinhaltung der Ladezeit seinem Risikobereich zuzurechnen ist, § 417 HGB.

195Der Absender hat dem Frachtführer die Urkunden (gewöhnlich als Begleitpapiere bezeichnet) zur Verfügung zu stellen und die Auskünfte zu erteilen, die für eine amtliche Behandlung des Guts vor der Ablieferung – insbesondere Zollabfertigung – erforderlich sind. Bei Verletzung dieser Pflichten haftet der Absender wiederum verschuldensunabhängig, aber beschränkt gemäß § 414 HGB. Der Frachtführer haftet für Verlust, Beschädigung und unrichtige Verwendung der Begleitpapiere, wenn die zugrundeliegenden Umstände für ihn nicht unvermeidbar und die Folgen nicht unabwendbar waren.

Der Absender hat ein jederzeitiges Kündigungsrecht, § 415 HGB. Der Frachtführer kann im Falle der Kündigung durch den Absender jedoch entweder die vereinbarte Fracht, Standgeld und Aufwendungen unter Anrechnung dessen, was er infolge der Vertragsaufhebung an Aufwendungen erspart oder erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt verlangen oder ein Drittel der vereinbarten Fracht (sog. Fautfracht) verlangen. Ist die Kündigung durch Umstände verursacht worden, die dem Risikobereich des Frachtführers zuzurechnen sind, so kann er nur den ersten Anspruch geltend machen und auch nur insoweit, als die Beförderung für den Absender von Interesse ist.

196Der Absender hat, wenn nur ein Teil der vereinbarten Ladung verladen wird, einen Anspruch auf Teilbeförderung, § 416 Satz 1 HGB. Der Frachtführer kann jedoch trotzdem die volle Fracht verlangen; er muss sich allerdings das anrechnen lassen, was er an Fracht mit stattdessen verladenem Gut verdient.

197§ 418 HGB regelt die Weisungsrechte des Absenders und des Empfängers. Die Berechtigung, über das Gut zu verfügen, steht zunächst dem Absender zu. Er kann insbesondere verlangen, dass das Gut nicht weiter- oder an einen anderen Ort befördert oder an einer anderen Ablieferungsstelle oder einen anderen Empfänger abgeliefert wird. Der Frachtführer muss solche Weisungen jedoch nur insoweit befolgen, als deren Ausführung weder Nachteile für den Betrieb seines Unternehmens noch Schäden für die Absender und Empfänger anderer Sendungen mit sich zu bringen droht, und er kann Aufwendungsersatz und angemessene Vergütung, sogar Vorschuss verlangen. Will der Frachtführer eine Weisung nicht befolgen, so hat er den Weisungsgeber unverzüglich zu benachrichtigen. Mit Ankunft des Guts an der Ablieferungsstelle erlischt das Verfügungsrecht des Absenders und steht von da an dem Empfänger zu. Auch von diesem kann der Frachtführer die durch die Weisungen entstehenden Mehraufwendungen ersetzt verlangen. Ordnet der Empfänger die Ablieferung des Guts an einen Dritten an, so ist dieser nicht berechtigt, seinerseits einen anderen Empfänger zu bestimmen. Wenn ein von beiden Parteien unterzeichneter Frachtbrief mit einem entsprechenden Vermerk vorliegt, kann der Absender sein Weisungsrecht nur gegen Vorlage der Absenderausfertigung ausüben; der Frachtführer, der in einem solchen Fall eine Weisung ausführt, ohne sich die Absenderausfertigung vorlegen zu lassen, haftet dem Berechtigten für den daraus entstehenden Schaden ohne Haftungsbeschränkung.

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