Читать книгу Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht - Rolf Stober - Страница 17
2.Geschäftsbedingungen
Оглавление30Ein besonderes und regelungsbedürftiges Phänomen stellen die Standardbedingungen eines Vertrages dar, die sog. Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie sind dadurch definiert, dass eine Vertragspartei diese Bedingungen einseitig aufstellt und vorformuliert. In Bestellformularen, vorgedruckten Vertragsurkunden und im PC gespeicherten Vorlagen finden Allgemeine Geschäftsbedingungen häufige Verwendung. Werden diese Bedingungen nun Vertragsinhalt, so ist die Richtigkeitsgewähr des vertraglichen Konsenses nicht gegeben, weil sie eben einseitig aufgestellt und vorformuliert sind, ohne dass der andere Vertragspartner auf sie Einfluss nehmen konnte und ihren Inhalt verändert hat. In dieser Situation findet nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland eine Kontrolle des Inhalts dieser Geschäftsbedingungen statt. Nach der europäischen Rechtslage ist dies nur für Verträge mit Verbrauchern geboten; in Deutschland besteht die Kontrollmöglichkeit aber über die Verbrauchergeschäfte hinaus im Wirtschaftsvertragsrecht insgesamt.
31Der Gesetzgeber sieht eine Kontrolle vor, die in § 307 BGB darauf abstellt, ob die Bedingungen die Interessen des Vertragspartners unangemessen benachteiligen. Es findet somit eine Fairness-Kontrolle des Inhalts der Geschäftsbedingungen statt. Das Abweichen von wesentlichen Grundgedanken vorhandener gesetzlicher Regeln ist ein weiterer Prüfungsgegenstand der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Insgesamt wird damit die Vertragsfreiheit, nämlich die inhaltliche Gestaltungsfreiheit durch Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, erheblich eingeschränkt. Die Kontrolle findet als gerichtliche Kontrolle vor den Zivilgerichten statt. Sie kann dadurch erfolgen, dass sich eine Partei in einem Zivilprozess auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen beruft. Das Gericht hat dann die Wirksamkeit der Geschäftsbedingungen nach den soeben genannten Gesichtspunkten der gesetzlichen Kontrolle zu überprüfen. Möglich ist auch eine vom Einzelfall unabhängige, sog. abstrakte Kontrolle; diese kann von den dazu autorisierten Verbänden und Einrichtungen des Wirtschaftsverkehrs (Industrieverbände, Verbraucherverbände, Handelskammer) ebenfalls bei den Zivilgerichten klageweise geltend gemacht werden.
32Mit den International Commercial Terms (INCOTERMS) stellt die Internationale Handelskammer zu Paris (ICC) dem Wirtschaftsverkehr ein allgemein anerkanntes Klauselwerk zur Verfügung, das für die Aufnahme in Wirtschaftsverträge gedacht und geeignet ist. Die INCOTERMS entstanden 1936 in ihrer ursprünglichen Fassung aus dem Wunsch, die Trade Terms international zu vereinheitlichen, und sie regeln bestimmte Fragen der Risikoverteilung zwischen Vertragsparteien, die insbesondere im grenzüberschreitenden und damit internationalen Handelsverkehr eine große praktische und auch rechtliche Bedeutung haben. Es geht bei den INCOTERMS vor allem um Fragen der vertraglichen Risikoverteilung zwischen Verkäufer und Käufer und um die Verteilung der Kosten für den Transport, die Versicherung, die Verpackung und die Zollfreimachung von Waren.
33Zu diesem Zweck hat die ICC insgesamt 11 Klauseln entworfen bzw. aus der international verbreiteten Vertragspraxis entnommen und diese in zahlreichen Modernisierungen immer wieder den sich verändernden Verhältnissen angepasst. In der Novelle von 1980 beispielsweise erfolgte eine Berücksichtigung des Containerverkehrs bei der Klauselgestaltung und die Novelle von 1990 stellte die INCOTERMS ein auf die Verhältnisse des elektronischen Daten- und Dokumentenverkehrs im internationalen Handel. Die geltende Fassung bilden die INCOTERMS 2020, bei deren Neufassung vor allem die Änderung der Klausel von DAT zu DPU hervorzuheben ist, mit der deutlich gemacht werden soll, dass der Bestimmungsort ein beliebiger Ort sein kann und nicht ein „Terminal“ sein muss. Wie die vorherigen Fassungen befassen sich auch die INCOTERMS 2020 nur mit dem Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer in Bezug auf einige ausgewählte Punkte des Kaufvertrags, enthalten aber keine umfassende Regelung aller Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag und auch keine Regelungen zu dem Beförderungsvertrag.
34Die ICC-Klauseln sind in vier Gruppen aufgeteilt, die ihrerseits nochmals unterteilt sind, und enthalten Pflichteninhalte, die beginnend mit einer reinen Abholklausel (exw = „ex works“) dem Käufer weitgehende Risiken und Pflichten der genannten Art auferlegen; auf der anderen Seite des Spektrums stehen die sog. D-Klauseln, die wiederum dem Verkäufer weitgehende Verpflichtungen und Risiken auferlegen (bei der DDP-Klausel („delivery duty paid“) hat der Verkäufer die geschuldete Ware auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko dem Käufer zu liefern. Die beiden anderen Klauselgruppen variieren das Pflichtenprogramm zwischen den Vertragsbeteiligten: Bei der FOB-Klausel („free on board“) hat der Verkäufer die Ware nur an den bestimmten Übergabeort insbesondere in einen Hafen zu liefern; die Kosten und die Verantwortung für den Transport trägt dann der Käufer. Bei der CIF-Klausel („cost, insurance, freight“) ist der Pflichteninhalt des Verkäufers umfassender; er hat insbesondere auch die Kosten des Transports und der Versicherung zu tragen. Durchweg liegt das Charakteristikum der ICC-INCOTERMS darin, dass die Vertragsparteien durch die Verwendung des Drei-Buchstaben-Kürzels ein ganzes Risiko- und Pflichtenprogramm in den Vertrag integrieren können. In der damit einhergehenden Rationalisierung des Vertragsinhalts, die beinahe weltweite Anerkennung und Verwendung gefunden hat, liegt die große Bedeutung und Leistung der INCOTERMS.
35INCOTERMS sind keine Gesetze und ihre gewohnheitsrechtliche Verbreitung ist nicht allgemein anerkannt. Deswegen handelt es sich nach dem Rechtsverständnis in der Bundesrepublik Deutschland um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie werden Vertragsinhalt, wenn die Vertragsparteien ihre Geltung einvernehmlich vereinbaren. Fehlt es an einem entsprechenden Konsens, wird die INCOTERMS-Klausel danach nicht Vertragsbestandteil. Die damit verbleibenden Vertragslücken sind dann im Zweifel mit dem geltenden Gesetzesrecht auszufüllen.