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3.Formfreiheit

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22Zum Grundsatz der Vertragsfreiheit im Wirtschaftsvertragsrecht gehört ferner der Grundsatz der Formfreiheit. Verträge und Rechtsgeschäfte sonstiger Art bedürfen grundsätzlich keiner besonderen Form, weil die Autonomie der Parteien so verstanden wird, dass es ihnen grundsätzlich selbst überlassen wird, für die Dokumentation von rechtserheblichen Erklärungen und deren Beweisbarkeit zu sorgen, sowie die zutreffende Einschätzung der Bedeutung eines Vertrages vorzunehmen. Deshalb sind grundsätzlich alle mündlichen und schriftlichen, unmittelbar oder auf technischem Wege übermittelten Erklärungen gleichermaßen erheblich und wirksam. Der Gesetzgeber trägt damit dem Bedürfnis des Wirtschaftsverkehrs Rechnung, der insbesondere die Abwicklungen von Willenserklärungen über das Telefon, das Telefax oder via E-Mail oder durch das Internet nutzen möchte, ohne an besondere Formanforderungen gebunden zu sein. Die Gewährleistung der Beweis- und Warnfunktion, die der Gesetzgeber mit besonderen Formvorschriften typischerweise verfolgt, muss im Wirtschaftsvertragsrecht grundsätzlich von den Wirtschaftsverkehrsteilnehmern selbst beachtet werden.

23Ausnahmen bestätigen diese Regel. Diese Ausnahmen rühren von den Regelungen des allgemeinen Vertragsrechts her und haben deshalb keinen wirtschaftsvertragsrechtlichen Hintergrund. Beispielsweise ist der Abschluss eines Grundstückskaufvertrages formbedürftig (er unterliegt dem Erfordernis einer notariellen Beurkundung); dies ist bei Wirtschaftsverträgen nicht anders als bei Verträgen zwischen Privatpersonen gleichermaßen zwingend vorgeschrieben, um die damit verbundene Beratungsfunktion durch den Notar erfüllen zu können. Ein spezifisches Formerfordernis im Wirtschaftsvertragsrecht gibt es nicht.

Verträge sind deshalb im Wirtschaftsrecht grundsätzlich formlos wirksam. Verträge, die im allgemeinen Vertragsrecht einer besonderen Form unterstellt sind – etwa der Bürgschaftsvertrag, der ohne Einhaltung der Schriftform unwirksam ist –, sind im Wirtschaftsvertragsrecht vielfach sogar ohne Einhaltung einer besonderen Form wirksam.

24Im Hinblick auf den elektronischen Geschäftsverkehr mittels Internet und via E-Mail hat der Gesetzgeber die sog. elektronische Form eingeführt, die immer dann, wenn das Gesetz ausnahmsweise die Schriftform verlangt, genutzt werden kann und die Schriftform der Erklärung ersetzt. Diese vom europäischen Recht europaweit eingeführte Möglichkeit ist für den digitalen Wirtschaftsverkehr von erheblicher Bedeutung. Die elektronische Form beruht auf einem Verschlüsselungssystem, dass durch bestimmte zertifizierte Unternehmen am Markt angeboten wird. Durch die Benutzung solcher sog. qualifizierten elektronischen Signaturen wird die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform wirksam ersetzt.

25Die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit ermöglichen den Wirtschaftsverkehrsteilnehmern, Formvorschriften zu vereinbaren. Solche Vereinbarungen können insbesondere zum Gegenstand haben, dass die Begründung oder die Änderung eines Vertrages nur bei Einhaltung der vereinbarten Schriftform wirksam ist. Solche Formvereinbarungen sind wirksam und führen bei Nichteinhaltung vereinbarungsgemäß zur Unwirksamkeit der Erklärung bzw. des Vertrages. Allerdings ist zu beachten, dass die Parteien eine vereinbarte Schriftformregelung auch wieder aufheben können. Wegen des Grundsatzes der Formfreiheit ist nicht nur die Vereinbarung, sondern auch die Aufhebung der Schriftform formfrei möglich. Insofern ist bei vereinbarter Schriftform regelmäßig zu prüfen, ob die Parteien diese Vereinbarung ausdrücklich oder angesichts der Umstände konkludent wieder aufgehoben haben. In einem solchen Fall gilt die vereinbarte Schriftform nicht mehr.

26Wirtschaftsverträge sind nicht anders im allgemeinen Vertragsrecht auf dem Konsens der Parteien aufbauend und in ihrer Wirksamkeit nur von diesem Konsens abhängig (sog. Konsensprinzip). Konsensualverträge haben in der Rechtswirklichkeit unserer Tage sog. Realverträge, deren Wirksamkeit neben dem Konsens der Vertragspartner ein zusätzliches reales Moment (etwa die Übergabe von Gegenständen) voraussetzt, beinahe vollständig verdrängt. In einem Teilbereich des Wirtschaftsvertragsrecht, nämlich im Eisenbahntransportrecht, hat sich allerdings ein bedeutsames realvertragliches Element erhalten: Ohne den erforderlichen Stempel der Eisenbahngesellschaft kommt der Vertrag nach den einschlägigen internationalrechtlichen Bestimmungen nicht wirksam zustande (Art. 11 CIM; nähere Angaben im Kapitel zum Transportrecht).

Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht

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