Читать книгу Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht - Rolf Stober - Страница 43
Оглавление198Die Folgen von Beförderungs- und Ablieferungshindernissen regelt § 419 HGB. Sobald vor Ablieferung erkennbar wird, dass die Beförderung nicht vertragsgemäß durchgeführt werden kann, oder bestehen Ablieferungshindernisse, muss der Frachtführer Weisungen des nach § 418 HGB Verfügungsberechtigten einholen. Ist dann der verfügungsberechtigte Empfänger nicht zu ermitteln oder verweigert er die Annahme des Guts, ist der Absender weisungsbefugt. Auch in den Fällen von Beförderungs- und Ablieferungshindernissen kann der Frachtführer für die Ausführung von Weisungen Aufwendungsersatz und angemessene Vergütung verlangen, wenn das Hindernis nicht seinem Risikobereich entstammt. Kann der Frachtführer Weisungen nicht rechtzeitig erlangen, so muss er selbst die Maßnahmen ergreifen, die ihm im Interesse des Verfügungsberechtigten die besten zu sein scheinen. Er kann das Gut entladen und verwahren oder einem Dritten zur Verwahrung anvertrauen oder zurückbefördern, verderbliche Ware kann er verkaufen lassen, unverwertbares Gut kann vernichtet werden. Nach der Entladung gilt die Beförderung als beendet und der Frachtführer kann die anteilige Fracht für den zurückgelegten Teil der Beförderung verlangen.
199Die Parteien können vereinbaren, dass das Gut nur gegen Einziehung einer Nachnahme an den Empfänger abgeliefert werden darf. Ist das Zahlungsmittel nicht vereinbart, ist der Betrag in bar oder in Form eines gleichwertigen Zahlungsmittels einzuziehen. Mit „gleichwertigem Zahlungsmittel“ ist das sog. „electronic cash“, nicht etwa der Scheck gemeint. Der Frachtführer haftet verschuldensunabhängig, jedoch auf den Nachnahmebetrag beschränkt für Schäden, die aus einer Ablieferung ohne Einziehung der Nachnahme entstehen.
200e) Haftung des Frachtführers. Die §§ 425–436 HGB enthalten Vorschriften über die Haftung des Frachtführers. Gemäß § 425 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Guts oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht. Das schadensursächliche Ereignis muss in die Zeit zwischen der Übernahme des Guts zur Beförderung und der Ablieferung – Zeitraum der Obhut des Frachtführers über das Gut – fallen, die Haftung wird daher als Obhutshaftung bezeichnet. Gemäß § 426 HGB haftet der Frachtführer nicht, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die der Frachtführer auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte.
201Ein Verlust ist zu vermuten, wenn das Gut weder innerhalb der Lieferfrist noch innerhalb eines weiteren in § 424 HGB definierten Zeitraums abgeliefert wird. Die Lieferfrist, die auch für Verspätungsschäden relevant ist, ist in § 423 HGB legaldefiniert. Zu den Vermutungswirkungen bei nicht rechtzeitiger Schadensanzeige vgl. § 438 HGB.
202Die Ansprüche aus § 425 Abs. 1 HGB können auch vom Empfänger geltend gemacht werden, der Absender bleibt jedoch auch befugt, so dass es zu einer Doppellegitimation von Absender und Empfänger kommt; indessen muss der Frachtführer nur einmal zahlen. § 425 Abs. 2 HGB formuliert einen den Rechtsgedanken des § 254 BGB aufgreifenden Schadensteilungsgrundsatz, der für alle Haftungsfälle gilt.
203In § 427 HGB finden sich besondere Haftungsausschlussgründe, die den Frachtführer von seiner Haftung befreien, wenn der Schaden auf eine aus ihnen resultierende Gefahr zurückzuführen ist, z. B. Verwendung von offenen, nicht mit Planen gedeckten Fahrzeugen oder Verladung auf Deck, ungenügende Verpackung oder Kennzeichnung durch den Absender, natürliche Beschaffenheit des Guts, die besonders leicht zu Schäden führt. In Fällen, in denen einer der in § 427 Abs. 1 HGB aufgeführten Umstände zu dem aufgetretenen Schaden führen konnte, wird die Kausalität vermutet. Die besonderen Haftungsausschlussgründe des § 427 HGB werden auch als bevorrechtigte Haftungsausschlussgründe bezeichnet, da zugunsten des Frachtführers die Vermutung des § 427 Abs. 2 HGB streitet, während er bei dem Haftungsausschluss des § 426 HGB, der daher auch als nicht bevorrechtigt bezeichnet wird, den vollen Beweis für sein Vorliegen zu erbringen hat.
204Für die Höhe des vom Frachtführer zu leistenden Ersatzes gilt das Wertersatzprinzip: Bei gänzlichem oder teilweisem Verlust des Guts ist der Wert am Ort und zur Zeit der Übernahme zu ersetzen. Ist das Gut beschädigt, ist der Unterschied zwischen dem Wert des unbeschädigten Guts am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung und dem Wert zu ersetzen, den das beschädigte Gut am Ort und zur Zeit der Übernahme gehabt hätte. Es wird vermutet, dass die zur Schadensminderung und -behebung aufgewendeten Kosten diesem Betrag entsprechen. Für den Wert des Guts ist dessen Marktpreis erheblich bzw. der gemeine Wert von Gütern gleicher Art und Beschaffenheit; ist das Gut unmittelbar vor der Übernahme zur Beförderung verkauft worden, so wird vermutet, dass der in der Rechnung ausgewiesene Kaufpreis der Marktpreis ist. Der Frachtführer schuldet bei Verlust und Beschädigung über den Wertersatz hinaus noch Ersatz der Schadensfeststellungskosten.
205Für die Haftung des Frachtführers bei Verlust und Beschädigung gilt ferner eine summenmäßige Haftungsbeschränkung: Der zu leistende Ersatz ist bei Verlust oder Beschädigung der gesamten Sendung auf einen Betrag von 8,33 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds (SZR; 1 SZR hat zurzeit einen Wert von ca. 1,22 Euro; 4.11.2021) pro Kilogramm des Rohgewichts der Sendung beschränkt. Dieser Betrag kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders nur in einem Rahmen von 2 und 40 SZR verändert werden (sog. Korridorlösung) und die entsprechende Klausel muss drucktechnisch hervorgehoben werden. Bei Teilverlust oder Teilbeschädigung kommt es auf das Gewicht der gesamten Sendung an, wenn die gesamte Sendung entwertet ist, bei Teilentwertung nur auf das Gewicht des entwerteten Teils. Die Haftung des Frachtführers wegen Überschreitung der Lieferfrist ist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt. Über den gemäß §§ 429 bis 431 HGB im Schadensfall zu leistenden Ersatz hinaus muss der Frachtführer die Fracht, öffentliche Abgaben und sonstige Kosten aus Anlass der Beförderung erstatten.
206Hat der Frachtführer wegen Verletzung einer mit der Beförderung zusammenhängenden vertraglichen Pflicht für Schäden einzustehen, die nicht aus Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist entstanden sind und die keine Sach- oder Personenschäden sind, also insbesondere Fälle der positiven Vertragsverletzung, so ist seine Haftung auf das Dreifache des Betrags begrenzt, der bei Verlust des Guts zu zahlen wäre.
207Die Haftungsbefreiungen und -begrenzungen gelten bei den in § 425 Abs. 1 HGB genannten Schadensereignissen auch gegenüber deliktischen Ansprüchen des Absenders oder Empfängers gegen den Frachtführer. Auch gegenüber deliktischen Ansprüchen Dritter wegen Verlusts oder Beschädigung des Guts kann der Frachtführer Haftungsbefreiungen und -begrenzungen unter gewissen Voraussetzungen geltend machen.
208§ 435 HGB sieht einen Wegfall der Haftungsbefreiungen und -begrenzungen vor, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung des Frachtführers oder seiner Hilfspersonen zurückzuführen ist, die vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen wurde. Das leichtfertige Handeln im Bewusstsein der Schadenswahrscheinlichkeit lässt sich am ehesten als bewusste grobe Fahrlässigkeit umschreiben, die Einzelheiten sind umstritten. Der Wortlaut der Vorschrift entspricht Art. 25 WA 1955, § 660 Abs. 3 HGB. Praktische Relevanz wird die Vorschrift vor allem in den Fällen entfalten, in denen der Wert des Guts den in § 431 HGB vorgesehenen oder vertraglich anderweitig vereinbarten Haftungshöchstbetrag übersteigt.
209Für Handlungen und Unterlassungen seiner Leute und anderer Personen, deren der Frachtführer sich bei Ausführung der Beförderung bedient, hat er in gleichem Umfang einzustehen wie für eigenes Verhalten, § 428 HGB. Die Reichweite der Vorschrift stimmt im Wesentlichen mit § 278 BGB überein. Die Leute des Frachtführers ihrerseits können sich, werden außervertragliche Ansprüche gegen sie geltend gemacht, auf die gesetzlichen und vertraglichen Haftungsbefreiungen und -begrenzungen berufen.
Führt ein Dritter die Beförderung ganz oder teilweise aus (ausführender Frachtführer), so haftet jener bei Verlust, Beschädigung und Überschreitung der Lieferfrist während seines Beförderungsabschnitts wie der Frachtführer mit diesem gesamtschuldnerisch.