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2.Vertragshändlerverträge

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154Eine weitere mögliche Form des Vertriebsvertrags stellt der Vertragshändlervertrag dar. Dieser Vertragstyp hat keine explizite gesetzliche Regelung erfahren. Er gehört vielmehr zu der Kategorie von Vertriebsverträgen, die sich aus der häufigen Anwendung in der Praxis heraus zu einer typisierten Vertragsform entwickelt haben.

155a) Gegenstand des Vertragshändlervertrags. Typisch für eine Vertragshändlerkonstellation ist in Abgrenzung zum Handelsvertretervertrag der Bezug von Produkten unter Dauervertrag, welche dann im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weiterverkauft werden.

156Vertragshändler ist, wer mittels eines auf eine gewisse Dauer ausgerichteten Rahmenvertrags dergestalt in die Vertriebs- und Absatzorganisation eines Herstellers (oder dessen Zwischenhändlers) eingebunden wird, dass er die Produkte dieses Lieferanten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreibt und ihren Absatz fördert, wobei er die Funktion und Risiken seiner Handelstätigkeit an dieser Absatzförderung auszurichten hat.

157Wenn der Vertragshändler die Produkte des Lieferanten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben soll, setzt das voraus, dass er diese, anders als etwa ein Handelsvertreter, zunächst selbst vom Lieferanten erwirbt, um sie dann an Dritte weiter zu veräußern. Dabei kommen hinsichtlich der einzelnen Warenlieferungen jeweils eigenständige Kaufverträge zwischen Vertragshändler und Lieferant zu Stande. Der Vertragshändlervertrag selbst ist also als Rahmenvertrag zu charakterisieren, der die wesentlichen Bedingungen für spätere, auf Grundlage dieses Vertrags zu Stande kommende einzelne Kaufverträge zwischen Vertragshändler und Lieferant festlegt.

Letztendlich wird der Vertragshändler zwar in gewisser Weise für den Lieferanten tätig, indem er dessen Warenabsatz unterstützt, das Warenabsatz- und Kreditrisiko aber trägt, anders als etwa der Handelsvertreter, er selbst.

158b) Vertragsinhalte im Einzelnen. Der Sinn und Zweck des Vertragshändlervertrags als Rahmenvertrag liegt in einer Verhaltensabstimmung zwischen Lieferant und Vertragshändler im Hinblick auf den künftigen Warenabsatz. Von Bedeutung sind insoweit vor allem die jeweiligen Pflichten der Vertragsparteien. Wenngleich diese zu weiten Teilen der individuellen Ausgestaltung dieses gesetzlich nicht geregelten Vertragstyps überlassen bleibt, so lassen sich dennoch gewisse Grundlinien aufzeigen, welche dem Vertragshändlervertrag grundsätzlich, wenn auch nicht notwendigerweise kumulativ, immanent sind und im Ergebnis seine Einordnung in diese Vertragskategorie überhaupt erst ermöglichen.

159Wie bei jedem Vertriebsvertrag liegt das Kernelement auch beim Vertragshändlervertrag in der Förderung des Warenabsatzes. Indem dieses Ziel zu einer (dauerhaften) vertraglichen Verpflichtung des Vertragshändlers zur Absatzförderung gemacht wird, erfolgt eine Eingliederung in das Vertriebssystem des Lieferanten. Sie führt zu einer Bindung und Interessenverknüpfung der Parteien, die über eine gewöhnliche längerfristige Lieferbeziehung hinausgeht. Die Pflicht zur Förderung des Warenabsatzes beinhaltet naturgemäß eine Verpflichtung des Vertragshändlers zum Kauf der Produkte des Lieferanten. Sie setzt folglich auch ein Bemühen um möglichst viele eigene Abnehmer voraus, was die eigene Abnahmerate des Vertragshändlers seinem Lieferanten gegenüber erhöht. So kann etwa eine überzogene Preisgestaltung des Vertragshändlers gegenüber Dritten zu einer Pflichtverletzung führen.

160Über die Pflicht zur Absatzförderung hinaus bzw. in Überschneidung mit dieser besteht eine Verpflichtung des Vertragshändlers zur Wahrnehmung der Interessen des Lieferanten. Je nach der konkreten Vertragssituation kann diese Pflicht unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren. In Betracht kommen etwa Pflichten zur Unterrichtung des Lieferanten über die Vertriebstätigkeit und allgemeine Marktentwicklung, Werbe- oder Lagerhaltungspflichten oder die Verpflichtung zur Unterhaltung eines Kundendienstes für die verkauften Produkte. Weitere Pflichten des Vertragshändlers betreffen z. B. die Pflichten zu einer Mindestabnahme von Waren, zur Übernahme der Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen der Kunden und zur Duldung von Kontrollen durch den Lieferanten.

161Den Pflichten des Vertragshändlers stehen sachlogisch Verpflichtungen des Lieferanten gegenüber. Er ist (auch bei Fehlen einer entsprechenden expliziten Vereinbarung) im Zweifel jedenfalls dann zur Belieferung des Vertragshändlers verpflichtet, wenn eine Mindestabnahme und eine Ausschließlichkeitsbindung vereinbart wurden. Mit der Interessenwahrungspflicht des Vertragshändlers korrespondiert eine intensivierte Vertragstreuepflicht des Lieferanten. Diese gebietet etwa die Einhaltung von womöglich bestehenden Gebietsschutzabreden oder Alleinvertriebsrechten zugunsten des Vertragshändlers (zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz derartiger Vereinbarungen vgl. unten), die Überlassung der für den Vertrieb erforderlichen Hilfsmittel, die Gewährleistung einer kontinuierlichen Qualität der Produkte, die Durchführung von Werbemaßnahmen sowie die Rücknahme von Warenlagern nach Vertragsende. Vertretbar erscheint auch die Annahme einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller im Wettbewerb stehenden Vertragshändler, mit denen der Lieferant vertraglich verbunden ist. Abstrakter gefasst obliegt es dem Lieferanten, auf schutzwürdige Belange des Vertragshändlers Rücksicht zu nehmen und die diesem mittels des Vertragshändlervertrags zuteilwerdende Gewinnperspektive nicht selbst oder mittelbar durch Dritte zu konterkarieren.

162c) Analoge Anwendung von Handelsvertreterrecht. Im Hinblick auf die wechselseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien ist es zudem von Interesse, ob und inwieweit die Vorschriften über den Handelsvertretervertrag (also für das deutsche Recht die §§ 84 ff. HGB) auf den Vertragshändlervertrag analog anzuwenden sind. Das gilt vor allem für Regelungen wie den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB und das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach § 90a HGB. Für die Beurteilung dieser Frage ist auf die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Vertragshändlervertrags abzustellen. Eine Analogie ist in der Regel dann zu bejahen, wenn der Vertragshändler in einer dem Handelsvertreter vergleichbaren Weise in die Vertriebs- und Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert ist. Dies beurteilt sich im Wege einer Gesamtbetrachtung des Vertragsverhältnisses anhand verschiedener Einzelkriterien, wie z. B. Verkaufsförderungs-, Informations- oder Berichtspflichten des Vertragshändlers und Kontroll-, Überwachungs- und Weisungsrechten des Lieferanten. Für eine analoge Anwendung des § 89b HGB ist es zudem erforderlich, dass der Lieferant nach der Vertragsbeendigung tatsächlich die Möglichkeit hat, den Kundenstamm des Vertragshändlers für sich zu nutzen bzw. (so die strengere Ansicht der Rechtsprechung), dass eine vertragliche Verpflichtung des Vertragshändlers zur Überlassung des Kundenstamms besteht. Generell ist für die analoge Heranziehung des Handelsvertreterrechts bei jeder Vorschrift danach zu fragen, ob ihre Anwendung auf den Vertragshändlervertrag dem jeweiligen Normzweck entspricht.

163d) Wettbewerbsrechtliche Beurteilung. Indem beispielsweise Gebietsschutzabreden und Alleinvertriebsrechte zugunsten des Vertragshändlers und Wettbewerbsverbote des letzteren im Verhältnis zum Lieferanten zu gängigen Vereinbarungen im Rahmen eines Vertragshändlervertrags gehören oder sich gegebenenfalls aus einer analogen Anwendung des Handelsvertreterrechts ergeben, drängt sich die Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung derartiger Abreden geradezu auf. Da das wirtschaftliche Risiko hinsichtlich des Produktabsatzes allein beim Vertragshändler liegt, kommt eine Ausnahme vom Verbot des Art. 101 AEUV im Gegensatz zum „echten“ Handelsvertreter gerade nicht in Betracht (vgl. o. § 4 II 1.d). Die kartellrechtlichen Vorschriften finden demgemäß vollumfänglich Anwendung. Dementsprechend sind die einzelnen Vertragsvereinbarungen jeweils auf ihre Vereinbarkeit mit den kartellrechtlichen Vorschriften bzw. daraufhin zu überprüfen, ob sie einer Gruppenfreistellung oder aber der Regelung in Art. 101 Abs. 3 AEUV unterfallen.

164e) Vor- und Nachteile des Vertragshändlervertrags für den Geschäftsherrn. Der Vorteil der Vertriebsvariante des Vertragshändlervertrags liegt insbesondere in der Übertragung der Vertriebsrisiken und -kosten auf den Vertragshändler. Dem Geschäftsherrn verbleiben allerdings die Produktionskosten und -risiken. Zudem sind seine Kontrollmöglichkeiten insbesondere im Hinblick auf die Preis- und Vertriebsgestaltung wesentlich geringer als bei Einschaltung eines Handelsvertreters.

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